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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : abtreibung bei behinderung?



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ehec
13.08.2005, 01:32
aus leider gegebenen anlass wollte ich hier mal in die runde fragen, wie ihr zu abtreibungen aufgrund einer behinderung des feten steht... wuerde es fuer euch in frage kommen, ein (ganz sicher) behindertes kind zu bekommen? wo wuerdet ihr da die "grenze" ziehen zwischen dem, was ihr euch fuer euch und euer kind vorstellen koennt und dem was nicht? koenntet ihr mit der entscheidung abgetrieben zu haben leben? wie steht ihr der ganzen praenataldiagnostik gegenueber, tolle sache oder eher eine seite moderner medizin, die man lieber nicht bis zum aeussersten ausreizen oder in anspruch nehmen sollte? mir ist klar, dass man sich natuerlich erstmal selbst in der situation befinden muesste um zu wissen, wie man wirklich reagieren wuerde... aber trotzdem.

ich zum beispiel koennte das mit meinen vorstellungen von einem erfuellten leben nicht in einklang bringen ein geistig behindertes kind zu haben, aber ich muesste das kind ja auch nicht abtreiben lassen. ich weiss, dass die betroffenen, also eltern und kind sowas zwar auch leben koennen, aber ich wuerde das einfach nicht wollen.



wie sieht das bei euch aus?

Feuerblick
13.08.2005, 08:53
Ehrliche Antwort? Ja, ich kann es mir vorstellen und ja, ich würde es auch tun. Aus mehreren Gründen:
1. Ein behindertes Kind wird immer ein behinderters Kind bleiben. Es wird nur älter, braucht aber konstant die gleiche Zuwendung. Mit 30 oder 40 Jahren kann man das noch leisten, aber was ist mit 60 oder 70 Jahren? Körperlich? Finanziell? Und was ist nach dem Tod der Eltern? Diese Kinder haben eine besondere Beziehung zu ihren Eltern!
2. Klingt mies, aber ich würde es mir schlicht nicht "aufbinden" wollen. Klar, behinderte Kinder sind teilweise wirklich goldig, aber es ist und bleibt eine Bürde, die ich nicht tragen möchte.
3. Bei einigen Behinderungen bin ich mir nicht mal wirklich sicher, ob man dem Kind einen Gefallen tut, ihm das Leben zu gönnen. Je nach Schwere der Behinderung stellt sich die Frage, ob das Leben für das Kind lebenswert wäre.

Ich habe mich darüber mit meinem (jetzt Ex-) Freund unterhalten und wir waren uns einig, daß wir das realistisch betrachten würden und uns eher gegen als für ein behindertes Kind entscheiden würden. Ob und wie ich damit leben könnte, weiß ich nicht. Das merkt man erst, wenn man in der Situation ist...

Feuerblick

P.S. Nur, damit wir uns nicht missverstehen: Ich rede hier von schwersten Behinderungen, also solchen, die eine lebenslange intensive Betreuung durch Bezugspersonen voraussetzen, keine oder nur geringe Eigenständigkeit ermöglichen oder die selbst mit bester medizinischer Versorgung nur unzureichend kompensiert werden können. Also nicht ein zu kurzes Bein oder sowas :-nix

cKone
13.08.2005, 09:51
Interessanter find ich die Frage:
Würdet ihr als zukünftige Ärztinnen/Ärzte Abtreibungen durchführen?
Mich interessiert dieses Thema sehr!

DoktorW
13.08.2005, 10:00
3. Bei einigen Behinderungen bin ich mir nicht mal wirklich sicher, ob man dem Kind einen Gefallen tut, ihm das Leben zu gönnen. Je nach Schwere der Behinderung stellt sich die Frage, ob das Leben für das Kind lebenswert wäre.

ich finde es echt krass, dass Du über lebenswert oder nicht lebenswert richtest. Wer gibt Dir das Recht dazu?

Feuerblick
13.08.2005, 10:06
Ich finde krass, dass man nicht mal mehr solche Gedanken äußern kann! ICH gebe mir selbst das Recht dazu, darüber zu richten, was ICH mit meinem Bauch und meinem Leben anfangen will. Denn an MIR als Mutter bleibt das alles hängen! DAS ist mein Recht und das werde ich verteidigen. Und mal ehrlich, glaubst du, daß ein schwerbehindertes Kind viel vom Leben hat? Klar, neben all den Operationen, den Nadeln, den Leuten, die ihm jede Intimsphäre nehmen MÜSSEN, um es zu versorgen....
Wenn ich als Mutter nicht mal drüber nachdenke, was ich meinem Kind und mir antue, wer soll es dann tun???????? Mannomann, wie mich solche Äußerungen ankotzen!!! Hast du schon mal ein Baby mit Fallotscher Tetralogie elend verrecken sehen? Hast du schon mal Kinder mit schweren Krankheiten betreut und leiden sehen? Hast du mal mit Eltern solcher Kinder ausführlich geredet, sie betreut, wenn die Kleinen krank sind? Hast du? Falls nicht, dann solltest du das tun und DANN reden wir weiter!

P.S. Und wer gibt dir das Recht, über mich zu richten??

ehec
13.08.2005, 10:13
ich denke auch, das recht dazu heisst "selbstbestimmung". das ist ja auch das schwierige an dem thema, der eine richtet sich nach vorgaben z.b. seiner kirche und lehnt alles ab, von pnd bis abtreibung, der andere koennte noch nicht mal eine eher leichtere koerperliche behinderung beim kind akzeptieren.

uebrigens: das recht oder auch die pflicht ein leben nach solchen kriterien zu beurteilen hat man ja nicht nur in so einer situation...

DoktorW
13.08.2005, 10:19
Vielleicht solltest Du Dich nicht so weit aus dem Fenster lehnen, Feuerblick. Ich weiß sehr wohl, von was ich rede. Ein behindertes Familienmitglied ist Berechtigung genug, an dieser Stelle mitreden zu dürfen!

Feuerblick
13.08.2005, 10:21
Und gerade als Mediziner entscheidet man häufiger über Leben und Tod, als einem bewußt ist. Würde man der Natur ihren Lauf lassen, würden viele Menschen sterben. Aber wir haben Medikamente und Apparate, die den Tod solcher Menschen verhindern. Daher sehen wir den Tod in diesen Fällen als unnötig an. Ja, wir maßen uns sogar an zu sagen, daß es verwerflich ist, einen Menschen sterben zu lassen, wenn man sein Leben ja doch verlängern könnte. Anders gesagt: Nur, weil ein Kind mit intensivster medizinischer Versorgung leben KÖNNTE... muss man das allen Beteiligten antun? Gerade als Arzt hat man die Pflicht, mal drüber nachzudenken, ob man alles, was man tun KANN auch tun SOLLTE...

Feuerblick (die sich bewußt ist, daß sie in ein Wespennest sticht, aber findet, daß sowas die Entscheidung der Betroffenen ist... und nicht der Umwelt)

Feuerblick
13.08.2005, 10:26
Vielleicht solltest Du Dich nicht so weit aus dem Fenster lehnen, Feuerblick. Ich weiß sehr wohl, von was ich rede. Ein behindertes Familienmitglied ist Berechtigung genug, an dieser Stelle mitreden zu dürfen!
*schulterzuck* Hier kommt es auf die Stärke der Behinderung an. Ich meine mich zu erinnern, um welche Behinderung es bei deinem Familienmitglied geht (gab mal einen Fred dazu, oder?). Für mich wäre das schon ein Grenzfall, aber ich gestehe zu, daß diese Art der Behinderung durchaus Lebensqualität ermöglicht. Aber es gibt genug andere Möglichkeiten einer Behinderung, oder? Die eben wesentlich mehr Eingriffe ins Leben vonnöten machen, die mehr Medizin nötig machen und die weniger Teilnahme am Leben ermöglichen. Ich schrieb ja auch "Bei einigen Behinderungen....", oder?

Es ist die Entscheidung der Betroffenen. Und meine Gedanken dazu habe ich hier mitgeteilt. Diskutieren möchte ich sie nicht... Wenn du das anders siehst, darfst du mit deiner Partnerin das gerne anders entscheiden, denn es ist nicht mein Wunsch, andere zu missionieren... Genausowenig, wie ich missioniert werden möchte. Okay?

DoktorW
13.08.2005, 10:33
Jeder darf seine Meinung haben, auch Du. Aber ich verurteile solche Sätze, wie Du sie genannt hast, zu tiefst. Auch wenn Du es auf "einige" Behinderungen reduzierst finde ich es unpassend vor der Geburt eines Kindes schon über den Wert des Lebens zu urteilen.

Und ich will nicht missionieren, sondern habe meine klare Meinung kundgetan. So wie Du auch. Und ich fand Deine Worte nicht zum kotzen (wie Du meine), sondern krass. Und das steht mir zu.

Und auch wenn mein Onkel in Deinen Augen eine "leichte Behinderung" hat, habe ich schon genug Behinderte in seiner Wohngruppe gesehen, die wesentlich schlechter dran sind aber dennoch sehr viel Spaß und Freude am Leben haben!

Feuerblick
13.08.2005, 10:41
Eben...! "Wohngruppe"... ist auch nicht für alle möglich, sondern setzt eben ein gewisses Mass an Eigenständigkeit voraus...
Aber egal.. Mich nervt nur massivst an, daß man als Frau immer gleich so angegangen wird. Denn an den Frauen bleibt es hängen, sich um das Kind zu kümmern. Das vielleicht nie sitzen, essen, sprechen, laufen oder sonstwas lernen wird oder sein Leben nur im Krankenhaus und unter einer Vielzahl von Medikamenten verbringen wird. Das niemals mit anderen Kindern spielen oder kommunizieren wird... DAS sind die schweren Behinderungen, von denen ich rede.
Ich lasse dir deine Meinung, solange du nicht versuchst, zu verurteilen oder zu missionieren. Damit wären wir uns dann doch einig, oder?

ehec
13.08.2005, 10:47
fuer mich geht es bei dieser frage aber auch mindestens ebensosehr um die frage, ob man sich ein leben MIT dem behinderten kind vorstellen kann, und nicht nur darum ob das leben fuer das kind lebenswert waere. ich glaub auch, dass die meisten entscheidungen pro oder contra kind bekommen auch auf dieser ebene gefaellt werden, ist bei mir jedenfalls so.

ehemalige Userin 24092013
13.08.2005, 10:49
Ich teile mit Feuerblick die Meinung, ich würde auch abtreiben, wenn ich wüsste, dass mein Kind schwer behindert sein wird - genau aus den gleichen Gründen, wie sie auch.

Feuerblick
13.08.2005, 11:01
fuer mich geht es bei dieser frage aber auch mindestens ebensosehr um die frage, ob man sich ein leben MIT dem behinderten kind vorstellen kann, und nicht nur darum ob das leben fuer das kind lebenswert waere. ich glaub auch, dass die meisten entscheidungen pro oder contra kind bekommen auch auf dieser ebene gefaellt werden, ist bei mir jedenfalls so.
Das stimmt! Die Frage, ob lebenswert oder nicht gehört zwar dazu, aber für mich stünde auch im Vordergrund, ob ich das selbst durchstehen könnte oder wollte. Denn mein Leben soll für mich auch lebenswert bleiben, sonst kann ich einem Kind nicht das geben, was es braucht...

DoktorW
13.08.2005, 11:02
Eben...! "Wohngruppe"... ist auch nicht für alle möglich, sondern setzt eben ein gewisses Mass an Eigenständigkeit voraus...

oh nein, so ist es nicht. Es gibt eigenständige genauso wie Rollstuhlfahrer die nicht sprechen können. Das ganze funktioniert, weil die Gruppe zusammenhält. Diejenigen, die können, helfen auch mit und somit kann das Ganze funktionieren.

Es hängt vielleicht mehr an der Mutter, aber auch der Vater ist der Vater eines behinderten Kindes und trägt auch hier seine Last!

Feuerblick
13.08.2005, 11:09
Streite ich gar nicht ab, aber die Pflege bleibt in der Regel an der Frau hängen. Klar, sie muss sich ja sowieso um das Baby kümmern, da schleift sich das eben ein. Ist ja auch nicht schlimm, aber genau deshalb sollte man den Frauen solche Entscheidungen auch zugestehen und nicht verurteilen, wenn sie sich gegen das Kind entscheiden. Leichtfertig trifft eine Frau eine solche Entscheidung nicht, dessen könnt ihr euch sicher sein!

Ist denn in der Wohngruppe auch einer, der gefüttert, gewindelt, getragen, gewendet werden muss und der keine Verbindung zur Welt aufnehmen kann? Wenn ja, dann Hut ab vor der Wohngruppe...

erich
13.08.2005, 11:09
Hallo,
ich wüsste von der Nicht-Abtreiben-Seite gern, wie sie das in der Klinik halten (würden). Wenn da jetzt eine Frau einen Schwangerschaftsabbruch will und man assistieren soll - seht Ihr Euch da nur als ausführendes Organ ohne Verantwortung dafür oder weigert Euch?

milz
13.08.2005, 11:16
Das kommt auf den Grad der Behinderung an. Mit einem Downsyndrom kann man "fast normal" leben. Das wäre für mich jetzt kein Grund zu einer Abtreibung.

Allerdings beantwortet man solche Fragen theoretisch sicher anders, als wenn man tatsächlich in der Situation ist.

Weitere Frage: Würdet ihr vorgeburtlich eine Chorionzottenbiopsie oder eine Amnioncentese machen lassen? Das Risiko, dadurch eine Fehlgeburt auszulösen ist meines Wissens in etwa so groß, wie die Wahrscheinlichkeit, dass ein pathologischer Chromosomenbefund bei dieser Unteruchung herauskommt.

McBeal
13.08.2005, 11:28
Hallo,
ich wüsste von der Nicht-Abtreiben-Seite gern, wie sie das in der Klinik halten (würden). Wenn da jetzt eine Frau einen Schwangerschaftsabbruch will und man assistieren soll - seht Ihr Euch da nur als ausführendes Organ ohne Verantwortung dafür oder weigert Euch?

Ja, ich würde mich weigern, weil ich mich, auch wenn ich nur "ausführe" mitverantwortlich bzw. mitschuldig fühlen würde.

Und zur weiteren Diskussion: So wie ich mich bis jetzt kenne und einschätze, würde ich ein behindertes Kind bekommen.
Problematisch finde ich allerdings in dieser Diskussion, dass die meisten oder zumindest viele Behinderungen erst während der Geburt oder kurz danach (Sauerstoffmangel etc.) entstehen. Man kann also alle Möglichkeiten der PD nutzen und trotzdem ein krankes Kind haben - oder durch die Untersuchung ein gesundes verlieren.
Und ich bin mir nicht sicher, aber wird bei der PD nicht nur auf Defekte wie Trisomien getestet? Menschen mit Trisomie 21 haben m.M. nach ziemlich viel Lebensfreude und bei den anderen Trisomien ist die Lebenserwartung doch so gering, dass die Mutter sowieso nichg so lange die Pflege "am Hals" hätte, wie Feuerblick meint.

Viele Grüße,
Ally

erich
13.08.2005, 11:49
"Ja, ich würde mich weigern, weil ich mich, auch wenn ich nur "ausführe" mitverantwortlich bzw. mitschuldig fühlen würde."

Ok, aber hälst Du das für realistisch? Also so für Gynäkologen, Anästhesisten insbesondere (ich weiß nicht, ob da noch andere Fachrichtungen potentiell beteiligt sein können). Besteht ja doch die Gefahr, dass man dann nicht allzu lang mehr Gynäkologe oder Anästhesist sein wird. Oder sollte man das Deiner Meinung nach dann sicherheitshalber gleich nicht werden wollen? Hätte ja - wenn das der einzige Grund wäre - auch was von aus-der-Verantwortung-stehlen.