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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Pflege: Primary Nurse



Tse Tse
09.11.2005, 15:12
Vor einigen Jahren kam das Konzept der Primary-Nurse auch in Deutschland auf. In Frankfurt und Marburg wurden dazu Pilotprojekte gestartet, in Gießen setzen seit kurzer Zeit mehrere Stationen das Konzept um. Auch andere Krankenhäuser bauen verstärkt darauf.
Es geht dabei um eine Pflegekraft, die für einen Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung und evtl. darüber hinaus verantwortlich ist.
Begründerin ist Marie Manthey, Pflegedienstleitung im Universitätskrankenhaus von Minnesota/USA.

Das Grundprinzip des Primary Nursing ist "Die direkte Verantwortung einer Pflegenden für den Patienten". Marie Manthey bezeichnet Primary Nursing in ihrem Buch als "(...) eine Organisationsform der Pflege, die dazu dient die Rund-um-die-Uhr Verantwortung für die Versorgung eines Patienten einer bestimmten Pflegenden zu übertragen (...)". Das heißt die Primary Nurse und die Assoziated Nurses sind 24 h / Tag für Tag für die Qualität der für den Patienten geleisteten Pflege und seine Betreuung verantwortlich und zwar für die gesamte Dauer des Aufenthaltes des Patienten auf der Station.

Habt ihr Erfahrungen mit diesem Konzept machen können, als Pflegekräfte, Ärzte oder als Studenten beim jobben auf Station?
Wenn ja, wie sieht bei euch die Umsetzung aus -
werden hauptsächlich organisatorische Aufgaben durch die Primary Nurse und eine Assoziated Nurse erledigt und die praktischen Tätigkeiten am Patienten selbst dann verstärkt an Hilfskräfte abgegeben?
Steigt die Qualität der Betreuung oder leidet sie eher. Wie ist die Arbeitsbelastung? Muss öfters als zuvor Arbeit mit nach Hause genommen werden? Wie erleben Patienten die Versorgung?

Wenn nicht, was haltet ihr von diesem Konzept? Kann dieses Modell die Pflegeplanung und Durchführung ablösen, in die sich bisher alle Pflegekräfte zu jedem Patienten einbringen konnten?

Grüße, Tse

Evil
09.11.2005, 16:48
Jep, hier nennt sich das "Bezugspflege". Ich finde das eigentlich ganz gut, läßt sich aber im Rahmen des Schichtdienstes und knapper Besetzung nur schwer realisieren.

Cassy
10.11.2005, 20:48
Wir haben im Krankenhaus auch die Bezugspflege, aber vor allem auf der Intensivstation lässt sich selbst diese kaum umsetzen, da wir ständig die Schichten wechseln und pro Monat viele Nächte machen müssen.

Ausserdem wäre das neue Konzept nur auf den peripheren Stationen möglich, da auf der Intensivstation Patienten manchmal wochenlang liegen. Wären dort dann immer nur die selben zwei Pflegekräfte, so wäre das -vom Aufwand her betrachtet- nicht fair. Na gut, eigentlich gilt dieses Argument für alle Stationen :-nix

Desweiteren bin ich der Meinung, dass es nie schaden kann, wenn ein Patient von verschiedenen Pflegekräften betreut wird. Denn schliesslich ist man sich nicht immer sympatisch... dann viel Spaß wenn man über Wochen quasi miteinander leben muss :-)) Auch es kann auch kein Fehler sein, wenn der Patient auch einmal von anderen Personen betreut wird, denn manchmal übersieht man ja doch etwas...

eatpigsbarf
10.11.2005, 21:26
Ausserdem wäre das neue Konzept nur auf den peripheren Stationen möglich, da auf der Intensivstation Patienten manchmal wochenlang liegen.

und auf den peripheren Stationen etwa nicht? Ich kenn sowohl von Unikliniken als von von kleinen Haeusern die Situation, dass dort Patienten monatelang liegen, genauso wie auf mancher Intensivstation (ist aber klarerweise viel billiger als auf der Intensivstation). Haben z. Zt. auch bei mir auf Station Patienten, die seit schicken 180+ Tagen ein Bett reserviert haben.

Wobei es doch eigentlich grad auf vielen Intensivstationen versucht wird, dass die Patienten von moeglichst den gleichen Pflegekraeften und Aerzten versorgt werden, damit eben Veraenderungen des Patienten schnellstmoeglich von mit der individuellen Situation vertrauten "Betreuern" erkannt werden. So kenn ich das jedenfalls aus den Haeusern, wo ich mal war.

Aber ansonsten sehe ich das mit der Pflege auch sehr problematisch. Denn, wie Cassy schon gesagt hat, was wenn man sich mit dem zugeteilten Pat. nicht versteht? Kann ja doch immer mal wieder passieren.. ;-)

ehemalige Userin 24092013
11.11.2005, 06:46
Unabhängig davon, dass sich das primary nurse auf einer Intensivstation und auf einer peripheren Station durch Schichtarbeiten recht schwer realisieren lässt, halte ich recht wenig von dem Konzept im Gesamten gesehen.
Natürlich ist es wichtig, wenn die Patienten mehr mit einer Pflegekraft zu tun haben, als den ständigen Wechsel ( grad in der Intensivpflege ist es verlaufstechnisch recht interessant ( sorry, ich kann vorwiegend davon reden, periphere Abteilungenkenn ich net mehr wirklich :-blush ) )
ABER: es gibt Momente wo man einfach nicht mehr an dem Bett arbeiten kann, weil man den Patienten zu lang gesehen hat, weils einfach an die eigenen Grenzen geht und wenn die Chemie mit dem Patienten nicht stimmt, dann ist es sogar noch dümmer.
Es gibt ne menge Gründe und gerade deswegen würde ich immer zum ehr wechselnden Pflegepersonal am Bett tendieren, denn mit einem richtig durchgezogenen primary nurse Konzept ist die "burn out" Gefahr doch recht hoch. :-meinung


( im vorletzten Sommer habe ich mal 30 Tage an ein und der selben Patienten verbracht, die insgesamt 50 Tage auf meiner Station lag - sorry, aber ich hatte nachher so die Nase voll von dieser Frau, das kann man sich nicht vorstellen - und dann noch nett und gleich motiviert, wie am Anfang ans Bett zu gehen fällt verdammt schwer :-nix )

moonshine
11.11.2005, 07:51
@Kaddel

ABER: es gibt Momente wo man einfach nicht mehr an dem Bett arbeiten kann, weil man den Patienten zu lang gesehen hat, weils einfach an die eigenen Grenzen geht und wenn die Chemie mit dem Patienten nicht stimmt, dann ist es sogar noch dümmer.

Man (n) bist Du unprofessionell :-angel - nee, mal im ernst, erzähle das mal an einer Pflegeschule! Alle Theorien sind ja in der Praxis umsetzbar... .

Es gibt ne menge Gründe und gerade deswegen würde ich immer zum ehr wechselnden Pflegepersonal am Bett tendieren, denn mit einem richtig durchgezogenen primary nurse Konzept ist die "burn out" Gefahr doch recht hoch. :-meinung

Meinung der Pflege: durch mehr Verantwortung macht den Pflegenden der Beruf mehr Spaß blablabla....

Also in der Psychiatrie ist dieses "Konzept" gut aufgehoben. Im Akutspital bin ich bisher nicht wirklich draufgestossen, aber es gab da mal eine heftige Teamsitzung als es um dieses Thema gab,weil Primary Nurse schrittweise in dem Haus eingeführt werden sollte, und da war seitens von mir u.a. auch der Kritikpunkt, daß man halt nun mal nicht mit jedem kann, und der Patient vielleicht auch noch ein Wörtchen mitzureden hat.... das Beste fand ich, als die Stationsleitung eine Pflegende, die mit Menschen super kann, angewiesen hat, sich in Zukunft zurückzuhalten....

ehemalige Userin 24092013
11.11.2005, 08:20
Selbst in der Psychiatrie halte ich es für unzumutbar ( auch wenn es schön wäre, wenn die Therorie zumindest da richtig umgesetzt werden würde )!
Ich stell mir nur grad vor, ich müsste mit den Borderlinerinnen, die bei mir "nur" max. einen Tag sind, Wochen verbringen - ich würde ganz schnell selbst Psychopharmaka nehmen fürchte ich.
Aber gut, für die Psychiatriepflege muss man eh geboren sein. :-nix

moonshine
11.11.2005, 08:34
Selbst in der Psychiatrie halte ich es für unzumutbar

Kommt auf den Bereich an....aber ich habe nicht gesagt, daß es "leicht" ist

Ich stell mir nur grad vor, ich müsste mit den Borderlinerinnen, die bei mir "nur" max. einen Tag sind, Wochen verbringen - ich würde ganz schnell selbst Psychopharmaka nehmen fürchte ich.

Dafür kann man dann mal wieder Sektkorken knallen lassen, wenn eine Borderlinerin das Haus verläßt....

Was mich aufregt, ist, daß in der Schule so geredet wird, als ob alles easy ist und locker umsetzbar ist. Fakt ist, daß es trotzdem an die Substanz gehen kann, obwohl man sich doch toll abgrenzen sollte aber wie heißt es doch so schön : " es menschelt gewaltig " - auch im Spital

Das mit dem Sekt oben war jetzt kein Witz - ich fand es erst recht heftig, als ich das mitbekam...aber wenn man sich über ein Jahr als Therapeut "quält"...

ehemalige Userin 24092013
11.11.2005, 08:44
Was mich aufregt, ist, daß in der Schule so geredet wird, als ob alles easy ist und locker umsetzbar ist.

Das müssen Schulen wohl so machen, was man am Ende draus macht, ist eh das (fast) eigene Bier.
Es geht ja schon bei der Grundpflege los, wenn man das an jedem Patienten so umsetzen würde, wies die Schule gern hätte, dann ist man spätestens auf der Inneren damit beschäftig rund um die Uhr zu waschen, zu aktivieren und so weiter..............

Cassy
11.11.2005, 10:03
Klar liegen auf den peripheren Stationen manche Patienten auch sehr lange, aber das sind verhältnismässig doch sehr wenige.

Ich stelle es mir auch sehr schwer vor, wenn man als Primary Nurse mehrere Patienten zu betreuen hat, diese aber quer über die Station verteilt sind. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht möglich ist, alle Patienten einer Primary Nurse in nebeneinander liegenden Zimmern zu verteilen (lasse mich aber auch gern eines besseren belehren :-))) Somit müsste das Pflegepersonal immer quer über die Station rennen. Inwieweit das dann effizient sein soll ist eine gute Frage.

Und was, wenn man als Primary Nurse die schweren Pflegefälle quasi anzieht? Dann rennt man selbst den ganzen Tag umher, während andere mit weniger aufwändigen Patienten sich vielleicht eine schöne Zeit auf dem Balkon beim Rauchen oder Kaffee trinken machen. Dann lieber die Bereichspflege, in der die Station so aufgeteilt wird, dass alle ungefähr den selben Arbeitsaufwand zu erwarten haben. Und dabei wird auch darauf geachtet, dass man möglichst lange den selben Patientenbereich betreut. Ist doch dann auch nicht schlecht, oder? ;-)

Aber der Hauptgrund, weswegen ich gegen dieses neue System bin, ist eben die nicht immer vorhandene Sympathie zwischen Patient und Pflegeperson. Jaja, ich weiss, eigentlich sollte man alle Patienten gleichermaßen "lieb haben", aber niemand kann mir erzählen dass er oder sie das schafft. Und es ist ja wissenschaftlich erwiesen: kann man mit einem bestimmten Patienten besser klarkommen, so ist man beim Klingeln schneller im Zimmer und verbringt im diesem durchschnittlich mehr Zeit als im Zimmer eines Patienten, mit dem man nicht so gut klar kommt. In diesem Fall wären dann wechselnde Bezugspersonen durchaus von Vorteil.

Tse Tse
11.11.2005, 11:41
Mir gefällt die Bereichspflege auch besser. Wie bereits gesagt wurde, kann man hierbei den Patienten ja auch längere Zeit pflegen (wenn man will).
Außerdem würde mir der Austausch im Team in großer Runde fehlen. Ist ja doch nett sich über ein Problem auszutauschen oder sich Tipps zu geben.

Ich stell's mir auch problematisch vor, grad wenn ich an so manche unverblümten rassistischen Äußerungen oder sexuellen Belästigungen von Seiten einiger Patienten denke, wer will denn so jemanden pflegen? Auch wenn's Schwierigkeiten mit dem Geschlecht gibt, konnte man auf Normalstation ja doch eher mal schauen, dass eine Patientin von einer Krankenschwester gepflegt wurde. Natürlich ist das nicht die Regel und viele Animositäten sind anderer Natur, aber genauso nachvollziehbar.

Wo ich zuvor gearbeitet hatte, wurde für die Innere Klinik anfänglich das Konzept so konzipiert (bitte was?), dass eine Primary Nurse z.B. über die Ambulanz Patienten zugewiesen bekommt und diese dann verstreut über die verschiedensten Stationen im ganzen Haus suchen darf. Umgesetzt wurde es, so weit ich weiß, bisher noch nicht.
Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass das viel effizienter oder kostensparender ist.

In den Kliniken dort hatten sie aber auch sonst die wildesten Konzepte. Für die Chirurgische Klinik gab es z.B. das Modell, nebenan eine Art Patienten- und Angehörigenhotel hochzuziehen. Jeder Patient bei dem noch einige Tage Diagnostik liefen, sollte in diesem Hotel wohnen (billigeres Hotelbett gegenüber Krankenhausbett) und am Tag der Operation aufgenommen werden, danach aber so schnell wie möglich wieder ins Hotel umziehen.
Ich finde das hört sich verdammt stressig an, somit hast du dann nur noch die aufwendig zu pflegenden Patienten bei dir auf Station liegen, na ja…

Hellequin
11.11.2005, 13:34
Klar liegen auf den peripheren Stationen manche Patienten auch sehr lange, aber das sind verhältnismässig doch sehr wenige.

Immer diese Verallgemeinerungen.;-)
Also bei uns in der Neuro hatten wir öfters mal Patienten länger liegen. Das hängt ja auch von den jeweiligen Krankheitsbildern ab.

ehemalige Userin 24092013
11.11.2005, 15:21
Ich denke auch, dass die Liegedauer auf ner peripheren Abteilung länger ist, als auf einer ITS.
In der Regel wird ja alles, was einigermaßen stabil aber noch lang, lang nicht entlassungsfähig ist, schnell auf Abteilung verlegt und da kanns dann noch dauern. ( zumindest in der Multimorbinmedizin (Innere) )

Cassy
11.11.2005, 20:09
Hmm, dann ist dies in unserem Feld-Wald-Wiesen-Krankenhaus irgendwie anders :-nix Aber bei uns gibt es ja auch "nur" Allgemein- und Unfallchirurgie, Urologie, Gynäkologie und Innere (Kardiologie, Diabetologie und noch irgendeine) plus Pädiatrie. Alle schwereren Fälle werden dann in die großen Kliniken in der Umbegung verlegt.

Hellequin
11.11.2005, 20:32
Der Bettendruck dürfte halt was die Intensivstationen in größeren Häusern angeht um einiges größer sein. Hängt sicher auch vom Einzugsgebiet des KHs etc. ab.