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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : M. Parkinson



Yemaya
17.09.2005, 09:16
Könnte mir bitte jemand ausführlich erklären wie die Kardinalsymptome des Parkinson pathogenetisch zustande kommen?

Hellequin
17.09.2005, 09:42
Die Funktion des von der Substantia nigra produzierten Dopamins beruht vorrangig auf einer Hemmung des Striatums, wobei das Striatum bewegungshemmend auf motorische Impulse des Großhirns wirkt. Das bedeutet das die Substantia nigra bewegungsfördernd wirkt. Dies erklärt dann auch die Akinese beim M. Parkinson. Außerdem wirkt die Substantia nigra hemmend auf die Formatio reticularis und die zugeordnete Symptome wären der Rigor und der Tremor. Wobei hier der genaue pathomechanismus meines Wissens nach noch nicht genau geklärt ist. Aber vielleicht weiß jemand anderes genaueres dazu.

RettAss
19.09.2005, 16:35
Hallo Yemaya,

ist ja schon eine recht kecke Frage...

Empfehle Dir als erstes Mal die Lektüre von Eric Kandel, Principles of Neural Science, Movement, Basal Ganglia.

Zusammengefasst:
Es gibt einen Kontrollkreis für Bewegungsbefehle vom Cortex zu den Muskeln. (Tatsächlich gibt's mehrere, aber der hier ist betroffen.)
Die involvierten Strukturen sind entwicklungsgeschichtlich sehr alt und liegen daher an einem früh in der Embroygenese entwickelten Abschnitt des Hirns, "zwischen" dem Cortex und dem Rückenmark (schlagt mich nicht für die Formulierung...)daher der Name "Basalganglien".

Diese Basalganglien kommunizieren fast nur untereinander, abgesehen von einem Inputbereich, das ist das Putamen und einem Outputbereich, das ist der Globus Pallidus internus. Der Input kommt von einer sehr dunklen Substanz, Substantia Nigra, und besteht aus Nervenbahnen, deren Transmitter Dopamin ist.
Nun sind im Putamen zwei Wege zu unterscheiden, der direkte und der indirekte Weg. Während ersterer den Globus Pallidus externum überspringt, und gleich zum GPi geht (siehe Outputbereich!), geht der indirekte eben indirekt über den GPe auf das GPi. Die Neurone aus dem GPe sind GABAerg, das ist ein hemmender Neurotransmitter. Eine Weg über eine bremsende Struktur führt zur Bremsung der nachgeschalteten Struktur. Soweit klar, nehme ich an.
Nun ist interessant, wann welcher Weg angesteuert wird, und wohin denn der Output geht!
Beide Wege werden über Dopamin (aus der Substantia Nigra!) angesteuert. Sie unterscheiden sich in ihren Rezeptoren. Der D1 des direkten Weges wird durch Dopamin aktiviert. Die aktivierten Neurone innervieren wie oben erläutert den GPi, der wird also auch aktiviert.
Der indirekte Weg reagiert auf die Abwesenheit von Dopamin mit Aktivierung, bzw. auf die Anwesenheit mit Hemmung. Das von ihm innervierte GPe ist nun ebenfalls ein hemmender Baustein und hat Verbindungen zum GPi. Und das ist jetzt etwas schwierig nach zu vollziehen...
direkt: Input D1 --> Hemmt GPi-->Also schwacher Output.
indirekt: Input D2 --> Weniger Aktivierung von GPe --> Also weniger Hemmung von GPi --> Also stärkerer Output.
Soweit klar? Wichtig ist, das hier eine Bremse gebremst wird. Oder anders: wenn ich beim Autofahren weniger stark bremse, bin ich schneller.

Jetzt ist sehr interessant, wohin denn der Output geht. Und das ist der Schlüssel zum Verständnis!
Die nächste Struktur ist eine vermittelnde zwischen Integration des Hirns und allen eintreffenden Reizen, sie wird auch als Vorzimmerdame des Großhirns bezeichnet... der Thalamus. Alle bewussten Informationen sind vorher durch diese Schaltzentrale gegangen und umgekehrt alle bewusst initiierten Bewegungen (und andere) von hier aus auf die entsprechenden Leitungsbahnen geschickt worden.
Aber die Leitungsbahnen aus dem GPi sind hemmend (wieder GABA), d.h. wir steuern grad wieder auf die gebremste Bremse zu...

direkt: Input D1 --> Hemmt GPi-->schwacher Output-->wenig Hemmung Thalamus-->viel Bewegung wird durchgelassen.
Der direkte Weg erleichtert Bewegung!
indirekt: Input D2 --> Weniger Aktivierung von GPe -->weniger Hemmung von GPi -->stärkerer Output-->starke Hemmung des Thalamus-->wenig Bewegung wird durchgelassen.
der indirekte Weg verhindert Bewegung!

Nun zum Parkinson, der jetzt leichtfällt zu erklären. Hierbei geht u.A. die Substantia Nigra unter, d.h. kein Dopamin mehr für das Putamen. Deshalb wird der direkte, Bewegung erleichternde Weg nicht mehr aktiviert, dafür aber der indirekte, die Bewegung bremsende Weg mehr arbeiten. Die Folge ist ein stark gehemmter Thalamus und somit eine Bewegungsarmut. Daher das Maskengesicht, daher die Rückenschmerzen am Morgen (wichtig! Häufig Hauptbeschwerde bei Erstdiagnostik!), daher alles andere, was Du noch in die Symptome packen willst.

Therapie ist demzufolge klassisch L-Dopa, was dann im Hirn verstoffwechselt wird zu Dopamin und damit den direkten Weg wieder aktiviert und den indirekten bremst und somit flüssigere Bewegungen möglich macht.

Das war bisher mein bester Artikel...

Bockstolz,

RettAss

Yemaya
20.09.2005, 20:42
Respekt! :-top


Vielen lieben Dank, jetzt kann das Examen kommen.