PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Eosinophilie und ihre Aussagekraft



Tombow
02.12.2004, 19:30
Ein vielfältiges Thema, was für mich angesichts eines aktuellen Falles gehörig :-??? aufwirft. Also, hier erst einmal die (kurze) Fallvorstellung:

22jährige Patientin, kommt aus Laos, seit 2 Monaten in Deutschland lebend, wird uns von dem niedergelassenen Kollegen mit einer komplexen oculomotorius-Parese überwiesen. Bis auf ihre Herkunft spricht bisher fast alles für die typische Konstellation "jung, fit, MS". Doch, jetzt beginnt das ganze so ziemlich interessant zu werden:

Bis auf die oculomotorius-Parese(beidseitig, und an jedem Auge sind unterschiedliche Äste betroffen), hat die Patientin keine anderen neurologischen Auffälligkeiten und absolut keine anderen Beschwerden.

Liquor: 5/3 Zellen, Laborergebnisse im Normbereich, Untersuchung des Sediments steht noch aus.

Bildgebung: steht noch aus.

Labor: Absolute Eosinophilie bei Lympho- und Neutropenie. Gesamtleukos nur grenzwertig erhöht(aber mit einem Eosinophilen-Anteil von über 80%), Erys und Thrombos im unteren Normbereich, Gerinnung im Normalbereich, sonst keine Auffälligkeiten.

Zu einem parasitären ZNS-Befall würde alles bis dato gut passen(inklusive Herkunft der Patientin). Wer sein Spaß an Mikrobiologie hat, der könnte sich jetzt auch alle möglichen exotischen Parasiten vorstellen, doch darüber will ich nicht hinaus. Hätte ich auch so akzeptiert(daher erst einmal Sono Abdomen angemeldet.....mit der Parasiten-Serologie eher zurückhalten, die Untersuchungen sind nämlich ziemlich teuer).

Alles schön und gut, wäre da nicht noch ein anderer Patient auf Station, diesmal ein 56jähriger LKW-Fahrer mit Z.n. Schlaganfall. Starker Raucher(ca 40 Zigaretten/Tag), DM Typ II, Hypertonus. Komischerweise gehen bei ihm die Eosinophilen auch in die Höhe, Laborwerte sind in der Hinsicht vergleichbar.

Und jetzt zu meiner Frage - wie hoch ist die Aussagekraft einer Eosinophilie, und wofür ist sie typisch außer für einen parasitären Befall? Ich weiß, daß das oft bei Rauchern der Fall ist, doch kombiniert mit Supression der sonstigen Leukozyten ohne jeden Hinweis auf Blutbildungsstörungen und OHNE Beschwerden seitens des Patienten? Nicht einmal sowas unspezifisches wie Abgeschlagenheit oder Müdigkeit....

In meinen :-lesen könnte ich auch keine plausible Erklärung finden, und langsam frage ich mich, was es denn überhaupt mit der Eosinophilie an sich hat. Für Vorschläge, Ratschläge, Belehrungen und Vermutungen jeglicher Art bin ich dankbar. Verzeihung, daß ich nicht die genauen Werte gepostet habe, aber nach einem laaaangen Tag bin ich schon müde und ein wenig matschig in der Birne, um die noch aus dem Gedächtnis herauszukramen.

Und nun ist eure meinung gefragt...

Froschkönig
02.12.2004, 19:39
Über Eosinophilie im besonderen kann ich hier auch keine hilfreiche Aussage treffen, wohl aber über Laborparameter im allgemeinen. Es stimmt zwar, daß so manche Laborkonstellation "typisch für" oder "hinweisend auf" etwas ist, aber da es in der Medizin nix gibt was es nicht gibt, kann so manche Abweichung auch mal rein gar nix bedeuten (quasi ähnlich wie anatomische Varianten). Beispielsweise gibt es auch ein "Leiden" bei dem die Gamma-GT chronisch erhöht ist, was zwar nicht den geringsten Krankheitswert hat, aber die Patienten fälschlicherweise bei Routineuntersuchungen meist zu Quartalssäufern oder ähnlichem abstempelt :-D

Freilich ist das in diesem Fall nicht gegeben, wenn bei dem LKW-Fahrer die Eosinophilen erst jetzt in die Höhe gehen und zuvor normal waren, erklärung hab ich dafür grad aus dem Stehgreif auch keine außer der berühmten "Läuse&Flöhe" theorie :-nix ;-)

Der Frosch

Tombow
02.12.2004, 19:42
Naja fröschi,

Bei dem LKW-Fahrer habe ich leider nicht die Befunde von vorher gesehen(er lag ein Paar Tage auf Stroke), insofern kann ich keine Aussage machen, ob es bei ihm erst jetzt so ist oder schon vorher da war.

Und allgemein hast du Recht, manchmal ist Laborbefunde interpretieren nur marginal unterschiedlich vom Kaffeesatzlesen

MichaelHH
02.12.2004, 19:47
Hört sich wirklich interessant an, Deine Fallbeschreibung! Sind beide Patienten am selben Tag gekommen? Sicher, das nicht irgendetwas im Labor schiefgelaufen ist und die Werte tatsächlich im Normbereich liegen?

Ansonsten habe ich einen guten Artikel im Netz unter

http://www.emedicine.com/med/topic685.htm

gefunden, der von 2002 ist. Da wird auch noch weiterführende Literatur zitiert. Zu der Patientin aus Laos hätte ich noch Fragen: Wird da die MS-Schiene abgeklärt (anti-ds-DNA, ANA, ANCA, Rheumafaktor, Borrelien, HIV, Lues, VEPs, SEPs?). Gibt es im Liquor oligoklonale Banden, Hinweise auf autochthone Ig-Produktion? Wäre auch interessant, den MRI-Befund zu sehen, wenn das gelaufen ist. Kannst Du uns da nicht weiter auf dem Laufenden halten. Spannend, spannend...

Froschkönig
02.12.2004, 19:49
Hört sich wirklich interessant an, Deine Fallbeschreibung! Sind beide Patienten am selben Tag gekommen? Sicher, das nicht irgendetwas im Labor schiefgelaufen ist und die Werte tatsächlich im Normbereich liegen?

Ansonsten habe ich einen guten Artikel im Netz unter

http://www.emedicine.com/med/topic685.htm

gefunden, der von 2002 ist. Da wird auch noch weiterführende Literatur zitiert. Zu der Patientin aus Laos hätte ich noch Fragen: Wird da die MS-Schiene abgeklärt (anti-ds-DNA, ANA, ANCA, Rheumafaktor, Borrelien, HIV, Lues, VEPs, SEPs?). Gibt es im Liquor oligoklonale Banden, Hinweise auf autochthone Ig-Produktion? Wäre auch interessant, den MRI-Befund zu sehen, wenn das gelaufen ist. Kannst Du uns da nicht weiter auf dem Laufenden halten. Spannend, spannend...
Ich glaub, Tombow gings hier weniger um die Präsentation eines Fallbeispiels als um die Frage zur Eosinophilie.... ;-)

Tombow
02.12.2004, 19:54
Michael:

Liquor-Labor von der Patientin aus Laos werde ich morgen nachschauen. Ist zwar heute gekommen, hatte aber absolut keine Zeit, mal nachzuschauen(war einfach zuviel los)...denke aber, daß alles im Normbereich lag. Zwischen den Laborwerten für beide Patienten liegen drei Tage dazwischen.

Und was den Fall betrifft, soweit es mir möglich ist, werde ich euch auf dem laufenden halten. Auf das MRT bin ich auch gespannt, nur momentan lassen sich unsere Radiologen gut und gerne damit Zeit *grrrrr*

Das Thema interessiert mich nicht zuletzt, weil meine Mutter vor ca 15 Jahren für 2 Monate mit einer wahnsinnigen Eosinophilie gelebt hat(gesamtleukos um die 50000, davon gut und gerne 45000 Eosinophile) und dabei nichts außer einer leichten Abgeschlagenheit fühlte. Dann war der Spuk genauso schnell wieder weg, wie er auch kam.

MichaelHH
02.12.2004, 19:56
Ich glaub, Tombow gings hier weniger um die Präsentation eines Fallbeispiels als um die Frage zur Eosinophilie.... ;-)

Ja, daher auch erster Teil meiner Antwort zur Eosinophilie-Frage und bei dem Rest ist ganz einfach meine Neugier mit mir durchgerannt... :-)

Froschkönig
02.12.2004, 19:57
Ja, daher auch erster Teil meiner Antwort zur Eosinophilie-Frage und bei dem Rest ist ganz einfach meine Neugier mit mir durchgerannt... :-)
Was nicht schlecht ist, ich bin sicher auch nicht böse, wenn der Fall weitergeht ;-)

Tombow
03.12.2004, 16:53
So....der Fall geht leider nicht weiter....momentan warten wir immer noch aufs MRT(oder auf Godot, die Unterschiede sind bei unseren Radiologen eher marginal)...und die Aussage unseres OA heute war auch nicht gerade erheiternd:

"die Frau hat klar etwas, aber ob wir es herausfinden können..."

Auf alle Fälle, für die ganz neugierigen, habe heute die Liquorwerte nachgeschaut, alles im Normbereich, kein Hinweis auf autochtone Ig-Synthese, keine oligoklonalen Banden. MRZ haben wir nicht gemacht(ziemlich teuer), könnte aber auch darauf hinauslaufen, daß es doch nachbestellt wird.

MichaelHH
03.12.2004, 16:58
Auf alle Fälle, für die ganz neugierigen, habe heute die Liquorwerte nachgeschaut, alles im Normbereich, kein Hinweis auf autochtone Ig-Synthese, keine oligoklonalen Banden. MRZ haben wir nicht gemacht(ziemlich teuer), könnte aber auch darauf hinauslaufen, daß es doch nachbestellt wird.

Was bedeutet MRZ?

Tombow
03.12.2004, 17:23
MRZ=Masern-Röteln-Zoster. Liquorserologie zum Nachweis von entsprechenden Antikörpern. Ist sehr oft positiv bei MS-Schub, auch wenn alle anderen Liquorparameter normwertig sind(oder bei entsprechender Virenpersistenz). Ziemlich teuer, daher wird es nicht immer gemacht, es sei denn, sie ist zwingend notwendig. Ein Beispiel wäre Patient mit florider Schubsymptomatik und klar im MRT sichtbaren Herden, aber normwertigen Liquorparametern.

Tombow
06.12.2004, 17:53
So...es gibt neue Entwicklungen in dem Fall...die uns aber keinesfalls weitergebracht haben:

Sono Abdomen und Rö-Thorax sind heute gelaufen. Beides absolut unauffällig, keine Hinweise auf parasitären Befall.

In diesem Sinne warten wir jetzt auf das MRT und es darf munter weitergegrübelt werden.

MichaelHH
06.12.2004, 18:10
Ok... Dann warten wir mal weiter... :-music
Danke für die Infos... ;-)

Tombow
09.12.2004, 22:48
Okay,

Nach einigen turbulenten Tagen(gelinde gesagt, seit Dienstag ist auf Station die Hölle auf Rädern los) komme ich endlich dazu, den Fall zu schließen. Mit einigen Überraschungen:

MRT Schädel - ohne Befund, bis auf eine Aplasie des Sinus Frontalis. Absolut kein Nachweis von Entzündungsherden, weder in der T1-, noch in der T2- oder FLAIR-Sequenz.

Nach längerem Überlegen und Infektausschluß entschlosen wir uns zu einem Kortison-Stoß über 3 Tage. Die Ophtalmoplegie hat sich darunter vollständig zurückgebildet, so daß wir die Patientin mittlerweile nach Hause entlassen könnten. Am Tag davor wurde auch auf Anraten des OA ein Tensillon-Test durchgeführt, was aber ebensowenig wegweisende Befunde brachte wie das MRT.

Soweit vermuten wir, daß vielleicht ein Entzündungsherd im Gehirn besteht, was sich aber noch nicht klar demarkiert hat. Ob MS oder nicht, sich darauf festzulegen wäre wohl zu früh. Denkbar wäre auch eine anderweitige ZNS-Beteiligung, zB im Laufe eines Lupus erythematodes. Ist zwar selten, aber doch denkbar. Im Hinblick auf die verschwundene Symptomatik haben wir diesmal lieber darauf verzichtet, noch die gesamte Vaskulitis-Serologie zu machen und es uns vorgemerkt, falls die Patientin nochmal vorstellig wird(die Vaskulitis-Serologie ist nämlich auch so eine Untersuchung der "etwas" teureren Art).

Und zuletzt, um auf die Eosinophilie zurückzukommen, die mich dazu brachte, den ganzen Fall hier zu posten - es war wohl ein Zufallsbefund. Für parasitären Befall fand sich kein Nachweis. Gut, durch einige Autoimmunvaskulitiden wäre sie doch hinreichend erklärt, doch(siehe oben), es ergab einfach kein Sinn, schon jetzt auf Teufel komm raus die ganze Diagnostik durchzuziehen.

Ich hoffe, der Fall war für euch einigermaßen interessant.

MichaelHH
10.12.2004, 09:38
Schade, dass der Fall letztendlich ungeklärt bleibt. Ist trotzdem interessant gewesen und vielleicht behält man ja beim nächsten Mal das Wörtchen "Eosinophilie" im Gedächtnis und es hilft dann weiter... Dankeschön!

lala
10.12.2004, 09:51
Schade, dass ihr da nicht weiter "geforscht" habt :-)
In den letzten 2 Jahren hatte ich mehrfach so seltsame Fälle (irgendwann meinte mein CA schon ich ziehe sowas an....).

Meine Lieblings-DD bei sowas ist immer eine Vaskulitis - oder gerade bei DER Eosinophilie das Churg-Strauss-Syndrom. Also anamnestisch mal Richtung unklare Lungenerkrankungen, PNP-Symptome und so forschen.
Bei uns hätten wir angesichts des Alters der Patientin und der Schwere des "Schubes" sicher die ganze Vaskulitis-Serologie gemacht. ggf. zusätzliche Manifestationen suchen (Nieren-Beteiligung? Sono, Crea-Clearance, Rö Thorax oder Thorax-CT?).

Noch eine kurze Anmerkung: wie lange habt ihr auf das MRT gewartet? Doch nicht wirklich fast die ganze Woche??! Und habt ihr nicht SOFORT mit dem Cortison-Stoß angefangen? Gerade bei einer beidseitigen NIII-Parese....

Nicht böse gemeint....andere Häuser andere Sitten...
Sollte die Patientin nochmal auftauchen kannst Du sie gerne mal zu mir schicken ;-)