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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Midazolam vs. Diazepam beim Krampfanfall



nduester
12.04.2005, 21:03
Hallo,

ich weiß gerade nicht so ganz ob ich den Beitrag hier oder unter Pharmazie posten soll...

Ich habe gerade folgendes Problem:
Der klassische Krampfdurchbrecher ist das Diazepam. Nun mehren sich die Stimmen derer, die aufgrund der kürzeren HWZ zur Krampfdurchbrechung das Midazolam favorisieren. Weiß jemand, wie die Studienlage dazu aussieht? Wie schaut es aus mit pro/kontra zu den beiden Medikamenten?

Gruß, Nils

FataMorgana
12.04.2005, 21:07
Meine Meinung dazu ist: Hauptsache Benzo, wenn überhaupt eine Akuttherapie nötig ist. Man kann nehmen, was man gerade da hat. Als "Non-plus-ultra" wird in manchen Veröffentlichungen noch Clonazepam genannt. Dies kenne ich auch von der Intensivstation, wo es als Perfusor appliziert wird (Rivotril).

Die Favorisierung von Midazolam stammt meines Wissens aus den USA. Dementsprechend wird wahrscheinlich auch die Studienlage dafür sprechen, ich weiß es aber nicht.

Man sollte wohl am ehesten das Benzo verwenden, mit dem man selbst die meiste Erfahrung hat und so die Dosis und die Geschwindigkeit des Wirkungseintritts am besten einschätzen kann.

Rugger
13.04.2005, 07:38
Als "Non-plus-ultra" wird in manchen Veröffentlichungen noch Clonazepam genannt. Dies kenne ich auch von der Intensivstation, wo es als Perfusor appliziert wird (Rivotril).Rivotril hat sich auch in beiden Rettungsdienstbereichen, in denen ich tätig bin, als Mittel der 1. Wahl durch gesetzt.

R.

hiddl
13.04.2005, 16:16
Wenn man wirklich glaubt, einen Krampf durchbrechen zu müssen (normalerweise hört der ja von allein auf, dann kann man sich alle Benzos sparen), nehmen wir auch das gute Clonazepam (Rivotril), lieber aber noch, wenn vorhanden (und daran scheitert es meist, das muß nämlich gekühlt werden) Lorazepam, also Tavor iv, das wird jedenfalls in den Leitlinien der DGN so empfohlen. Übrigens soweit ich weiß gerade wegen seiner langen HWZ, denn wenn der Krampf so lange dauert, daß ich ihn durchbrechen möchte, dann bitte auch mit einer Substanz, die ein wenig länger wirkt, damit ich Zeit zum Ursachen suchen hab.

Gruß, Ute

lala
15.04.2005, 18:11
Empfehlenswert ist immer ein Benzo zu nehmen mit dem man sich auskennt.
Im NAW typisch fast immer Rivotril oder Dormicum.... obwohl es da meist nicht nötig ist und meist schon nach EINMALIGEM Anfall gegeben wird, so dass der Patient dann leider zunächst erstmal nicht wirklich neurologisch zu beurteilen ist.

Ich persönlich bin auch mehr der Tavor-Fan, damit kenn ich mich aus und wenn`s damit nicht klappt `nen Status zu durchbrechen geht es lustig mit Phenytoin, Valproat oder zur Not auch Propofol weiter :-)

hobbes77
15.04.2005, 19:02
In dieser Diskussion wurde mehrfach angedeutet, daß man einen Krampfanfall nicht "durchbrechen" müsse, da er ja meist ohnehin von selbst aufhörte. Ich finde aber, es gibt gute Argumente, einen Krampfanfall medikamentös zu beenden, zumindest, wenn wir über einen Grand Mal-Anfall sprechen (sehr unspektakuläre fokale Anfälle sind ein anderes Thema):
a) während der Pat. krampft, hat er gute Chancen, sich die Birne anzuhauen oder sich sonstwie zu verletzen (incl. Frakturen, die durch die eigenen Muskelkontraktionen verursacht werden)
b) je länger der Pat. krampft, um so mehr Myozyten gehen unter (erkennbar am CK-Anstieg), um so größer ist die Chance, daß er eine Crushniere entwickelt
c) ein krampfendes Gehirn schädigt sich selbst; fragt mich nicht nach der Biochemie dahinter, aber jemand, der häufig krampft, trägt Hirnschädigungen davon, die zu neurologischen Defiziten führen können
d) ein krampfender Pat. atmet nicht gut
e) auch wenn der Anfall spontan aufhört, wird man den Pat. ohnehin anschließend zunächst antikonvulsiv abdecken (übrigens mit Clonazepam, das hervorragend wirkt), zumindest bis man weiß, woher der Anfall kam - also kann man das Medikament auch gleich geben

lala
15.04.2005, 19:50
Muss da mal aus meiner neurologischen Erfahrung wiedersprechen :-)



a) während der Pat. krampft, hat er gute Chancen, sich die Birne anzuhauen oder sich sonstwie zu verletzen (incl. Frakturen, die durch die eigenen Muskelkontraktionen verursacht werden)

Klar, aber wenn man schon den Patienten so weit hat, dass er einen venösen Zugang hat kann man ihn auch vor solchen Stürzen oder anderen Verletzungen schützen. Denn dann liegt er ja meist schon bzw. IST schon gestürzt ;-)



b) je länger der Pat. krampft, um so mehr Myozyten gehen unter (erkennbar am CK-Anstieg), um so größer ist die Chance, daß er eine Crushniere entwickelt

Ja, aber im Laufe der letzten Jahre habe ich zumindest noch bei keinem einziegen Status epilepticus eine Crushniere erlebt - und die hatten schon mal so Rhabdomyolysen mit CK bis über 20000 U/l....ein "normaler" Anfall meist unter 10000 - und das man den STATUS durchbrechen muss darüber wollen wir ja nicht diskutieren - das ist ganz klar!



c) ein krampfendes Gehirn schädigt sich selbst; fragt mich nicht nach der Biochemie dahinter, aber jemand, der häufig krampft, trägt Hirnschädigungen davon, die zu neurologischen Defiziten führen können
d) ein krampfender Pat. atmet nicht gut

Stimmt, aber im "normalen" Anfall machen die maximal 2min "schlecht atmen" nicht viel aus! Ganz im Gegensatz dazu haben schon viele Notärzte erst durch die gut gemeinte Benzo-Gabe den Patienten in die Ateminsuffizienz gebracht, so dass dann die Intubation nötig wurde ;-)



e) auch wenn der Anfall spontan aufhört, wird man den Pat. ohnehin anschließend zunächst antikonvulsiv abdecken (übrigens mit Clonazepam, das hervorragend wirkt), zumindest bis man weiß, woher der Anfall kam - also kann man das Medikament auch gleich geben

Nein, also normalerweise würde man das nicht tun. Ein einmaliger Anfall ist KEIN Grund für eine antikonvulsive Therapie! Per Definition kann man erst nach mindestens 2 Anfällen von einer Epilepsie sprechen und auch dann würde man noch längst nicht unbedingt therapieren. Ich gebe nur dann Clonazepam wenn ich eine Anfallsserie oder einen Status habe und mit weiteren Anfällen rechne oder wenn ich z.B. von einer fokalen Epileptogenese (zB Hirntumor im CT gefunden) ausgehe. Im Normalfall nehme ich die Patienten vom Notarzt entgegen, leg sie ins Bettchen, sehe dass sie kein fokales Defizit haben,lass sie dann wach werden (was bei vorheriger Benzogabe länger dauert) und dann bespreche ich mit ihnen ob sie (bei erstmaligem Anfall) stationär aufgenommen werden wollen zur Abklärung oder lieber nach Überwachung (und CK-Kontrolle am Folgetag) sich ambulant weiter untersuchen lassen wollen.
Bei bekannter Epilepsie überwachen wir eine zeitlang, CK-Kontrolle, ggf. Medikamentenspiegel bestimmen..meist gehen die auch sofort wenn die wieder wacher sind....
Ein CT mach ich auch dann nur notfallmäßig wenn der Anfall eindeutig fokal eingeleitet war, im Anschluss ein fokales Defizit besteht (was ja auch eine Todd`sche Parese sein kann aber nicht muss) oder der Patient z.B. marcumarisiert ist....

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