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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fall 05/2005 - unklares hepatorenales Versagen



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Sebastian1
17.04.2005, 15:49
Ihr habt Dienst auf der Intensivstation und ihr bekommt einen 55jährigen Patienten aus dem Haus mit AZ-Verschlechterung. Um nicht von vornherein zu viel zu verraten, bekommt ihr keine komplette Übergabe, nur so viel: Der Mann hat einen ausgepägten Ikterus. Alles weitere gibts nur auf Anfrage ;-) Dann mal viel Spass :-top

Sebastian

test
17.04.2005, 16:03
Wie sieht er denn aus? Wie liegt er da? Inwiefern ist sein AZ verschlechtert? Macht er einen schläfrigen Eindruck? Dyspnoeisch? Ist er orientiert, ansprechbar? Hat er Fieber? Wie kams zu der Verschlechterung? Hat er Schmerzen? Wie lang ist er schon im KH? Wenn ich jetzt frage weswegen er da ist, wäre es wohl schlecht :-))
Seit wann hat sich sein Zustand verschlechtert? Gabs einen Auslöser dafür?

Sebastian1
17.04.2005, 16:12
Viele Fragen auf einmal, aber gut:

Wie sieht er denn aus? Wie liegt er da? Inwiefern ist sein AZ verschlechtert? Macht er einen schläfrigen Eindruck? Dyspnoeisch? Ist er orientiert, ansprechbar? Hat er Fieber? Wie kams zu der Verschlechterung? Hat er Schmerzen? Wie lang ist er schon im KH? Wenn ich jetzt frage weswegen er da ist, wäre es wohl schlecht
Seit wann hat sich sein Zustand verschlechtert? Gabs einen Auslöser dafür?

Wie sieht er aus:
Vor allem gelb. Ansonsten adipöser EZ, reduzierter AZ.

Wie liegt er da:
Liegt mit erhöhtem Kopfteil im Bett, ist sehr unruhig, kratzt sich, wirkt dabei ungezielt.

AZ-Verschlechterung bezieht sich auf Atmung und Orientierungslage, hinzu kommt Schüttelfrost und Fieber bis knapp unter 40 Grad. Antwortet mäßig adäquat, ist insgesamt aber zur Situation nicht orientiert. Initial wurde er wegen Dyspnoe in die Klinik eingewiesen. Der Patient gibt an, Schmerzen zu haben, kann sie aber nicht genau lokalisieren, es tue ihm überall weh.

Zoidberg
17.04.2005, 16:24
Wenn er nur mäßig adäquat antwortet, wird eine Anamnese nicht viel bringen.
Wir können ja trotzdem mal probieren ihn zu fragen, z.B. seit wann er den Ikterus hat. Wenn er gut antwortet, würde ich weiter fragen, wenn nicht ihn untersuchen.
Also Herz, Lunge abhören (VD auf Pneumonie bei Dyspnoe, 40° Fieber und Schüttelfrost), Abdomen abtasten inkl. Lebergröße, evtl, Lebergröße auskratzen, Milz tasten, Lymphknotenstatus, Pulse, Halsstruma?, grober HN Status, Skleren auch gelb?, Reflexe, Motorik, Kraft, Sensibilität, Meningismus, Wurzeldehnungszeichen?

Sebastian1
17.04.2005, 17:02
Ok, ihr probiert also, eine Anamnese zu erheben, müsst jedoch recht bald einsehen, dass der Versuch eher frustran ist - zu verwirrt sind die Antworten des Patienten - also beschliesst ihr, zur Untersuchung überzugehen.

Herzauskultation: Tachykard, arrhythmisch. Leichtes systolisches Strömungsgeräusch. Da der Patient ja wie gesagt auf der Intensivstation liegt, hängt er natürlich am Monitor, so dass sich die Tachykardie schnell als Tachyarrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern herausstellt. Frequenz wechselhaft zwischen 90-140 Schlägen pro Minute.

Lungenauskultation: ubiquitär grobblasige Rasselgeräusche, rechts > links, basal > apikal.

Als ihr den Patienten zum betasten des Abdomens abdeckt, fallen euch am gesamtem Stamm und an den Extremitäten diffus verteilte Hauteffloreszenzen unterschiedlicher Morhologie auf, die nicht erhaben und nicht palpabel sind. Teilweise roetlich, unscharf begrenzt, teilweise hämatomähnlich und scharf begrenzt.
Abdomen druckindolent, Leberrand etwa 2 cm unterhalb des Rippenbogens tastbar. Milz nicht palpabel. Generalisierte Lymphknotenschwellungen.
Puls beschleunigt, schwach, arrhythmisch.
Hirnnervenstatus grob orientierend bei eingeschränkter Beurteilbarkeit ohne pathologischen Befund.
Ausgeprägter Sklerenikterus.
Reflexstatus grob orientierend o.p.B.
Kein Hinweis auf Meningismus oder Wurzeldehnungszeichen feststellbar.

Chrima
17.04.2005, 17:51
Was sagt denn der Blutdruck ? Hat der Patient irgendwelche Infusionen laufen ?

Der Gute hat doch sicher auch nen DK bekommen, oder ? Wie sieht denn der Urin aus ? Wieviel Urin scheidet er aus ? Man könnte ja mal den U-Status machen.

Wie sehen denn seine Schleimhäute aus ? Rosig oder blass ? Sieht man hier Schleimhautblutungen ? Macht der Mann einen eher exsikkierten Eindruck ? Sehen die V.jugulares gefüllt aus ? Was sagt der hepatojuguläre Reflux ? Hat er periphere Ödeme ?

Hat der Patient Veränderungen an den Beinen oder Füßen ? Erythem oder knotige Veränderungen ?

Besteht schon ein Labor von Station ? Sonst bitte mal schnellstmöglich ein Labor mit Diff-BB, Gerinnung, Elyte, Krea, Bili, GPT, GOT, AP, LDH, GGT. Und bitte mal den aBGA.

Danke ... bin gespannt, hab ne Vermutung, wenn gleich ich vermutlich auf dem Holzdampfer bin

Sebastian1
17.04.2005, 18:04
RR stabil bei 100/50 mmHg. Als Infusionen erhaelt er G20% und Periplasmal, die beide erstmal ueber einen peripheren Zugang laufen.

Du ordnest an, dass dem Patienten ein DK gelegt wird. Es entleeren sich etwa 30 ml dunkelbrauner Urin. Da der DK gerade erst gelegt wurde kannst du dir kein Bild über die Gesamtausscheidung machen, auf der Station wurde keine Bilanzierung durchgeführt. U-Status und Labor werden abgenommen.

Schleimhäute trocken und rissig, teilweise mit leichten Blutungen und stark schmerzhaft. Eine Exsikkose scheint der Mann nicht zu haben, die Vv. jugulares ext. sind allerdings wegen der Adipositas nicht beurteilbar.
Mittelmaessig stark ausgepraegte periphere Oedeme.
Es besteht kein Labor von Station (behaupte ich jetzt einfach mal ;), darauf muesst ihr noch ein wenig warten.
Du beschliesst, dem Patienten einen arteriellen Zugang zu legen. Die BGA zeigt bei 6 l O2/min folgende Werte:

pH: 7,29
HCO3: 21,3 mmol
pCO2: 48,7 mmHg
pO2: 72,0 mmHg
SaO2: 95,8 %
BE: -4,6

Weitere Werte spuckt euer altertümliches Gerät nicht aus.


Achja, Chrima...wenn du eine Vermutung hast, schreib sie mir doch bitte erst als PM, alle anderen sollen ja noch ein wenig raten ;)

test
17.04.2005, 18:07
Also ich habe nen Verdacht auf eine Endokarditis. Ströumngsgeräusch, Fieber und die beschriebenen Hautefflorenzen passen dazu. Daher sofort Blutkulturen abnehmen und im Abstand von mehreren Stunden bei Fieber wiederholen. Ansonsten die andere Diagnostik natürlich weiterlaufen lassen. Würde auch überprüfen in alten Unterlagen, ob das Strömungsgeräusch neu ist. Herzecho schon mal anmelden wäre auch empfehlenswert.

Chrima
17.04.2005, 18:07
Keine Bange, ich werde meinen Verdacht nicht rausposaunen ... finde es selber immer etwas ungünstig, wenn jemand schon recht frühzeitig einen Verdacht äußert. Lieber mal abwarten und beobachten ... macht mehr Spaß. ;-)

test
17.04.2005, 18:09
ich wollte es ja nich rausposaunen aber wenn ich ne Blutkultur will, muß ich das doch begründen warum. :-notify

Chrima
17.04.2005, 18:15
Jut, dann wart ich mal aufs Labor .... :-)

Sebastian1
17.04.2005, 18:24
Gut, eine Blutkultur wird abgenommen. Sonst irgendwelche Anordnungen für Medikamente, Infusionen, Massnahmen?

In der inzwischen angeforderten Altakte liest du, dass der Patient vor 6 Jahren einen RCA-Verschluss hatte, welcher mittels PTCA rekanalisiert wurde.
Zudem besteht eine 3-Gefäss-KHK.
Kontroll-Coronarangiographie 6 Monate nach dem Vorfall zeigte ein gutes Langzeitergebnis. Das Strömungsgeräusch ist tatsächlich vorbeschrieben und als Stenose der Aortenklappe ersten Grades diagnostiziert worden.

Da du ein Sono auf Station hast, führst du das Herzecho schnell selbst durch:
Kleine, linksventrikulär lokalisierte adyname Bereiche der Hinterwand, mittelgradig reduzierte linksventrikuläre Pumpfunktion. Der Befund lässt sich deiner Meinung nach mit dem vor 6 Jahren abgelaufenen Infarkt des Patienten erklären.

ramirez
17.04.2005, 18:30
Wenn das Sono schon auf Station ist halt' doch den Schallkopf für mich bitte mal aufs Abdomen.

ach ja, vielleicht sollten wir darüber nachdenken (ikterisch, kognitive Leistungsverschlechterung) dem guten Mann ein wenig Lactulose zu geben. Mal als Tipp ins Blaue (oder in dem Fall ins Gelbe).

test
17.04.2005, 18:35
Ich hätte zwar lieber ein TEE gehabt, aber da ja das Geräusch vorbeschrieben ist und du im TTE keine Vegetationen gesehen hast nehme ich an(?), Ist das jetzt wohl nicht mehr so nötig.

Chrima
17.04.2005, 18:46
Abgesehen davon sind ja die 30 ml Urin, die in unseren DK geflossen sind nicht so richtig viel in der Annahme, dass der Mann in den letzten Stunden nicht auf der Pipibox war ... darum bitte mal den U-Status und Sediment, Eiweiß, Osmolalität, Harnstoff u Elyte

So und dann bitte mal ein Rö Thorax in zwei Ebenen wenns geht.

Und die Abdomen Sono, wie erwähnt, find ich auch ne gute Idee. Auch mal bitte auf die Niere im Speziellen ... und die Leber ...

So und dann, wo wir ja jetzt ne BK abgenommen haben, würd ich mal mit nem Breitband AB anfangen ... und da ich überhaupt nicht weiß was für eins man da so nehmen sollte, schlag ich einfach mal Imipenem vor. Ich bitte um Korrektur, wenn das Blödsinn ist.

Und dann würd ich ihm mal Furosemid geben ... 300 mg in 250 ml NaCl 0,9% ... und mal noch nen Liter NaCl dran ....

Ich hab keine Ahnung, ob das alles so richtig ist, aber das würde ich persönlich mal machen, sofern kein tatkräftiger Oberarzt neben mir steht dem ich das überlassen kann.

Und für weitere Maßnahmen würde ich gerne mal das hoffentlich inzwischen eingetroffene Labor abwarten.

Sebastian1
17.04.2005, 18:52
OK, der Mann bekommt also ab sofort 3*10 ml Lactulose.

Sono-Abdomen: Vergrößerte Leber mit homogener Struktur. V.a. Harnleiterstein links, Nierenbecken normal. Alle anderen Bauchorgane erscheinen beim orientierenden Schall regelrecht. Kein Nachweis freier Flüssigkeit.

test
17.04.2005, 18:52
Je nach dem wie der Zustand ist würde ich erst noch 2 weiter Blutkulturen abnehmen vor AB Gabe. Wenn man das verantworten kann. Am besten nach Rücksprache mit dem infektiologischem Konsilarzt :-))
Imipenem ist ne gute Idee denke ich.

ramirez
17.04.2005, 18:58
Mich würde ja tatsächlich auch der Hb-Wert des Patienten interessieren.

edit: sorry, hatte überlesen dass wir noch aufs Labor warten und die BGA keinen Hb ausgespuckt hat.

Sebastian1
17.04.2005, 19:21
Holla, das geht aber schnell hier:

Also gut:
Röntgen-Thorax gibts nur in einer Ebene, Liegendaufnahme auf Station.
Ubiquitäre pneumonische Infiltrate, vor allem rechts basal. Verbreiterte Herzsilhouette. Aortenelongation. Deutliche Ergussbildung beidseits.
Im Hilusbereich deutliche und unscharf begrenzte Mediastinalverbreiterung.

Der Patient erhaelt 80 mg Lasix im Schuss und einen Perfusor mit 250 mg über 24 Stunden, dazu erhält er noch 1l NaCl 0,9%

Das Labor ist da:

Hb 10,9
Leuko 28.800
Thrombo 89.000
Ery 3,87
Linksverschiebung im Differentialblutbild, 55% segmentkernige, 34% stabkernige Granulozyten.
Quick: 47
INR 2,17
PTT 82
Natrium: 133
Kalium: 5,8
Bili gesamt: 16,9
GOT: 356
GPT: 285
GGT: 89
AP: 52
Kreatinin: 6,82
Harnstoff: 212
CRP: 297,8

ramirez
17.04.2005, 19:32
hmm... Läuse und Flöhe?

wir machen uns jetzt vielleicht mal auf die Suche nach der Blutungsquelle (Hb 10,4), die er möglicherweise zur hepatischen Enzephalopathie geführt haben könnte. Vielleicht eine obere GI-Blutung? Endoskopie? (nur mal als Diskussionsgrundlage)

ist das Bili in mg/dl oder Mikromol/l?