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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : "erfundene Krankheiten"



milz
24.10.2004, 23:27
http://www.wdr.de/tv/monitor/beitrag.phtml?bid=511&sid=100

Was meint Ihr dazu?

Und wer hat eigentlich festgelegt, dass Cholesterin ab 200mg/dl nicht mehr "normal" ist?
(Hatte früher schon mal eine Sendung gesehen, wo der Autor eines pharmakritischen Buches darauf zu sprechen kam. Deswegen die Frage.)

Schneewitche
24.10.2004, 23:58
Wow, das is ja echt heftig, daß Pharma-Firmen sogar statistiken fälschen und so. Dabei denkt man doch, daß Vorsorge-Untersuchungen toll sind. Aber statt dessen wird man dadurch so in die Irre geleitet, daß man Hormone schluckt, obwohl es vielleicht gar nicht so akut ist. Und das alles nur, weil die Pharma-Leute reich werden wollen.

Die Niere
25.10.2004, 10:52
Ein zweischneidiger Bericht, der mit Sicherheit einige Unregelmässigkeiten auf Seiten der Pharmafirmen nur aufgreift (von Enthüllung ist ja nun eigentlich kaum zu sprechen), aber für mich ein wenig zu einseitig und unprofessionell wirkt - eigentlich bin ich von Monitor besseres gewöhnt.


Jahrzehntelang wurde nur dann von Osteoporose, von brüchigen Knochen, gesprochen, wenn es tatsächlich zu einer Fraktur, also einem Bruch, gekommen war. Doch das trifft nach Statistiken gerade mal 1,2 Prozent der Menschen, die 75 Jahre oder älter sind. Woher kommt diese Zahl? Sind das alle Menschen, nur Frauen, nur Frauen ohne Hormonersatztherapie und wer hat osteoporose so definiert, dass es nur auf frakturierte Knochen zutrifft - leider kenne ich keine besseren Zahlen, aber ein komisches Gefühl habe ich bei dieser Aussage auf jeden Fall.

Überspitzt formuliert kann diese Zahl anders dargestellt komplett anders aussehen: Verteilung Mann:Frau = 50:50; Anteil an Frauen mit Östrogen 50%.
-> Entwicklung von Frakturen im Alter:
Männer: 0,3%
Frauen mit HET: 0,4%
Frauen ohne HET: 3,8%
Unabhängig davon ist die Frage nach Mamma-CA Entwicklung, ich möchte damit eigentlich nur demonstrieren wie absolut unsinnig diese statistische Angabe in diesem Zusammenhang ist.

Unbestreitbar führt das fehlen von östrogen in der Menopause zum Knochenabbau und das Frakturrisiko wird mit Sicherheit erhöht - solch ein Satz fehlt mir einfach für eine objektive Darstellung des Sachverhaltes. Ohne Probleme hätte man dann auf die zu niedrigen Grenzwerte (den Hinweis auf die gesponserten "Experten" fand ich sehr interessant und war mir dessen nicht bewusst) und Risiken einer Hormonersatztherapie (Mamma-CA) eingehen können.

Alles in allem hat der Bericht an vielen Stellen mit Sicherheit recht, schiesst aber meiner Meinung nach über das Ziel hinaus und stellt Sachverhalte auf zu reisserischem Niveau dar - und das kostet Glaubwürdigkeit.

gruesse, die niere

PS: Hat jemand eine Quelle für Zahlen bzgl. Frakturen im Alter insbesondere unter Berücksichtigung von Geschlecht und Hormonersatztherpaie?

milz
18.11.2004, 23:31
Zur "Cholesterinlüge" kam vorhin was in 3sat:
http://www.3sat.de/nano/cstuecke/72601/index.html
Es kamen verschiedene Kritiker zu Wort, die einen Cholesterinwert über 200mg/dl nicht grundsätzlich behandlungsbedürftig finden. Ebenfalls befragt wurde ein Vorsitzender der deutschen Lipid-Liga eV. (http://www.lipid-liga.de/inhalt/stellungnahmen.htm#0804_2), die für die Behandlung von Hypercholesterinämien ab 200mg/dl wirbt, und dieser gab unumwunden zu, dass sie von der Pharmaindustrie gesponsert wird!!! Also wenn das mal nicht stutzig macht...
Dass die Studien der Pharmaindustrie nicht selten geschönt sind, kann man hier nachlesen: Pharmaceutical industry sponsorship and research outcome and quality: systematic review (http://bmj.bmjjournals.com/cgi/content/abridged/326/7400/1167?maxtoshow=&HITS=10&hits=10&RESULTFORMAT=&andorexactfulltext=and&searchid=1098812983242_19983&stored_search=&FIRSTINDEX=0&sortspec=relevance&volume=326&firstpage=1167&resourcetype=1)

Andererseits scheint das Buch "Die Cholesterinlüge" von Prof. Hartenbach auch nicht ganz so fundiert, wie die Kontroverse zeigt:
http://www.herzstiftung.de/pdf/Zeitschriften/2_03HH_Cholesterinluege.pdf
http://www.swr.de/buffet/teledoktor/2003/12/02/

Was soll man denn davon jetzt halten?
Ist in Deutschland keine objektive und unabhängige Forschung möglich, um solche Fragen eindeutig zu beantworten?

tonexxx
19.11.2004, 07:00
Zur "Cholesterinlüge" kam vorhin was in 3sat:
http://www.3sat.de/nano/cstuecke/72601/index.html
Es kamen verschiedene Kritiker zu Wort, die einen Cholesterinwert über 200mg/dl nicht grundsätzlich behandlungsbedürftig finden. Ebenfalls befragt wurde ein Vorsitzender der deutschen Lipid-Liga eV. (http://www.lipid-liga.de/inhalt/stellungnahmen.htm#0804_2), die für die Behandlung von Hypercholesterinämien ab 200mg/dl wirbt, und dieser gab unumwunden zu, dass sie von der Pharmaindustrie gesponsert wird!!! Also wenn das mal nicht stutzig macht...
Hmmm, unser Endokrinologie-Prof. versucht nach eigener Aussage sogar, das LDL auf weniger als 100 mg/dl einzustellen. Die Begründung finde ich auch recht logisch: schaut man sich Naturvölker an, so haben die LDL-Werte zwischen 40 und 60 mg/dl.

Passt zwar nicht zum Thema Pharma-Konzerne und ihre Machenschaften, wollte ich aber trotzdem mal loswerden.

Neujahrsrakete
19.11.2004, 07:00
Hmmm, unser Endokrinologie-Prof. versucht nach eigener Aussage sogar, das LDL auf weniger als 100 mg/dl einzustellen. Die Begründung finde ich auch recht logisch: schaut man sich Naturvölker an, so haben die LDL-Werte zwischen 40 und 60 mg/dl.

Ob es so sinnvoll ist, völlig losgelöst von allem anderen einfach nur den LDL-Wert der Naturvölker zu imitieren? Die schaffen das ja immerhin ohne Medikamente.
[knallhart-modus-an]
Bei dem Lebensstil, den die fetten, satten, anspruchsvollen Patienten, die man hier in den Kliniken sieht, jahrelang gepflegt haben müssen, sollte man denen erstmal etwas ganz anderes empfehlen, als ihren LDL-Wert künstlich runterschrauben zu lassen.[/knallhart-modus-off]

Rico
19.11.2004, 07:00
Die Frage ist halt, inwieweit z.B. Vorgänge des physiologischen Alterns, die zu einer Pathologie führen können, als physiologisch anzusehen sind.

Ich mach mal ein Beispiel:
Die Intima-Media-Dicke an der A. carotis communis sonographisch gemessen nimmt im Laufe eines Lebens physiologisch durch Einlagerung von im Blut zirkulierenden Lipiden an Dicke zu. Sie beginnt mit ca. 0,3mm im Kindesalter und erreicht in der 8. Lebensdekade Werte um 0,9mm.
Werte über 0,8mm sprechen für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer atherosklerotischen Gefäßerkrankung in den nächsten 10 Jahren (Infarkt, Insult, PAVK).
Somit haben viele über 80 ein kardiovaskuläres Risiko - einfach auf Grund eines Alterungsprozesses.
Ist das jetzt als normal hinzunehmen oder als behandlungsbedürftig anzusehen?

Analog dazu der Cholersterinwert: Es ist gezeigt, daß je niedriger der LDL-Wert, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, eine CVD zu entwickeln.
Kann man daraus folgern, daß der Wert so niedrig wie möglich eingestellt sein muß - wie es ja schon beim Blutdruck praktiziert wird?
Ist eine schwierige Frage, zumal es erstmal viel einfachere und billigere Möglichkeiten gibt, den Cholesterinwert zu senken als eine Pille.

Letztlich ist es glaub ich bei der derzeit noch etwas undurchsichtigen Sachlage ohne klare Leitlinien die Entscheidung des Arztes, welcher Argumentation er folgt.
Es lebe die Therapiefreiheit!

Und wir warten auf den ersten Patienten, der einen Infarkt kriegt mit einem LDL von 173 als einzigem "Risikofaktor" und seinen Arzt verklagt, wieso er kein Statin bekommen hat... :-???

Vystup
19.11.2004, 07:00
Gugge mal hier (http://www.medical-tribune.ch/deutsch/fortbildung/kardiologie/procam.asp) zur Cholesterinluege. Gerade auf diesem Gebiet gab es einen so riesigen Haufen an Studien, dass ich da nicht so recht glauben mag, dass da so wesentliche Fehler drin sind.

Evil
19.11.2004, 07:00
Der klinische Chemiker in Bochum legt(e) weniger Wert auf absolute Cholesterinwerte als vielmehr auf das Verhaeltnis LDL:HDL... klingt fuer mich auch logischer.

Was tatsaechliche oder eingebildete Krankheiten angeht mein ich, dass die Beschwerden, bzw Symptomatik eines Patienten immer noch an erster Stelle stehen sollten.
(heisst: auf jeden Fall Statine nach kardiovaskulaerem Ereignis!)

Alles andere geht eher in Richtung Prophylaxe, so dass man da schon 2mal ueberlegen sollte... siehe die neuesten Nachrichten ueber Vit C...

tonexxx
20.11.2004, 10:45
Naja, kann ja nur das wiedergeben, was ich dort gehört habe.

Und meinen armen Prof. muss ich auch ein wenig verteidigen: auf jeden Fall ließt er die Statistiken schon realistisch und weiß auch um die Pharma-Konzerne. Und seine Begründungen fand ich schon sehr logisch.

Und unsere fetten und faulen Mitbürger jetzt als "unseren Standard" zu definieren kann m. E. auch nicht richtig sein. Dann doch lieber irgendwelche Naturvölker, die sich noch "artgerecht" ernähren und leben.

Evil
20.11.2004, 13:53
Naja, Naturvoelker ernaehren sich nun auch nicht unbedingt artgerecht...

Kuckst Du hier: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,328319,00.html

tonexxx
20.11.2004, 14:25
Irgendwie beeindruckend, wieviele Faktoren einen zum Psycho machen können.

;-)

hobbes
26.11.2004, 17:36
Eigentlich interessant. Nimmt man eine Bevölkerungsstatistik, so steigen die Cholesterinwerte und auch die LDL/HDL Ratio mit dem Alter in der Tat an. Ebenso sind die Cholesterinwerte bei Patienten mit atherosklerotischen Erkrankungen erhöht, allerdings stellt sich dort die Frage, ob die Werte aufgrund von einem "Zustand des Stresses" beim kranken Patienten nicht zusätzlich erhöht sind. Ob nun das Kollektiv der Patienten mit Myokardinfarkt tatsächlich gegenüber einem gleichwertigen (!) Vergleichskollektiv ein erhöhtes Cholesterin hat?

Wesentlich scheint mir, dass ein Kollektiv mit Statinbehandlung gegenüber einem Kollektiv ohne Statinbehandlung eine geringere Inzidenz von Myokardinfarkt aufweist. Statinen wirken also protektiv und dies nicht nur über die Senkung von Cholesterin, denn auch Patienten mit normalen Cholesterin profitieren von einer Statinbehandlung (direkte Wirkung).

Die Behandlung mit Statinen müsste eigentlich unabhängig von den LDL-Werten eines Patienten gemacht werden und demnach müssten wir (alsbald wir zu einer Risikogruppe gehören, z.B. Alter) alle Statine schlucken.

topic to be followed!

Evil
28.11.2004, 10:47
Ich hab mir sagen lassen, daß die protektive Wirkung der Statine nicht nur darin besteht, die Cholesterinwerte zu senken, sondern vor allem vorhandene Plaques zu stabilisieren.

Weißt Du da genaueres?

hobbes
28.11.2004, 13:01
Weißt Du da genaueres?

Statine sollen eine Wirkung haben auf alle in der Virchow-Trias beschriebenen Elemente. Statine reduzieren die Produktion von Cholesterin in den Makrophagen und reduzieren hiermit die Schaumzellbildung, es kommt zu einer Stabilisierung der Plaques. Weiter beeinflussen Statine die Immunfunktion (und werden hierfür offenbar in der Transplantationsimmunologie eingesetzt). Es gibt eine Inhibition von PDGF und damit eine Reduktion der smooth muscle proliferation. Zudem besteht eine aktivierende Wirkung auf EDRF (endothelium derived relaxing factor)

Vaughan, Murphy & Buckley in Lancet Vol 348, 1996, p. 1079-1082


Wie gesagt: to be followed.

milz
16.05.2006, 16:58
Der Thread ist zwar schon 1,5 Jahre alt, aber vielleicht gibt es neue Meinungen dazu. Ich bin nämlich immer noch ziemlich ratlos, was ich vom Thema halten soll und richtig objektive Quellen scheint es kaum zu geben.

Allein die Tatsache, dass mit Lipidsenkern 30 Milliarden Euro pro Jahr umgesetzt werden, wieviel Prozent der Bevölkerung man streng genommen behandeln müsste, die von der Pharmaindustrie gesponserte Lipid-Liga und viele weitere Dinge geben mir zu Denken. Ich verweise mal auf die Beiträge von Hans123 bei http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Cholesterin. Man muß sich da etwas einlesen.

Und vielleicht am Rande: Korruption im Gesundheitswesen: "Demnach werden medizinische Studien gefälscht, Behörden beeinflußt, Risiken verschwiegen und Selbsthilfegruppen unterwandert. Als ein Hauptverantwortlicher wird die Pharmaindustrie genannt." http://www.faz.net/s/Rub6B15D93102534C72B5CF6E7956148562/Doc~ED9B890F2D66C4115BD47BBC05FD923F5~ATpl~Ecommon ~Scontent.html