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June
03.05.2002, 06:43
Okay, Heini, mit deinem letztem Statement bin ich einverstanden. War auch nie der Meinung, daß Verbote von Computerspielen DIE Lösung des Problems sind, auch wenn ich immernoch unschlüssig bin, warum man gerade Menschen virtuell erschießen muß, um Spaß zu haben.
Ratlos macht mich nur, daß die Entwicklung zur Gewaltakzeptanz so einfach und sicher halt auch mit den von dir genannten Maßnahmen (wenn denn mal jemand die Kosten nicht scheut, sie anzuwenden) nicht zurückzudrehen ist. Immerhin kommt der Amokläufer allem Anschein nach nicht aus einer kaputten Familie (zugegeben, über die Erziehung zur Konfliktbewältigung in der Familie weiß man trotzdem nichts), und auch in der Schule hat es den Medien zufolge Gewaltvermeidungsstrategien gegeben.
Was natürlich jetzt nicht im Umkehrschluß heißt, daß man solche Ansätze deshalb gleich wieder aufgeben sollte, weil sie eh nichts taugen!
Die June

03.05.2002, 13:13
@Heini
Das ist ja grade der Punkt: Eltern, Erzieher, Lehrer, große Geschwister, große Cousins und Cousinen, Onkel und Tanten-
alle sind in gewisser Weise Vorbilder für die Kinder-die bald schon selber Erwachsene sind. Tja, wenn der coole,sehr verehrte große Bruder oder gar der Papi unkritisch mit bluttriefenden Medienprodukten umgeht, dann wird bei entsprechender psychischer Prädisposition des Kindes eine tragische Fehlentwicklung nicht auszuschließen sein.

PS: Das Argument, daß Kinder mit dem Stock Maschinengewehr spielen, ist mir etwas zu wacklig. Oder lernt man auch sonst das Sozialverhalten von den Kindern und nicht umgekehrt? Ach ja,
wir erleben ja derzeit die "Infantilisierung der Gesellschaft"
(SPIEGEL, frag mich nur nicht, welche Ausgabe).

cu, sisterC

03.05.2002, 15:29
Hallo

Würdest du sagen wie hier als Befürworter solcher Spiele gehen unkritisch damit um?? Ich würde sagen NEIN. Die wenigsten Leute gehen unkritisch damit um, auch die die solche SPiele spielen.

Lava
03.05.2002, 16:19
Es gibt übrigens auch Psychologen, die der Meinung sind Egoshooter helfen sogar Aggressionen abzubauen.

Du wirst immer entsprechende Meinungen finden, wenn du danach suchst. Es gibt auch Historiker, die behaupten, es hätte den Holocaust nie gegeben. Und Wissenschaftler, die sagen, der erhähte CO2 Ausstoß sei nicht schuld an der globalen Erwärmung. Nur sind es bloß 5% oder weniger Wissenschaftler, die diese Meinung vertreten. In der Presse erscheinen sie aber der gegensätzlichen Meinung gleichberechtigt gegenüber zu stehen. Deshalb sollte man nicht auf den Tisch pochen, nur weil mal irgendein Psychologe sowas gesagt hat.


Wie meint ihr soll denn noch gegen solche Spiele vorgegangen werden? Die Entwickler einsperren? :-/

Zum Beispiel!! "Ab 18" Aufkleber nützen wenig, das Internet ist viel zu leich zugänglich. Also muss man das Problem an der Wurzel packen. Wenn ein Hersteller gegen ein Gesetz verstößt, gehört er bestraft.

Übrigens mache ich mir auch um die Zukunft Sorgen. Jetzt mögen die Spiele noch halbwegs erträglich sein, aber denkt doch mal an die Entwicklung! Irgendwann kann man per virtual reality Leute abknallen. Alles wird immer realistischer. Dem muss doch ein Riegel vorgeschoben werden! Vielleicht muss man egoshooter nicht gleich abschaffen, aber wenigstens kann man versuchen, sie zu entschärfen.


Also Schäden für die Wirtschaft. Klasse Idee insgesamt.

Und wenn du anbieten würdst, dass man für 5 EUR jemanden in die Fresse haun darf,würdest du auch reich werden. Die Wirtschaft muss sich auch an Regeln und Gesetze halten.

sisterC
04.05.2002, 21:58
:-meinung ihr geht unkritisch damit um, wo bitteschön offenbart sich in euren statements, außer einem lauen lüftchen des unbehagens, euer wacher blick?

:-meinung produzenten von gewaltverherrlichenden darstellungen -games, tv, video, im internet sollte so gründlich der
prozeß gemacht werden, daß ihnen ein für allemal die lust am schund vergeht - ebenso den anderen schweinen aus der pornoriege:
hinter gitter mit dem pack - mindestens für 25jahre und fetteste
geldstrafen dazu

;-) ciao, sC

05.05.2002, 09:18
Hallo

Ich habe mal noch eine Frage an euch. Warum seid ihr denn nicht auch dafür jegliche art von Sportschützenvereinen zu verbieten?? Ich meine dort wird auf Zielscheiben geschossen und die Leute lernen überhaupt erst mit der Waffe umzugehen. Jemand der nur Counter Strike spielt und dann eine Waffe in die Hand nimmt würde 100 prozentig nicht wissen wie er sie überhaupt entsichert und würde auch keinen mensch auf 10 meter entfernung treffen.

Dr.Dolor
07.05.2002, 07:21
Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, Schützenvereine zu verbieten - das Töten beginnt im Kopf und nicht mit der Waffe... Abgesehen davon leben wir in einem freien Land und ein Verbot aller Schiess- und Schützenvereine wäre dementsprechend aufgrund dieses Amoklaufes eine unverhältnismässige Massnahme in die falsche Richtung. Wie gesagt, das Problem sind die illegalen Waffen und auch ohne adäquates Training bspw. in einem Schützenverein wäre jeder von uns in der Lage, in einem entsprechenden Szenario (Bahnhofshalle, Audimax...) mit einer vollautomatischen Waffe Dutzende von Menschen zu töten.
Es kann also nicht das Ziel sein, "Trainingsmöglichkeiten" oder Computerspiele zu verbieten - konsequenterweise müsste man dann nämlich auch gewalt(verherrlichende) Szenden in TV und Film verbieten. Vielmehr sollte versucht werden umzusetzen, was unser Bundespräsi in seiner Traueransprache gesagt hat: Wir müssen einfach ein wenig aufeinander achtgeben, niemanden so tief fallen lassen, das er hilflos die Kontrolle über sich und sein Leben verliert. Das fängt schon beim Kommilitonen an, der vermutlich ein 3.Mal sein Physikum/StEx nicht schaffen wird - wie sehr kümmern wir uns denn um Menschen, die abzustürzen drohen oder schon abgestürzt sind?
Die totale Sicherheit gibt es nicht, soviel ist klar. Und wenn Robert Steinkühler ein degenerierter Hauptschüler in Frankfurt oder Gelsenkirchen gewesen wäre, hätte es zwar besser ins Bild gepasst, uns aber in der trügerischen Illusion belassen, das derartiges nur an sozialen Brennpunkten passieren kann!

Gruss,
Daniel.

June
07.05.2002, 13:05
@Dr.Dolor: Schön, dich mal wieder hier im Forum zu sehen! :-)

Problematisch finde ich das, was Johannes Rau gesagt hat, unter folgendem Gesichtspunkt: Auf der einen Seite wird von der Politik gefordert und geduldet, daß man eine "Amerikanisierung" der Wirtschaftsverhältnisse anstrebt. Nach und nach ändert sich so das Denken der Menschen, Kategorien wie Effzienz und Produktivität gewinnen zunehmend an Bedeutung, nicht nur was technische Produktionsverfahren angeht, sondern in zunehmendem Maße auch auf Menschen projiziert. Freiräume, und damit auch die nötige Zeit, ein Gespür für das Innenleben seiner Mitmenschen zu entwickeln und auf sie einzugehen, werden im beruflichen Rahmen immer weiter wegrationalisiert; Konkurrenzdenken gewinnt an Bedeutung, wenn aufgrund der Optimierung der Aktienkurse der Arbeitsplatz nicht mehr sicher ist.
Ist es dann auf der anderen Seite nicht etwas naiv, zu glauben, daß man die Veränderung der Bedeutung der Wirtschaft ohne eine soziale Verrohung der Gesellschaft haben kann?
Nur ein Gedanke, würde mich interessieren, wie ihr dazu steht!
Die June

Dr.Dolor
07.05.2002, 14:34
Hallo June,

Du hast Recht, es besteht ein starker Widerspruch zwischen einem fürsorglichen Humanismus und dem kapitalorientierten Wettbewerbsgedanken. Und hier liegt meiner Meinung nach die Wurzel des Übels - versuchen wir ansatzweise den Konflikt zu verstehen, der zu dem Amoklauf geführt hat, so kommen wir nicht am Aspekt der von Dir erwähnten Leistungsgesellschaft vorbei. Ohne jetzt hier über Sinn & Unsinn der gewinnorientierten Gesellschaft auf Kosten einer daran scheiternden Minderheit näher einzugehen muss aber doch eigentlich festgestellt werden, dass die "harte Realität" nicht alleine Schuld an dieser Tat sein kann. Ständig wiederkehrende Phrasen der Schuldzuweisung (Computerspiele, Schützenvereine, "die Gesellschaft") führen zu nichts; vielmehr sollte ein Umdenken stattfinden, eine vermehrte Sensibilität gegenüber denjenigen, die sich aussichtslos fühlen.
Man muss sich das mal vorstellen: Schafft man das Abitur in Thüringen nicht, steht man OHNE Schulabschluss da! Ich will mir nicht vorstellen, wie gross der Druck für den Attentäter gewesen sein muss. Das entschuldigt zwar keinesfalls seine Tat, aber man stelle sich vor, nach 6 Jahren MedStudium 3x durch das Dritte StEx zu fallen... nur mal so als Szenario.

Wie auch immer, die Gesellschaft wird nicht besser oder schlechter durch Fernsehen oder Computerspiele - im Mittelalter wurde noch viel übler gefoltert, gemordet, verbrannt. Im alten Rom massakrierten sich Gladiatoren bis zum Tode - und? War die Gesellschaft damals schlechter oder besser? Hatten sie "Trainingsmöglichkeiten" oder vorbilder in TV und Kino?

So unbequem es auch anzumuten mag, aber die Gesellschaft sind wir und somit obliegt es auch uns, was wir aus dieser Welt machen. Das ist, war und wird immer so sein.

Gruss, Daniel.

Heini
07.05.2002, 16:20
Dr. Dolor hat es sehr treffend um- und beschrieben. Passend dazu hab ich grad im zdf-videotext lesen müsssen, dass stoiber den grandiosen vorschlag gebracht hat, den verleih von gewaltverherrlichenden videos und computerspielen auch für volljährige zu verbieten, weil die volljährigen diese medien mit minderjährigen konsumieren.
ja hallo? hört da noch wer die einschläge? abgesehen von der endlosen debatte, was nun gewaltverherrlichend ist oder nicht (zombie-filme, scream, braveheart, clockwork orange, terminator 2 ?), jetzt wird hier einerseits die persönliche freiheit beschränkt mit einer argumentation die zwar nachvollziehbar aber nicht grundsätzlich anwendbar ist und andererseits eine schnellschuss-lösung angeboten, die nur auf den ersten blick eine echte hilfe bringt. die probleme liegen nun einmal viel tiefer, wie dr.dolor schon so treffend bemerkt hat. das liegt aber an jedem selbst und ist weder schnell bemerkbar noch überprüfbar. geschweige den medienwirksam. wollte die politik nicht erfurt aus dem wahlkampf raushalten?

Lava
07.05.2002, 18:46
Ich sehe da noch ein paar ganz andere Probleme. Erstens hat ja angeblich niemand bemerkt, dass Robert S. Probleme hatte. Da kann ich mir gut vorstellen, dass eine offenere Haltung von uns gegenüber unseren Mitmenschen vorbeugend hätte sein können. Man darf sich eben nicht so sehr auf sich selbst konzentrieren. Leider wird Egoismus in unserer Gesellschaft gefördert und ohne kommt man nicht weit.

Im krassen Gegensatz dazu steht eine Art falsche Entlastung, die ich manchmal empfinde. Z.B. gab es nach dem Erfurt Amoklauf gleich wieder Berichte im Fernsehen, wie hoch doch der Druck in der Schule sei und wie sehr die armen Kinder darunter leiden müssten. Meine eigenen Erfahrungen sind da ganz anders. Mal abgesehen von wenigen Ausnahmen hätten viele meiner ehemaligen Mitschüler viel besser sein können. Sie waren es aber aus Desinteresse, Faulheit und fehlenden Ambitionen nicht! Und mit einer "ihr tut mir ja alle so leid, wir werden ab heute immer nett sein und uns nicht ärgern, wenn ihr wieder mal 'ne 5 mit nachhause bringt" Mentalität wird sowas doch erst recht gefördert! Ich weiß nicht..... das ganze Fernsehprogramm kommt mir vor, als würde die Kindheit immer weiter verlängert und Verantwortung und Erwachsensein immer mehr hinausgezögert. Du bist für nix mehr verantwortlich. Und jetzt soll auch noch die Volljährigkeit auf 21 heraufgesetzt werden!! Diese Umgebung animiert doch geradezuzu Perspektivlosigkeit und dazu, alle Schuld von sich zu weisen.

Das hat vieleicht nichts mit dem Amoklauf zu tun, aber es ist eine Entwicklung in unserer Gesellschaft, die mich nervt.

June
07.05.2002, 19:42
Original geschrieben von Dr.Dolor
So unbequem es auch anzumuten mag, aber die Gesellschaft sind wir und somit obliegt es auch uns, was wir aus dieser Welt machen. Das ist, war und wird immer so sein.
Sicher, mein Einwand war auch nicht als Ermunterung gedacht, die Verantwortung jedes einzelnen für eine menschliche Gesellschaft zu negieren. Wer mich kennt, weiß daß ich das Abwälzen von Verantwortung auf andere oder auf "die Umstände" verachte. (Als solches will ich auch nicht meine Einstellung zu Egoshootern mißverstanden wissen!)
Egal, wie die Grundvoraussetzungen sind, sollte natürlich jeder sein bestes geben, um ein Auge auf seine Mitmenschen zu haben.
Die Worte, die Johannes Rau gefunden hat, waren sehr versöhnlich zwischen Opfern und Täter und insofern dem Anlaß einer Trauerrede angemessen.
Ich finde es nur bei genauer Betrachtung etwas scheinheilig, so etwas von einem Politiker zu hören, ohne daß er dazu wiederum ein Wort der eigenen Verantwortung (nicht persönlich der Verantwortung von Johannes Rau, aber der der Politik) verliert.
Die June