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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fall 12/2005 Chirurgische Ambulanz



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Werwolf
22.10.2005, 22:09
Es ist samstag nachmittag, 16h. Dienst in der chirurgischen Ambulanz. Man will ja nicht vollständig unvorbereitet in die Kabine treten, deswegen vorher kurze Nachfrage bei der Schwester, wer denn da sitzt: "Türke, bißchen älter. Schmerzen Mittelhand. Wahrscheinlich Prügelei...". So gebrieft stapftst Du nun in die Kabine.
Dort sitzt ein ca. 45jähriger gepflegt aussehender Mann. Er klagt über Schmerzen in der rechten Hand.

Wie geht´s weiter?

Evil
22.10.2005, 23:16
Schreiten wir zum Äußersten und fragen erstmal die Anamnese ab. Was genau ist passiert? Wo sind die Schmerzen? In Ruhe oder auch in Bewegung? Fällt schon rein optisch beim oberflächlichen Blick etwas auf?

Ansonsten Vorerkrankungen, Medikamente und die Versichertenkarte :-D

Werwolf
23.10.2005, 00:01
Deutschkenntnisse medium. Anamnese etwas mühsam. Tja, Hand tut weh. Seit gestern zunehmend. Passiert ist eigentlich nichts. Nein, angeblich keine Schlägerei, nirgendwo gegengekloppt. (soso...)

Ordentliche Schwellung und Druckschmerz über den distalen Metacarpalia 2-5. Faustschluß nicht möglich. Immer Schmerz.

Keine Vorerkrankungen, keine Medikamente, Versichertenkarte ist aber da. :-D

Hypnos
23.10.2005, 00:23
Druck, Motorik, Sensibilität?
röngten Hohlhand in 2 Ebenen...

Evil
23.10.2005, 00:26
Hmm, alkoholisiert?

Prüfen wir mal Rotationsfehlstellung, Motorik und Sensorik, und dann ab ins Röntgen.
Vorher aber noch Analgesie, ich empfehl ja Novalgin, 0,5-1g als Kurzinfusion.

Oh, und hat er noch andere Verletzungen?

Werwolf
23.10.2005, 11:33
Durchblutung und Sensomotorik intakt. Kein Rotationsfehler sichtbar, Faustschluß ist jedoch nicht möglich!
Novalgin als KI *aufschrei* um Gottes Willen, das macht doch diese schreckliche... :-) ;-) Nee, das gibt´s bei uns nicht. Aber einverstanden- er kriegt ein bißchen PCM+Tramal.
Alkoholisiert ist er nicht, und seine Aussage, daß er sich nicht geprügelt habe bzw. kein Trauma erlitten habe, wirkt glaubwürdig.
Sonstige Verletzungen? Nö, aber Rückenschmerzen habe er. Schon lange. Mal mehr, mal weniger.

Mit Rö Hand 2E bin ich einverstanden. Von der Klinik her könnten es immer noch Frakturen der MC-Köpfchen sein. wobei ich immer weniger daran glaube. Ohne adäquates Trauma? Na gut, wir werden sehen. Sonst noch?

Pünktchen
23.10.2005, 14:02
Beurteilen wir mal die Hand im Seitenvergleich (DMS, Schwellung? Hautauffälligkeiten) und versuchen einmal herauszubekommen, warum er grade jetzt kommt. Schmerzen nicht mehr auszuhalten? Plötzlich oder immer schon mal und jetzt Angst bekommen?

Werwolf
23.10.2005, 15:23
Kräftige, beschwielte Hände. Offensichtlich arbeitet der Mann mit den Händen. Rechts deutliche Schwellung der Mittelhand, ziemlich diffus. Druckschmerz im Wesentlichen über den Metacarpalia und MCP-Gelenken. Im Seitenvergleich scheint die rechte Hand etwas wärmer zu sein. DMS intakt.
Die Schmerzen hatte er schon am Vortag, aber es ist schlimmer geworden. Und die Tatsache, daß er keine Faust mehr machen kann, war dem Mann dann echt nicht mehr so ganz geheuer. Deswegen ist er gekommen. Zum Hausarzt ist er nicht gegangen, weil er gestern gearbeitet hat und weil´s noch nicht so schlimm war.

Tombow
30.11.2005, 10:52
Dieser Fall scheint etwas zum Erliegen gekommen zu sein. Chirurgie ist überhaupt nicht meine Stärke, doch einiges fällt mir ein:

Man hat den Eindruck, der Patient würde viel mit den Händen arbeiten. Eine Berufs- und Sozialanamese würde nicht schaden, besonders im Hinblick auf die rechte Hand - berufsbedingte Überbeanspruchung/Verletzungen? Wie sieht es mit den Röntgenbefunden aus? Bessern sich die Beschwerden, wenn er versucht die Hand kühl oder warmzuhalten?

Eventuell auch Arm/Handgefäße dopplern und schauen, wie sich die Durchblutung unter Wärmeapplikation verändert.

Mein Verdacht soweit wäre das Initialstadium eines CRPS Typ 1(auch als M.Sudeck bekannt)

Chippielara
30.11.2005, 11:04
Mein Verdacht soweit wäre das Initialstadium eines CRPS Typ 1(auch als M.Sudeck bekannt)

Dazu fehlt aber das trauma, oder? Tippe eher auf etwas entzündliches, wegen der rötung und überwärmung... würde also mal blut abnehmen und entzündungsparameter checken.

Tombow
30.11.2005, 11:08
@Chippielara:

Muß nicht unbedingt ein Trauma sein. Könnte auch eine chronische Über/Fehlbeanspruchung der Hand sein, evtl. mit Nervenschäden. Und 10% der Fälle sind ja immer noch idiopathisch.

Hypnos
01.12.2005, 10:26
Dazu fehlt aber das trauma, oder? Tippe eher auf etwas entzündliches, wegen der rötung und überwärmung... würde also mal blut abnehmen und entzündungsparameter checken.

Ähm...ein M. Sudeck braucht nicht zwingend ein Trauma, jedoch die typische Sudeck-Persönlichkeit:

weiblich,
sub-depressiv
IQ > 110
Lehrerin
Doppelname

alternativ auch:
Beamtin (Bürgeramt bzw. Finanzamt)
unglücklich verheiratet
2 Kinder, beide schlecht erzogen :-)) ;-) :-))

Es grüßt,

Hypnos

Chippielara
01.12.2005, 10:53
Ähm...ein M. Sudeck braucht nicht zwingend ein Trauma, jedoch die typische Sudeck-Persönlichkeit:

weiblich,
sub-depressiv
IQ > 110
Lehrerin
Doppelname

alternativ auch:
Beamtin (Bürgeramt bzw. Finanzamt)
unglücklich verheiratet
2 Kinder, beide schlecht erzogen :-)) ;-) :-))

Es grüßt,

Hypnos

Ist gut, ist gut, da hatte ich wohl was falsch gelernt :-blush

Werwolf
06.12.2005, 19:30
Ähm...ein M. Sudeck braucht nicht zwingend ein Trauma, jedoch die typische Sudeck-Persönlichkeit:

weiblich,
sub-depressiv
IQ > 110
Lehrerin
Doppelname

alternativ auch:
Beamtin (Bürgeramt bzw. Finanzamt)
unglücklich verheiratet
2 Kinder, beide schlecht erzogen :-)) ;-) :-))




:-)) :-D :-)) Das ist bei mir eigentlich eher die Fibromyalgie-Patientin :-D :-))

Aber zurück zum Fall (ist schon so lange her- hab das alles nicht mehr so genau im Kopf und muß das jetzt ein bißchen improvisieren):

Röntgen war (eigentlich erwartungsgemäß) unauffällig.

Trauma in der Vorgeschichte - Fehlanzeige. Chron. Überlastung fällt auch flach. Kein Sudeck. Berufsanamnese - hm, irgendwas Handwerkliches, wenn ich mich recht entsinne. Für ´ne Tendovaginitis hat er aber nix.

Sozialanamnese (hab ich in Wirklichkeit natürlich nicht gemacht, bin ja schließlich dabei, Chirurg zu werden :-)) - nix Auffälliges, würde ich mal sagen. Nichts, was in dem Fall weiterhelfen würde.
Entzündungslabor : CRP war so bei 17mg/l. Keine Leukos. Kein Fieber.

Und weiter geht´s - was müssen wir noch tun bzw. mit dem Patienten anstellen?

Lava
10.05.2006, 20:36
Also gut, ich versuch's mal. Heute hatten wir da einen ganz netten Fall. Nicht sonderlich spannend, aber mir geht's nur darum, dass man mal die Abläufe bei so einem Fall etwas nachvollzieht. Ich kenn alle Werte auch nicht auswendig, aber ich versuche mich zu erinnern. :-))

Ihr seid also in der Ambulanz und der Notarzt bringt einen jungen Mann herein, der mit seinem Fahrrad gegen eine Straßenbahn geprallt ist...

Was wollt ihr vom Notarzt wissen?

Ersa
11.05.2006, 18:10
Was wollt ihr vom Notarzt wissen?

Atmung/ Kreislauf stabil? War der Patient bewußtlos? Bewußtseinsgetrübt? Ansprechbar/ reagiert adäquat auf Aufforderung? Äußerlich Frakturzeichen? Klagt er über Schmerzen (können wir ihn eigentlich auch gleich selbst fragen ...)

Vielleicht genaueres zum Unfallhergang: Was ist genau passiert? Stand die Bahn oder fuhr sie (wurde er mitgeschleift?)? ...

to be continued ...

Bille11
11.05.2006, 18:12
rr, puls, blutung, medikamente (sowohl die des patienten als auch die gegebenen durch den notarzt), bz, synkopenverdacht, epilepsie?

Lava
11.05.2006, 19:33
OK, aaaalso... zum Tathergang war es wohl so, dass er auf dem Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad über eine Kreuzung bei rot fahren wollte, über die aber auch eine Straßenbahn fuhr und er ist irgendwie seitlich dagegen geprallt. Also nicht frontal und er wurde auch nicht mitgeschleift. Laut Augenzeugen bestand keine Bewusstlosigkeit, aber bei Eintreffen des Notarztes war der Patient etwas vigilanzvermindert und zu Ort und Zeit nicht orientiert. GCS 14. Beim Eintreffen in der Ambulanz war der junge Mann aber wieder wach, oriniert und ansprechbar, nur an den Unfall erinnert er sich nicht. Anamnestisch berichtet er, dass er keinerlei gesundheitliche Probleme hätte und auch keine Medikamente nähme.

Von einer Blutung berichtet der Notarzt nichts. Der Patient klagt über Schmerzen am Kopf, dem Rücken und dem linken Knöchel. An Medikamenten hat er meines Wissens nichts außer einer Infusion bekommen.

Blutdruck war in Ordnung, BZ ebenfalls und Puls etwas erhöht, aber unter 100.

Beim Umlagern entdeckt eine Schwester Blut am Handschuh...

Bille11
11.05.2006, 19:41
dann habt ihr ihn da mal entkleidet und geschaut, was da los ist? wo blutet es? offen? irgendwas kaputtes sichtbar. wo anders auch rote/blaue/violette flecken? schrammen & schürfstellen. hat er bauchweh? abdomensono wird sicher auch gemacht, weil der pat ja doch mit einer rechten wucht durch dir gegend geschleudert wurde. - freie flüssigkeit?

und da du glück hattest & die viggo schon lag, haste sicher nur noch schnell blut (kl. bb, elythe, gerinnung) abgenommen, bevor der patient zum röntgen (hws,bws,lws, kopf, beckenübersicht, unterschenkel/osg der schmerzenden seite, alles 2ebenen) gebracht wurde.

hater allergien? vorereignisse? brüche, unfälle?

wie beweglich is der patient? im schmerzenden knöchel schwellung?
grob neurologisch/kopfmässig okay?
klopfschmerz im becken?

was wir mitm rücken machen.. tja.. je nach lage des patienten, wünschenswert wäre das foto as soon as possible.

und im hintergrund das piepen der sauerstoffsättigung/pulsoxi

Lava
11.05.2006, 19:52
Ja, das piept da alles zufrieden stellend. :-)
Blut wird abgenommen (rat mal vom wem *g*), der Pat währenddessen entkleidet. Beim Bodycheck ergibt sich folgendes: Hämatom links frontal, Kopfplatzwunde occipital (daher das Blut am Handschuh), Schädel sonst nicht schmerzhaft, kleine Risswunde am linken Ohr, aber sonst kein Blut in Ohr oder Nase. Pupillen seitenglich, rund und prompt lichtreagibel, Hirnnerven o.p.B., kein Thoraxkompressionsschmerz, kein Beckenkompressionsschmerz, Becken stabil, kleine Schürfwunden an der linken Hand, das linke Sprunggelenk ist leicht angeschwollen, scheint aber regelrecht zu stehen, außerdem hat er dort auch eine kleine Schürfwunde.
Im Sono keine freie Flüssigkeit erkennbar, alle Organe stellen sich regelrecht dar. Dem Patienten ist furchtbar kalt und er redet ununterbrochen von seiner Freundin, die er seit Tagen nicht gesehen und auf die er sich so gefreut hat. :-D
In Begleitung der halben Ambulanz (jaja, auch die gaffen gerne) wird er ins Röntgen gefahren. Statt und Kopf und HWS in 2 Ebenen haben wir übrigens ein CCT und ein HWS CT gemacht. :-)

Was könnte man denn machen, wenn er wieder da ist, wir aber noch auf die Bilder warten?