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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Waren Eure Großeltern Nazis?



hibbert
27.06.2005, 20:08
Ich habe gerade einen interessanten Artikel in der "Neon" gelesen.


"...schlimmer und verdrehter noch – nach dem Ergebnis einer Emnid-Umfrage müsste die jüngere deutsche Geschichte neu geschrieben werden. Als Bundesbürger nach den Einstellungen und Handlungen ihrer Angehörigen während des Dritten Reichs gefragt werden, kommt heraus: Nur ein Prozent der Bevölkerung war damals an den Verbrechen beteiligt, 13 Prozent waren im Widerstand aktiv und 26 Prozent der Deutschen hätten Verfolgten geholfen...."

Quelle: Neon Magazin-Text (04|2005)



Nun würde mich ganz einfach mal interessieren, ob hier einige User über die Geschichte Ihrer Grosseltern während des 3. Reiches informiert sind. Ich z.B. weiss, dass meine beiden Grossonkel Mitglieder der Waffen-SS waren, demnach würde ich bei so einer Umfrage nicht derart uninformiert antworten.

Finde ich einfach mal ganz interessant.


Viele Grüsse.

Lava
27.06.2005, 20:14
In der Tat eine interessante Frage! Also drei von meinen Großeltern waren noch zu jung, um wirklich zu dienen. Von meinem einen Opa weiß ich allerdings, dass er mit 16 im Jahre '45 in der Wehrmacht war und wohl als einer letzten Deutschen im Reichstag, als der vond en Russen gestürmt wurde. So geriet er in russische Gefangenschaft, aber nicht so lange, glaub ich... weil er noch so jung war :-nix Sein Bruder ist im 2. WK gefallen.

Sebastian1
27.06.2005, 20:19
Von meinen Großeltern weiss ich definitiv, dass sie keine Nazis waren. Weder "offiziell" noch von der Überzeugung her. Im weiteren familiären Umfeld siehts damit dann schon anders aus...ich erinnere mich an einen entfernten Verwandten, der bereits starb, als ich etwa 10, 11 Jahre alt war. Und der hat damals immer noch Naziparolen von dich gegeben...das ist da das Einzige, was mir in (unangenehmer) Erinnerung geblieben ist...

Was ich viel interessanter finde: Diejenigen, die aus der propagandistischen Indoktrination von Kindesbeinen an damals sozusagen "als Nazis aufgewachsen" sind, in einer Sozialisiuerungsphase, die für das ganze Leben prägend ist: Wie sehr kann man solche Leute zu der Einsicht bewegt haben, dass das, was sie gelernt haben, propagandistischer und nationalsozialistischer, gefährlicher Unsinn ist? Und mit welchen Methoden kann man eine echte Einsicht erzzeugt haben?

Evil
27.06.2005, 20:29
Von meinen Großeltern war wohl keiner "aktiver" Nazi, allerdings haben sie wohl was geahnt... und bis auf meinen Großvater mütterlicherseits nicht wirklich was unternommen... und der ist in den letzten Kriegstagen von einer russischen Granate getötet worden...

Von einigen geschwistern meines Großvaters väterlicherseits weiß ich aber, daß die Nazis waren..

Feuerblick
27.06.2005, 20:30
Ich weiß von meiner Oma, daß sie im BDM war und das eigentlich auch sehr schön fand. Viel Gemeinschaft und nette Menschen. Allerdings scheint die Indoktrination durch die Nazis an ihr spurlos vorbeigegangen zu sein, denn sie gehört in ihrer Generation sicherlich zu den liberalsten Menschen, die mir je begegnet sind. Vielleicht war sie einfach mit 10 oder 11 Jahren noch zu jung, als dass die "Erziehung" wirklich gefruchtet hätte.... :-nix

Der Vater meines Vaters ist allerdings in Russland irgendwo verschollen während des Krieges. Ob er nun überzeugter Nazi war, oder eben in den Krieg mußte, wie viele andere auch, kann ich nicht sagen. Seine Kinder können sich nur sehr verschwommen an ihn erinnern.

Hellequin
27.06.2005, 20:50
Also von meinen Großeltern war keiner Nazi, die waren aber `45 auch erst um die 12-13 Jahre alt und damit selbst für den Volkssturm zu jung. Aber mein Großvater mütterlicherseits ist später zu einem überzeugten tiefroten Kommunisten geworden, falls das jemanden interessiert.:-D Ansonsten weiß ich nur noch das mein Urgroßvater mütterlicherseits als Mitglied der Wehrmacht in Russland gefallen ist.

Notdoc
28.06.2005, 00:34
Der Bruder meiner Oma und ihr erster Mann sind im 2. WK gefallen, ihr 2. Mann war bei der Marine in Norwegen im Einsatz.

Der andere Opa war Major bei den Pionieren und in Russischer Kriegsgefangenschafft. Er ist jetzt 97 und immer noch ziemlich fit für sein Alter.

Sie haben aber beide absolut keine nationalsozialistische Einstellung (mehr?).

Blümchen
28.06.2005, 17:00
Der Vater von meinem Opa war im Zentrum- mein Opa also eher Gegner des Ganzen wenn er auch eher neutral eingestellt war...Meine Oma war auch im BDM, und ihr Vater sowie ganze Familie sehr nationalsozialistisch eingestellt.Mein anderer Opa ist schwarz und nicht hier aufgewachsen, meine andere Oma war noch zu klein und Vater war Jude, hats aber überlebt...
Glaube, in jeder Familie gabs wohl ein paar Nazis...

Froschkönig
28.06.2005, 20:00
interessante Frage, in der Tat und ich könnte sie nicht mal beantworten, meine Großväter starben vor meiner Geburt, ich kenn sie nur von alten (Wehrmachts-)Fotos, hab aber keine Ahnung ob in der Partei oder nicht, mit der Ideologie verhaftet etc, meine Großmütter als ich noch jung war...von EINER elterlichen Seite bin ich mir aber sicher, daß sie keine Nazis wahren, bei der anderen Seite müßte ich erstmal nachfragen.


Wobei sich hier die Frage stellt inwieweit "nachfragen" bei so einem Thema zielführend ist, wer gäbe das über seine Eltern schon gerne zu ???

Der Frosch

hibbert
28.06.2005, 20:12
Also in meiner Familie väterlicher Seite war das schon sehr stark vertreten, ein Grossonkel war Obersturmführer bei der SS/Totenkopf, der andere bei der Leibstandarte. Es wurde sogar nicht mehr Weihnachten gefeiert, sondern nur noch das "Julfest". Aus der Kirche wurde ausgetreten, was damals Pflicht war.
Mein Grossvater war in dieser Zeit bei der Kriegsmarine, kein Mitglied der NSDAP oder anderer Organisationen.


Sebastians Post finde ich sehr interessant. Ich glaube nicht, dass das alles so einfach aus dem Bewusstsein zu löschen ist. Gewisse Hinweise gibt es ja schon, und wenn es nur das "früher war alles besser" oder "war schon eine tolle Zeit" ist.

Lava
28.06.2005, 20:24
Mein Opa ist ja quasi im Nationalsozialismus aufgewachsen. Deshlab denke ich mir, dass die "Gehirnwäsche" da ganz gut funktioniert war. Nach Ende des Krieges kamen die Alliiierten und haben gesagt, alles war schlecht. Due Russen haben den Bürgern im Ostteil des Landes dann den Sozialismus und Kommunismus eingeimpft. Auch da war mein Großvater dabei. Zwar nicht in der Stasi oder solchen krummen Dingern, aber er war einfach von der IDEE des Kommunismus überzeugt. :-nix Nach der Wende kam dann Kohl und hat ihm wiederum erklärt, dass alles, woran er geglaubt hat, großer Mist war... ich denke, dass es schwer ist, so schwerwiegende Wechsel im vorherrschenden Idealismus mitzumachen. Mittlerweile ist mein Opa übrigens Mitglied ind er FDP (beziehungsweise war es eine ganze Weile) und hat rein gar nichts mehr übrig für die Roten. :-D Nationalsozialistische oder rassistische Denkweisen kann man ihm in keinster Weise unterstellen. Er hat viele Freunde rund um den Globus und ist einer der menschenfreundlichsten Menschen, die ich kenne...

hibbert
28.06.2005, 20:30
interessante Frage, in der Tat und ich könnte sie nicht mal beantworten, meine Großväter starben vor meiner Geburt, ich kenn sie nur von alten (Wehrmachts-)Fotos, hab aber keine Ahnung ob in der Partei oder nicht, mit der Ideologie verhaftet etc, meine Großmütter als ich noch jung war...von EINER elterlichen Seite bin ich mir aber sicher, daß sie keine Nazis wahren, bei der anderen Seite müßte ich erstmal nachfragen.


Wobei sich hier die Frage stellt inwieweit "nachfragen" bei so einem Thema zielführend ist, wer gäbe das über seine Eltern schon gerne zu ???

Der Frosch


Wer etwas interessierter ist kann bei der Deutsche Dienststelle (WASt) für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht nachfragen. Da bekommt man gute Informationen.

http://www.com-de.pair.com/wast/frame.htm

Oder beim Budesarchiv. Das ist allerdings schon etwas komplizierter.

www.bundesarchiv.de Abteilung R

Froschkönig
28.06.2005, 20:52
Wer etwas interessierter ist kann bei der Deutsche Dienststelle (WASt) für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht nachfragen. Da bekommt man gute Informationen.
Äh nicht daß ich ne schlammschlacht anfangen möchte aber warum schreibst du das mit nem Zitat von mir drüber ? Weil ich dir nach 10 stunden arbeit nicht interessiert genug scheine ominöse internetquellen abzugrasen ? Ich finde die frage in der tat interessant aber grad im moment nicht so daß ich meinen ganzen Feierabend damit verbringe....:-(

hibbert
28.06.2005, 21:05
Öh, ging mir nur um das "nachfragen" und zielführend aus Deinem letzten Satz. Ich dachte an fundiertes, eben nicht von den Eltern. Für den der es genau wissen will.


Nichts für ungut.... :-))

Froschkönig
28.06.2005, 21:56
Öh, ging mir nur um das "nachfragen" und zielführend aus Deinem letzten Satz. Ich dachte an fundiertes, eben nicht von den Eltern. Für den der es genau wissen will.


Nichts für ungut.... :-))
schon ok, ist nicht mein bester tag heute.....da krieg ich leicht was in den falschen hals:-blush

Rico
29.06.2005, 07:51
Mein Opa ist ja quasi im Nationalsozialismus aufgewachsen. Deshlab denke ich mir, dass die "Gehirnwäsche" da ganz gut funktioniert war. Nach Ende des Krieges kamen die Alliiierten und haben gesagt, alles war schlecht. Due Russen haben den Bürgern im Ostteil des Landes dann den Sozialismus und Kommunismus eingeimpft. Auch da war mein Großvater dabei. Zwar nicht in der Stasi oder solchen krummen Dingern, aber er war einfach von der IDEE des Kommunismus überzeugt. :-nix Nach der Wende kam dann Kohl und hat ihm wiederum erklärt, dass alles, woran er geglaubt hat, großer Mist war... ich denke, dass es schwer ist, so schwerwiegende Wechsel im vorherrschenden Idealismus mitzumachen. Mittlerweile ist mein Opa übrigens Mitglied ind er FDP (beziehungsweise war es eine ganze Weile) und hat rein gar nichts mehr übrig für die Roten. :-D Nationalsozialistische oder rassistische Denkweisen kann man ihm in keinster Weise unterstellen. Er hat viele Freunde rund um den Globus und ist einer der menschenfreundlichsten Menschen, die ich kenne...Ich glaube, daß die Indoktrinierung, die diese Generation erfahren hat sehr Stark von Obrigkeitshörigkeit geprägt war und weniger von Details dessen, was die jeweilige Ideologie vorgegeben hat. Da war neulich ein guter Artikel in "Zeit Geschichte" zu dem Thema drin, daß die "typisch deutsche Tugend" der Obrigkeitshörigkeit bei dieser Generation sehr stark ausgeprägt war, weswegen die Kooperation mit den jeweils neuen Machthabern auch ganz gut funktioniert hat (anders als z.B. im Irak).

Ich glaube, daß es daher viel schwieriger wäre, unserer Generation, bei der diese "Tugend" weniger verbreitet ist, eine neue Ideologie aufzudrücken (ohne daß das jetzt ein verdienst unserer Generation wäre, wir sind halt in eine Zeit mit anderen Erziehungsmethoden reingeboren worden).

Sushiman
29.06.2005, 10:12
Hm,

mein Großvater hat die V2 mitentwickelt und war an der Verbesserung der deutschen U-Boote beteiligt....?! Ich hab hier noch ein Tagebuch von ihm rumliegen, wollte es immer mal ansehen, kam aber nie dazu...

In der SS oder SA oder Wehrmacht waren sonst keine meiner Großeltern...glaub ich, bin mir da jetzt aber nicht ganz so sicher...

Mirona
29.06.2005, 19:08
Bei einem Goßelternpaar weiß ich es nicht. Meine Großmutter hatte nichts damit am Hut. Und mein Großvater war, da er nach 45 im russischen Besetzungsgebiet lebte, in russischer Kriegsgefangenschaft und wurde ernteignet. Er war nicht im Krieg und in keiner Organisation. Meine Mutter hat den Krieg als kleines Mädel miterlebt und ist noch teilweise bis heute traumatisiert.

Grüßle, Mirona

Lava
29.06.2005, 21:30
Ich glaube, daß es daher viel schwieriger wäre, unserer Generation, bei der diese "Tugend" weniger verbreitet ist, eine neue Ideologie aufzudrücken (ohne daß das jetzt ein verdienst unserer Generation wäre, wir sind halt in eine Zeit mit anderen Erziehungsmethoden reingeboren worden).

Da bin ich mir nicht so sicher! Zwar meckern alle gegen die Politiker und es ist sicherlich nicht so, dass wir DENEN alles glauben, was sie sagen, aber ich finde, RTL und die Bildzeitung haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Meinungsbildung in unserer heutigen Zeit. :-nix

Und dass wir mit der Möglichkeit der freien Meinungsäußerung aufwachsen halte ich auch nur für das Produkt der Demokratie. Als Kind hab ich mich in der DDR sehr wohl gefühlt als Pionier... wenn es die Wende nicht gegeben hätte, hätte ich vielleicht auch Karriere in der Partei gemacht, wer weiß. ;-)

hibbert
29.06.2005, 23:12
Als Kind hab ich mich in der DDR sehr wohl gefühlt als Pionier... wenn es die Wende nicht gegeben hätte, hätte ich vielleicht auch Karriere in der Partei gemacht, wer weiß. ;-)


Ich finde das ist mal eine realistische Einschätzung. Und ich glaube das trifft auch sehr auf die Zeit des Nationalsozilismus zu. Ich denke nicht, wenn man mal realistisch und ehrlich ist, dass man sich selbst gerade im Widerstand gesehen hätte(natürlich wären es sehr viele gewesen... ;-) ). Die Lebensläufe vieler haben zu dieser Zeit ja eigentlich nichts anderes zugelassen.