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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kann man bei dem stressigen Arbeitsalltag überhaupt noch froh sein?



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MatzeXXL
18.01.2005, 07:26
Hi,

ich bin am hin-und herüberlegen ob ich nicht doch Medizin studieren soll.
Was mich daran besonders reizt, ist, daß ich im Studium viel über den Menschen lerne und daß ein sehr breites Wissensspektrum abgedeckt wird wie z.B. Anatomie, Psychologie, Biochemie.
Und ich könnte mir auch vorstellen, im Krankenhaus zu arbeiten, allerdings denke ich, diese Arbeit ist mit sehr viel Stress verbunden, man hat die Patienten, die man ja heutzutage recht schnell behandeln muss, damit der Durchsatz auf Station gewährt ist oder die Kasse stimmt (eigene Praxis)...im Krankenhaus muss man mit den Kollegen und den manchmal sicher komischen Schwestern auskommen, aber ok auskommen muss man mit seinen Kollegen überall.
Und hart arbeiten wohl auch heutzutage...... :-?

Ich habe so die Befürchtung, daß die Vorstellung, mit Menschen und auch fachlich arbeiten zu können, bald der Ernüchterung weichen könnte.....

Also meine konkreten Fragen: Ist dieser Beruf (lassen wir mal Anästhäsie und Psychiatrie weg) überhaupt mit Familie und gelegentlicher Freizeit vereinbar?
Sind die Arbeitsbedingungen mittlerweile wirklich so schlecht wie es überall heisst? Viele von euch sind doch schon weit in den klinischen Semestern oder vielleicht sind ja auch ein paar Ärzte hier......
Ist es mit den nichtregulären Diensten wirlich so schlimm?
Schlaucht diese Arbeit auf Dauer sehr oder beleben einen die Patienten innerlich immer wieder?

Steht im diesem Beruf mittlerweile noch der Mensch im Vordergrund oder ist die ganze Behandlung zu einer Hetze von Patientenzimmer zu Patientenzimmer geworden? Hat man Zeit, auch mal 2 Minuten mit einem Patienten zu reden?

Kackbratze
18.01.2005, 17:02
Vielleicht solltest Du das eher einen fertigen Arzt fragen.

Klar, hier gibt es auch eine Menge davon, aber ich denke, wenn Du verschiedene Ärzte aus verschiedenen Fachbereichen fragst, bekommst Du auch unterschiedliche Antworten.

Meiner Meinung nach würde ein Praktikum in einem Krankenhaus Dir mehr Einblicke verschaffen, als alle Antworten in diesem Forum.

:-meinung

Und da kannst Du dann alle Ärzte direkt fragen!

Leijona
18.01.2005, 17:11
die reaktion einiger schon länger tätiger ärzte, wenn sie erfahren dass ich medizin studiere:

"oh mein gott, hast du dir wirklich überlegt, was du dir da antust...das darf ja wohl nicht wahr sein
....
(...)
....
ach was bin ich froh, dass es auch heute noch junge menschen gibt, die so richtig aus überzeugung arzt werden wollen! ich selbst würde nie einen anderen beruf ergreifen wollen"

:-)) :-))

oder, mein vater, selbst arzt:

"ach physik, das wäre doch ein feiner beruf gewesen... warum denn nun medizin?? als arzt ist man doch der letzte dreck... man geht drauf, wird nicht gewürdigt, schuftet sich tot, niemand dankt einem.....
....
....
....
doch ich finde medizin passt sehr gut zu dir, du wirst es machen, gute ärzte wird es immer brauchen, nur weiter so! "

:-)) :-)) :-))

Scrotum
18.01.2005, 17:28
Bezüglich Arbeitsbelastung: Kommt halt drauf an, was du erreichen willst. Willst du Karriere machen, musst du deine 60-80 Stunden schufften, is klar und ist in anderen Berufen nicht anders. Kenne BWLer, die auch nicht vor 10 Uhr Abends nach Hause gehen.

questionmark
18.01.2005, 17:41
Kann man bei dem stressigen Arbeitsalltag überhaupt noch froh sein?

Ich denke, das ist eine der größten Herausforderungen, die die Medizin - wie wohl auch jedes andere Gebiet - zu bieten hat. Inwieweit läßt man sich vom Alltagstrott entmutigen?! Keine Ahnung, werde es hoffentlich irgendwann herausfinden.
Aber ich denke daran sind auch viele kleine Dinge beteiligt: Dass man sich in seiner Umgebung wohl fühlt, dass man die kleine Erfolge würdigt, dass man sich neue Herausforderungen schafft, dass man einen guten Ausgleich hat, trägt wohl alles dazu bei, den Alltag nicht als Belastung zu empfinden.

Loish
18.01.2005, 21:36
und ist in anderen Berufen nicht anders. Kenne BWLer, die auch nicht vor 10 Uhr Abends nach Hause gehen.
:-meinung
Ich wollts nicht als erste sagen, weil - siehe links - als Erstie, der auch noch nie länger im medizinischem Bereich gearbeitet hat, hab ich nicht die legitimierung so was zu behaupten.
Danke, Scrotum, dass du es erwähnt hast.

hobbes
18.01.2005, 21:52
Kann man bei dem stressigen Arbeitsalltag überhaupt noch froh sein?

Diese Frage möchte ich - jetzt mal ohne Begründung - mit einem dicken fetten überzeugten JA beantworten.

Die Niere
18.01.2005, 22:15
Da hobbes es nun ja schon in all seiner Umfassenheit beantwortet hat, bleibt mir nur übrig ihm zuzustimmen.

gruesse, die niere, die der Meinung ist, dass derjenige, der das nicht schaft, irgendetwas falsch gemacht hat auf seinem weg

Miramis
18.01.2005, 23:28
Bezüglich Arbeitsbelastung: Kommt halt drauf an, was du erreichen willst. Willst du Karriere machen, musst du deine 60-80 Stunden schufften, is klar und ist in anderen Berufen nicht anders. Kenne BWLer, die auch nicht vor 10 Uhr Abends nach Hause gehen.

Heißt das, als Arzt arbeitet man zwangsläufig immer mindestens 60 Stunden?
Wie ist denn die allgemeine Arbeitszeit eines Arztes überhaupt? (Ich meine jetzt die eines Krankenhausarztes). Feste, also geregelte Arbeitszeiten gibt es wohl nicht, das ist mir klar, aber es gibt natürlich ein allgemein gültiges Minimum/Pensum, oder? Wo liegt das bei einem Arzt? Sorry für die Frage, aber ich kenne ganz offensichtlich viiiiel zu wenig Ärzte! :-blush :-top

Evil
19.01.2005, 08:39
Nach BAT sind es 38,5 Stunden die Woche, ohne Überstunden kommt aber mittlerweile noch nicht mal die Anästhesie aus, je nach Fach so 4 bis 10 Überstunden pro Woche.
Dazu kommen dann vielleicht noch 4-6 Dienste pro Monat, bei wachsender Personalknappheit (oder auch Einsparung) je nach KH auch mehr.

Ich denke, sowas von 60-70 Stunden inklusive Diensten ist durchaus realistisch... kann aber auch in manchem Haus mehr sein.

Man sollte sich nicht aufopfern, aber ohne Engagement geht's nicht. Und noch (hoffentlich noch lange) halte ich es für den schönsten Beruf! Mit Menschen zu arbeiten macht doch viieel mehr Spaß, als in der Uni grauer Theorie zu verschimmeln... :-winky
:-meinung

Edi
21.01.2005, 23:52
Mal ganz davon abgesehen, dass du in nahezu jedem akademischen Beruf mit ner (mindestens) 50 Stunden Woche rechnen kannst.

lala
22.01.2005, 08:09
Hallo Matze!
Ja - man kann noch froh sein!! Auch wenn man 60-80h/Woche arbeitet, manchmal viel zu wenig Schlaf hat, viele Dinge geichzeitig organisieren muss, immer mehr Dokumentationskram und andere Arbeit aufgehalst bekommt....immer wieder wirst Du in diesem Beruf auch Momente habe, wo Du plötzlich wieder merkst WARUM Du Dich hierfür entschieden hast :-top

Stress gibt es natürlich immer im Berufsalltag. Stress mit Schwestern,Kollegen oder Vorgesetzten kann es geben - das sollte aber eigentlich regelbar sein und das wirst Du in jedem anderen Beruf auch haben können.
Der größte Stressfaktor ist eher das Verhältnis Arbeit/Zeit.Gerade am Anfang braucht man für alles länger Zeit (und sollte sie sich auch nehmen) - da fallen Überstunden ohne Ende an. Und das dann mit Familie zu verbinden kann schwer werden (Alternative Teilzeitstelle überlegen!).
Freizeit und Freunde werden kürzer treten - das ist aber alles eine Frage der Organisation ;-)

Die Arbeitsbedingungen sind nicht wirklich schlecht. Man muss einfach lernen sich selbst und seine Arbeit zu organisieren und Probleme mit Abläufen oder Kollegen/Vorgesetzten offen ansprechen. Und was meinst Du mit "nichtregulären Diensten"?

Wenn Du wirklich in dem Bereich arbeiten willst schau es Dir vorher an, mach ein Praktikum, lauf mal auf Station mit den Ärzten mit - wer Arzt/Ärztin werden will der schafft das auch mit den Bedingungen klar zu kommen.
Und man hat Zeit mit seinen Patienten zu reden - man muss sie sich einfach nehmen!! Und wenn Du dann an einem stressigen Tag irgendwann merkst, dass Du zumindest einem Patienten wirklich geholfen hast und der auch noch dankbar ist - das hebt die Stimmung und die Motivation wieder :-dafür

JHS
22.01.2005, 09:46
Willst du Karriere machen, musst du deine 60-80 Stunden schufften.

Dies ist, so denke ich, ein Problem, das nicht unwesentlich zu weiterer Areitsbelastung führt. "Wer schreibt, der bleibt" ist nicht selten das Motto an den Unikliniken. Daher muss man, neben der regulären 60-80Stunden Woche noch Forschung und evtl. Labor organisieren.

Aber diese Situation haben sich die Leute ja selber ausgesucht...

JHS

Neujahrsrakete
22.01.2005, 10:06
Die Situation an der Uniklinik ist ja ganz katastrophal und völlig aus dem Ruder gelaufen. Als Student merkt man fast in jedem Kurs, und manchmal auch in den Vorlesungen, daß man ungewollt und ein Klotz am Bein des lehrenden Arztes ist. Oft sind da junge und nette Assistenzärzte, die aber auch schon völlig im Trott festhängen und bei dem ohnehin schon minimalen praktischen Unterricht im Chaos versacken, sich entschuldigen, daß sie keine Zeit haben ....zack haben wir wieder einen Vormittag lang nichts gelernt.
Chirurgie und Innere sind (in Bonn) da zum Beispiel ganz ganz schlimm gewesen. Neurologie, Neurochirurgie, Epileptologie und Psychiatrie waren Fächer, in denen die Dozenten und Kursleiter viel Zeit hatten und man das Gefühl hatte, daß sie den Unterricht auch gerne machen.
Zurück zum Hauptthema, den Arbeitsbedingungen.
An der Uniklink lassen sich die Ärzte leider auf Arbeitsverträge ein, die sie von Anfang an gar nicht erfüllen können. Wenn da drin steht, daß die Forschung, Lehre und Patientenbetreuung mache nmüssen, KANN das nicht gut gehen. Ich frage mich immer, warum man so einen Vertrag überhaupt annimmt. Würde keiner mehr solche Bedingungen akzeptieren, müsste sich ja langsam mal etwas ändern. Aber im Zuge der eigenen Karriere ist vielen Ärzten das offensichtlich egal, daß sie die geforderten 3 Teilbereiche gar nicht alle seriös bedienen können. Also wird irgendwo eingespart und das ist eben ganz schnell mal der Studentenkurs der ausfällt, oder bei dem man die Studenten sich selbst überlässt.
Natürlich ist es schön, wenn ein Top-Arzt sein Wissen in alle 3 Bereiche einbringt. Aber die Realität sieht einfach so aus, daß die meisten damit natürlicherweise überfordert sind und nur wild zwischen den einzelnen Pflichten hin- und herrasen.
Ich finde das Konstrukt Uniklinik inzwischen nur noch krank und hoffe, daß ich im PJ da nicht hin muß.

lala
22.01.2005, 15:20
Nochmal zumThema Arbeitsbedingungen und der Frage ob man bei dem Stress noch froh sein kann:
Ich denke das ist v.a. eine Frage wie man persönlich mit Stress umgehen kann, welche Ansprüche man an sich selber hat und was "froh sein" einem einzelnen ausmacht. Ich muss gar kein Super-Arzt sein bzw.werden. Ich weiß auch, dass ich von den meisten Patienten kein Wort des Dankes bekomme oder gar Geschenke ;-)

Meine Kollegen und ich machen zZ meist jeder so 2-3 Überstunden täglich -klar, das ist nicht in Ordnung und sollte nicht so sein. Aber wir schaffen es fast immer uns zwischendurch mal zusammen zu setzten zum gemeinsamen Mittagessen oder quatschen abends (wenn alle Aufnahmen versorgt sind und nur noch Verwaltungskram oder Briefediktieren anliegt) mal bei einem gemeinsamen Capuccino. Und sowas ist bei aller Hektik wichtig!
Und wenn mir nach regulärem Dienstschluß noch ein Notfall gebracht wird bleibe ich auch gerne mal länger und versorge diesen (wenns spannend ist) und gebe dass nicht an den AvD sofort weiter (der meist auf seiner Station noch genug Routinearbeit zu tun hat).
Und wenn dann z.B. ein zuvor aphasischer und hemiplegischer Patient nach erfolgreicher Lyse plötzlich den Arm hochhebt und wieder spricht dann bin ich ganz schön "froh" drüber :-)
Oder wenn Patienten plötzlich Postkarten aus der Reha-Klinik schicken und sich nochmal bedanken wollen....
Oder wenn der unklar komatöse Patient, der einem den ganzen Nachtschlaf geraubt hat, am nächsten Morgen wach im Bett sitzt und redet....
Wenn man bei Patienten die schon etliche Ärzte vorher aufgesucht haben dann endlich die entscheidende Diagnose findet und eine Therapie anbieten kann....
Wenn Patienten die man lange betreut hat dann sterben und die Angehörigen sich nochmal persönlich bei einem bedanken für die gute Betreuung...
Und solche Momente GIBT es immer wieder -
und dann weiß ich wieder, dass es DOCH die richtige Entscheidung war.

:-top

lomardo
23.01.2005, 18:02
generell 1 std. überstunde am tag zu machen is ja noch ok.
ABER DIESE NICHT BEZAHLT ZU KRIEGEN IST NE FRECHHEIT!!!!!
es gibt länder dessen gesundheitssystem nicht kurz vorm kollaps stehen im kontrast zum deutschen

@Matzexxl:
schau dir doch mal die auslandsforen an.
Im ausland zu arbeiten ist deutlich besser und man kriegt überstunden bezahlt.
es gibt ne viel bessere arbeitsatmosphäre und von spar-kursen fehlt jede spur. [Es ist wirklich wichtig dafür zu sorgen dass durch das sparen die qualität der behandlung sowie der patientenaufenhalt nicht abnimmt.. aber in dland ist es leider schlimm.]
Teilweise gibt es dort alle paar monate mal ne party für alle mitarbeiter des krkhs. Das macht auf jeden Fall noch spass.
paar hundert kilometer nördlich (dänermark, schweden) bzw. südlich (schweiz) reichen schon aus.
Natürlich gibt´s viele stress-situationen, aber man sollte auch immer daran denken dass man sich von unseren sch****ß gesundheits-politikern nicht alles gefallen lassen sollte.

ICH KENN KEIN INDUSTRIELAND INDEM ÄRZTE SO VIEL VERDIENEN WIE LEHRER!!!! (ausser deutschland natürlich)
vergleich die arbeit eines beamten mit der eines arztes..

Die Niere
23.01.2005, 18:59
Im ausland zu arbeiten ist deutlich besser und man kriegt überstunden bezahlt.
es gibt ne viel bessere arbeitsatmosphäre und von spar-kursen fehlt jede spur. Auch wenn die Arbeitsverhältnisse zB in der Schweiz zT wirklich besser sind, ist auch dort ein harter Sparkurs einzuhalten. KEIN Gesundheitssystem kann noch so blind sein und die Augen vor der Realität verschliessen!

gruesse, die niere

hobbes
23.01.2005, 19:14
DAzu ist interessant, dass das finnische System bei sehr hoher Qualität mit viel tieferen Kosten arbeitet!

keldor`
23.01.2005, 20:36
mit flucht ins ausland kannste den zustand unseres gesundheitssystems höchstens verschlimmern.. natürlich steht es jedem frei, das für sich selbst zu entscheiden, aber wenn man mal ein bischen nachdenkt, stellt man fest, dass man in D umsonst (gut, wie lange noch?) studieren kann bzw sogar geld dafür bekommt! hat man dann nicht das bedürfnis, später einen kleinen anteil beizutragen und was zurückzugeben und nich immer rumzujammern wie schlecht hier doch alles ist!
gutes geld verdienen wirst du auch in D und sei es nur, weil du keine zeit hast es auszugeben :-)
mfg

Edi
23.01.2005, 21:52
@Keldor: Richtig so :-top :-dafür