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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Doktor, quo vadis?



Xylamon
30.10.2005, 16:40
http://www.aerztezeitung.de/docs/2002/10/31/197a00401.asp?cat=/magazin/20_jahre/aerzte_politik

Ein interessanter Artikel, durch Zufall über google.de gefunden. Ich hoffe, der Artikel wurde hier nicht schon mal gepostet...

yzBastian
30.10.2005, 17:07
Habe ihn hier noch nicht gefunden.
Wirklich interessant....danke für den Link!

Leggo1
30.10.2005, 17:32
Dieser Artikel beschreibt die Situation schlicht glänzend! Obrigkeitsgläubigkeit, Strebertum und Duckmäuserei sind weit verbreitet. Die Ärzteschaft selbst die Kompetenz über die Festlegung der Organisation des Gesundheitswesens (Gesundheitspolitik) leichtfertig an sogenannten Experten aus Wirtschaft und Berufspolitik abgetreten. Letztlich wird nur ein Umdenken in den Kopfen der neuen Ärzte, das Erschaffen eines individuellen Selbstbewusstseins jedes Arztes eine Besserung bewirken können. Aber Numerus clausus und immer neue Hürden aller Art selektionieren tatsächlich Obrigkeitsgläubigkeit, Duckmäuserei und Strebertum. Und so wird auch die nächste Ärztegeneration ausgenutzt.......bis auf wenige smarte Köpfe.

tpa
30.10.2005, 19:04
Ab ins Ausland :-meinung

Schön vor den Problemen davonlaufen ;-)

Rugger
30.10.2005, 19:21
Ja, tatsächlich ein sehr interessanter Artikel! Wenn auch ziemlich lang und in etwas abgehobener Sprache formuliert...
Aber gerade der Teil über die Sozialisation der Ärzteschaft wirft einige hochinteressante Aspekte auf. Vielleicht hilft es ja sogar, wenn das mal reflektiert wird!

Rugger,
der den Thread mal ins passende Forum verschiebt!

Shmoquasi
30.10.2005, 20:23
meine güte, das tut echt weh die eigenen und familiären vermutungen nun einen solchen artikel öesend bestätigt zu sehen.
das problem ist aber auch, was hier gar nicht erwähnt wird, dass die ärzte KEINE MÖGLICHKEIT ZUR REVOLUTION haben. es tut sich ja im moment ganz langsam was, streiks, marburger bund, montgomery und so weiter. ein arzk kann aber nicht einfach wie ein pilot (die haben's ja letztens ganz richtig gemacht) oder arbeiter der arbeit fern bleiben und mal keine leben retten, die sanktion mit einer titulierung als mörder kann man sich jetzt schon in der unseriösen tageszeitung, deren namen meine finger hier nicht tippen möchten, vorstellen. somit ist die ärzteschaft echt aufgeschmissen, was sollen die machen?!?!?!?!?!?!
doktor, quo vadis. AD NAUSEAM!?

Leggo1
30.10.2005, 22:44
Es braucht keine Revolution. Auch nicht hilfreich ist es, darauf zu warten bis der Marburger Bund oder ähnliche aktiv werden um sich danach an einem ANDEREN organisierten OFFIZIELLEN Widerstand ANZUSCHLIESSEN. Dies entspricht genau der beschrieben Obrigkeitsgläubigkeit. Nur ist diesmal der Bund und nicht der Chef die Obrigkeit. Ich denke, es braucht Ärzte mit einer anderen - jawohl auch mehr EGOzentrischen - Grundeinstellung, die nach Dienstschluss tatsächlich pünktlich nach Hause gehen - ungeachtet des Patientenaufmarsches zum Beispiel.

digiti minimi
30.10.2005, 23:54
Egozentrisch bringt hier gar nichts. An der Charité und an vielen anderen Häusern auch werden mittlerweile zu 90% Zeitarbeitsverträge ausgegeben. Wenn Du nicht mitspielst wird Dein Vertrag nicht verlängert.

Hier kann man nur in der Masse etwas bewegen, aber nur Mut.... allein das vermehrte Aufkommen solcher Threads, Streiks, etc. sind schon als Weg in die richtige Richtung zu sehen. Lassen wirs noch ein bißchen brodeln. Irgendwann kochts über....

Leggo1
31.10.2005, 00:02
jedenfalls ist die Zeit der Ärzteschwemme vorüber

Shmoquasi
31.10.2005, 15:12
einerseits stimmt's, solche threads können mobil machen und angehende oder bereits fertige mediziner dazu bewegen, etwas zu tun. andererseits sind paradoxerweise selbst schon in diesem thread mindestens 3 verschiedene meinungen über die praxis der umwälzung, was BILDLICH die uneinigkeit unter den ärzten wiederspiegelt.

tpa
31.10.2005, 20:01
Hab ma von niedergelassenen Ärzten gehört, die nur noch Privatpatienten behandelt. Geht das wirklich?
Wär ja auch eine Form von Protest...

tadeus_t
31.10.2005, 20:17
Warum sollte das nicht gehen? Niemand zwingt dich eine Kassenzulassung zu bekommen. Als eine Form des Protests würde das aber wohl nur funktionieren, wenn auch tatsächlich alle oer fast alle niedergelassenen ärzte ihre Kassenzulassung "zurückgeben" würden. Andererseits muss man da wohl noch ein wenig an die Patienten denken, gerade an die nicht so betuchten...

Dressman
01.11.2005, 23:58
Hab ma von niedergelassenen Ärzten gehört, die nur noch Privatpatienten behandelt. Geht das wirklich?
Wär ja auch eine Form von Protest...


das geht! und wird auch gar nicht wenig praktiziert! und wenn man sich den artikel mal durchliest, versteht man doch auch schnell wieso!
natürlich braucht mann dann auch genügend privat patienten!


ich hab den artikel erst heute lesen können, weil ich vorher nicht die zeit hatte. und es gibt eigentlich so viele punkte über die man diskutieren könnte!

am schlimmsten finde ich die versklavung an den staat, die bürokratie. als arzt ist man doch später kaum mehr in der lage seinen beruf ordentlich ausüben zu können. wie ein algorithmus soll man arbeiten... dann schreibt ein schlaues computerprogramm, bildet ein wenig personal aus, welches den patienten 400 fragen stellt, darauf hin wertet der computer unter berücksichtigung einiger laborwerte die antworten aus und schon haben wir die therapie.. sparen wir uns die ärzte...

sehr schön ist auch das beispiel der gewerkschaften, die deutschland weit flächend deckend die 35 stunden woche fordern... ja die angestellten bekommen vielleicht weniger gehalt, aber ein wirtschaftsingeneur, der im aussendienst anfängt und seine 60-80 stunden woche hat, der wird wenigstens seinem arbeitsaufwand entsprechend bezahlt!

ach, da sind so viel "herrliche" themen angesprochen und wenn man den artikel liest, da frag ich mich wieso willst du noch mal arzt werden?

nicht alles ist schlecht, sonst würde es nicht so viele bewerber geben, aber dennoch, wenn ich mal wieder von unserem gesundheitssystem lese/ drüber nachdenke, dann hoffe ich, dass es irgendwann zusammenfällt und dann einmal ordentlich reformiert wird!

vielleicht mal ein system in dem die patienten mit ihren krankversicherungsbeiträgen wirklich in ihre ärztliche versorung investieren und nicht in den verwaltungsaparat der 300 (oder wieviele es auch immer gibt) kassen!

und als niedergelassener arzt mit kassenzulassung kann man ohnehin schon seit langem nicht mehr von selbstständigkeit reden, aber das wird ja auch in dem artikel zu genüge angesprochen!


naja, wie ihr seht kann ich mich ganz gut über das ganze system aufregen... wie gesagt ich hoffe auf einschlägige reformen oder vieleicht werden sich die ärzt auch mal untereinander einig und bilden eine art gewerkschaft (und damit meine ich weder marburger bund oder kassenärztliche vereinigung - die sind in ihrer existens fast schon nur noch farce :-meinung ). die ärzte könnten mit abstand die mächtigste "gewerkschaft" sein und das meiner meinung zu recht (macht sollte natürlich auch nicht missbraucht werden), aber das ist ein andere thema.

so ich werd ins bettchen!

schönen abend
dressman

Shmoquasi
02.11.2005, 15:02
ach, da sind so viel "herrliche" themen angesprochen und wenn man den artikel liest, da frag ich mich wieso willst du noch mal arzt werden?

echt sehr gut. ich denke, wer's jetzt noch wegen geld oder prestige macht hat den zug nicht abfahren hören, die leute die's durchziehen und dann nach dem studium nicht enttäuscht sind, sind die berufenen ärzte. aber natürlich kann es selbst für jemanden, der aus berufung arzt werden möchte, unter solchen umständen auf keinen fall weitergehen.
ich denke mir, wenn ich szenarien, wie sie der artikel beschreibt, höre oder lese, dass der TIEFPUNKT, sei es bürokratisch, finanziell, arbeitszeittechnisch, etc. ja bald erreicht sein müsste und es dann doch in ein paar (mehr oder weniger) jahren wieder aufwärts gehen müsste oder?
hab letztens im ärzteblatt einen tollen spruch, ich glaub vom j.d. hoppe gelesen, den er zum schluss eines disputs zu ulla schmidt gesagt hat: "seien sie nett zu ihren ärztinnen und ärzten, sonst werden sie sie eines tages sehr vermissen". da sage ich nur :-meinung

Leggo1
02.11.2005, 15:09
echt sehr gut. ich denke, wer's jetzt noch wegen geld oder prestige macht hat den zug nicht abfahren hören, die leute die's durchziehen und dann nach dem studium nicht enttäuscht sind, sind die berufenen ärzte.

Ja, ich denk mir das mit dem Geld und Prestige ist auch irgendwie ein alter Hut. Wenn ich mein Studium aus der Retrospektive betrachte, so glaube ich nicht, dass Geld und Prestige über all die Zeit ausreichende Motivatoren sind - spricht solche Leute fallen in den ersten Semestern raus. ABER: ich finde es ist nicht haltbar, dass man sich als Arzt um ein Vielfaches mehr abrackern muss als unsere Freunde der 35-Stunden-Woche und obendrein noch ein geradezu lächerliches Gehalt bekommt. Keine Zeit und kein Geld kommt in der Kombination nicht gut und ist z.B. auch alles andere als familienfreundlich. Da lassen wir das Argument mit der BERUFUNG mal lieber aussen vor - immerhin ist auch der Arzt ein Mensch und seine Berufung mitunter schlicht und weg auch Broterwerb.

Doktor_No
02.11.2005, 15:36
also ich persönlich habe schon bis vor ein paar wochen gedacht, dass ich als assistenzarzt mehr verdienen würde als das schmerzensgeld, das es nun werden wird. und meine grundvorstellungen waren nicht gerade überzogen, aber das neue arbeitszeitmodell reisst einen massivst runter, der grundlohn ist (wie hier in diversen threads unter anderem auch von mir bemängelt) eine frechheit. da ziehen auch argumente wie "weiss man ja vorher", "ist auch eine ethische frage!" usw. nicht.
mit viel arbeit haben doch die wenigsten jungen ärzte ein problem, aber dann noch unterbezahlt und für bürokratiemist statt medizin missbraucht, nein danke! ich kann jeden verstehen der unter diesen umständen deutschland verlässt. nach Praktischem Jahr, unbezahlten praktika in form von famulaturen, datenerhebung für habilitanden mit dem brosamen "Dr. med." dafür, den es in anderen ländern mit dem examen gibt und der hier oftmals auf schmalspurwegen erreicht wird, kann man mE schon erwarten, anständig bezahlt zu werden.
in früheren zeiten hat man es eben hingenommen wenn man als assi verheizt wurde, danach kam die sichere niederlassung oder eine klinikskarriere, aber diese zeiten sind vorbei. und der allseits beschrieene ärztemangel wird mit importen ausgeglichen, die die qualität der versorgung im grossen und ganzen zumindest nicht verbessern.
der wunsch des fachübergreifenden zusammenhalts der ärzteschaft ist so alt wie der hippokratische eid, funktionieren wird er nie, wie denn auch in einem system der budgetierung, des lobbyismus und der unfreiheit eines so genannten "freien" berufes.
sehr schade, wird doch so ein an sich schöner, nützlicher und erfüllender beruf dermassen beschnitten, dass man zum erfüllungsgehilfen eines überbordenden verwaltunslastigen systems wird, dass sich selbst am leben erhält und an der lösung des grundlegenden problems gar nicht interessiert zu sein scheint. das neue arbeitszeitgesetz ist doch das beste beispiel: alle haben spekuliert: ach das wird noch mal 2 jahre ausgesetzt, und dann: oh, doch nicht was machen wir denn nun????
es hat keinen interessiert, dass der verdienst unglaublich sinkt, dass sich die weiterbildungszeiten verlängern, dass neue stellen geschaffen und finanziert werden müssten, dass es neuer konzepte bedurft hätte. jetzt machen die leute dicke backen und fangen an zu heulen, weil sich medizin ja nicht in schichtsystemen machen lässt: das ist richtig, aber warum hat dann keiner alternative vorschläge gemacht als absehbar war, dass die eu einschreiten würde???? auch der mb hat sich da nicht gerade hervorgetan...
in anderen ländern funktioniert es auch, oftmals bei vergleichbarem outcome mit niedrigeren kosten, warum also geht es in deutschland nicht???? ohne perspektiven werden die nachwuchsmediziner abwandern, entweder in andere länder oder andere arbeitsbereiche, und diejenigen die noch in der klinik arbeiten werden dann nicht die speerspitze der medizin sein... jedes land bekommt die ärzte die es verdient :-))

Shmoquasi
02.11.2005, 16:41
Keine Zeit und kein Geld kommt in der Kombination nicht gut und ist z.B. auch alles andere als familienfreundlich. Da lassen wir das Argument mit der BERUFUNG mal lieber aussen vor - immerhin ist auch der Arzt ein Mensch und seine Berufung mitunter schlicht und weg auch Broterwerb.

Alles klar, stimme zu. Aber das GERADE vom Leggo zu hören!? :-))

Leggo1
02.11.2005, 17:10
Aber das GERADE vom Leggo zu hören!? :-))

:-)) ertappt

Shmoquasi
04.12.2005, 14:30
Angesichts der Aktionen der letzten Woche an der Charite sollte man diesen Thread doch wohl aufwärmen, oder?