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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Welche Wirkung hat Thalidomid?



Locki
30.12.2004, 12:11
HAllo,

ich bin noch Schuelerin, hab als keine grosse ahnung von medizin und co.
Aufgrund eines referats In recht ueber den Contergan- fall wollte ich mal hier nachfragen, ob mir jmd. erklaeren kann, welche wirkung Thalidomid genau hat.
Was bewirkt Thalidomid genau (auch negative Aspekte, wie eben beim Conterganfall)

Es waere klasse, wenn mir jmd. Antworten wuerde.

Lg Locki

Neujahrsrakete
30.12.2004, 12:46
Ich schmeiße mal eben eine wilde Mischung aus "mal gelesen" und Erinnerungen an einen Vortrag zum Thema in den Raum:

Gedacht und eingesetzt war das Thalidomid (verkauft als "Contergan") als Schlafmittel und als Mittel gegen Übelkeit. In Deutschland ist es von 1957-1961 vertrieben worden.
Die USA hatten zu dem Zeitpunkt irgendeine Medikamenteneinfuhrsperre, weil irgendeine neue Prüfbehörde erstmal "alles Neue" gestoppt hat. Deswegen ist der Skandal dort ausgeblieben. Über die Benutzung des Mittels in anderen Ländern zum damaligen Zeitpunkt weiß ich nichts. Heute wird es in manchen Ländern noch als Schlafmittel benutzt (u.a. angeblich in Mexico, wie ein Kommilitone sagte). Im Beipackzettel steht wohl drin, daß man es während der Schwangerschaft nicht nehmen soll.
Weiterhin ist es wohl so, daß nur das Racemat eine schädigende Wirkung auf das ungeborene Kind hat? Dazu weiß ich grad nicht mehr. Muß man mal recherchieren, wie das mit den nur-rechts/ nur-links-drehenden Formen ist.
Ich habe auch mal gehört, daß damals aus Kostengründen auf die Trennung in Enantiomere verzichtet worden ist. Warum man allerdings überhaupt über eine Trennung in +/- nachgedacht haben soll, weiß ich auch nicht.

Ein Wirkmechanismus ist der, daß die Gefäßeinsprossung verhindert wird. Daher also die Schäden beim sich entwickelnden Kind.
Aber deswegen wird das Stoff heute auch für die Tumorbehandlung (experimentell?) eingesetzt, z.B. gegen das Glioblastom (eine Untergruppe von Hirntumoren).
Weiterhin wird Thalidomid heute für die Behandlung von Lepra und gegen das "multiple Myelom" eingesetzt.
Es gibt/ gab mal die Theorie, daß das Thalidomid nicht schädigend auf Embryonen wirkt, sondern daß es im Gegenteil Embryonen, die normalerweise zu einer Fehlgeburt geführt hätten, an der Fehlgeburt hindert, so daß sie behindert geboren werden. Diese Theorie hat sich wohl aber eher als falsch herausgestellt.

Sorry für das Durcheinander.
Vielleicht sind aber ein paar Ansätze dabei, die Dir in Deinem Referat oder bei der weiteren Recherche helfen :-party

hobbes
30.12.2004, 17:38
Thalidomid ist kein Protonenpumpenhemmer! Jedoch ist der schädliche Wirkstoff durchaus ein Enantiomer von Thalidomid.

Neujahrsrakete
30.12.2004, 17:48
Thalidomid ist kein Protonenpumpenhemmer!

Hat doch auch niemand behauptet.
Ich vermute mal stark, daß die Fragestellerin des Thalidomid-Themas die Suchfunktion benutzt hat und so an diesen Thread hier gekommen ist.
Seinen wir doch dankbar dafür, daß die Suchfunktion genutzt wird :-party
Wenn es hier auch sinnvoll gewesen wäre, einen neuen Thread zu eröffnen.
Aber egal. Soviel Abstraktionsvermögen werden wir wohl aufbringen können, daß wir in einem Thread mit dem Titel "Protonenpumpenhemmer" über Thalidomid diskutieren.

hobbes
30.12.2004, 19:16
Soviel Abstraktionsvermögen werden wir wohl aufbringen können,



aber sicher doch! :-top

Rico
30.12.2004, 20:17
Ich hab das trotzdem mal separiert... (da sich der jetzt neue Starterbeitrag ja auch nicht weiter mit den PPI beschäftigt hat).

Ist einfach übersichtlicher auch in Hinsicht auf erneute Suchanfragen :-meinung

Scrotum
31.12.2004, 00:41
Zu den beiden Enantiomeren ist noch zu sagen, dass eine Trennung keinen therapeutischen Nutzen mit sich bringt, da sich beide in vivo ineinander umwandeln. (der chem. Fachbegriff dafür fällt mir gerade nicht ein- sorry :-nix)

sunrise10086
31.12.2004, 02:25
War Isomerisieren das gesuchte Wort?

Thalidomid beim Glioblastom zu geben ist übrigens ein furchtbarer Zirkus da es in Deutschland nicht so locker über den Apothekentisch geht.

Neujahrsrakete
31.12.2004, 09:12
Thalidomid beim Glioblastom zu geben ist übrigens ein furchtbarer Zirkus da es in Deutschland nicht so locker über den Apothekentisch geht.

Stimmt.
Und dann gibt es noch den Unterschied zwischen Kassen- und Privatpatienten.
Die gesetzlichen Kassen zahlen Thalidomid nicht, weil die Sozialgesetzgebung es ihnen nicht erlaubt (oder sogar verbietet?).
Für Privatversicherte entscheidet der Bundesgerichtshof.
(Sollten juristisch gebildete Forenuser mehr dazu sagen können, nur zu!!! Ich habe diese Info auch aus besagtem Vortrag mitgenommen, ohne weiter zu recherchieren.)

Die Tatsache, daß mit der Medikamentenabgabe so restriktiv vorgegangen wird, kommt daher, daß die Firma (Grünenthal?) einen Imageschaden befürchtet. Erstens, weil sie sich ohnehin schon an "dieses" Medikament herantraut und zweitens, weil es natürlich ein gefundenes Fressen für Megaprozesse wäre, wenn hier wieder ein Schaden entstehen würde.

Primitive Kritiker sagen, daß "so ein Medikament" nie wieder auf den Markt kommen dürfe. Das halte ich aber angesichts der Tatsache, daß das Mediakment sinnvolle Einsatzgebiete hat, für überzogen egoistisch.

Steeldust_01
31.12.2004, 10:30
Afaik ist bei Contergan die linksdrehende Form extrem fruchtschädigend, während die rechtsdrehende Form keine Veränderungen hervorruft.

Könnte der gesuchte Begriff " Inversion " sein ?
Zwar habe ich keine biochemische Ausbildung ( in vivo bedeutet " umgewandelt in den Zellen " ?? ) , aber als Chemielaborant lernt man ein bisschen was über Enantiomere.

Bei der Inversion wird die Konfiguration umgewandelt, d.h. R wird zu S bzw. S zu R ( CIP System ) oder auch D wird zu L ( Fischer ) .

OliP
31.12.2004, 12:29
Und die Enzyme die das katalysieren waren glaub ich Racemasen ?!

Scrotum
01.01.2005, 11:46
Inversion war das gesuchte Wort. Danke für das Mitraten! :-)

agouti_lilac
03.01.2005, 19:48
Die Tatsache, daß mit der Medikamentenabgabe so restriktiv vorgegangen wird, kommt daher, daß die Firma (Grünenthal?) einen Imageschaden befürchtet. Erstens, weil sie sich ohnehin schon an "dieses" Medikament herantraut und zweitens, weil es natürlich ein gefundenes Fressen für Megaprozesse wäre, wenn hier wieder ein Schaden entstehen würde.


Bis etwa Anfang 2004 hat Grünenthal Thalidomid KOSTENLOS abgegeben.
Jetzt kostet das als gesetzlich Versicherter (und damit Selbstzahler) einige Tausend € im Monat. Das kann sich kein kranker Mensch leisten. :-??? :-??? :-???

alex1
03.01.2005, 20:26
Naja, kommt auf die Erkrankung an.

Temodal zur Behandlung von Glioblastomen ist auch nicht gerade billig...
Trotzdem wird es gerne verschrieben und die Kasse zahlt es auch.

Neujahrsrakete
03.01.2005, 20:41
Bis etwa Anfang 2004 hat Grünenthal Thalidomid KOSTENLOS abgegeben.

Das hatte ich auch in Erinnerung, dachte aber, irgendetwas mißverstanden zu haben :-nix Aber es stimmt offensichtlich doch.
Warum ist es denn kostenlos abgegeben worden?
Um erstmal einen gewissen Bedarf zu produzieren, mit dem man dann später das
große Geschäft machen möchte?

agouti_lilac
03.01.2005, 21:30
Das hatte ich auch in Erinnerung, dachte aber, irgendetwas mißverstanden zu haben :-nix Aber es stimmt offensichtlich doch.
Warum ist es denn kostenlos abgegeben worden?
Um erstmal einen gewissen Bedarf zu produzieren, mit dem man dann später das
große Geschäft machen möchte?Also, meines Wissens hat Grünenthal Thalidomid aus Mitleidsgründen kostenlos abgegeben. Ich hab jetzt aber nicht mit der Firma telefoniert oder so und weiss deswegen nicht, ob das so stimmt.
Das mit dem Bedarf anzüchten kann ich mir fast nicht vorstellen, denn das ist wirklich dermaßen teuer geworden, dass man sich das entweder vor dem Sozialgericht erstreiten muss oder sein Haus verkaufen darf oder so. Ein paar Hundert € als Preis würde doch viel mehr Leute "an der Stange halten".


Temodal zur Behandlung von Glioblastomen ist auch nicht gerade billig...
Trotzdem wird es gerne verschrieben und die Kasse zahlt es auch.
Die Produktionskosten von Thalidomid sind aber sehr niedrig und ich finde das einfach nicht gerechtfertigt, für ein "Pfennigprodukt" dermaßen viel Geld zu verlangen, so dass es sich ein Normalverdiener nicht mehr leisten kann.

Ich weiss nicht, wieviel Temozolomid in der Herstellung kostet, aber da müssen auch Entwicklungskosten, Patentzeugs, etc. berücksichtigt werden.
Ob der Endpreis damit gerechtfertigt ist, kann ich nicht einschätzen.
Das ist doch bei Thalidomid doch alles passè, oder?

Gruß, lilac

Froschkönig
03.01.2005, 21:30
Warum ist es denn kostenlos abgegeben worden?
Um erstmal einen gewissen Bedarf zu produzieren, mit dem man dann später das
große Geschäft machen möchte?
Hoch lebe die Marktwirtschaft :-(

Neujahrsrakete
03.01.2005, 23:50
Habe folgende Zeilen:


Das Unternehmen Grünenthal hat den Bereitstellungsservice für Thalidomid von seinem normalen kommerziellen Geschäft getrennt und gibt das Medikament nur auf begründete Nachfrage an Ärzte ab. Thalidomid wird in jedem Fall kostenlos zur Verfügung gestellt. Nach Auskunft seitens Grünenthal besteht der verbindliche Unternehmensbeschluss, Thalidomid unter keinen Umständen kommerziell zu nutzen.
in
diesem (http://www.arte-tv.com/de/wissen-entdeckung/Contergan/408574,CmC=359758.html)
Text gefunden.

Der Text ist zwar etwas älter und sagt nichts über den aktuellen Stand aus (ich werde noch weiter googlen), ist aber trotzdem nicht uninteressant, oder?

Neujahrsrakete
04.01.2005, 00:10
Uiuiui, da kann man sich ja den Verstand weggooglen, soviel findet man zu dem Thema :-(( :-wow
Die Firma Pharmion (http://www.pharmion.com/CorporateWeb/home.nsf/Content/Home) vermarktet das Thalidomid also.....................seht selbst.