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60(per)cent
12.10.2005, 15:11
Hallo Leute!

Ich studiere im schönen Ulm (falls jemand da hin will, bei mir melden :-)) ) und habe dort im Forum mal eine "Sonntagsfrage-Umfrage" gestartet.
Das furchtbare Ergebnis:

Etwa 1/4 wählt die Partei der Besserverdienenden.
Das schockiert mich vor allem deshalb, weil die sich dieses Jahr im Wahlkampf auf die Fahne geschrieben haben, sie wollen die Krankenversicherung "nach dem Modell einer Autoversicherung" umgestalten.

Jeder, der schoneinmal versucht hat, als Führerschinneuling einen 250 PS-starken Sportwagen mit riesen Soundsystem und Tuningsatz zu versichern, ist sich der Probleme sicher bewußt, vor die sich z.B. die Eltern eines behinderten Neugeborenen dann gestellt sähen (Einteilung nach Risikogruppen; ich denke auch Führerscheinverweigerer können damit was anfangen ;-) )

Nun ja, langer Rede kurzer Sinn: Das wäre natürlich der Abschied vom Sozialstaat.

Daß es Menschen gibt, die das wünschen, ist verständlich. Daß viele junge Studenten sich nicht auf die Sozialsysteme angewiesen fühlen ist angesichts der Zukunftschancen und, besonders in Deutschland, nicht zuletzt wegen ihrer Herkunft (meist "aus gutem Hause"), relativ klar.

Daß aber ausgerechnet so viele Medizinstudenten, denen ich doch noch ein gewisses soziales Gewissen zugesprochen hätte, sich selbst die Einkommenssteuer senken und den Armen den Zugang zu einem Gesundheitssystem, wie wir es heute haben, verwehren wollen, das hat mich nachhaltig geschockt.

Bitte klärt mich (wiedermal) auf: Bin ich verblendet? Sind die Arbeitslosen doch nur faule Säcke, die es nicht anders wollen? Muß für Behinderte die Lebenserhaltung ausreichen?

Vielen Dank schonmal für Eure Antworten

Euer Sixdy

Leggo1
12.10.2005, 15:36
Jeder, der schoneinmal versucht hat, als Führerschinneuling einen 250 PS-starken Sportwagen mit riesen Soundsystem und Tuningsatz zu versichern, ist sich der Probleme sicher bewußt, vor die sich z.B. die Eltern eines behinderten Neugeborenen dann gestellt sähen (Einteilung nach Risikogruppen; ich denke auch Führerscheinverweigerer können damit was anfangen ;-) )

Nun ja, langer Rede kurzer Sinn: Das wäre natürlich der Abschied vom Sozialstaat.

Daß es Menschen gibt, die das wünschen, ist verständlich. Daß viele junge Studenten sich nicht auf die Sozialsysteme angewiesen fühlen ist angesichts der Zukunftschancen und, besonders in Deutschland, nicht zuletzt wegen ihrer Herkunft (meist "aus gutem Hause"), relativ klar.

Daß aber ausgerechnet so viele Medizinstudenten, denen ich doch noch ein gewisses soziales Gewissen zugesprochen hätte, sich selbst die Einkommenssteuer senken und den Armen den Zugang zu einem Gesundheitssystem, wie wir es heute haben, verwehren wollen, das hat mich nachhaltig geschockt.

Bitte klärt mich (wiedermal) auf: Bin ich verblendet? Sind die Arbeitslosen doch nur faule Säcke, die es nicht anders wollen? Muß für Behinderte die Lebenserhaltung ausreichen?

Vielen Dank schonmal für Eure Antworten

Euer Sixdy


Wenn das alles so wäre, wie du es schreibst, dann wäre sogar deine Schlussfolgerung richtig. Es ist aber nicht so. Wenn schon Kritik, dann müssen wir uns vertieft mit dem Vorschlag der FDP auseinandersetzen und da steht auch drin:

Wichtig bei unserem Modell: Der Basistarif ist einheitlich und wird von allen Versicherungen gleichermaßen angeboten, wobei die Versicherungen kein Recht haben, einen Versicherungsnehmer abzulehnen (Kontrahierungszwang). Darüber hinaus macht der Basistarif keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern, und er gewichtet auch keine Krankheitsrisiken in Form von Risikozuschlägen. Er bietet einen bezahlbaren Versicherungsschutz im Krankheitsfall. Wenn ein Bürger damit finanziell überfordert sein sollte, dann wird er mit staatlichen Transferleistungen unterstützt. Im Übrigen wird der jetzige Arbeitgeberanteil an der Krankenversicherung als fester Bestandteil des Lohnes ausgezahlt, sodass der Einzelne ihn direkt zur Finanzierung seines Versicherungsschutzes verwenden kann.
mehr: http://www.fdp-hessen.de/fdb2a1be0e.html

Es ist also nicht so, dass es unterschiedliche Tarife für Kranke und Gesunde gibt - was die Basisleistungen betrifft. Es besteht ein Kontrahierungszwang und wer die Prämie nicht bezahlen kann, der bekommt sie bezahlt. Das System ist nicht des Teufels, sondern durchaus eine Überlegung wert.

Niemand will den Sozialstaat abschaffen. Vielmehr geht es um die Sicherung der Finanzierbarkeit des sozialen Netzes, so dass dies auch in Zukunft garantiert werden kann. Einem überbordender Sozialstaat ist kein langes Leben beschieden - damit wäre überhaupt niemandem geholfen.

Politik sollte m.E. im 21 Jahrhundert nicht mehr als Klassenkampf verstanden werden.

Doktor_No
12.10.2005, 17:29
polemik hilft auch hier nicht weiter. fakt ist doch: die sozialen sicherungssysteme sind pleite, unsere generation wird doppelt vorsorgen müssen, da weder rente noch pflegeversicherung etc. an uns fliessen werden, zumindest nicht in der bisherigen form oder höhe. leider hat keine partei die grösse, einfach unumwunden zuzugeben, dass die leistungen früherer zeiten nicht mehr zu erbringen sind. immerhin kann von uns keiner später sagen, er sei nicht gewarnt gewesen, das ist ja für einen halbwegs intelligenten menschen von allen seiten her nachzuvollziehen. leider besteht offensichtlich nicht die einsicht, dass der einzelne in zukunft eben etwas mündiger und zukunftsorientierter handeln sollte, in welcher form das bei der krankenversicherung zu erfolgen hat, sei einmal dahingestellt. ganz egal ob aus gutem hause oder nicht, diese gedanken muss sich einfach jeder machen.
das beispiel mit der 250 ps-karre finde ich ganz passend: wenn jemand vor dem problem steht, solch ein auto zu versichern, dann ist anscheinend genug geld vorhanden, um es alternativ in eine zB private zusatzversicherung zu stecken, wird das nicht gewünscht, okay, ist ja jedem selbst überlassen, nietet er dann ebendieses auto an einen baum, gibts eben die basismedizin (die sicherlich auch nicht die schlechteste sein wird). zugegeben, diese argumentation ist etwas platt, trifft aber ein mE zentrales problem: viele gkv-einzahler vertreten eine "das habe ich bezahlt, also steht mir auch alles zu!"-mentalität, und das ist eben falsch! im gegenteil: der einzahler sollte beten, die leistungen so wenig wie nötig in anspruch nehmen zu müssen.
ich persönlich finde den vorschlag der fdp auch überlegenswert, in der bisherigen form ist die gkv nicht zu retten.
und zum thema sozialstaat: wenn nur bedürftige leistungen beziehen würden, dann hätte deutschland sicher etliche probleme weniger, nur leider sieht die realität völlig anders aus. sieben jahre rettungsdienst haben meine ansichten zu dieser "errungenschaft" ziemlich relativiert, auf der einen seite werden bedürftigen leistungen vorenthalten, andererseits schmarotzen sich viele, auch und gerade in der "besserverdiener"-liga auf übelste art durchs leben.

60(per)cent
13.10.2005, 01:53
An Leggo:

Das mit dem "Kontrahierungszwang" gibt es in allen Systemen, in denen der Sozialstaat auf diese weise "behandelt" wurde. -siehe USA: Der Große Bruder hat genau das: Natürlich kann ein Mukoviszidosepatient in eine gute Versicherung eintreten: Er zahlt nur das X-fache vom kerngesunden Selbstständigen.
"Keinen Unterschied" gibt es nur im "Basistarif": Deswegen ja meine Frage: Reicht für einen Behinderten die Lebenserhaltung? Denn mehr wird er sich sicher nicht leisten können (zumal die meisten Behinderten nicht gerade zu den Topverdienern gehören).

Auf diese Details müssen wir aber von mir aus garnicht eingehen: Klar ist, daß da gespart wird. Und was an Geld eingespart wird, muß auch an Leistungen eingespart werden. Und diese Leistungen werden in diesem System eindeutig alleine bei den armen und schwachen eingespaart.

Klar, daß es dann einigen auch besser geht. Die Frage muß aber immer auch sein: Wie weit kann die Schere in der Gesellschaft auseinander gehen, ohne daß sie unsicher wird...

Natürlich weiß ich auch, daß der internationale Druck immer größer wird: Ich sehe aber in den letzten Jahren immer nur Reformen, die auf die Wirtschaft zu gehen. Natürlich verbunden mit den allergrößten Verheißungen von Seiten der Wirtschaft: Das wird dann alles mehr Arbeit geben, damit wird`s dem Staat besser gehen und dann wirds wieder boomen:
In Wirklichkeit gehen wir einfach immer weiter in Richtung China: Die haben den Boom; ich glaube aber kaum, daß wir mit denen jemals konkurrieren können.

60(per)cent
13.10.2005, 02:06
An Den Dottore!

Das mit dem Auto ist so eine Sache:
Bei der Kfz-Versicherung ist das Ganze vertretbar, weil sich der Führerscheinneuling natürlich auch ein schadstoffarmes Campingmobil kaufen könnte (Campingmobile haben aufgrund ihrer Statistik phantastische Versicherungen! -tut jetzt aber nicht wirklich was zur Sache).

Bei unserem Behinderten Patienten sieht das in der Regel anders aus: Bis jetzt kann man sich noch keinen Ersatzkörper bestellen.

Deshalb ist das eine ethisch OK und das andere eine absolute Katastrophe; das geht soweit, daß in den Staaten einige Versicherungen Vergünstigungen anbieten, wenn man sich einem Gentest auf erhöhtes Herzinfarkt-Risiko unterzieht... ...und negativ ist.

Meiner Meinung nach ist dieser Plan geradezu gefährlich.

Ich sollte vielleicht anfügen, daß auch ich ein kerngesunder, ich möchte behaupten athletischer :-blush Student aus gutem Hause bin: Auch ich würde wahrscheinlich auf der Seite stehen, der es augenscheinlich mit diesem System "besser" ginge.

trotzdem bin ich stark :-dagegen

Gruß Euer Sixdy

Doktor_No
13.10.2005, 11:57
dass es für benachteiligte gruppen regelungen geben muss, die sicherstellen dass eine adäquate versorgung gewährleistet ist steht ausser frage. und dass ethische grauzonen wie die von dir angesprochenen gentests bei der krankenversicherung keine rolle spielen dürfen auch. meine kritik richtet sich vielmehr an die in unserem system, die sich, auf welche art auch immer, arm rechnen, staatliche alimentierungen erheischen, steuern hinterziehen/vermeiden/verschieben, jede möglichkeit nutzen um noch ein paar euro abzuzocken und gleichzeitig jammern, sie wären ja so benachteiligt und alles hier sei soooo ungerecht und nicht sozial/solidarisch genug. ebenso muss man natürlich auch anmerken, dass ein system das solche kapriolen und bspws. im fall steuern ein solches gebahren geradezu herausfordert, so toll nicht sein kann. wenn dann jemand kommt, der einen alternativvorschlag macht, der zumindest so einen freien geist hat eine innovative idee zur debatte zu stellen, wird von lobbyisten, parteisoldaten und ideologisch verbrämten nachäffern jeder coleur in die ubiquitären klagegesänge miteingestimmt und alles kaputtgeredet. jeder ist für veränderungen, reformen, bereit zum verzicht, aber bitte nicht bei einem persönlich, eine ausrede warum man selbst nichts beitragen kann ist immer schnell parat. inzwischen halte ich einen grösstteil des wahlvolkes für dermassen halbgebildet, desinteressiert, demzufolge fehlinformiert bzw. abgestumpft, dass mE eine sachliche, nicht an interessensgruppen orientierte sondern der gesellschaft in toto dienliche debatte gar nicht mehr möglich ist.
das beispiel gesundheitspolitik ist doch quasi exemplarisch dafür: die ärzte jammern (wie ich finde als assistenten völlig zu recht) über ihre lächerliche bezahlung, die kassen über steigende defizite, die patienten über steigende ausgaben für die versicherung bei gleichzeitig sinkenden leistungen, die krankenhausbetreiber über die drg`s, die pharmaindustrie über verfallende preise, die studenten über schlechte ausbildung. jede partei verspricht ihren wählern eine reform des gesundheitswesens, die eine "gerechtere" beitragserhebung, eine adäquate versorgung, innovative therapien und am besten sinkende kosten bringen soll.
ehrlich wäre es doch zu sagen: leute, gute medizin kostet richtig kohle, innovation auch, gute ausbildung erst recht, also stellt euch darauf ein: wer mehr als eine grundversorgung will, muss selbst dafür sorgen. wer das nicht kann, muss über die solidargemeinschaft mitabgesichert werden, das wird aber dann nicht auf höchstem niveau möglich sein. ebenso wird die ausbildung etwas kosten (mit den studiengebühren geht es ja nun los, ich denke das ist erst ein ganz kleiner anfang). die krankenhäuser werden zunehmend privat betrieben werden, als renditeorientierte unternehmen, und viele häuser wird es in einigen jahren ganz einfach nicht mehr geben, weil den kommunen und ländern das geld fehlt. die wege werden weiter werden, die vernetzung praxis/ambulante versorgung/krankenhausmedizin wird stärker werden.
das alles wird verdammt bitter zu schlucken sein, aber man darf es doch nicht verschweigen! und ausserdem: leider gibt es im leben selten gerechtigkeit, denjenigen die so glücklich sind, aus gutsituierten verhältnissen zu kommen, eine gute ausbildung absolviert zu haben, gesund zu sein usw. wird es in der überwiegenden zahl besser gehen als dem grossen rest. natürlich fällt es diesen menschen dann auch leichter, ein studium zu finanzieren, sich abzusichern und vorzusorgen, gleichzeitig ist es ebendiesen aber auch möglich, einen grösseren beitrag zur solidargemeinschaft zu leisten, wenn sie eben nicht die möglichkeiten zur "vorgetäuschten armut" haben wie momentan. damit meine ich nicht, einen spitzensteuersatz von 60% oder andere steuerungsinstrumente, der von mir präferierte ansatz geht eher in richtung kirchhof. das alles ist eine gratwanderung, die verantwortungsvolle politiker und mündige bürger voraussetzt, die über den eigenen tellerrand hinausschauen, offen für alle ideen sind und nicht nur eigeninteressen vertreten. vielleicht zu viel verlangt?! ich glaube, dass jedes demokratische land die regierung bekommt die es verdient, im endeffekt können wir uns sowieso nur auf uns selbst als bürger verlassen. die zeiten der almosenverteilung sind vorbei, in einer globalisierten welt wird es in deutschland unserer generation wohlstandsmässig schlechter gehen als der unserer eltern. wenn man das einplant, kann es doch nicht so schwer sein, für dinge die bis vor kurzem der staat erledigt hat und dabei bankrott gegangen ist weil lasten immer wieder auf spätere generationen geschoben wurden, die nun leider zahlenmässig dünn ausfallen, selbst sorge zu tragen. wenn man fatalist ist und denkt dass man das nicht braucht: auch gut, wenn es gut geht chapeau, wenn nicht aber auch nicht jammern!

60(per)cent
13.10.2005, 12:58
Na ja, das ist natürlich DAS Standardargument, zu sagen, es muß gespart werden; Fakt ist: Es muß Kohle her. Wir können nicht imemr alles auf zukünftige, nicht vorhandene Generationen abschieben.

Die Frage ist nur, WO gespart wird. Und da kann man in den letzten, ich sage mal 20 Jahren, immer die Tendenz sehen, daß den "Schwachen" etwas genommen wird und ihnen eine Verbesserung ihrer Situation in Zukunft in Aussicht gestellt wird:
Das ist Fakt und läßt sich auch daran ablesen, daß es heute extrem viele Kinder gibt, die unter Armut leiden.

Gleichzeitig streichen sich sowohl die "Reichen" als auch die Wirtschaft die Kohlen ein, ohne sie ordentlich zu versteuern. Das ist einfach eine Umverteilung, die da statt gefunden hat.

Wenn jetzt ein Kirchoff kommt und meint, man könne ja jetzt mal den einen Teil seiner Reform (der, der auf Kosten der Armen geht) umsetzen, und dann später irgendwann alle Steuerschlupflöcher abschaffen, dann ist das einfach naiv. Ich traue ihm ja zu, daß er daran galubt. Halte es aber für schlicht unmöglich.

Abgesehen davon, daß man aber garnicht alle Steuervergünstigungen abschaffen könnte, jedenfalls nicht schnell genug, WILL man es ja auch garnicht: Diese Vergünstigungen sind ein Steuerungsmittel des Staates.

Für mich sieht das Ganze malwieder nach einer großen Volksverarsche aus. Daß die Leute schlicht zu dumm sind, das zu merken (genauso wie sie immernoch zu den billigsten Kassen rennen, obwohl man langsam die Erkenntnis gewinnen sollte, daß die einfach auch schlechter sind), das ist die traurige Wahrheit, mit der Deutschland leben muß.

Ich glaube aber das liegt weniger an den Leuten als vielmehr an den Medien, denen man aber dafür keinen Vorwurf machen kann und an den Politikern.
Warum nennt denn keiner diese Zusammenhänge einmal allgemeinverständlich beim Namen?

Jedenfalls halte ich es für absolut falsch, beim Gesundheitssystem WIEDER bei den Schwachen zu sparen: Es ist an der Zeit, sich auch einmal da was zu holen, wo es was zu holen gibt.
z.B. das Modell Spitzensteuersatz: Es konnte mir noch nie jemand erklären, warum der Mittelstand, der sein Geld meist bis zum Monatsende ausgibt, mehr Steuern zahlen soll als jemand, der sein Geld nichtmal ausgeben könnte, wenn er sich anstrengen würde?!?
Wenn der Staat dieses Problem (das ja immer mit der drohenden Abwanderung der Reichen begründet wird) nicht in den Griff kriegen kann, dann gute Nacht!

Ich glaube, daß der Staat zur Kontrolle der globalisierten Wirtschaft und des globalisierten "Geldes" neue Mittel anwenden muß: Er muß dem Kapital selbstbewußter und radikaler entgegentreten, sonst werden Geld und Konzerne weiterhin an Macht gewinnen (was ja schon heute beängstigende Ausmaße angenommen hat).
Deutschland hat mit seinem Reichtum und seiner Bildung (noch) zwei entscheidende Standort- und Marktvorteile: Ansonsten sehen wir von Nationen wie China ausschließlich die Rücklichter. Also gilt es das, was wir haben, möglichst teuer zu verkaufen und auszubauen: Dazu gehört ein AUSBAU der Bildung und nicht Abschreckung und neue Regulationen für den Markt.
Denn eins ist für mich klar: Ich will keine Chinesischen Arbeits- und Gesundheitsverhältnisse! Ohne die werden wir mit denen aber niemals konkurrieren können.

(Krass, wie solche Threads zu politischen Themen immer zu den reinsten Romanen ausarten, oder?)

Doktor_No
13.10.2005, 13:21
du sprichst von entregulierung des marktes: das ist doch genau der ansatz den ich auch vertrete: bildung ist ein markt par excellence, ergo wird gute bildung den kunden, sprich studenten, viel kosten. der staat als nutzniesser dessen muss also den leuten ein angebot machen, damit diese sich auch bildung leisten können, wenn es von haus aus nicht reicht. das wird dann auf hohe gebühren hinauslaufen, deren finanzierung mit staatlicher hilfe möglich sein wird (und mit privater finanzierung natürlich erst recht).

du sprichst kirchhoff an: auf kosten der armen geht sein ansatz auch am beginn keineswegs, sondern auf kosten der superreichen und konzerne. der mittelstand, die melkkuh der letzten jahrzehnte und gleichzeitig die einzige jobmaschine, wird massivst entlastet. dass natürlich ein staatliches relgulativum eingebunden werden muss um ungereimtheiten, die am anfang auftreten würden, aufzudecken bzw. zu lösen, steht ausser frage. die fdp ist im mittelstand stark vertreten, warum wohl? ich verstehe jetzt deinen eingangsansatz dieses threads nicht mehr ganz, denn du kritisierst genau das, was auch die fdp kritisiert.

60(per)cent
16.10.2005, 13:24
Meine Kritik an den Studiengebühren kommt einfach daher, daß ich nicht daran glaube, daß es das Kind eines türkischen Bandarbeiters nicht davon abschreckt, zu studieren, wenn es dafür einen Riesenkredit beim Staat aufnehmen muß.

Außerdem gelten diese Stützen wiedermal nur fürs Erststudium und ich kenne persönlich viele Leute, die vor ihrem eigentlichen Studium schonmal was anderes gemacht haben, oder aus Steuergründen irgendwo eingeschrieben waren.

Daß die CDU mit Kirchhoff die Superreichen belastet hätte, wage ich einfach generell zu bezweifeln. Ob es so gekommen wäre weiß ich aber genausowenig wie ganz Deutschland: Schließlich waren die Streichungen der Steuervergünstigungen "top secret":

Der teil, der auf Kosten der Armen geht, die Angeleichung des Steuersatzes, der stand fest und wäre auf jeden Fall gekommen.

Was ich sagen wollte, war: Nicht das Konzept von Kirchhoff ist schlecht: Der Mann wird schon rechnen können - die Tatsache, daß die CDU niemals die Eier hätte, soetwas konsequent durchzusetzen, macht daraus eine Katastrophe.
Und: Selbst unter der Annahme, daß ein einheitlicher Steuersatz nach Streichung aller Vergünstigungen funktionieren könnte, finde ich diese Überlegung imemrnoch unsozial: Ich bin schon dafür, daß starke Schultern auch weiterhin einen größeren Teil der Lasten tragen.

Daß sie das heute auch nicht tun halte ich nicht für eine Entschuldigung.