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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Beeindruckende Geschichten



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Lava
24.11.2004, 18:18
Hi allerseits,

sowas kennt ihr sicher: Geschichten, Personen, Situationen, die euch im Studienalltag begegnen und unglaublich beeindrucken. Heute hatte ich mal wieder so eine Begegnung. Und zwar sollte ich mit zwei Kommilitonen auf einer onkologischen Station bei einer Krebspatientin eine "bio-psycho-soziale" Anamnese erheben im Rahmen des Psychosomatikkurses. Die Patientin wusste das auch, aber nachdem wir ihr gesagt hatten, dass wir keine Ahnng haben, was überhaupt mir ihr los ist, hat sie ausgeholt und uns ihre Krankengeschichte der letzten 3 erzählt. Demnach müsste sie eigentlich schon seit mindestens 2,5 Jahren tot sein. Kommt häufiger vor bei Krebspatienten, dass sie es doch noch schaffen.... aber bei dieser Frau war es irgendwie einfach unglaublich. Nach Gott weiß wieviel OPs, Chemos und Bestrahlungen hatte sie scheinbar schon jeder aufgegeben, nur der Chef der Onkologie wollte noch weiter kämpfen. Er hatte wohl bei der Visite gefragt: "jeder der meint, wir können es noch schaffen, bitte melden" - niemand meldete sich. Nur er wollte es noch mal mit einer Chemo versuchen und hat der Patientin, die eigentlich nicht mehr wollte, gesagt, sie würde fast tot sein, aber es trotzdem schaffen. Und wie kam es? Er hatte RECHT. Es wurden schon die Angehörigen gerufen, weil die Ärzte meinten, es könne jede Minute zuende gehen... aber sie hat's trotzdem geschafft. Die Frage, für wie lange, blieb offen.... aber die Patientin schien einfach froh zu sein. Ich weiß, dass man zu Patienten mit so langen Leidesnwegen Distanz bewahren muss, damit man nicht selbst zu sehr leidet, aber irgendwie hat mich dieses heroische Bild von der Frau und unserem Onko-Chef ziemlich motiviert. Da wird einem klar, dass das, was wir lernen, nicht das ist, worum es geht. Es ist nur ein Handwerkszeug.

Könnt ihr vielleicht auch von so einer Schlüsselgeschichte erzählen?

Rico
24.11.2004, 19:13
Er hatte wohl bei der Visite gefragt: "jeder der meint, wir können es noch schaffen, bitte melden" - niemand meldete sich. Allein dafür gehört der meiner Meinung nach geprügelt :-??? (also verbal ;-))...

Wie kann man denn sowas bei einer Visite vor einer totkranken Patientin fragen?

In diesem Fall scheint es ja ganz gut gegangen zu sein, aber ich würde mich da irgendwie beschissen fühlen, wenn der Chef fragt, wer glaubt, daß das noch wird und alle Oberärzte, Assistenten, PJ'ler und Schwestern kucken in irgendwelche Ecken und keiner meldet sich....
Das kann auch ziemlich demotivieren glaub ich....

Neujahrsrakete
24.11.2004, 19:28
Wie kann man denn sowas bei einer Visite vor einer totkranken Patientin fragen?
Bleibt doch zu hoffen, daß er das VOR der Zimmertür gefragt hat.

agouti_lilac
24.11.2004, 19:30
Hmm... nicht anzunehmen, wenn die Patientin das berichtet hat. :-(

Rico
24.11.2004, 19:36
Eben...

Im günstigsten Fall hat er es ihr im nachhinein erzählt, aber auch das finde ich wirft kein gutes Licht auf ihn so à la "meine Kollegen haben ja schon alle geglaubt, sie schaffen's nicht, aber ich, ICH habe immer dran geglaubt."

Wobei man auch anmerken muß, daß v.a. terminal Kranke eine sehr seletive Wahrnehmung haben, wenn ihnen Prognosen und Therapieziele erläutert und die Sache im Nachhinein oft anders erzählt wird als sie wirklich war...

JHS
24.11.2004, 22:19
Solche oder ähnliche Geschichten hört man aber häufiger von Patienten mit lebensbedrohlicher Erkrankung.

Diese Patienten neigen dazu, Ärzte sehr polarisierend zu betrachten, ausserdem leben die meisten Patienten schon viel länger, als ihnen prognoistiziert wurde (hier kommt ein gewisser bias hinzu, wenn sie ihre Prognose nicht überlebt hätten wären sie ja schon tot und könnten nicht mehr davon berichten ;-) )

ehec
25.11.2004, 06:30
*schauder*

auch wenns bei dieser patientin anscheinend richtig war, ist maximaltherapie nicht bei jedem patienten der goldene weg...

Lava
25.11.2004, 15:21
Das hab ich mir auch irgendwie gedacht und mich gefragt, ob man bei einer Kassenpatientin genauso handeln würde...

Zu den anderen: so wie ich es verstanden habe, hat er es im Beisein der Patientin gefragt. Aber der wurde schon 2 Jahre zuvor auf sehr krasse Weise erzählt, wieso man nichts mehr mit ihr machen wolle. Ihr damaliger Arzt habe sie wohl mit einem Totalschaden Auto vs. Baum verglichen, in den man keine 4000 EUR mehr stecken wolle.... DAS fand ich krass.

Cassy
25.11.2004, 15:46
Also ich denke, dass beide Aussagen der Ärzte hart sind. :-(
Ich würde keine gerne zu hören bekommen. Ich denke aber auch, dass es der falsche Weg gewesen wäre, ihr die Situation zu verheimlichen bzw ihr eventuell unnötige Hoffnung zu machen. Man kann wirklich nur hoffen, dass der Arzt es ihr im Nachhinein gesagt hat. Ich hätte aber auch nicht in der Situation der Assistenzärzte, Schwestern.... sein wollen.

Jemine
25.11.2004, 16:24
Manchmal glaube ich, dass einige Ärzte was die menschliche Seite daran angeht, ihren Beruf verfehlt haben.... :-(

Aber wenn man so hört, dass schon totgeglaubte wieder gesund werden können, ist es echt schwer vorstellbar, zu was die Medizin heutzutage in der Lage ist. Wenn man bedenkt, dass früher die Menschen reihenweise an Krankheiten krepiert sind, die für uns heut nur Peanuts sind. Faszinierend und beängstigend irgendwie auch.

Ich habe auch noch eine Geschichte zu erzählen, die mich sehr berührt hat.
Als ich selbst mal im Krankenhaus lag, hatte ich eine Frau im Zimmer, deren kleines Baby in der 26. Schwangerschaftswoche geholt werden mußte. Jeden Tag ist sie auf die Frühchenstation gerannt, um bei der kleinen Selina zu sein und danach hat sie mir immer voller Hoffnung alle Neuigkeiten erzählt und das erste Foto und so rumgezeigt. Manchmal hab ich sie dann nachts auch weinen gehört und oft mit ihr geredet. Dann irgendwann durfte sie nach hause,hat ihr Baby aber jeden Tag besucht (mich auch*freu*) kurze Zeit später durfte ich auch gehen.
Nun weiß ich bis heute nicht, was mit den beiden ist, ob die Kleine überlebt hat und wie es ihr geht. Trotzdem muß ich immerwieder daran denken und irgendwie hab ich gutes Gefühl dabei.
Ich würd zu gern wissen, was aus denen geworden ist. Ich finde, diese Frau war unheimlich tapfer.

Cassy
25.11.2004, 16:29
Wisst du noch ihren Nachnamen? Bzw. lag sie in dem Krankenhaus in dem du jetzt arbeitest? Wenn ja, dann lässt es sich zumindest teilweise herausfinden.... :-lesen

Jemine
25.11.2004, 16:39
Ich weiß immerhin den Ort, in dem sie ungefähr wohnt, mehr aber auch nicht :-(
Naja und im Krankenhaus werd ich wegen der Schweigepflicht doch bestimmt nix rausbekommen, oder?

Cassy
25.11.2004, 17:37
Euer Krankenhaus hat doch sicherlich einen Pc, mit dem ihr Laboranforderungen, Diagnostikanforderungen, Etiketten ausdrucken,.... machen könnt. Einfach mal den Nachnamen eingeben und stöbern. Musst es ja keinem weiter erzählen ;-)

Jemine
25.11.2004, 17:43
@Cassy
Ich arbeite ja gar nicht im Krankenhaus... Ich hab da auch krank rumgelegen und wir waren auf einem Zimmer. :-nix
Hatte aber überlegt, da Pflegepraktikum zu machen, obwohl es glaub ich ein komisches Gefühl ist. dort ein Praktikum zu machen, wo man selber mehrmals in Behandlung war. *grübel*

JHS
25.11.2004, 17:43
Es ist meiner Meinung nach trotz Schweigepflicht legitim, sich nach dem Schicksal eines Patienten zu erkundigen, den man mitbehandelt hat. Denn man lernt schliesslich an Fällen, und dazu gehört natürlich auch der weitere Verlauf. Es ist ja auch eingfach aus medizinischer Sicht interessant, ob es ein Frühgeborenes geschafft hat, und wenn ja, dann in welchem Zustand...

Und inoffiziell bekommt man eh immer Auskunft - Also ein´fach mal nachhören!

Johannes
- der Obduktionen von Patienten, die er noch auf Station erlebt hat, besonders lehrreich findet!

P.S. das letzte Posting von Jemine ist erst erschienen, als ich wohl schon geschrieben habe. So sieht das ganze dann natürlich ganz anders aus.

Neujahrsrakete
25.11.2004, 17:43
Euer Krankenhaus hat doch sicherlich einen Pc, mit dem ihr Laboranforderungen, Diagnostikanforderungen, Etiketten ausdrucken,.... machen könnt. Einfach mal den Nachnamen eingeben und stöbern. Musst es ja keinem weiter erzählen ;-)
Würde ich auf gar keinen Fall empfehlen.
Stelle Dir vor, die Frau, die Du wiederfinden möchtest, fragt dann, woher Du die Adresse hast. Wär doch peinlich, zuzugeben (wenn Du nicht auch noch lügen möchtest), daß Du im PC nachgesehen hast.
Schreibe doch einen Brief, geh in die Verwaltung und schildere den Fall....vielleicht leiten sie den Brief weiter.

Jemine
25.11.2004, 17:46
hach, alle gleichzeitig! :-)
In dem Fall steht mir wohl doch die Schweigepflicht im Wege...

Cassy
25.11.2004, 17:53
@ Neujahrsrakete:
Ich hatte damit nicht gemeint, dass man sich so die Adresse besorgen soll. Das wäre ja wirklich nicht empfehlenswert. Dachte eher daran, dass man so zumindest herausfinden kann, ob das Kind diese Zeit überlebt hat oder nicht. Wenn man sich dann genauer dafür interessiert muss man eben doch an die Verwaltung einen Brief schicken, wobei ich mir kaum vorstellen kann, dass die einem die Adresse geben oder den Brief weiterleiten.

@ Jemine:
Ich dachte, du würdest in diesem Krankenhaus auch arbeiten. Als Praktikant wirst du kaum die Chance haben, am PC arbeiten zu dürfen (bei uns braucht jeder ein Passwort, bekommt man erst wenn man das Examen bestanden hat) und es wäre meines Erachtens nicht ratsam, sich dann über frühere (Mit-)Patienten schlau zu machen. (Vielleicht täusche ich mich auch :-blush )

ehemalige Userin 24092013
27.11.2004, 20:55
1.
Vor Jahren war ein Patient von mir auf der Inneren wegen Rechtherzinsuff., ansonsten aber absolut fit, stabil, selbstständig, lief umher, machte Witze....usw.
Wenige Tage später verbrachte er seinen 90. Geburtstag auf der Station.
Wie gesagt immer noch absolut stabil auch an dem Tag.
Der Tag danach aber war anders, er kam nicht mehr aus dem Bett, schlaff, krank....usw.
Tag für Tag wurde es schlimmer, am 4. Tag nach seinem Geburtstag ist er verstorben.


2.
Eine Freundin von mir hat ne ziemlich krasse Jugend inkl. böser Drogenkarriere hinter sich, dazu Schulden....usw.
Zusammen mit einer anderen Freundin ist sie mit erschnorrtem Geld auf die Kanaren geflogen.
Dort haben sie die Abende mit einer recht alten Frau aus Deutschland verbracht, die sich dort nen netten Lebensabend gemacht hat - viel erzählt, viel für die Frau am Tage getan (Besorgungen ect.)
Am letzten Abend vor ihrer Abreise gab die frau beiden ein Geldstück und meinte was von: "Ihr werdet noch lang an mich denken.....".
Nach dem Urlaub haben sich beide in verschiedenen Städten nen neuen Job gesucht und beiden gehts seit dem sehr gut, keine Drogen, keine Schulden, guter Verdienst.

1. war erschreckend und beeindruckend zu gleich.
2. klingt abgehoben, hat aber für ne anständige Gänsehaut gesorgt, als meine Freundin mir davon erzählte.

hobbes
27.11.2004, 23:47
In dem Fall steht mir wohl doch die Schweigepflicht im Wege...

Das würde ich aber auch meinen. Du warst ja selbst Patientin , als du die Frau kennen gelernt hast. Zudem besteht nicht das geringste wissenschaftliche oder gar klinische Interesse das Schicksal der Patientin zu erfahren, es ist die pure persönlich Neugierde. Da ist nichts schlechtes dabei. Aber ich würde sagen, hier verbietet der Datenschutz jegliches Nachforschen und du sollst mal lieber bei deinen Erinnerungen bleiben.