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Scrotum
14.02.2005, 22:10
Wie steht ihr dazu?

Würdet ihr einer Patientin am Lebensende, bzw. mir starken Schmerzen helfen, würdevoll und friedlich ins Jenseits zu gelangen? Oder haltet ihr euch an den alten Grundsatz "in dubio pro vita"?

synosoph
14.02.2005, 22:40
NIEMALS! Es gibt Grundsätze, die werden nicht angetastet. Und dafür gibt es vieeeele Argumente.

Rico
14.02.2005, 22:46
Wenn man die heutigen Methoden der Schmerztherapie voll ausreizt, dann sollte heutzutage eigentlich keiner so starke Schmerzen haben, daß deshalb deshalb ein Suizid in Betracht kommt. Dank Adjuvantien (z.b. Laxatien bei Morphingabe, u.v.m.) ist dies auch in der Regel mit einer akzeptablen Lebensqualität verbunden.

Mir fällt spontan keine Situation ein, in der man als Arzt in ethischer Weise einen Suizid unterstützen kann.
Das Abbrechen lebensverlängernder Maßnahmen (bei Vorliegen einer entsprechenden Patientnverfügung) fällt ja nicht unter Hilfe zum Suizid.

Sobald man eine aktive Rolle einnimmt ist's eh Töten auf Verlangen und somit strafbar.

He-Man
14.02.2005, 23:07
-gelöscht-

Scrotum
14.02.2005, 23:22
>Wenn man die heutigen Methoden der Schmerztherapie voll ausreizt, dann sollte heutzutage eigentlich keiner so starke Schmerzen haben, daß deshalb deshalb ein Suizid in Betracht kommt. Dank Adjuvantien (z.b. Laxatien bei Morphingabe, u.v.m.) ist dies auch in der Regel mit einer akzeptablen Lebensqualität verbunden.

Ist ja im Prinzip indirekte Sterbehilfe. Die Lebensverkürzung durch die Schmerztherapie wird bewusst akzeptiert. Ohoh, ein schmaler Grat..

In der Schweiz ist Beihilfe zu Suizid übrigens straffrei, sofern die Endhandlung (z.B. Umlegen des Dreiweghahns) durch den Pat durchgeführt wird und der Arzt aus uneigensüchtigen Gründen handelt. (>Organisation EXIT)

Ich glaube, dass der Arzt dem Patienten in jeder Lebensphase beistehen sollte. Von der Schwangerschaft bis zum Tod. Unter diesem Umständen kann man die Frage auch anders formulieren (bewusst provokativ): Darf der Arzt dem Patienten das Recht auf einen würdevollen und friedlichen Tod verweigern?

Es gibt einige Szenarien, in denen ich mir einen solchen Schritt als Patient vorstellen könnte. Chorea Huntington zum Beispiel - denn ich möchte, dass mich meine Angehörigen und Freunde so in Erinnerung behalten, wie ich vor der Krankheit war. Und dieses qualvolle Warten auf den Tod, der nicht kommen will.... weiss nicht.

Scrotum
14.02.2005, 23:29
NIEMALS! Es gibt Grundsätze, die werden nicht angetastet. Und dafür gibt es vieeeele Argumente.

Dann fang mal an...

Rico
14.02.2005, 23:29
Auch der geistige Tod, in den man einen Patienten mittels hoher Morphindosen schickt, ist mir persönlich nicht lieber als der biologische.Jaja, das böse Morphium. :-???
In der Medizin des Pleistozän, wo man einfach ein bisserl Opiat aufgezogen hat und dann (vermutlich noch im Bolus) gegeben hat, da kommt sowas natürlich vor.

Moderne Schmerztherapie sieht da deutlich anders aus:
Auch stärkste Tumorschmerzen lassen sich z.B. durch Kombination von Opioiden mit peripheren Analgetika und unter Ausnutzung von Synergieeffekten z.B. mit Antidepressiva oder Neuroleptika bei minimierten Nebenwirkungen gut behandeln.
Mittels Patienten-gesteuerter Analgesie kann der Patient selbst bestimmen, ob er noch mehr braucht und kann so an der geringstmöglichen Dosis schmerzfrei gehalten werden.

Wer das als Arzt nicht beherrscht und seine Patienten auch nicht einem qualifizierten Schmerztherapeuten zuführt, der handelt definitiv nicht in deren Interesse.
Vor allem wenn man alternativ Beihilfe zum Suizid erörtert. :-dagegen

Dann fang mal an...1. Es gibt keine Indikation.... braucht's mehr?

Lava
14.02.2005, 23:30
>Wenn man die heutigen Methoden der Schmerztherapie voll ausreizt, dann sollte heutzutage eigentlich keiner so starke Schmerzen haben, daß deshalb deshalb ein Suizid in Betracht kommt. Dank Adjuvantien (z.b. Laxatien bei Morphingabe, u.v.m.) ist dies auch in der Regel mit einer akzeptablen Lebensqualität verbunden.

Ist ja im Prinzip indirekte Sterbehilfe. Die Lebensverkürzung durch die Schmerztherapie wird bewusst akzeptiert. Ohoh, ein schmaler Grat..



Schmerztherapie sollte das Leben ja nicht verkürzen! Wie kommst du denn darauf?

Außerdem: wenn ich mich recht erinnere an mein Psychologiepraktikum, so ist es gesetzlich erlaubt, bei einer Dosissteigerung das Risiko der Atemlähmung einzugehen, wenn der Patient unerträgliche Schmerzen hat.

Scrotum
14.02.2005, 23:34
Schmerztherapie sollte das Leben ja nicht verkürzen! Wie kommst du denn darauf?

Ich kann das jetzt nicht mit medizinischer Fachliteratur stützen, hab ich aber schon mehrfach gehört.

z.B.

"Indirekte Sterbehilfe:

Indirekte Sterbehilfe ist die Schmerzlinderung, die mit lebensverkürzender Wirkung als unbeabsichtigte Nebenfolge einhergeht. Es ist in der Rechtsprechung ausdrücklich anerkannt, dass ein Arzt einem Kranken in der letzten Phase seines Lebens schmerzstillende Medikamente in Übereinstimmung mit dem Patientenwillen selbst dann verabreichen darf, wenn diese als unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen. Dieses Prinzip und seine Begründung hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 1996 so formuliert: „[D]ie Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit gemäß dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen ... ist ein höherwertiges Rechtsgut als die Aussicht, unter schwersten, insbesondere sog. Vernichtungsschmerzen noch kurze Zeit länger leben zu müssen“." http://www.bundesregierung.de/Anlage740770/Indirekte+Sterbehilfe.doc

He-Man
14.02.2005, 23:41
-gelöscht-

Rico
14.02.2005, 23:41
>Wenn man die heutigen Methoden der Schmerztherapie voll ausreizt, dann sollte heutzutage eigentlich keiner so starke Schmerzen haben, daß deshalb deshalb ein Suizid in Betracht kommt. Dank Adjuvantien (z.b. Laxatien bei Morphingabe, u.v.m.) ist dies auch in der Regel mit einer akzeptablen Lebensqualität verbunden.

Ist ja im Prinzip indirekte Sterbehilfe. Die Lebensverkürzung durch die Schmerztherapie wird bewusst akzeptiert. Ohoh, ein schmaler Grat..Was bitte ist an einer adäquaten Schmerztherapie "indirekte Sterbehilfe"?

Es gibt einige Szenarien, in denen ich mir einen solchen Schritt als Patient vorstellen könnte. Chorea Huntington zum Beispiel - denn ich möchte, dass mich meine Angehörigen und Freunde so in Erinnerung behalten, wie ich vor der Krankheit war. Und dieses qualvolle Warten auf den Tod, der nicht kommen will.... weiss nicht.Also letztlich warten wir alle auf den Tod, der nicht kommen will. Egal, woran wir letztlich sterben.
von daher laß ich das Argument nicht zählen.

Denn was machst Du, wenn dann der Diabetiker kommt, der Suizid begehen will, bevor er offene Füße kriegt? Oder der Erblindende, der die Welt im Tageslicht in Erinnerung behalten möchte?

Du kannst doch nicht einfach jeden mit einer infausten Prognose umlegen, der das will. Diese Patienten beim Sterben zu begleiten und diese Zeit so wenig unangenehm wie möglich zu gestalten ist die ärztliche Aufgabe!

Scrotum
14.02.2005, 23:42
Zitat:
Zitat von Rico

1. Es gibt keine Indikation.... braucht's mehr?


Gerne, ja. Das Runterbeten von Grundsätzen bringt uns doch nicht weiter.

Ich will gerne echt Pro- und Kontra-Argumente hören.

Es ist ja nicht so, dass ich Suizidbeihilfe befürworte, ich will nur Argumente hören.

Rico
14.02.2005, 23:46
Ich kenne mich mit der speziellen Pharmakologie leider noch nicht aus (deswegen auch meine vorsichtige Umschreibung als "hohe Morphindosen"). Was ich aber habe, ist eine reichhaltige Drogenerfahrung. Und niemand kann mir erzählen, Morphin, Neuroleptika und Antidepressiva hätten keine Auswirkungen auf die Psyche bzw. den Bewußtseinsgrad. Der Clou an den Kombinationen und Synergismen ist ja gerade, daß man für eine maximale Analgesie nicht mehr diese exorbitanten Dosen braucht.
Jemanden, der eigentlich geistig fit ist und nur "dank" Schmerztherapie in irgendeinem soporösen Zustand vor sich hindämmert, wirst Du heute in einem entsprechenden Zentrum (und nirgendwoanders gehören diese Patienten hin) nicht mehr finden.

Scrotum
14.02.2005, 23:47
Ein Gegenargument wäre zum Beispiel die Fragwürdigkeit der Freiwilligkeit von Seiten des Patienten.

Man stelle sich einen älteren Patienten vor, der den Pflegenden zur Last fällt und das Erbe nicht aufbrauchen will... dazu noch ein bisschen Depression und Schmerzen und geringere Suizidschwelle durch "ärztliche Beihilfe" und postulierte gesellschaftliche Akzeptanz. Schon haben wir ein schöne Situation konstruiert - ist der Suizid aber freiwillig? Wohl kaum...

Lava
14.02.2005, 23:52
Und niemand kann mir erzählen, Morphin, Neuroleptika und Antidepressiva hätten keine Auswirkungen auf die Psyche bzw. den Bewußtseinsgrad.

Und was haben Neuroleptika jetzt mit Suizid zu tun? Soweit ich weiß, werde tricyclische Antidepressiva in der Schmerztherapie erfolgreich eingesetzt. Aber da gibt es meiner Meinung nach eine Kosten-Nutzen Abwägung. Was ist besser? Sedierung oder stärkste Schmerzen? Da hat der Patient ja auch noch ein Wörtchen mitzureden und wenn es z.B. um Tumorschmerzen geht, ist es die Afagbe eines jeden Arztes, mit dem Patienten über die Prognose und die Therapie zu sprechen und ihn entsprechend über Alternativen und Möglichkeiten aufzuklären.

Ich war natürlich noch nie in so einer Situation, aber bevor ich dem Patienten eine Überdosis Irgendwas ans Bett stelle, hol ich lieber mal einen Psychosomatiker.... in Einzelfällen wäre ich allerdings bereit, auf Wunsch den Patienten (!) das Risiko einer Atemlähmung durch hohe Doses von Opiaten einzugehen.

RettungsElch
14.02.2005, 23:52
Für alle, die's interessiert - ich darf mich grad im Palliativ-Seminar durch dieses Thema beissen - und find's ziemlich interessant und wichtig!

Es gibt übrigens ganz klare Richtlinien, wie mit Sterbenden und Patienten mit Starken Schmerzen zu Verfahren ist. die finden sich hier: http://palliativmedizin.klinikum.uni-muenchen.de/docs/Sterbebegl.pdf

Und wer sich weiter in das Thema einlesen will, findet unter http://palliativmedizin.klinikum.uni-muenchen.de/le/le_02.html einige Vorlesungen, Literaturangaben und weitere Infos, vor allem in den Vorlesungen. Is zwar viel juristisches Gedöns dabei, aber ehrlich gesagt bin ich froh, in diesem von jedem anders wahrgenommen und interpretierten Thema mal "verbindliche" Anhalte zu finden... :-meinung

Lava
14.02.2005, 23:54
Ein Gegenargument wäre zum Beispiel die Fragwürdigkeit der Freiwilligkeit von Seiten des Patienten.


Richtig! Als Pflegender oder angehöriger sollte man sich fragen, ob man den Patienten erlösen will oder sich selbst. Eine Patentlösung gibt es da nicht.

Rico
14.02.2005, 23:56
Gerne, ja. Das Runterbeten von Grundsätzen bringt uns doch nicht weiter.

Ich will gerne echt Pro- und Kontra-Argumente hören.Ich habe noch kein Pro-Argument gehört, das einer kritischen Betrachtung standgehalten hätte.

Die immer wieder angeführten Argumente wie "würdevolles Sterben" sind ja v.a. durch den von Dir zitierten Artikel entkräftet:
[D]ie Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit gemäß dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen ... ist ein höherwertiges Rechtsgut als die Aussicht, unter schwersten, insbesondere sog. Vernichtungsschmerzen noch kurze Zeit länger leben zu müssen“. Denn genau das ist der Punkt.
1. Du sollst dem Patienten einen schmerzfreien letzten Lebensabschnitt ermöglichen.
2. Das ist derzeit medizinisch möglich bei aktzeptabler Lebensqualität.
3. Das wird u.U. erkauft durch eine verkürzte Lebensdauer im Vergleich zum Zustand ohne Schmerztherapie.

Da es grundsätzlich möglich ist, dem Patienten die Schmerzen zu ersparen ohne ihm zum Suizid zu verhelfen, gibt es keinen Grund, hier die Beihilfe zum Suizid vorzuziehen, oder?

Lava
14.02.2005, 23:56
Psychiater, der noch nie Haldol genommen hat, ist für mich kein guter Arzt.


Das finde ich jetzt aber mal ein bisschen krass. Ein Onkologe, der keine Chemo mitgemacht hat, ist wohl auch kein guter Arzt, oder wie?

He-Man
14.02.2005, 23:57
-gelöscht-