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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Psychoanalyse...alles andere als lächerlich!



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sigmund
12.04.2002, 12:04
Viele machen sich lustig über die Arbeit eines Psychotherapeuten, sei ja überhaupt keine Arbeit, zuhören und in den Sessel furzen...
HAHA! Die Belastung, der ein Analytiker ausgesetzt ist, wohl gemerkt die psychische, wird unterschätzt. Ohne die spezielle Ausbildung im komplexen Umgang mit psychisch Kranken würden die Therapeuten vom ersten Kontakt an selbst psychische Störungen entwickeln, oder tun sie das so und so??? Gerne würde ich in Richtung Psychiatrie gehen, leider schrecken mich die Analytiker, Therapeuten, Psychologen und Psychiater mit ihren eigenen psychischen Erkrankungen und ihrer stark ausgeprägten Psychopathologie ab, muss einen dieser Beruf denn zwangsläufig krank machen?

Nico
12.04.2002, 13:34
Schwierig...
Ich möchte später auch in der Psychiatrie arbeiten. Eine Freundin von mir hat ihr AIP in der Psych gemacht und macht jetzt ihre Weiterbildung dort. Sie ist zufrieden damit.
Du machst auch Selbsterfahrung im Rahmen der Ausbildung und Supervision. Dort lernst DU dann, mit deinen Gefühlen und Reaktionen klarzukommen.
Aber es gibt auch Therapeuten, die es nicht lange aushalten - das liegt aber dann an deren Persönlichkeit.

Kopf hoch :-)

lala
12.04.2002, 14:52
Sigmund, Du schmeißt da einfach nur so mit Begriffen und Vorurteilen (?) um Dich..

Kennst Du überhaupt Psychologen /Psychiater oder hast eigene Therapie-Erfahrung?

"In Richtung Psychiatrie" ?

Unterscheide erstmal die Psychiatrie von der Psychologie, dann gibt es da die ärztlichen Psychotherapeuten und die psychologischen Psychotherapeuten. Und die Psychoanalytiker machen auch wieder ganz andere Dinge als z.B. die VT`ler (Verhaltenstherapie).
Ich persönliche halte z.B. viel von VT, aber die Psychoanalyse mit Freud und Co ist mir etwas suspekt.

Und: Psycho-Probleme bei Psychologen und Psychiatern sind denke ich nicht häufiger als bei anderen Menschen, nur diese beschäftigen sich halt mehr mit ihren Problemen und sind sensibler und introspektionsfähiger...

Gruß,

doclala

Nico
12.04.2002, 15:09
Ich glaube nicht, dass es hier darum geht, mit Vorurteilen oder Begriffen um sich zu werfen!

Woher soll jemand im 4. Semester sich damit auskennen?

Und: Selbst wenn man die Begriffe kennt und weiss, was dahinter steht, so weiss man noch immer nicht, welche Belastung der Beruf mit sich bringt.

Abgesehen davon ist der Beruf "Arzt" immer belastend in irgendeiner Form. Die Frage ist, wie man selbst damit umgeht und welchen Ausgleich man hat.

Gruß an euch beide :-)

sigmund
12.04.2002, 15:30
Ich wollte in meinem Posting nicht so genau differenzieren, einfach mal alles in einen Topf werfen!
Ich bin mir durchaus bewußt, dass es große Unterschiede gibt, sowohl bei Psychiatern, als auch bei Psychologen.
Einblicke hatte ich bis jetzt in die Psychotherapie an einer Klinik für Psychosomatik. Musik-, Kunst-, Gestaltungs-, Bewegungs-, und Gesprächstherapie. Gesprächstherapie natürlich nur eingeschrenkt. Außerdem war ich 3 Monate in der Supervision mit den Therapeuten und Ärzten. Erst nach einiger Zeit konnte ich die Tiefe der psychischen Probleme der Patienten erkennen (es war eine Privatklinik, vom Lufthansa-Manager bis zum Allgemeinmediziner über Lehrer und Autoren war alles vertreten), da die Patienten anfangs einen relativ normalen Eindruck gemacht haben. Ich bin sehr beeindruckt von den Fähigkeiten der Therapeuten, jedoch ist die Konzentration der Arbeit auf psychische Störungen sehr anstrengend und der Umgang für den Therapeuten selbst ebenfalls sehr schwierig. Speziell die Freud´sche Psychoanalytische Therapie, d.h. die Anwendung der Psychotherapie verändert den Therapeuten sehr, viele Laien beurteilen diese Veränderung als psychische Störung und halten den Therapeuten selbst für psychotisch. Grundsätzlich aber wollte ich nur feststellen, dass fast alle Mitglieder obiger Berufsgruppen, die ich kenne, entschuldigt, einen kleinen "Schaden" haben!

Nico
12.04.2002, 16:08
Boah....
Hat denn nicht jeder irgendwo einen kleinen "Schaden", eine kleine Macke, eine Marotte - oder wie man das auch immer nennen will ???

Also ich steh zu meinen Macken und Kanten und Ecken - das ist Individualismus !

Und was bedeutet eigentlich noch NORMAL ?

WAS ist normal ?

:-meinung

June
12.04.2002, 17:23
Keine Ahnung, wie das in der Klinik, in der du da warst so abläuft, aber unter den besten Freunden meiner Eltern sind zwei Psychiater und eine Psychologin, die zum Teil vielleicht etwas extravagant sind, aber ganz sicher keinen größeren Schaden haben als du und ich.
Auch als ich in der geschlossenen Aufnahmestation einer Psychiatrie hier in GÖ hospitiert habe (zugegeben, nur einen Tag), hatte ich den Eindruck, daß die Ärztinnen, auf die ich dort getroffen bin, alle sehr normal waren.
Inwiefern haben denn die Psychologen und Psychiater, von denen du sprichst, "einen kleinen Schaden"? Ich habe nämlich schon beobachtet, daß die Freunde meiner Eltern sich auch mal aus einer außenstehenden Perspektive betrachten und ihre eigenen ganz normalen Macken psychologisch deuten. Vielleicht wäre einem das ein oder andere Problem, das sie haben sonst nie aufgefallen, aber das heißt ja nicht, daß andere das nicht haben, nur weil sie nicht darüber reden oder es sogar gleich analysieren wollen. Ich finde eigentlich, daß das eine nette Eigenschaft ist, solange man nicht den ganzen Tag analysierend durchs Leben rennt.
Die June

cookie!
12.04.2002, 17:27
Beruhigt mich, dann kann ich mich ja jetzt ohne schlechtes Gewissen in endlich in eine psychiatrische/psychotherapeutische Klinik einweisen lassen, meine schwere Depression behandeln lassen und trotzdem weiter meinem Berufswunsch "Psychiaterin" nachhängen, oder?

sigmund
12.04.2002, 20:18
Versteht mich nicht falsch, ich seh das schon sehr ähnlich, jedoch habe ich mit meinen Erfahrungen dann wohl einen anderen Teil der Therapeuten kennengelernt, nämlich eben die, die andauernd rumanalysieren. Und das nervt nun mal wirklich mit der Zeit!
Der Lieblingssatz des Profs dort ("Jeder ist verhaltensgesört!") ist mit Sicherheit richtig und es geht hier auch nicht um die Akzeptanz der eigenen Ecken und Kanten. Wichtig ist nur, dass nicht ALLES krampfhaft analytisch seziert wird, denn dann finden sich wohl in jedem Menschen viele "Fehler", die absolut belanglos sind und überhaupt keiner Analyse bedürfen! Und dann richtet die Psychoanalyse mehr Schaden an als Heilung!

Grüß Euch!

12.04.2002, 20:38
Was für eine Diskussion. Natürlich haben die ganzen Psyco-Fuzzis einen Schaden. Ob sie sich nun Psychiater, Psychotherapeut oder sonstwie schimpfen. Wer sich mit so einem Unsinn beschäftigt, hat logischerweise nicht alle Sinne beisammen. Ganz anders die Chirurgen. Hier findet man schnell, effizient und logisch handelnde und hochkompetente Männer, die wirklich wissen was sie tun und mit ihrer Arbeit etwas bewirken. Kein Wunder, daß die meisten Psycho-Fuzzis Frauen sind.

AiP in der Herzchirurgie

Nico
12.04.2002, 21:05
Es ist ja auch leichter, etwas Greifbares zu "reparieren", als etwas im Innern verborgenes....

Die menschlichen Verhaltensweisen sind schon eine Herausforderung, der nicht jeder gewachsen ist. :-)

Wer's nicht kann - der wird Chirurg !

Xanthippe
13.04.2002, 00:19
Gähhn...bitte nicht wieder das alte Hin- und Her mit unserem herzigen AIPler...

Wobei ich aus meiner Erfahrung (2Monate) Psychiatrie (offene und geschlossene) auch ein wenig in die eher skeptische Richtung neige.

Das Fach Psychiatrie und die Patienten an sich fand ich eigentlich sehr spannend. Abgelöscht haben mir die Assistenten. Ich hatte das Gefühl, die Psychiatrie sei einfach ein Sammeltopf für alle, die irgendwie - drücken wir es vorsichtig aus - "unkonventionell" waren: der 50ig-Jährige Assistent mit Medizin als Fünftstudium, die Polin, die kaum ein Wort Deutsch (geschweige den Schweizerdeutsch) verstand, diejenige Assistentin, die Psychiatrie zur Selbstfindung gewählt hatte und schliesslich noch der gescheiterte Chirurge. Eine wahrlich seltsame Mischung.

Wobei ich ehrlicherweise anfügen muss, dass der Staff wirklich gut war und man viel von Ihnen lernen konnte - nicht einfach Psychogeschwafel.


Ad Nico: "wer's nicht kann - wird Chirurg "
Ernst gemeint? :-???
oder bloss Spass :-))

Hackt doch bloss nicht immer so auf den Chirurgen rum - nicht alle sind Herzchirurgie-AIPler (mit dem ich ganz gerne mal am Tisch stehen würde!! Dieser Macho :-love

Nico
13.04.2002, 08:59
Das bezog sich nur auf den Macho. :-D

biba
13.04.2002, 15:13
Ich denke, was einen (guten) Psychiater von allen anderen Medizinern unterscheidet, ist, das man dazu eine wirkliche Begabung braucht, und es nicht mit Fakten lernen getan ist.
Man kann der beste Theoretiker sein, aber wenn man nicht in der Lage ist, Menschen dazu zu bringen sich zu öffnen hat man leider verloren.
Ob man ein bisschen verrückt sein muss, um diesen Beruf zu wollen, oder es nach 20 Jahren wird - es gibt sicherlich auch beides. (Andererseits, welcher "Gesunde" will zum Beispiel lebenslang eitrige Pickel und anderer Dermaditiden behandeln ;o) ? )
Ich muss aber zugeben, dass mir persönlich die Erwachsenenpsychiatrie lebenslang zu hart wäre. Ich werde in die Kinderpsychiatrie gehen. Das ist sicherlich auch nicht gerade leicht verdaulich, aber ich habe das Gefühl, dass da noch mehr "zu retten" ist.

Letztendlich ist es doch wie in allen Fächern - wenn es dich interessiert, gucks dir an. Mach Famulaturen dort und entscheide für dich selbst, wie du mit Patienten und den Durchschnittskollegen klar kommst.

sigmund
13.04.2002, 15:41
@ biba

Ich werde mit Sicherheit eine Famulatur in der Psychiatrie machen, auch um vielleicht schon mal herauszufinden, ob ich diese wertvolle Begabung habe, die man zweiffellos braucht. Auch wenn ich schon Schlechtes über die mir bekannten Therapeuten etc. geschrieben habe, die meisten sind doch wirklich sehr herzige und sympathische Menschen mit ganz besonderen Fähigkeiten.

Nico
13.04.2002, 16:22
Ich denke, nein ich bin überzeugt davon, dass man in der Psychiatrie auch etwas eigene "Erfahrung" mitbringen sollte.
Damit meine ich nicht, dass man selber größere Probleme oder Störungen haben oder gehabt haben muss oder sollte.
Aber Feingefühl, Einfühlungsvermögen, Empathie und Selbstkongruenz MÜSSEN vorhanden sein.

Ich habe zur Zeit einen Partner, der eine schwere Persönlichkeitsstörung hat ( Borderline ) und es ist nicht immer einfach. Und gerade solche Leute werden von vielen Therapeuten ( welcher Art auch immer ) NICHT verstanden, weil ihr Erleben von sich und der Umgebung die Vorstellungskraft der Therapeuten übersteigt!
Und ein Therapeut, der nicht nachvollziehen und nicht verstehen kann - der ist keine große Hilfe und kann auch viel kaputtmachen, besonders das Vertrauen der Patienten.

biba
13.04.2002, 17:33
Ich denke auch, dass es auf jeden Fall hilft, eigene Erfahrungen gemacht zu haben, auch wenn das makaber klingt.

In meinem Psychiatrie-Kurs habe ich erlebt, wie Kommilitonen genervt die Augen verdreht haben, Schilderungen von Depressiven völlig übertrieben fanden, hyperaktive Kinder als schlecht erzogen abtaten... und da kommt man auch mit Wissen vermitteln nicht viel weiter. Sie können sich nicht vorstellen, was das alles bedeutet. Aus ihrer Sicht - Gott sei Dank!

Aber wenn man mit einem Depressiven zusammengelebt hat, ein Kind mit ADS hat und und einiges mehr erlebt hat...
hat man ganz bestimmt mehr vom Kuchen abbekommen, als man jedem wünschen würde, aber man kann sich auch vorstellen, was hinter den Berichten der Patienten steht, ist sensibler für das, was sie nicht erzählen, und wird bestimmt nicht so leicht die Augen verdrehen.

Natürlich kann man auch ohne eigene Erfahrungen ein guter, einfühlsamer Psychiater werden, aber vielleicht ist das auch eine Erklärung dafür, warum man doch einige "seltsamere" Psychiater trifft, vielleicht gerade, weil sie auch eine eigene Geschichte haben. Wichtig ist nur, trennen zu können.

sigmund
13.04.2002, 17:46
Sicher ist oft die eigene Geschichte Antrieb und Grund für das Interesse an der Psychiatrie/Psychotherapie und daraus entsteht vielleicht dann der Wunsch, selbst einmal Psychiater zu werden und so den "Leidensgenossen" helfen zu können. Ich denke dieser Bereich der Medizin grenzt sich sehr stark von anderen Fächern ab, in denen zwar ohne Frage ein gewisses Feingefühl, Einfühlungsvermögen und Empathie erforderlich wären, es jedoch leider ganz oft auch ohne geht.

Nico
13.04.2002, 17:58
Es geht NICHT ohne!!!
Das sieht man dann am ausbleibenden Erfolg der Therapie!

sigmund
13.04.2002, 18:21
Es sollte nicht ohne gehen, im psychotherapeutischen Bereich erst recht nicht, aber wievielen Ärzten fehlen Feingefühl, Einfühlungsvermögen und Empathie?