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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Psychopharmaka in der Schmerztherapie



Jemine
06.01.2005, 17:57
Hallo!
Mir hat letztens jemand erzählt, dass manchmal im Rahmen einer Schmerztherapie bei chronischen Schmerzen auch Psychopharmaka eingesetzt werden!?
Heißt das, dass die Patienten "nicht für voll" genommen werden? Wie schrecklich...
Wie wirken die auf den Schmerz und warum besser als Schmerzmittel? *grübel*

Faust601
06.01.2005, 18:05
Guckst du hier (http://www.medi-learn.de/medizinstudium/foren/showthread.php?t=11319) . :-top

Jemine
06.01.2005, 18:10
Antidepressiva kann man als Adjuvantien bei der Therapie chronischer Schmerzen einsetzen.
Eine mögliche Erklärung für die Wirkung wäre, dass im deszendierenden antinozizeptiven System u.a. eben auch Serotonin eine Rolle spielt, dessen Konzentration im synaptischen Spalt durch einen selektiven Serotonin-Reuptake-Hemmer wie Fluoxetin entsprechend erhöht würde.
Meines Wissens ist aber noch nicht ganz klar, ob dieser Erklärungsansatz wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, aber sicher ist, dass Antidepressiva wirken und dass sie das bereits bei niedrigeren Dosierungen als bei psychiatrischen Indikationen tun.

Äh, wenn sich noch jemand erbarmt und mir das kurz übersetzt... :-blush

Faust601
06.01.2005, 18:35
Ich will's mal versuchen und vor allem auch ergänzen. Hab nämlich gerade festgestellt, dass wir in dem anderen Thread auf einen ganz wesentlichen Punkt gar nicht eingegangen sind:

Psychopharmaka werden nicht nur als Adjuvanzien (= zusätzlich zur eigentlichen Medikation) eingesetzt, sondern sie sind sogar Mittel der Wahl beim sog. "neuropathischen Schmerz". Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schmerz durch eine Schädigung des Nervensystems selbst ausgelöst wird. Beispiele sind Schmerzen durch Herpes-Infektionen, aber auch etwa Phantomschmerzen.

Eingesetzt werden hier Antidepressiva (brennende Schmerzen) sowie Antiepileptika (einschießende Schmerzen).

Wie genau die wirken, kann ich dir nicht so genau sagen. Fakt ist aber, dass alle Psychopharmaka auf die eine oder andere Weise den Neurotransmitter-Stoffwechsel beeinflussen.

Und Fakt ist auch, dass es ein körpereigenes schmerzhemmendes System gibt (das besagte "deszendierende antinozizeptive System"). Und ein Neurotransmitter in diesem schmerzhemmenden System ist Serotonin, ein Transmitter, den gerade Antidepressiva stark beeinflussen.

Arg viel mehr kann ich dazu jetzt nicht zum besten geben. Es mag sein, dass man da mittlerweile sehr viel mehr weiß, aber da müsste ich mich auch erst einlesen.

Werwolf
06.01.2005, 19:03
Wenn Psychopharmaka adjuvant in der Schmerztherapie gegeben werden, hat das überhaupt nichts damit zu tun, daß man die Patienten nicht für voll nimmt. (Das gilt übrigens für Psychopharmaka im allgemeinen- ich nehme Patienten, die solche Medikamente einnehmen, durchaus für voll! Und wer das nicht tut, hat keine Ahnung. Mit ´nem gebrochenen Bein, ´nem Magenulkus oder Krebs kannste "angeben" oder erhältst zumindest Bedauern in der "Normalbevölkerung"- als psychisch Kranker Mensch hast Du höchstwahrscheinlich das Pech, daß sich die "Normalbevölkerung" von Dir abwendet, weil Du ja gaga bist, nicht alle Tassen im Schrank hast, etc. Wäre schlimm, wenn auch noch Leute, die zumindest ein bißchen Ahnung davon haben sollten, nämlich z.B. Ärzte, auch so reagieren würden! Abwenden, nicht für voll nehmen, etc. Das tust Du übrigens gerade, Jemine.)
Um´s mal möglichst kurz und simpel zu erklären: Psychopharmaka ändern etwas daran, wie der Schmerz von den Patienten bewertet wird. Schmerzmittel im eigentlichen Sinne finden hierbei natürlich zuallererst Verwendung, NSARs, schwache, starke Opioide, etc. Sofern diese keine ausreichende Schmerzreduktion herbeiführen, kann man adjuvant Psychopharmaka geben, weil dadurch der "Restschmerz" anders wahrgenommen und als nicht mehr so quälend bewertet wird.
Naja, und für bestimmte "Arten" von Schmerzen sind Mittelchen wie Gabapentin sogar erste Wahl, ohne daß man den Patienten für durchgeknallt hält. (s.Faust)

Jemine
06.01.2005, 19:11
als psychisch Kranker Mensch hast Du höchstwahrscheinlich das Pech, daß sich die "Normalbevölkerung" von Dir abwendet, weil Du ja gaga bist, nicht alle Tassen im Schrank hast, etc. Wäre schlimm, wenn auch noch Leute, die zumindest ein bißchen Ahnung davon haben sollten, nämlich z.B. Ärzte, auch so reagieren würden! Abwenden, nicht für voll nehmen, etc. Das tust Du übrigens gerade, Jemine.



Hallo, das habe ich ja wohl NIE behauptet!! :-((

Ja, und weil ich davon keine Ahnung habe (jetzt zumindest eine klitzekleine Vorstellung), habe ich hier nachgefragt!
Da ich nicht wußte, dass die Psychopharmaka auf die von Faust beschriebene Weise wirken sollen, habe ich gedacht, dass diese Medikamente den Patienten eher ruhigstellen sollten. Aber das ginge ja nicht an die Ursache, oder?? Jezt weiß ich es etwas besser.
Also hör bitte auf, mir soetwas zu unterstellen!

Werwolf
07.01.2005, 19:00
@Jemine: Ich unterstelle Dir nichts, und ich sage auch nicht, daß Du irgendwelche Behauptungen aufgestellt hättest. Ich habe lediglich Dein Posting gelesen und ein bißchen weitergedacht, was das Deine Formulierung impliziert. Lies einfach Dein erstes Posting nochmal. Vielleicht verstehst Du dann, was ich meine: "Die kriegen Psychopharmaka? Nimmt man die etwa nicht für voll? Schlimm!"

Prima, demnach findest Du , daß man Schmerzpatienten für voll nehmen sollte. Wäre ja schlimm, wenn nicht. Das finde ich auch, absolut.

Wenn man jetzt Deine Formulierung mal ein bißchen "weiterspinnt", heißt das aber, daß Leute, die Psychopharmaka (als NICHT Schmerztherapeutikum) bekommen, durchaus zu recht nicht für voll genommen werden (von Dir).

Verstehst Du, was ich meine? Vielleicht habe ich Dich falsch verstanden, aber für mich kam das so rüber. Und weil ich diese Deine (wenn sie denn so ist) Auffassung kein Stück teile, habe ich Dir die Gründe dafür erklärt. Zumindest ansatzweise.
Und jetzt hör auf zu heulen, komm wieder runter von der Palme, kriegst auch´n :-keks

Rico
08.01.2005, 09:34
Wenn man jetzt Deine Formulierung mal ein bißchen "weiterspinnt", heißt das aber, daß Leute, die Psychopharmaka (als NICHT Schmerztherapeutikum) bekommen, durchaus zu recht nicht für voll genommen werden (von Dir). Naja... das geht aber sehr weit in die Deutung.
Außerdem finde ich den von Dir gezogenen Schluß falsch:
Denn wenn ein psychisch kranker Patient Psychopharmaka kriegt, dann ist er ja adequat behandelt - also durchaus "für voll genommen".

Jemine
08.01.2005, 18:36
Wenn man jetzt Deine Formulierung mal ein bißchen "weiterspinnt", heißt das aber, daß Leute, die Psychopharmaka (als NICHT Schmerztherapeutikum) bekommen, durchaus zu recht nicht für voll genommen werden (von Dir).

1. Nein, auch das habe ich absolut nicht gemeint. Wahrscheinlich wissen viele einfach nur nicht, wie sie sich Menschen, mit z.B. Depressionen gegenüber verhalten sollen, denn das ist nicht so (BE)GREIFBAR, wie Krebs oder so. Warum bei Depressionen solche Medikamente eingesetzt werden, ist mir relativ klar, nach euren Erklärungen noch etwas mehr.
Ich wußte allerdings vorher wie gesagt nicht, warum denn auch in der Schmerztherapie Antidepressiva o.ä. eingesetzt werden. Mir kam halt als LAIE der Gedanke, dass man den Patienten anders nicht mehr zu helfen weiß und das nun schnell auf die psycho(somatik)-Schiene schiebt, um sie (krass ausgedrückt) los zu werden. Ich (LAIE) würde mich ja auch wundern, wenn mein Arzt mir sagt "Sie bekommen jetzt gegen ihren Husten mal ein Rheumamittel von mir..."
So, nun bin ich etwas schlauer und ehrlichgesagt auch erleichtert, dass dem nicht so ist.



Und jetzt hör auf zu heulen, komm wieder runter von der Palme, kriegst auch´n :-keks

2. Ich heule nicht wegen eines solchen Posts von dir *rofl*

3. :peace:

Werwolf
08.01.2005, 22:57
@Jemine: OK! :peace: :-keks :-party

Jemine
21.01.2005, 15:16
Hier nochmal, das Thema läßt mich jetzt irgendwie net mehr los...:-stud

Ich frage mich, wie chronische Schmerzen überhaupt entstehen?
Schmerz ist doch ein Warnsignal dafür, dass im Körper "irgendetwas nicht stimmt". Verletzung, Entzündung,... In dem Fall hat man doch einen akuten Schmerz, der ein quasi aktuelles Geschehen meldet, oder?
Es heißt doch auch, dass der Körper sich Schmerzen nicht merken kann, wenn sie einmal wieder weg sind, aber er kann sie doch wiedererkennen (oder?)?
Wie kann denn dann ein chronischer Schmerz entstehen, denn im Falle von chronischen Schmerzen liegt ja akut nix vor. :-nix

Ich hoffe, ihr könnt mich da noch etwas aufklären! Das Thema find ich echt ungemein spannend. :-lesen

Rico
21.01.2005, 16:42
Kuck mal hier (http://www.schmerzliga.de/pages/patienten/was.html) und hier (http://www.schmerzliga.de/pages/patienten/vergleich.html) oder mal ein bisserl googeln... da gibt's ziemlich viel im Netz drüber.

Jemine
21.01.2005, 17:09
:-top :-top Herzlichen Dank!
Darf ich später trotzdem weiterfragen? :-blush

Bille11
21.01.2005, 19:03
aber immer!