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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Asthma und Betablocker



g.o.m.e.r.
20.10.2005, 19:09
tach zusammen!

mein arbeitsplatz ist in der krankenpflege auf einer thoraxchirurgisch-pneumologischen intensivstation. das klientel leidet verständlicherweise häufig unter obstruktiven atemwegserkrankungen und ist internistisch meist vorbelastet. als beta1 selektiver betablocker wird öfters in erwägung gezogen "nebilet" zu verabreichen. gibt aber - wie immer - konträre meinungen von seiten der ärtzeschaft, ob man dies riskieren oder besser auf alternativen ausweichen sollte.

wer von euch kann mir ihe/seine erfahrungen über die genannte problematik berichten bzw. speziell zu "nebilet"?

Froschkönig
20.10.2005, 19:32
Um einen meiner verflossenen Chefärzte zu zitieren: Betablocker und Beta-mimetika (wie ja bei Asthmatikern im Regelfall verordnet) bedeuten einen Fuß am Gas und einen auf der Bremse. Selbst bei sog. kardioselektiven Betablockern ist eine Wirkung auf das Bronchialsystem nicht ganz auszuschließen und die Fach-Info zu Nebilet weist auch eindeutig darauf hin, daß es bei Asthma-Patienten kontraindiziert ist....meiner persönlichen Meinung nach dürfte es doch nicht sonderlich schwer fallen, einem Asthmatiker eine Beta-Blocker-freie Hypertoniebehandlung angedeihen zu lassen, immerhin gibt es genug andere Substanzklassen gegen arterielle Hypertonie.


Gruß,
Der Frosch

Tombow
20.10.2005, 19:47
Nebivolol(Nebilet®) scheint in der Hinsicht untersucht zu sein. Es gibt mehrere Studien, die eine sehr gute Verträgbarkeit bei COPD-Patienten beweisen(siehe hier (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=pubmed&dopt=Abstract&list_uids=15031571&query_hl=12) und hier (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=pubmed&dopt=Abstract&list_uids=11757472&query_hl=12)). Des weiteren scheint er auch einen protektiven Effekt zu haben in Hinsicht auf die mögliche Entwicklung einer pulmonalen Hypertension, aber hier ist der Evidenzgrad weitaus niedriger. Außerdem fehlen bislang vergleichsstudien über die Verträglichkeit von Nebivolol vs. anderen Beta1-selektiven Blockern bei COPD(ist aber m.E. nach nur eine Frage der Zeit, bis auch die kommen).

Wie Froschkönig schon sagte, in so einem Fall sind die Betablocker aller Art schon ein zweischneidiges Schwert, da kommt es eher auf dem klinischen Fall an(was ist schwerer - die Hypertonie oder die COPD, was für Ausweichmöglichkeiten gibt es, um ohne Betablocker auszukommen). Nicht zuletzt spielen auch die Kosten einen Faktor - Nebilet ist zwar relativ neu, vielversprechend und ohne Zweifel ein sehr gutes Medikament(zumindest nach heutigem Wissenstand), aber dementsprechend auch teuer. Und selbst wenn es im Krankenhaus verschrieben und gut vertragen wird, man kann sich nie sicher sein, ob nach Entlassung aus dem KH der Hausarzt dies absetzt und die Medikation umstellt. Oder eher - man kann sich ganz sicher sein, daß der Hausarzt dies absetzt.

Herzstromkurve
20.10.2005, 21:21
Rezeptorselektivität ist immer eine Quantitative Sache, daher wenn man Bronchialobstruktion befürchtet ist auch Nebivolol problematisch.

Aber

Hauptproblem: Asthma und COPD sind nicht das gleiche:

Ein Patient mit Asthma darf keinen ß-Blocker bekommen (bei zwei der Organspender in den letzten 12 Monaten - >30J alt - war dieser Fehler gemachtworden). Kommt es bei diesen Patienten zum Anfall.... (s.o.)

Ein "normaler" COPD`ler kann durchaus einen ß-Blocker bekommen unter Kontroller der Lufu bzw. Klinik. (Es gibt allerdings auch Patienten, die beides haben :-( )

Grüße aus dem Dauerdienst

Tombow
21.10.2005, 03:14
Noch einmal zum Thema...und ganz neu:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=pubmed&dopt=Abstract&list_uids=16232018&query_hl=22

Auch wenn das Paper einige statistische Spielereien beinhaltet, der Patientenkollektiv "by design" schon ein wenig eingeschränkt wird und der volle Text noch nicht online verfügbar ist, es scheint doch für die Beta-Blocker zu sprechen oder zumindest dafür, daß keine oder nur eine geringe Gefahr von Asthma-assoziierten Komplikationen bei Medikation mit Beta-1-selektiven Blockern zu erwarten ist. Leider wird aus dem Abstract nicht ersichtlich, ob in der Studie auch die Patienten eingeschlossen worden sind, die evtl. unter diesen Umständen einem status asthmaticus erlegen sind. Dennoch interessant.

g.o.m.e.r.
23.10.2005, 12:54
vielen dank für eure beiträge!

in der tat ein zweischneidiges schwert ...
gibt es dennoch jemand, der nebilet (o.ä.) in der praxis beim genannten klientel eingesetzt hat? abgesehen von den erwähnten patienten, die zur transplantation mussten würden mich erfahrungsberichte aus dem klinikalltag interessieren!

habt oder hattet ihr patienten, die das ganze "problemlos" vertragen haben oder ist es zu nebenwirkungen gekommen? ist z.b. der beta2mimetikabedarf gestiegen?
oder gilt noch die vorgabe, dass betablocker - egal ob 1 oder 2 selektiv - auf keinen fall bei asthmatikern eingesetzt werden?

Evil
23.10.2005, 13:45
Sachen gibt's, ich hatte letzten Freitag eine Patientin im OP, die Asthmatikerin war (auf Salbutamol eingestellt, wenn ich mich richtig erinnere) UND Beloc einnahm.

UND dann wurde die Herzfrequenz auch noch so langsam (< 35) daß sie atropinpflichtig war. Aber es ist nix passiert... :-nix