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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wenn der "Richtige" stirbt....



Jemine
09.10.2005, 08:55
Am Freitag Abend um 22:21 bekam ich diese Nachricht:
Es geht los! In einer halben Stunde:Die Lunge...
Eine sehr gute Freundin (23) von mir leidet an Mucoviszidose, ein neues Organ war dringend nötig. Seit über 2 Monaten war sie nun schon "Highly Urgent"-gelistet und wartete in der MHH auf eine Lunge. Und wir alle warteten mit.
Ich kann kaum beschreiben, wie glücklich ich bin, dass sie ein 2. Mal die Chance bekommen hat, denn dieses ist schon ihr 2. Spenderorgan. Vor etwas mehr als einem Jahr bekam sie bereits eine neue Lunge, alles lief mehr als super - anscheinend zu gut. Sie konnte wieder Fahradfahren, arbeiten gehen, fast normal sein, aber plötzlich zeigte ihr Körper doch Abstossungsreaktionen. Es ist beängstigend gewesen, mit anzusehen, wie wahnsinnig schnell ihr Zustand sich verschlechterte! Als es ihr so schlecht ging, hatte der Lebensmut sie schon verlassen und obwohl die Ärzte ihr anboten, sie für eine neue Lunge listen zu lassen lehnte sie ab, verließ das Krankenhaus "um zu Hause zu sterben". Unter diesen Umständen gaben die Ärzte keine 3 Monate mehr. Es war schrecklich, ich habe lange nicht mehr so viel geweint. Als sie noch in der Klinik lag, zeigte sie mir sämtliche Unterlagen für ihre Beerdigung, sie hatte bereits vor der ersten Transplantation alles genaustens geplant für den Fall, dass sie es nicht schaffen sollte. Jetzt hatte sie noch einige Änderungen vorgenommen, z.B. die Schrift auf dem Grabstein....Es war einfach unglaublich, neben der Freundin zu sitzen, während sie mir von ihrer eigenen Beerdigung erzählte *schluck* Aber ich denke, es war wichtig für sie und ihre Art, sich mit der gegebenen Situation irgendwie auseinanderzusetzen.
Gut, sie ging also nach Hause, dort heiratete sie noch ihren langjährigen Freund :-) [-::-] Es ging ihr psychisch und physisch bald merklich besser und quasi im letzten Moment entschied sie sich, es doch zu versuchen und sie ließ sich listen. Mit ihren schlechten Werten war es auch kein Problem, sofort HU-gelistet zu werden. Also wieder warten.
Warten - Bangen - Hoffen!
Natürlich habe ich sie so oft es ging in der MHH besucht, dabei bin ich gelegentlich auch an meine Grenzen gestossen...Es gab Tage, da konnte ich einfach das Krankenhaus nicht betreten. Sie hatte wirklich miese Tage dabei, vollgepumpt mit Morphium und am Beatmungsgerät hängend lag sie dort herum :-(( ernährt wurde sie schon lange durch eine Magensonde. Es war schon ein Erfolg, wenn selber sie eine Scheibe Toast am Tag essen konnte. Immer, wenn ich mal nicht da war, hatte ich ein richtig schlechtes Gewissen. Aber ich brauchte auch mal zwei Tage Abstand, um mich nicht völlig von der Situation einnehmen zu lassen. Manchmal wär ich am liebsten gar nicht mehr hingegangen....natürlich habe ich sie nicht hängen lassen, auch, wenn es oft schwer war. Ich weiß, dass sie es verstanden hat, aber ich hab mir trotzdem meine Gedanken gemacht. Natürlich hatte sie auch mal "gute Tage" :-) Dann konnten wir Karten spielen oder ich hab sie mit dem Rollstuhl durch den Park geschoben. Ein Elternteil von ihr war immer dabei :-) Das waren immer schöne Zeiten, in denen ich dann auch wieder etwas Mut gefasst habe. Allerdings wurde es langsam knapp, die Zeit drängte!
Und am Freitag Abend dann endlich die erlösende SMS! Ein Organ ist da! :-)) Die OP ist gut verlaufen, es geht ihr den Umständen entsprechend gut :-) Ich bin hin und hergerissen, zwischen unendlicher Erleichterung, aber auch der unbeschreiblichen Angst, dass das allas kein gutes Ende nimmt. Schließlich ist es ja noch nicht vorbei, aber ein wichtiger Schritt ist getan. Während ich dies schreibe, hab ich ein wenig mit den Tränen zu kämpfen, es war unglaublich viel in den letzten Monaten. Bilder von ihr, die ich nie vergessen werde. Gute, wie Schlechte. Ich hoffe, dass wir noch viel schöne Zeit miteinander haben werden.
Wart ihr mal in ähnlichen Situationen? Was kann man tun, um selbst nicht die Kraft zu verlieren?
Liebe Grüße Jemi :peace:

sunrise10086
09.10.2005, 09:05
CF ist hässlich. Ich hab eine Freundin die gerade mal wieder im Krankenhaus liegt.
Sie hat ihrer Familie gesagt, sie wäre zur Routine-Therapie da, dass sie aber Synkopen unklarer Genese hatte, hat sie niemandem erzählt...

Ich hatte eine Freundin, die an einem Glioblastom verstorben ist. Sie kam eigentlich aus Süddeutschland, war aber hier in einem Krankenhaus in meiner Nähe in Behandlung. Ich habe sie mit ihrem Mann zusammen über die letzten vier Monate begleitet, war fast jeden Tag da, und das war eine der schlimmsten Erfahrungen die ich jemals gemacht habe.
Ein wenig Distanz ist Selbstschutz.