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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Lernen und Vergessen: Sinn und Unsinn von MC's



Confused
30.08.2005, 13:28
Hey zusammen,

ich hab' jetzt ein Jahr Medizin hinter mir, und mir stellen sich einige Fragen bezüglich dem Sinn und Unsinn von MC-Prüfungen.

Vor Prüfungen war es bisher so, dass man meist nicht so recht wusste, welche Bereiche man wie gut können muss. Es hiess ab und zu "das kommt sicher dran", "das muss man auswendig können", "lernt die Scripten für die Prüfung" und so weiter. Da es sich ja bekanntlich um MC Prüfungen handelt - was aus praktischer Hinsicht für die Korrektur und dergleichen sicherlich die beste Variante darstellt - konnte man jeweils gut einfach soviel wie möglich in seinen Kopf reinprügeln, unzählige Eselsbrücken basteln, und dann an der Prüfung jeweils passiv das Wissen abrufen (wie ja bekannt ist, besteht ein RIESIGER Unterschied zwischen "aktivem" und "passivem" Wissen, wobei bei einer MC Prüfung fast ausschliesslich letzteres gefragt ist, da die Antworten ja schon vorliegen).

Aus Zeitdruck habe ich also bisher vor allem in folgender Art und Weise gelernt (natürlich abhängig von der Art des Lernstoffs):

1. Durchlesen
2. Augen zu und im Kopf nochmal langsam durchgehen was man noch weiss. Dies ist meist weniger, als man erwartet!
3. Wichtige Dinge, Namen etc. völlig zusammenhangslos mit Eselsbrücken, "Bildern" und dergleichen manifestieren.
4. Schlafen gehen und am nächsten Tag den Stoff nochmal kurz durchgehen und schauen ob es "sitzt".

Meine Frage bezieht sich nun vor allem zu Punkt 3. Einerseits habe ich die Erfahrung gemacht, dass diese Vorgehensweise für MC-Prüfungen ENORM hilfreich ist. Teilweise hatte ich beim Lesen der Frage keine Ahnung, was die Antwort sein könnte (d.h. aktiv hätte ich es niemals mehr gewusst), aber bei den Antworten blitzten im Kopf sofort die Bilder, Eselsbrücken und dergleichen auf, so dass man einfach diejenige Antwort herauspicken konnte, die in der Beziehung einen "Sinn" ergab. Natürlich habe ich nicht alles so gelernt, z.B. bei der Anatomie ist es natürlich besser, wenn man die Muskeln einfach vor sich sieht und sich die Funktion ableitet, aber selbst dort habe ich zusätzlich noch Eselsbrücken gemacht, womit ich die Funktionen quasi aus dem Stegreif ohne Nachzudenken aufzählen konnte.

Hört sich ja alles ziemlich gut an, und ich denke für Prüfungen ist es auch eine geeignete Lerntechnik. Allerdings frage ich mich, inwiefern man damit auch langfristig etwas lernt. Wenn ich zurückblicke, so merke ich, dass ich von den ersten Prüfungen sehr sehr vieles bereits wieder vergessen habe, und dass teilweise nur noch Fragmente von Eselsbrücken in meinem Kopf rumwandern, gleichzeitig aber quasi nichts vom Stoff selbst. Klar, die wirklich wichtigen Dinge weiss man auch so, aber ich habe immer mehr das Gefühl, dass wenn mich jemand direkt etwas fragen würde, dann könnte ich in vielerlei Fällen keine korrekte Antwort geben, ohne mir vorher nochmals klar zu werden, worum es da genau ging. Man weiss zwar an den Prüfungen sehr viel, aber nachher baut sich das wirklich sehr schnell wieder ab und man ist reduziert auf das absolute Grundwissen. Geht es nur mir so? Mache ich mir zurecht Sorgen? Ich möchte nicht irgendwann vor einem Patienten stehen, und irgendein Symptom falsch interpretieren, nur weil ich "damals" für die Prüfung, und nicht für das Leben selbst gelernt habe. Andererseits habe ich vor Prüfungen jeweils das Gefühl, dass es zeitlich gar nicht möglich ist, den ganzen Stoff auf Verständnisbasis zu lernen, weil es einfach viel länger dauert, und man ja so schon ziemlich im Stress ist.

Wäre es nicht vielleicht sinnvoller, die Prüfungen auf einem grundlegenderem Niveau - also auf Basis des Verständnis, des logischen Denkens - zu führen, und nur einen Teil mit striktem "Auswendigwissen"? Was bringt es mir, wenn ich sämtliche Aminosäuren auswendig lerne, nur um nach ein paar Monaten wieder zu vergessen, wie überhaupt ein Glycin aussieht? Wäre es nicht sinnvoller, eine "Grundbasis" aufzubauen, aufgrund derer ich später - natürlich in Verbindung mit Büchern, wie es jeder Arzt auch macht - auch detaillierte Aspekte analysieren und abrufen kann? Ich habe jedenfalls ab und zu das Gefühl, die Dozenten wollen mit ihren Fragen mehr beweisen, dass sie wirklich so sehr ins Detail gegangen sind, und dass sie quasi "alles abgedeckt" haben. Was nachher hängenbleibt, ist zweitranging - hauptsache an der Prüfung muss man den richtigen Erreger für Krankheit XY ankreuzen.

Hat jemand ähnliche Erfahrungen?

:-blush

Werwolf
31.08.2005, 19:29
Wäre es nicht vielleicht sinnvoller, die Prüfungen auf einem grundlegenderem Niveau - also auf Basis des Verständnis, des logischen Denkens - zu führen, und nur einen Teil mit striktem "Auswendigwissen"?

- Ja

Was bringt es mir, wenn ich sämtliche Aminosäuren auswendig lerne, nur um nach ein paar Monaten wieder zu vergessen, wie überhaupt ein Glycin aussieht?

- Nichts... :-nix

Wäre es nicht sinnvoller, eine "Grundbasis" aufzubauen, aufgrund derer ich später - natürlich in Verbindung mit Büchern, wie es jeder Arzt auch macht - auch detaillierte Aspekte analysieren und abrufen kann?

- Ja. :-meinung Aber für ein Medizinstudium muß man ja nicht in erster Linie besonders helle sein, sondern fleißig. Jedenfalls für diesen unsäglichen MC-Kram...

Hat jemand ähnliche Erfahrungen?

- zum Teil schon :-))

Rico
01.09.2005, 06:17
Man weiss zwar an den Prüfungen sehr viel, aber nachher baut sich das wirklich sehr schnell wieder ab und man ist reduziert auf das absolute Grundwissen. Geht es nur mir so? Mache ich mir zurecht Sorgen? Ich möchte nicht irgendwann vor einem Patienten stehen, und irgendein Symptom falsch interpretieren, nur weil ich "damals" für die Prüfung, und nicht für das Leben selbst gelernt habe. Also zunächsteinmal laß Dir gesagt sein, daß das Vorklinikwissen (mit Ausnahme Anatomie und Physio) später allenfalls (!!!) noch in Grundzügen nötig sein wird. Wie Du selbst erkannt hast, interessiert es in der Klinik niemanden, wie ein Glycin aussieht.

Für die Klinik muß ich sagen, daß ich MC gar nicht soooo schlecht fand.
Denn durch das MC-lernen setzten sich doch gewisse Assoziationen fest, durch die Du beim Auftreten eines Schlagwortes sofort an die damit verknüpfte Krankheit denkst.
Wenn Du "atemabhängige Thoraxschmerzen" hörst, dann weißt Du sofort: Eher nix am Herzen, sondern eher in Richtung Lunge.
Wenn das "Kind an der Hand der Mutter gehend gestürzt" ist, dann springt sofort die Radiusköpchenluxation ins Bewußtsein.
Auch wenn das dann nachher natürlich nicht in 100% die richtige Diagnose ist, dann ist es doch etwas, an das man auf jeden Fall denken mußte und es ausschließen.
Von daher finde ich das mit dem MC-Lernen für die Klinik nicht so schlimm - womit ich natürlich nicht sagen will, daß es keine besseren Prüfungsmethoden gibt.

Lava
01.09.2005, 10:13
Ja, leider vergisst man viel zu schnell viel zu viel. Ich habe vor ein paar Wochen erst klinische Pharmakologie geschrieben und dafür eigentlich gut gelernt und auch eine sehr gute Note bekommen - aber erst gestern musste ich lange über etwas nachdenken, was ich im Kurs gelernt hatte - und es fiel mir trotzdem nicht mehr ein.
Ich glaube mittlerweile, dass dieser "Wissensverlust" nicht nur mit der Art der Prüfungen zusammenhängt. Ich habe in einigen Kursen Klausuren mit offenen Fragen geschrieben und auch mündliche Prüfungen gehabt, also musste ich mir für diese Fächer aktives Wissen aneignen. Und TROTZDEM weiß ich jetzt, wenige Wochen später, nicht mehr viel davon.
Für mich ist die Konservierung von Wissen eine Frage der Anwendung. Z.B. konnte ich mir noch nie Dermatome merken oder Kennmuskeln und -reflexe. Aber jetzt in meiner NCH Famulatur, wo man das täglich braucht, prägt es sich sehr schnell ein.

Ein bisschen kann ich dich aber beruhigen: je weiter du im Studium vorran schreitest, umso mehr erschließen sich Zusammenhänge. Viel mehr als in der Vorklinik! Auch wenn ich jetzt z.B. imme rnoch kein Innere hatte, weiß man ein bisschen darüber aus anderen Fächern wie Pharma oder Pädiatrie. Da fühlt man sich nicht ganz so dumm. ;-)

Evil
01.09.2005, 16:09
Also, ich persönlich halte MC-Fragen für riesengroßen ******, weil diese Haarspalterei meistens vom wichtigeren Überblick ablenkt.
In letzter Zeit bin ich auf gleich 2 Typen gestoßen, die beide ganz gut durch die schriftlichen Prüfungen gekommen sind, aber so dermaßen keine Ahnung von dem haben, was sie da im PJ tun, da wird mir schon angst und bange.

Außerdem fehlt einem beim MC oft ein winziges Detail, und schon ist die Frage versiebt.

Nee, mir waren mündliche Prüfungen immer lieber... trotzdem habe ich schon mehr vergessen, als die meisten hier bisher gelernt haben :-D