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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fall 20/2004 Emergency Room 1



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DanielOliver
09.12.2004, 11:53
Da ich grade an meiner Dr.Arbeit schreibe und eh den ganzen Tag am Computer sitze hier auch mal ein Fallbeispiel von mir :-)

21.00h abends, in einer Stunde endet eure letzte Schicht nach einem Monat Famulatur in einem innerstädtischen Emergency Room im mittleren Westen der USA.

Ihr nehmt euch also eure letzte Patientenchart vom Ständer, laut Triage-Krankenschwester Leitsymptom Rückenscherzen, nicht dringlich, und spaziert gemütlich zur Behandlungskabine. Als ihr den Vorhang zurückzieht findet ihr eine etwa 30-jährige Patientin, halb sitzend auf Beide Arme aufgestützt, offensichtlich schwer atmend und in schlechtem Allgemeinzustand.

Wie gehts jetzt weiter, vor allem in welcher Reihenfolge. Im Zimmer habt ihr einen transportablen Monitor, normale Wandanschlüsse, Hanschuhe. Irgendwo auf dem Flur hetzen die Schwestern rum, die Oberärzte sind nicht in Sicht.

lala
09.12.2004, 12:50
OK -da ich krankheitsbedingt auch gerade dauernd am PC hänge fang ich mal an...
Zunächst mal ein paar Fragen zur Anamnese:
Leitsymptom Rückenschmerz? Seit wann? Akut aufgetreten? Nach Trauma (Sturz)? oder plötzlichem Husten? WO sitzt der Schmerz? atemabhängig? ausstrahlend?
Da die Dyspnoe doch scheinbar im Vordergrund steht - seit wann ist diese da? Zeitgleich oder etwas später als der Schmerz?
Vorerkrankungen? Medikamente bereits genommen?

Und wenn Du schon den Monitor vor Dir hast - mal direkt nebenbei die O2-Sättigung bestimmen (evt später auch BGA und Notfall-Labor)

DanielOliver
09.12.2004, 13:21
Genau so hab ichs dann auch gemacht:
Mit den Händen den O2-Sensor auf den Finger gepackt und die Blutrduckmanschette angelegt und gefragt was los sei.

Stärkste Scherzen seit heute morgen, vor allem rechte Schulter, war am Vormittag schon in einem anderen ER wo man die Schulter geröngt hat und sie wieder nach Hause geschickt hat. Als es weiter schlechter ging ist sie dann auf Rat der Angehörigen in diesen ER gegangen.

Pat. massiv verängstigt und unruhig, weis nicht was los ist und hat sowas noch nie erlebt

O2-Sättigung bei Raumluft 81%, Puls so um die 110, tachypnöisch, hab nicht genau gezählt, RR läuft gerade

Das hat jetzt so grob ne Minute gedauert, schätze ich mal

Alles wird gut
09.12.2004, 14:15
Dann sollte eine weitere Minute darauf verwendet werden, ein EKG zu kleben und danach mit dem Stethoskop mal auf die Lunge hören.
Nebenbei erfragen, ob die Patientin raucht und/oder die Pille nimmt (bzw. natürlich sonstige Medikamentenanamnese). Familienanamnese betreffend Embolien und Herzinfarkte wär auch noch interessant...

DanielOliver
09.12.2004, 14:50
Ich hab ja erstmal was therapeutisches gemacht.

Nichtraucherin, keine Medis, auch keine Kontrazeption

test
09.12.2004, 15:27
Sauerstoff gegeben? :-nix

tonexxx
09.12.2004, 15:39
Sauerstoff gegeben? :-nix
Wenn keine Asthma-Anamnese: :-dafür

lala
09.12.2004, 15:48
Auch wenn`s nervt:
Wie kam es zu den Schmerzen? Schon damit aufgewacht? Wann und wie kam es zu der Luftnot? Beides progredient? Schmerzen "vor allem in der Schulter" - wo denn noch?? Bewegungsabhängig? Die müssen sich doch was dabei gedacht haben die Schulter zu röntgen statt des Thorax?! Zu dem Zeitpunkt noch keine Luftnot gehabt? Husten ? Wenn ja wie?

Geht doch nichts über eine sorgfältige Anamnese ;-) ...

stephi
09.12.2004, 16:20
In letzter Zeit irgendwohin geflogen? Beruf?
Ist sie zyanotisch?
Bin auch für Sauerstoff, abhören (ev. auch perkussion, oder ist das veraltet?!) und EKG!
Das Röntgen von heute vormittag hat sie nicht zufällig mit, oder zumindest einen Befund?
Noch eine "blöde" Frage (frau, 30): Schwanger?

Dr. Sziget
09.12.2004, 16:26
bei 81% Sättigung würde ich auch für Sauerstoffgeben..wie wärs mit Fragen nach Schwangerschaft. Hat sie in letzter Zeit einen Virusinfekt durch gemacht ??

Grüße
Dr.Sziget

stephi
09.12.2004, 19:23
..wie wärs mit Fragen nach Schwangerschaft.


meine Meinung!

Froschkönig
09.12.2004, 19:39
Und wenn nicht schwanger : Raucht sie ? viel ? Sitzende Tätigkeit im Beruf ? Fehlgebrten in den letzten Monaten/Jahren ?

nduester
09.12.2004, 21:02
Hm... wie gehts weiter?

Was sagt das längst geklebte EKG, wie interpretierst Du den Auskultationsbefund, wie schnell kommst Du ggf. an ein neues Röntgenbild?

RR-Befund hast Du uns übrigens immer noch vorenthalten...

Zugang?

DanielOliver
09.12.2004, 22:15
Jaja, da geht man mal ins Kino und schon geht die Post ab.

O2-Gabe war dann auch das erste was ich gemacht habe, Sauerstoffbrille hatte ich in der Kabine, ging aber nur auf 86% hoch, mit Maske und 10l/min. dann 96%.

RR 90/50, links vesikuläres Atemgeräusch, rechts Stille, perkutorisch rechts abgeschwächter Klopfschall

Wohl mit Schmerzen aufgewacht, Schulter und rechter Rücken, vor zwei Tagen Husten, Nichtraucherin, keine kardiale, pulmonale oder Thromembolische Eigen- oder Familienamnese

Aus dem anderen Haus hat sie nix dabei außer einem Rezept für ein Nicht-Steroidales Antirheumatikum

Dabei hab ichs dann auch mal gelassen, waren ja schon ein par Minuten vergangen und als Student sollte man doch mal einen Oberarzt informieren. Außerdem war die Patientin ordentlich panisch und unstrukturiert, und ich war auch ein bisschen aufgeregt, die perfekte Anamnese hab ich also sicher nicht erhoben.

EKG, Labor und Zugang sind in den USA Aufgaben der Krankenschwestern. Als Nicht-Oberarzt darf ich auch keine Anordnungen alleine treffen, aber man kann der Schwester ja vorschlagen das die Patienten ein chest-pain-panel brauchen könnte. Die können dass dann nämlich nach eigenem Ermessen durchführen. Da sind dann Notfalllabor, Troponin, EKG, Zugang und Rö Tx enthalten.

Die Pflege macht jetzt also ihren Job und ich marschiere zum Oberarzt. Mit welchen Verdachtsdiagnosen präsentieren wir die Patientin?

Nach der Patientenvorstellung war dann auch das EKG da. Welche therapeutische Entscheidung hängt vom EKG ab?

Tombow
10.12.2004, 00:06
Soweit meine Verdachtsdiagnosen:

Fulminante Lungenembolie rechts DD MI mit Va Herzbeuteltamponade DD Massives Pleuraerguss rechts DD Lungenödem rechts DD Spontanpneumothorax rechts(wobei letzteres eher ein wenig zu weit gegriffen ist.

Falls das EKG keine Anzeichen für ein MI zeigt, dafür aber einen überdrehten Rechtstyp, ggf. mit Rechtsschenkelblock, da würde ich der Frau schon eine Thorax-Drainage legen. Falls doch Anzeichen für ein kardiales Geschehen da würde ich mir eine Lyse überlegen. Bei einem alternierenden Typ (mit oder ohne Niedervoltage-EKG) vielleicht gar eine Perikard-Punktion(Va Herzbeuteltamponade). Bei der Anamnese, soweit du sie erhoben hast, spricht wenig dagegen, aber da würde ich schon den OA in der Hinsicht ansprechen.

Und immer noch hätte ich LIEBEND GERNE das Rö-Thorax. Man könnte der Schwester sagen, daß die Patientin nicht einfach so ein "chest pain panel" brauchen könnte, sondern daß sie es eher dringend brauchen könnte.

DanielOliver
10.12.2004, 09:50
Lungenembolie war auch meine erste Idee, aber eine wichtige Differentialdiagnose fehlt mir noch.

Und die EKG-abhängige therapeutische Entscheidung an die ich dachte ist eher basal und wenig invasiv ;-)

Herzstromkurve
10.12.2004, 10:10
Was haben wir bisher:
-thorakale Schmerzen (Atemabhängig?, kompressionsschmerz?)
-Husten
-Dyspnoe und schlechte Sättigung
-Mäßiger RR
-Abgeschwächtes Atemgeräusch mit Klopfschalldämpfung

Mich würde interessieren:
Klinisch: Fieber, natürlich Medikamentenanamnese, letzte Regel
Techn: Röntgen Thorax, EKG, Labor (BB, CRP, in Gottes Namen D-Dimere und Herzenzyme):

Meine DD (in Reihenfolge der Wahrscheinlichkeit und bei bisher noch ein paar fehlenden Informationen):
Pneumonie + Pleuritis (am wahrscheinlichsten) :-meinung

Klar kann es auch eine LE mit Infarktpneumonie sein

Infarkt doch eher unwahrscheinlich, ebenso Perikardtamponade

Irgentwelche dicken Schläuche würde ich im Moment noch nirgens reinstecken (auch wenn ich sowas gerne mache :-) )

Evil
10.12.2004, 11:09
Noch nicht genannt wurde eine Aortendissektion, infolge MI oder auch wegen einer Gefäßentzündung, dazu würde auf jeden Fall die Schmerzausstrahlung in die Schulter passen.

Deshalb hätt ich auch gern ganz fix das Rö, das FBC und den Zugang...

lala
10.12.2004, 11:46
oh ja Aortendissektion ist auch mein Favorit!
Alternativ vielleicht ein (Spontan-)Pneumothorax?

Also mal los: EKG, Thorax etc.!!

DanielOliver
10.12.2004, 12:15
Die DDs haben wir jetzt glaub ich alle zusammen, mit denen hab ich sie dann auch vorgestellt.
Der Oberarzt wollte mich dann bei Schichtende nach Hause gehen lassen, aber da ich die verängstigte Patientin von Anfang an betreut hatte und den Fall spannend fand bin ich dann dageblieben.

Der Oberarzt hatt mich im weiteren Verlauf mit ein par gezielten Fragen super durchgelotst, mich aber ansonsten selbstständig machen lassen. Eine der besten Lernerfahrungen in meinem Leben.

Schwanger ist sie nicht, in dem Haus wo ich war bekam jede Frau im gebärfähigen Alter einen Schwangerschaftstest, bei der dortigen Klientel durchaus angebracht.

EKG war nach der Patientenvorstellung auch da, Sinustachykardie um die 110, keine ST-Hebung und auch sonst nix auffälliges

Da kardiales nun wirklich unwahrscheinlich war haben wir erstmal großzügig Volumen im Schuß gegeben (siehe RR und Puls) und im Röntgen angerufen, dass die sich mal in Bewegung setzen. Bin dann auch mit zum Entwickeln um keine Zeit zu verlieren. Rechter Thorax war komplett verschattet, keine Spiegelbildung oder Lungenstrukturen zu erkennen.
Labor ist abgenommen, dauert aber noch.

Nächste diagnostische Maßnahme?
Was würdet ihr therapeutisch weiter machen?