OP-Fähigkeit bei extremer Adipositas

[Sebastian1]

Angeregt durch einen mir bekannten (internistischen) Fall dröngt sich mir gerade die Frage auf:

Wenn jemand, der eine EXTREMSTE Adipositas (BMI > 70, will sagen: Körpergewicht nähert sich den 250 kg) hat und dazu noch diverse Hauterkrankungen infektiöser Genese (bei de facto nicht vorhandenem Pflegezustand) - und dieser jemand wird auf einmal OP-pflichtig (akutes Abdomen o.ä.)...geht das überhaupt? Wie kann man jemanden operieren, bei dem selbst ein Brotmesser nicht ausreichen würde, um durch die subkutane Fettschicht zu gelangen? Ich kanns mir beim besten Willen nicht vorstellen....

[Doktor_No]

klar geht das, wenn es ein echter notfall ist. es gibt ja extra siebe für solche kandidaten, und ein williger pjler zum fettweghalten findet sich sicher...

[hobbes77]

Angeregt durch einen mir bekannten (internistischen) Fall dröngt sich mir gerade die Frage auf:

[...] dazu noch diverse Hauterkrankungen infektiöser Genese (bei de facto nicht vorhandenem Pflegezustand)[...]

Mir "dröngt" sich ein bißchen die Frage auf, ob Dein Hinweis auf die diversen Hauterkrankungen bei mangelnder Pflege eine allgemeine Abwertung des Menschen (des "Falles", wie Du schreibst) beinhaltet, um den es geht, ungefähr so: "Erst wird er so fett, und dann wäscht er sich noch nicht mal anständig. Pfui!"

Mit der OP-Fähigkeit hat der Hautzustand nicht viel zu tun, allenfalls kann es Probleme mit der Wundheilung geben.

Um auf die Frage zu kommen: natürlich geht der Allgemein- und Ernährungszustand in die Abwägung der Operationsindikation ein. Bei zweifelhafter Indikation wird man bei BMI=70 weniger wahrscheinlich operieren als bei BMI=23. Wenn aber eine absolute Operationsindikation besteht, so operiert man natürlich. Technisch muß man dann halt etwas kreativer (und kräftiger) vorgehen als im üblichen Fall, aber "geht nicht, gibt's nicht". Selbstverständlich hat der BMI-70-Mensch von Haus aus eine schlechtere Chance auf ein gutes Operationsergebnis als der BMI-23-Mensch.

[Froschkönig]

Mir "dröngt" sich ein bißchen die Frage auf, ob Dein Hinweis auf die diversen Hauterkrankungen bei mangelnder Pflege eine allgemeine Abwertung des Menschen (des "Falles", wie Du schreibst) beinhaltet, um den es geht, ungefähr so: "Erst wird er so fett, und dann wäscht er sich noch nicht mal anständig. Pfui!"
Mir fällt schon seit einigen Tagen auf daß du bei deinen Postings immer so ein wenig den "Moral-Papst" raushängen läßt...das ist jetzt nicht böse gemeint sondern rein eine Feststellung...ICH kann damit leben aber wundere Dich nicht wenn du mal ein paar Wasserbomben zurück bekomst...

Und zum konkreten Fall: Ich weiß ja nicht, was ihr so für Erfahrungen mit BMIlern > 50 habt, aber ich mittlerweile ne ganze Menge und FAKT ist daß bei sehr vielen Hauterscheinungen zu beobachten sind, das ist nicht abwertend oder diskriminiernd gemeint sondern eine Flge davon, daß man die intertriginöse Hygiene bei so ausgeprägten Fettschürzen eben selber einfach nicht mehr hin bekommt...nur soviel dazu.

Und zur OP-Indikation: Wenn es was elektives ist, wird jeder Chirurg und jeder Anästhesist vorher eine Gewichtsreduktion fordern...im Akutfall....das ist doch einfach: Wenn man was tun MUSS, dann VERSUCHT man sein bestes und wenn es an der Leibesmasse scheitert dann ist das leider Gottes so...aber doch im Notfall kein Diskussionspunkt....

Der Frosch

[die chondropathia]

Mir fällt schon seit einigen Tagen auf daß du bei deinen Postings immer so ein wenig den "Moral-Papst" raushängen läßt...das ist jetzt nicht böse gemeint sondern rein eine Feststellung...ICH kann damit leben aber wundere Dich nicht wenn du mal ein paar Wasserbomben zurück bekomst...
Noja, "Moral-Papst" würde ich das nicht nennen, hobbes mag einfach keine wie auch immer geartete Diskrimminierung und da kann ich ihn bestens verstehen, wenngleich ich im konkreten Fall den Punkt nicht ganz sehe, weil es ja ganz so ist wie du sagst: Die Hautfaltenpflege ist einfach nicht umfassend und dauerhaft hinreichend möglich...

[Froschkönig]

hobbes mag einfach keine wie auch immer geartete Diskrimminierung und da kann ich ihn bestens verstehen, wenngleich ich im konkreten Fall den Punkt nicht ganz sehe,....
Nein das sehe ich anders, denn er hat sich durchaus schon auch mockiert, wenn eine Debatte seiner Meinung nach am ausgangsposting vorbei lief ;-) Auch wenn er - was man hier einräumen muß - schon den selben "Fehler" begangen hat und sich dafür dann geschämt....

Der Frosch

[hobbes77]

Hm. Dieses Forum soll nicht zu der Frage "Ist hobbes77 der Moralpapst oder nicht?" (Papst! Frechheit! :-peng ) abdriften, aber nachdem Fröschkönig die Frage öffentlich aufbringt, mag ich auch öffentlich darauf antworten.

Ich bilde mir nicht ein, daß ich ein besserer Mensch bin als irgendjemand hier (soviel zum Thema Moral), mir geht es nicht darum, anderen Leuten meine Ansichten aufzudrängen (soviel zum Thema Papst), und ich glaube nicht, daß ich besonders vernunftbegabt bin (soviel zum Thema heraushängen lassen).

Ich diskutiere gerne und höre auf die Zwischentöne (bzw. die Hautfalten zwischen den Speckrollen), und wenn mir so eine Zwischenton auffällt, dann weise ich darauf hin - und freue mich, wenn andere Leute das kommentieren, mir zustimmen oder meine Idee für komplett schwachsinnig erklären. Also her mit den Wasserbomben, dafür sind wir ja - unter anderem - hier.

[Hellequin]

Ich diskutiere gerne und höre auf die Zwischentöne (bzw. die Hautfalten zwischen den Speckrollen), und wenn mir so eine Zwischenton auffällt, dann weise ich darauf hin - und freue mich, wenn andere Leute das kommentieren, mir zustimmen oder meine Idee für komplett schwachsinnig erklären. Also her mit den Wasserbomben, dafür sind wir ja - unter anderem - hier.
In einem Internetforum ist das halt so eine Sache mit den Zwischentönen ... dadurch das man sein "Gegenüber" nicht sehen und hören kann, fällt halt auch ein Teil des Inputs weg. Von daher ist es imho Unsinn jedes einzelne Wort auf die Goldwaage zu legen, oder zu meinen man habe da einen Zwischenton gehört.
:-meinung

[Cassy]

So, endlich einmal wieder zurück zu Sebastians's Thema!!!!


Was mich interessieren würde: wenn eine solche Person zu einer akuten OP drankommen soll, wie bitte passt der- oder diejenige auf die normalen OP-Tische??? Wenn der halbe Körper links und rechts hinunterhängt ist das wohl auch nicht sinnvoll. Denn in unserem Haus gibt es nämlich auch keine speziellen OP-Tische für Personen mit einem sehr hohen BMI. Kann man sich den OP-Tische von anderen Häusern ausleihen wenn der Patient z.B. nicht transportfähig ist. :-wow

[Turnusknecht]

Es gibt Firmen, die im Verleih derartiger Spezialtische und -betten ihre eigenen ökonomische Nische gefunden haben.

Es ist aber teilweise auch eine Frage der Zeit, wie schnell diese OP-Tische und Pflegebetten zur Verfügung stehen, ganz klar.

[Cassy]

Also bei uns ganb es neulich einmal den Fall, da mussten ein RTW und ein normales Intensiv-Bett das Zeitliche segnen nachdem sie mit einem doch recht schweren Patienten in Kontakt kamen. In einem solchen Fall könnte man den Patienten ja wohl kaum auf dem Fußboden liegen lassen bis ein passendes Bett organisiert wird :-oopss

[DoktorW]

Wir haben die in GI immer mit dem Küchen-LKW mit absenkbarer Ladefläche gefahren, wenn Sie zu "pummelig" waren :-oopss

[FataMorgana]

Es sind in solchen Fällen auch ganz banale Probleme zu berücksichtigen. Z. B.: Ist der OP-Tisch überhaupt für so schwere Personen zugelassen? Lässt er sich dann noch bewegen? Beides ist nämlich häufig nicht der Fall. Wenn dann der Tisch zusammenkracht, wird keine Versicherung etc. zahlen. Evtl. verbleibt in so einer Situation als einzige Möglichkeit die Verlegung (evtl. mit Spezialtransport) in ein Krankenkaus, das logistisch darauf eingerichtet ist. Ich denke z. B., dass in Abteilungen, in denen Operationen wie gastric banding oder Magen-Bypass durchgeführt werden, alles auch auf sehr hohe BMIs eingerichtet ist.

[Evil]

In unseren OPs gibt es Knochentische, die bis 250kg zugelassen sind, darüber ist Ende.

Aber wie Fosch schon sagte, jeder Anästhesist wird eine elektive OP ablehnen, bei solchen BMIs ist allein die Intubation schon riskant und nur als Blitzeinleitung durchzuführen (lokale Verfahren scheiden von vorneherein aus, so lange Spinalnadeln gibt es nicht ;-) ).
Und im Notfall wird eh oft improvisiert...

[Sebastian1]

Mir "dröngt" sich ein bißchen die Frage auf, ob Dein Hinweis auf die diversen Hauterkrankungen bei mangelnder Pflege eine allgemeine Abwertung des Menschen (des "Falles", wie Du schreibst) beinhaltet, um den es geht, ungefähr so: "Erst wird er so fett, und dann wäscht er sich noch nicht mal anständig. Pfui!"Nein, es beinhaltet sicher keine Abwertung des Menschen als solchen. In diesem Thread ging es mir rein um die Sachfrage, ob extremste Adipositas ein Grund für Inoperabilität bei eigentlich zwingender OP-Indikation sein kann. Ich selbst hab zwar schon recht oft im OP gestanden, allerdings noch nicht bei einer Bauch-OP mit einem Mensch solchen Ausmasses. Und der schlechte Pflegezustand und die Hauterkrankungen (offene Stellen (mehrere cm tief), sklerodermiforme Hautverdickung, Parasitenbefall etc.) kommen ja zu den ohnehin schon schwierigen Bedingungen noch hinzu.

Um dennoch auf den vermeintlich von dir gehörten Zwischenton einzugehen:
Ich bin durchaus der Meinung, dass jeder Mensch auch ein Maß an Eigenverantwortung für die eigene Gesundheit haben sollte. Damit ist natürlich nicht gemeint: "Wer krank wird ist selbst schuld daran.", sondern ein gewisses Mass an Gesundheits- und Körperbewusstsein, das eben auch Ernährung, Bewegung, Selbstpflege etc. betrifft.



Mit der OP-Fähigkeit hat der Hautzustand nicht viel zu tun, allenfalls kann es Probleme mit der Wundheilung geben.Ist dem unbedingt immer so?

[hobbes77]

Ich bin durchaus der Meinung, dass jeder Mensch auch ein Maß an Eigenverantwortung für die eigene Gesundheit haben sollte. Damit ist natürlich nicht gemeint: "Wer krank wird ist selbst schuld daran.", sondern ein gewisses Mass an Gesundheits- und Körperbewusstsein, das eben auch Ernährung, Bewegung, Selbstpflege etc. betrifft.

Ja, genauso sehe ich es auch. Und im Kontext dieses Beitrages von Dir verschwindet der von mir halluzinierte Zwischenton sofort.

(NB So habe ich mir das diskussiontechnisch vorgestellt :-top )

[Rico]

Was mich interessieren würde: wenn eine solche Person zu einer akuten OP drankommen soll, wie bitte passt der- oder diejenige auf die normalen OP-Tische??? Wenn der halbe Körper links und rechts hinunterhängt ist das wohl auch nicht sinnvoll. OP-Tische sind doch nach so einem Baukastenprinzip aufgebaut - man kann fast jedes Teil abschrauben, durch ein anderes ersetzen oder eines zwischenrein fügen.
In meinem Zivi hatten wir uralte OP-Tische und selbst bei diesen konnte man mit ein paar Handgriffen das Beinteil verlängern, falls ein besonders großer Patient aufgelegt werden mußte oder an jeder Seite noch eine Verbreiterung einhängen, sodaß die Fettschürzen nicht beidseits runterhängen und ggf. Kontakt mit dem Metall des Tisches machen (gefährlich wg. Leckströmen bei der Diathermie). Der Motor hat dann zwar manchmal etwas gequält getan, aber zur Not muß sich jeder Tisch auch mit ner Handkurbel betreiben lassen, so gesehen kann einem der Motor auch egal sein....

Apropos Diathermie: In den Hautfalten mit feuchtem Millieu kann es bei Adipösen (und da brauch man nichtmal extrem dick zu sein) durchaus zu Leckströmen von einer Seite der Falte zur anderen kommen, die zu schweren Verbennungen führen können. Deshalb ist darauf zu achten, daß die Erdungsplatte möglichst nah am OP-Feld angebracht ist und daß ggf. in die Falten trockene Tücher gestopft werden.
Auch ein OP-Risiko, das nur Adipöse mitbringen....

[Cassy]

Hmm, ich könnte mich nicht erinnern dass es in unserem OP Teile gab, mit denen man einen Tisch verbreitern konnte. Verlängerungen für die Beine hab ich ja schon gesehen, aber ein Teil zum Verbreitern eines Tisches????? Aber naja, wir sind ja auch nur ein kleines Haus mit circa 350 Betten :-blush