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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Studiengebühren und Großdemo in Essen am 3. Februar



Ixion
27.01.2005, 11:35
Das Urteil ist raus und Studiengebühren sind gesetzlich für die Bundesländer möglich. Während es in Bayern schon für das kommende Wintersemester geplant ist, sind wir in NRW, zumindest vorerst unter SPD-Führung, beim ersten Studium davor bewahrt worden. Was ist eure Meinung zu den Studiengebühren?

Wie ich der WELT KOMPAKT entnehmen konnte, sind für den 3. Februar mehrere Großdemos geplant, u.a. in Hamburg, Leipzig, Mannheim und Essen. Mehr darüber weiß ich bisher noch nicht, nur wer plant, sich an so etwas zu beteiligen, der kann den Tag im Kalender schon mal anstreichen.

Vickangoroo
27.01.2005, 12:26
Hier ist mehr Info:
Die Demo startet am 3.2. um 11 Uhr, in allen Städten gleichzeitig, bei uns vor dem KKC (dem Kunst und Kultur Cafe am Hauptcampus). :-micro

Finde ich vorbildlich, dass du das hier postest, weil da auf jeden Fall so viele wie möglich mitmachen sollten. Angeblich soll das Ganze unter SPD-Führung vorerst für uns nicht kommen. Fragt sich nur wie lange die da zu stehen (können-wenn die anderen Bundesländer das durchziehen) oder wie das aussieht, wenn die nächsten Wahlen anders ausgehen.

Prinzipiell ärgert mich diese "nach mir die Sintflut" Einstellung der Studenten, die sich nicht um das Thema kümmern, nach dem Motto "solange es mich nicht trifft".
Wütend macht mich auch, dass die Politiker, die sich jetzt für Studiengebühren einsetzen, gratis studieren konnten. Und womöglich nie da wären wo sie jetzt sind.
Denn solche Gebühren werden DEFINITIV den einen oder anderen von einer Hochschulbildung abhalten.

Ist aber illusorisch ohne solche zu bleiben. Fast in allen anderen Ländern (sogar sogenannten Entwicklungsländern) muss längst gelöhnt werden.
Und wenn man es genau betrachtet, ist es wohl kaum gerecht, dass die Nicht-Akademiker den Akademikern ihre Ausbildung mitfinanzieren...die dann später alle Vorteile daraus ziehen. Das macht auch ein eventuelles späteres Mehraufkommen an Steuereinnahmen an den Studierten im Beruf nicht wett....finde ich zumindest.

Kann also nicht sagen, dass ich Studiengebühren total, vollkommen, absolut ablehne. Aber unter diesen Umständen schon.
Die brauchen doch die Kohle nur, um andere riesen Löcher im Haushalt zu stopfen. Zudem gibt es kein anständiges Finanzierungssystem, dass eine Einführung von Studiengebühren in der studentischen Geldbörse auffangen kann.

Sobald die Gebühren da sind, wirds garantiert immer teurer!! Geld fehlt ja immer!!

Akzeptabel wäre eine finazielle Beteiligung an der Ausbildung dann, wenn
1. trotzdem wirklich JEDER (!!!!!!!!!!)der studieren möchte, es trotz der finaziellen Belastung kann (=viel, viel mehr Stipendien, billigste Bildungskredite etc.)
und
2. man dann dementsprechende Qualität an der Uni, in der Lehre erwarten kann

Beides ist aktuell nicht der Fall, meine ich. Also auf zur Demo....

Ixion
27.01.2005, 15:58
Meine Meinung zu den Gebühren ist eher zweigeteilt momentan.

Ich stimme völlig zu, dass mehr Geld in die Kassen der Universitäten kommen muss, damit mehr Mittel zur Verfügung stehen. Außerdem stimmt es völlig, dass sich die universitäre Landschaft in Deutschland umformen muss, dass Universitäten als Standort für Qualität von den Studenten gewählt werden und untereinander in Konkurrenz streten sollen.

Das ist ein Grundgedanke, der auch in den Studiengebühren steckt, ABER das Geld kommt vom falschen Ende, nämlich von uns! Es kann nicht angehen, dass ein Land, das sich über sinkende Studentenzahlen, ein uneffizientes Bildungssystem und unqualifizierte Arbeitskräfte beschwert, in diesen Punkten seine eigene Basis absägt! Wenn Deutschland weiter im Bereich Bildung spart, spart es im falschen Bereich.

Ich bin kein Politiker und kenne mich zugegebenermaßen wenig damit aus, aber warum kann Deutschland sich nicht am europaweiten Bildungsvorbild Finnland orientieren? Finnland liefert nicht nur exzellente Schulen, sondern hat auch seit 1997 ein neues Gesetzmodell, welches allen Studenten gebührenfreies Studieren erlaubt. Die Universitäten finanzieren sich zu 65% aus staatlichen Mitteln, wobei es ein komplexes Zuteilungsverfahren gibt, dass sich u.a. nach der Anzahl der eingeschriebenen Studenten richtet und nach einer Quote der Studierenden, die innerhalb des betreffenden Zeitraums bestimmte Prüfungsleistungen erbringen.
Doch es bleibt in Finnland nicht nur bei einem gebührenfreien Studium! Es gibt außerdem einen elternunabhängigen Grundbetrag, den jeder Student als Förderung erhält. Alle allein wohnenden volljährigen Studierenden bekommen eine Grundförderung von monatlich 259,01 Euro. Voraussetzung ist, dass dieser pro Monat 2,5 Kreditpunkte (ein Masterstudiengang entspräche 160 Kreditpunkten) erwirbt.
Die, die bei den Eltern wohnen erhalten etwa 100 Euro, wobei sich hier der Betrag allerdings nach dem Einkommen der Eltern richtet und welche Sozialleistungen der Student noch anderweitig erhält.
Als Student kann man danach noch bis zu 505 Euro dazuverdienen. Diese staatliche Finazierung wird für eine maximale Dauer von 55 Monaten pro Master-Abschluss und 70 Monaten insgesamt geleistet.
Zusätzlich zur Grundförderung erhalten die Studierenden noch einen Mietkostenzuschuss von maximal 170 Euro (bzw. 80% der Miete) und Möglichkeit eines staatlich garantierten (verzinsten) Darlehens.

Die vergleichende Studie EuroStudent 2000 zeigt: In Finnland wird ein wesentlich höhrerer Anteil der Studierenden gefördert als in Deutschland (82 im Vergleich zu 24 Prozent). Diese Studie besagt außerdem, dass es in Finnland mehr Studienanfänger gibt und dass sehr viel mehr Studierende aus Arbeiterfamilien kommen als in Deutschland.

Allerdings muss man auch sagen, dass das dt. Modell für Studiengebühren definitiv mit Finanzierungsmodellen und Stipendienmöglichkeiten verbunden ist. Das vergessen viele, denn es wird definitiv dabei sein. Lustig finde ich momentan nur, dass der Bund sich jeglicher Veranwortung entzieht und dass die Finanzierung komplett den einzelnen Bundesländern übertragen wird, die sich nun selber was überlegen sollen.
Es gibt Modelle, wo die Gebühren gesplittet (Grundbeitrag + Nutzungsanteil an Universitätseinrichtungen, welche, wo dem einzelnen Studenten 15000 € der verursachten Kosten erlassen werden und Modelle mit zusätzlichen niedrigverzinsen Darlehen mit dem Staat als Rückversicherer.

Zusammenfassend will ich sagen, dass ich GEGEN die Studiengebühren bin, weil ich daran glaube, dass der Staat (sofern er sich bemühen würde) wirklich genug eigenes Kapital hätte, um es in die Bildung zu stecken und evt. ein finnisches Modell zu realisieren, welches Unis und Studenten Anreize bietet qualitativ zu lehren und erfolgreich zu studieren.
Sollte wirklich keine andere Möglichkeit dasein, werde ich Studiengebühren wohl akzeptieren, sofern wirklich alltagstaugliche Finanzierungsmodelle vorhanden sind, von denen bisher noch keine endgültigen Konzepte zu erkennen sind. Außerdem teile ich immer noch den Zweifel vieler, dass die Studiengebühren da ankommen werden, wo sie hin sollen und nicht irgendwo in der Kasse des Bundeslandes versickern.

P.S.: Der Text in Dunkelgrün besteht aus meinen Zusammenfassungen und eingefügten Texten von dieser Internetseite (http://studiengebuehren.fsrvv.de/?Themen::Skandinavien) - so viele Zahlen kann ich mir also nicht merken :)

Vickangoroo
28.01.2005, 20:29
Hast auf jeden Fall Recht damit, dass Bildung Deutschlands wichtigstes Kapital ist.
Bin wie schon gesagt auch gegen die Gebühren, da es nach wie vor hier bei weitem keine Kultur hier für Stipendien- und Bildungskreditprogramme gibt.
Zudem wär es doch schlimm, wenn einer, der noch nicht einmal einen Platz in der Vorlesung oder im Seminar sicher hat, dafür auch noch blechen soll...! (Das kennen wir Essener Mediziner gar nicht....aber in manchen Studiengängen an der Hauptuni sieht das schon ganz anders aus)
Ist auch nur gerecht, dass der Bund sich "der Verantwortung entzieht", denn Bildungsministerin Buhlmann plädiert für ein gebührenfreies Erststudium. Es sind die Länder, die kassieren wollen, also müssen die sich auch Finanzierungsmodelle für mittellose Studis ausdenken. Zumindest anfangs werden ja auch nicht alle Länder zur Kasse bitten.
Das Finnland Modell gefällt mir. Sieht aber nicht so aus, als würden die hier darüber nachdenken sich daran zu orientieren.
Wie du schon sagst, kommt die Kohle garantiert nicht da an, wo sie fehlt!! Und mit der Zeit, wird das Ganze zur Gebührenspirale (siehe England).

Ixion
01.02.2005, 12:45
Hier noch mal der offizielle Aufruf zur Demo von der AStA http://www.asta.uni-duisburg-essen.de/materialien/w_2005-02-03.pdf

EDIT: Tja, es waren leider etwas wenig, die heute mitgemacht haben. Wir waren etwa 1000 Leute, was allerdings auch an den Klausuren liegen mag, die alle Studenten vor den Semesterferien heimsucht. Trotzdem war es schön, auch einige Medis gesehen zu haben ;)

Hier noch mal die Zahlen der Proteste:

Leipzig - 8000
Hamburg - 7000
Mannheim - 3000
Essen - 1000

Links zum Lesen und schauen:
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID4028958,00.html
http://www.wdr.de/themen/politik/nrw/studiengebuehren/urteil_karlsruhe/050203.jhtml?rubrikenstyle=politik
http://www.n-tv.de/5487196.html
http://www.waz.de/waz/waz.aktuell.volltext.php?zulieferer=dpa&redaktion=bdt&dateiname=iptc-bdt-20050202-832-dpa_8063222.nitf&kategorie=&catchline=%2Fbrennpunkte%2F&other=&dbserver=1

Vickangoroo
08.02.2005, 11:05
War auch da und hab ein paar Bilder geknipst....:

www.thieme.de/viamedici/studienort_essen/aktuelles/studgebdemo.html

Hast jedenfalls recht, insgesamt war es ein bisschen enttäuschend von der Größenordnung her... . Hätte gedacht bei knapp 22.000 Studenten allein in Essen (und die Demo sollte ja für die ganze Region West sein...also für sämtliche Unis der Umgebung) würden sich ein paar mehr dafür interessieren.

Interessiert hat sich jedenfalls die Presse. Wahnsinn was da los war!