PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Parallel-Narkosen in privaten Klinikverbünden



Seiten : [1] 2

Hypnos
20.10.2005, 12:54
Hallo und schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen

...ich habe da mal eine persönliche Frage.

Neulich war ich auf einer anästhesiologischen Fortbildung, wo man ja u.a. auch mal mit KollegInnen ins Gespräch kommt. Ein Kollege, welcher in einem großen privaten Klinikverbund arbeitet, berichtete mir davon, daß bei ihm in der Klinik das Thema Parallelnarkosen schon umgesetzt wird.
Für alle, die weniger im Bild sind, hier kurz zur Erklärung, was gemeint ist:

Eine Parallelnarkose ist weitläufig so definiert, daß ein approbierter Arzt (nach Facharztstandard) mehrere OP's bzw. Narkosen parallel betreut. In den Zeiten seiner Nicht-Anwesenheit im OP-Saal wird die Narkose derweil von speziell ausgebildetem Anästhesie-Pflegepersonal (mit Zusatzausbildung) betreut.

Meine Frage nun an Euch: Was haltet Ihr davon? Würdet Ihr Euch in einem solchen Zentrum operieren lassen (vorausgesetzt, ihr wüsstet es VORHER?)

Ich für meinen Teil werde, so es mir bei Bewußtsein möglich ist, als Patient nie einen Fuß in eine solche Klinik setzen, denn wer die Empfehlungen (letztmalig aktualisiert 01/05) der Fachgesellschaften so offensichtlich missachtet, tut eher was gegen das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Arztberuf als solches, und im Speziellen schadet er m.E. insbesondere dem Fach Anästhesie...

Ein nachdenklicher Hypnos

Achja...anbei noch der Link zur Fachgesellschaft:
Akutelle Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin
http://www.dgai.de/06pdf/2_16.pdf

Rugger
20.10.2005, 13:06
Meine Frage nun an Euch: Was haltet Ihr davon? Würdet Ihr Euch in einem solchen Zentrum operieren lassen (vorausgesetzt, ihr wüsstet es VORHER?)]Meine Antwort: defintiv nicht!
Aus zwei Gründen:
- erstens vertraue ich mich einfach lieber einem approbierten Arzt an: das hat einfach ein andere Qualität als selbst sehr gut ausgebildetes Hilfspersonal.
- zweitens aus eher prinzipiellen Gründen, da ich gegen eine Aufweichung gewisser Mindeststandarts bin. Will mir ja nicht am eigenen Ast sägen.

R.

Kackbratze
20.10.2005, 13:17
Da alles eine Kostenfrage ist, ist die Idee ja an und für sich nicht schlecht.
Aber ich werde ARzt und am Ende operieren auch nur speziell ausgebildete OP Schwestern und ein Chef Arzt hält nur seinen Allerwertesten hin, wenn was schiefgeht.

Ich bin dagegen.
Und wenn ich sowas mitbekommen würde (Anästhesie), ich würde die OP kurzfristig absetzen und woanders mich unters Messer legen...

pottmed
20.10.2005, 13:19
Andererseits ist es durchaus üblich, dass der Anästhesist während der OP auch mal für eine Viertelstunde den Saal verlässt und stattdessen eine Anästhesie-Pflegekraft die Vitalfunktionen überwacht (hab es zumindest in meinen Praktika bisher so erlebt).

Ich persönlich würde auch nie in ein solches KH gehen, wo ich schon vorher wüßte, dass der Anästhesist mehere Narkosen parallel fährt, aber man kann ja nie wissen....

Notdoc
20.10.2005, 14:05
Und wenn mal in 2 Säälen gleichzeitig etwas schiefläuft?

Werwolf
20.10.2005, 15:50
Das klingt natürlich ein bißchen ungeheuerlich. Andererseits ist es in anderen Ländern längst Usus, daß der Anästhesist lediglich ein- u. ausleitet und speziell ausgebildetes Pflegepersonal während der OP die Narkose führt. :-nix Und wenn´s ganz gräßlich blinkt und piept, dann kommt der Gasmann rein und schaut mal nach´m Rechten... :-))
Finde ich im Prinzip OK, funktioniert ja in anderen Ländern auch (und mir ist nicht bekannt, daß es da mehr Tote aufgrund von Narkosezwischenfällen gibt). Würde gleichzeitig aber wohl bedeuten: Stellenkürzungen bei den Gasmännern. :-(
Die Gasmänner selber fänden das wohl auch nicht so schlecht. Hab mich beim gestrigen Wandertag ;-) :-)) mal mit einem unserer Anästhesisten genau darüber unterhalten. Er hätte nix dagegen, nur ein- und ausleiten zu müssen und eine Schwester den Part dazwischen übernehmen zu lassen. :-nix
(Davon abgesehen würde ich selber niiieeemals eine Vollnarkose haben wollen, wenn es sich denn vermeiden ließe... Ganz egal, ob nun Arzt oder Pflegepersonal während der OP den Monitor beguckt. Man muß ja schließlich mitkriegen, was die Jungs jenseits der Blut-Hirn-Schranke mit einem anstellen :-)) ;-) :-top )

Evil
20.10.2005, 17:08
Mmh, auf der anderen Seite ist es aber auch so, das viele erfahrene Fachpfleger mehr auf dem Kasten haben als frisch eingestellte Jungassistenten, das muß ich aus eigener Erfahrung zugeben.

Insofern weiß ich gar nicht, ob das eine Verschlechterung darstellen würde...

Was mich viel mehr stört, ist die Tatsache, daß während der Narkose dann generell bloß eine Person die ganze Zeit dabei ist, wenn kein Springer da ist, kann das gaaanz böse in die Hose gehen.

Außerdem wie soll dann paralleles Einleiten möglich sein? Wenn dafür Leute dasein sollen, spart das Haus doch kein Personal...

Leisure Suit Alex
20.10.2005, 17:42
Das Klinikum muss ja nicht mal privat sein... Ich weiss nicht ob die das in unserem Krankenhaus offiziell gedurft hätten, aber es war oft so, dass zwei OPs mit dem gleichen Anästhesiten parallel liefen und halt von Anästhesiepflegern überwacht wurden - Der Anästhesist war bei keiner der OPs anwesend, der war im Pausenraum Kaffee trinken und Zeitung lesen.
Waren jedoch nur Blasensteinentfernungen und TUR Prostata, also eher routinemäßige Eingriffe.

Leisure Suit Alex
20.10.2005, 17:44
Mmh, auf der anderen Seite ist es aber auch so, das viele erfahrene Fachpfleger mehr auf dem Kasten haben als frisch eingestellte Jungassistenten, das muß ich aus eigener Erfahrung zugeben.

Insofern weiß ich gar nicht, ob das eine Verschlechterung darstellen würde...

Was mich viel mehr stört, ist die Tatsache, daß während der Narkose dann generell bloß eine Person die ganze Zeit dabei ist, wenn kein Springer da ist, kann das gaaanz böse in die Hose gehen.

Außerdem wie soll dann paralleles Einleiten möglich sein? Wenn dafür Leute dasein sollen, spart das Haus doch kein Personal...

Einleiten war zumindest bei uns nicht parallel, die erste Narkose wurde vom Anästhesisten eingeleitet und anschliessend die Zweite.

PhineasGage
20.10.2005, 18:29
@leisuresuitalex

so habe ich das in meinem heimatkreiskrankenhaus auch erleben dürfen.
Man sollte m.E. die Gründe für so ein Handeln hinterfragen:
Hilft es dem Patienten oder ist es eine Kostenfrage ?!
Ersteres kann ich akzeptieren, letzteres ist einfach nur traurig.

fatman
20.10.2005, 18:57
Hilft es dem Patienten oder ist es eine Kostenfrage ?!
Ersteres kann ich akzeptieren, letzteres ist einfach nur traurig.

Ich finde es nicht falsch, die Kosten im Auge zu behalten. Denn schließlich hilft das auch dem Patienten. Wenn es fachlich vertretbar ist, was ich nicht beurteilen kann, könnte man doch die Anästhesisten einsparen und dafür lieber einen anderen Arzt oder Pflegekräfte oder Therapeuten einstellen (vielleicht ein wenig optimistisch gedacht), womit dem Patienten sicherlich mehr geholfen wäre, als wenn die ganze Zeit ein Anästhesist neben ihm hockt, wenn er sowieso bewusstlos ist und dabei auch stabil.

GOMER
20.10.2005, 19:03
In der Schweiz wird das seit Jahren so gemacht. Ich kenn auch mind. ein deutsches Krankenhaus, wo die Patienten über längere Zeit mit dem Pfleger allein gelassen werden (Mittag o.ä.).

Die Niere
20.10.2005, 19:26
In der Schweiz ist dieses Vorgehen in jedem Spital Standard und hat sich bewährt. Selbstverständlich werden hochrisiko Patienten weiterhin komplett durch einen Anästhesisten betreut, aber der 25 jährige mit ner Kniearthroskopiem kann nach Einleitung ohne Probleme auch von gut ausgebildeten Anä#sthesiepflegern betreut werden.

@PhineasGage: Deine Gedanken sind moralisch vielleicht richtig, aber in der heutigen Zeit darfst du nicht mehr NUR an den Patienten denken, sondern auch an unser Gesundheitssystem, das überleben muss, sonst kann ich ja gleich jeder OSG-Distorsion ein MRT machen lassen. Es muss nur gesichert sein, dass der Patient durch eine Kosteneinsparung keinen Nachteil erfährt. Der Umkehrschluss bzgll. Vorteil darf meiner Meinung nach nicht gelten.

gruesse, die niere

Hades
20.10.2005, 22:02
Ich wurde in meinem Praktikum in der Anästhesie auch manchmal mit dem Patienten alleingelassen.. aber is nix passiert. Das kam aber immer auf den Arzt an.
<----Wie man da lesen kann bin ich in der Ausbildung zum Rettungsassie.. also kann man sich das restliche denken :p

vlsime
20.10.2005, 23:38
Eine kleine Sache sollte man aber doch bedenken: wenn in Deutschland der Anästhesist den Famulanten / Praktikanten / Pfleger usw. alleine beim Patienten läßt, so kann er doch jederzeit wieder gerufen werden, da nach wie vor gilt: ein Patient, ein Anästhesist. Dies gilt in der Schweiz oder anderen Ländern nicht unbedingt, d.h. ein Anästhesist, mehrere Patienten.

Kackbratze
21.10.2005, 06:15
Ich denke, dass die Methode (leider) hier wohl irgendwann zur ROutine wird, auch wenns zum weinen ist.
Wie gesagt, ich finde es ist schon wichtig, da jemanden sitzen zu haben, der n bischen mehr Ahnung hat als ein besser asugebildeter OP-Pfleger oder so.

Nix gegen OP Pfleger, aber es geht hier wie gesagt am Ende um MEIN Leben...

Die Niere
21.10.2005, 07:22
Eine kleine Sache sollte man aber doch bedenken: wenn in Deutschland der Anästhesist den Famulanten / Praktikanten / Pfleger usw. alleine beim Patienten läßt, so kann er doch jederzeit wieder gerufen werden, da nach wie vor gilt: ein Patient, ein Anästhesist. Dies gilt in der Schweiz oder anderen Ländern nicht unbedingt, d.h. ein Anästhesist, mehrere Patienten.Das ist richtig, jedoch schaffen die ja alle Tür an Tür, so dass selbst wenn der eine Anästhesist bei einem schlechter werdenden Patienten gerade keine Zeit hat ohne Probleme ein anderer gerufen werden kann...abgesehen vom Diensthabenden, der immer verfügbar ist...

Es gibt immer wieder Situationen, in denen bestimmte Parameter des Patienten vom Standard abweichen. Die Reaktion ist meist standardisiert und kann ohne Probleme erstmal durch den Anästhesiepfleger durchgeführt werden...nur in Problemfallpatienten und wenn eine Standardmassnahme keine Besserung bringt, hat man den "echten" Anästhesisten gleich bei Hand.

gruesse, die niere

Hypnos
21.10.2005, 09:59
Eines sollte jedoch klar sein. Solang sich die deutsche Fachgesellschaft ausdrücklich gegen die Durchführung von Parallelnarkosen ausspricht (und das, wie ich finde unter o.a. Argumenten nicht ohne Grund) ist jeder Facharzt, der sich auf dieses Verfahren einläßt, und bei dem es im Rahmen einer solchen OP-Führung zu einem Zwischenfall kommt (und der kommt rein statistisch 1x auf 1500 Narkosen), vor Gericht ein ganz armer Hund...
...hat er doch letztlich grob fahrlässig gehandelt und v.a. GEGEN JEGLICHE Empfehlungen verstoßen.
Die Tatsache, daß dieses Verfahren im Ausland vielleicht üblich ist, wird da vor Gericht keinerlei Beachtung finden...

...so kann man als Arzt auch HartzIV-Empfänger werden...

Es grüßt,

Hypnos

GOMER
21.10.2005, 11:41
Schon richtig, aber wen schert das wirklich?

Mal ehrlich, wen halten "mögliche rechtliche Konsequenzen" von irgendwas ab? Sagt Ihr dem Chef oder OA "Guter Mann, das hat man vielleicht vor 25 Jahren so gemacht, aber heute ist das obsolet."? Und genau darauf berufen sich Gutachter und Richter, was gilt zur Zeit als angemessen bzw. richtig, da hilft dann kein "Das ham wir schon immer so gemacht!".

Speziell zum Thema Anästhesie: Meines Wissens fordern Krankenkassen, daß Narkosen nur von Fachärzten durchgeführt werden dürfen, in Ausnahmefällen von weit fortgeschrittenen Assistenten. Tagsüber ist der OA in Rufweite (Reicht das? Was ist mit seinem Pat.?), aber im Dienst?
Aber wen juckts, nach vier Wochen mit dem OA macht doch jeder Assi/AiP sein eigenes Ding, vielleicht schaut noch ab und zu einer rein und fragt "Alles klar?", aber das war's doch dann. Zumindest hab ich es immer so erlebt, aus Erzählungen, von den Anä's die ich kenn, ist das auch verbreitet.

PhineasGage
21.10.2005, 12:17
Keine Angst, auch ich habe die Kosten im Blick. Mir gehts einfach nur darum, dass ich Sparen um jeden Preis nicht leiden kann.
Für sinnvolles Sparen bin ich jederzeit zu haben.
Wäre mal interessant ob es ein höheres Risiko für den Pat. bei Parallelnarkosen gibt, das mal wissenschaftl. untersucht worden ist. Wenn es da keine zusätzlichen Risiken gäbe soll es mich nicht stören....