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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Schmerzfreies/armes Legen einer Pleuradrainage möglich?



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Cranium
04.12.2005, 18:10
Hi Leute,

bin gerade auf der Notaufnahme und habe beim Legen einer Bülaudrainage zugesehen.
Der Pat. hatte stärkste Schmerzen und ist fast auf der Trage kollabiert.
Irgendwann erbarmte sich der Arzt noch einmal nachzubetäuben.
Was natürlich sinnlos war, denn er hat sofort nach dem Nachspritzen weiter mit dem riesen Trokar zwischen den Rippen herumgebort ohne auf die Wirkung des Anästhetikums zu warten.

Bei meiner Nachfrage bei ihm (unter 4 Augen) meinte er: Die Pleura könne man nicht betäuben, da muss es schmerzen.

Rischtisch oder falsch? :-nix

Ich glaube ihm irgendwie net! :-?

Bradyphrener
04.12.2005, 18:33
... Die Pleure könne man nicht betäuben, da muss es schmerzen. ...

Wir spritzen bei der lokalen auch immer gleich ein paar ml LA in den Pleuraspalt. Scheint zumindest für einen Pneu i. d. R. zu funktionieren. Wie es bei Flüssigkeit im Spalt aussieht, weiss ich nicht. Könnte mir aber Probleme mit der Wirkung bei schlechterer Verteilung oder durch Verdünnung vorstellen. Letztlich denke ich aber, wenn Schmerzsensoren da sind, kann man die auch betäuben.

Oliver

Cranium
04.12.2005, 18:49
Es war ein Hämatothorax mit 2200ml Blut.

thinker
04.12.2005, 18:55
Was ist das ?
Klingt ja schon beim lesen richtig schmerzhaft.

Grüße
der unwissende Schüler

netfinder
04.12.2005, 19:24
das sind 2200 ml Blut im Pleuraspalt, statt 0ml^^

milz
05.12.2005, 11:28
Warum nicht 5-10mg M iv? Das stößt mir immer sauer auf, wenn ich sowas lese. Wie würde man sich darüber freuen, wenn man selbst der Patient wäre.. (kann ja noch kommen) :-(

flavour
05.12.2005, 13:27
das sind 2200 ml Blut im Pleuraspalt, statt 0ml^^

Na gut, so 3ml Flüssigkeit sind ja immer im Pleuraspalt.
Aber dass da soviel reingeht... das muss echt wehtun.

Hypnos
05.12.2005, 14:10
Mh...grmpf...ok, ok, dann poste ich doch nochmal was...


Also...so macht man das natürlich nicht! Die Anlage einer Thoraxdrainage ist per se eine extrem schmerzhafte Angelegenheit...dies aus mehreren Gründen:

1) Die möglich anästhesierbare Schicht (Haut, subkutanes Fettgewebe, intercostales Gewebe, Pleura visceralis und parietalis) sind aufgrund nur geringer Tiefe (Dicke) kaum ausreichend betäubbar.

2) Da sich eh schon ca. 5-25 ml. Pleuraflüssigkeit im Spalt befinden, wären 5-10 ml interpleural allerhöchstens sehr verdünnt wirksam

3) Kaum anästhesierbar (weil auch schwierig erreichbar) sind die Nervi subcostales, mäßige Erfolge erzielt man dort mit einer Subcostalblockade (5-10 ml Xylonest 2% am WK-Ansatz)

4) Auch der Throkar sollte dem Patienten angemessen gewählt werden... (möglichst 2 Charriere kleiner als der Intercostalraum)

5) Die Fremdkörperreizung der Drainage an sich (im Pleuraspalt) ist ebenfalls ein Schmerzreiz, den indolente Patienten ggfs. tolerieren, ich persönlich neige allerdings dazu, zusätzliche Sz.mittel zu verordnen (z.B. Novalgintrpf. 3-4x 30 Stück + zusätzlich Voltaren res. 2 x 1 nach Ausschluß von Gegenanzeigen)

6) Davon abgesehen habe ich gute Erfahrungen mit der Sedierung der Patienten gemacht...dies ließe sich auf verschiedenen Wegen erreichen:

a) Disoprivan (Propofol) wirkungsadaptiert bis zum Eintritt eines Dämmerschlafes (dann aber bitte zusätzlich noch Fentanyl, Morphin allein ist da nicht ausreichend[meine Meinung])

b) für Nicht-Anästhesisten eignet sich auch die Analgosedierung mit Dormicum und Ketanest (bitte beides zusammen!), da Ketanest S eine sehr hohe therapeutische Breite hat, und man somit nicht überdosieren kann, resp. den Pat. in die Apnoe spritzt

c) die alleinige Sedierung mit Dormicum hat sich nach meinem Erfahrungsschatz (ca. 40 Thoraxdrain. bisher) als nicht ausreichend erwiesen, dann eher (allein aber auch nicht ausreichend) Diazepam, das scheint eine deutlich besser ausgeprägte sedierende und anxiolytische Wirkung zu haben (zumindest meiner klinischen Erfahrung nach)

d) je nach Indikation der Thoraxdrainage kann man natürlich auch überlegen, falls eh eine Intubation und längerfrisitge Beatmung geplant ist (z.B. Rippenserien# bds.) die Drainage erst post-intubationem anzulegen...


Ich hoffe, diese Anmerkungen haben ein wenig weitergeholfen, für Rückfragen kurze pm an mich...

Es grüßt,

Hypnos [dem die Schmerzarmut der Patienten am Herzen liegt ;-) )

Evil
05.12.2005, 16:12
a) Disoprivan (Propofol) wirkungsadaptiert bis zum Eintritt eines Dämmerschlafes (dann aber bitte zusätzlich noch Fentanyl, Morphin allein ist da nicht ausreichend[meine Meinung])

b) für Nicht-Anästhesisten eignet sich auch die Analgosedierung mit Dormicum und Ketanest (bitte beides zusammen!), da Ketanest S eine sehr hohe therapeutische Breite hat, und man somit nicht überdosieren kann, resp. den Pat. in die Apnoe spritzt

.....

d)je nach Indikation der Thoraxdrainage kann man natürlich auch überlegen, falls eh eine Intubation und längerfrisitge Beatmung geplant ist (z.B. Rippenserien# bds.) die Drainage erst post-intubationem anzulegen... Methode a) eignet sich aber eigentlich nur bei nüchternen Patienten, auch bei vorsichtiger Dosierung kann nämlich dann schonmal eine Maskenbeatmung nötig werden, zumal wenn man mit Fentanyl oder Sufentanyl kombiniert. Beim Thoraxtrauma lieber gleich d) (wenn die nicht eh schon so ankommen).

Hypnos
05.12.2005, 18:49
Methode a) eignet sich aber eigentlich nur bei nüchternen Patienten, auch bei vorsichtiger Dosierung kann nämlich dann schonmal eine Maskenbeatmung nötig werden, zumal wenn man mit Fentanyl oder Sufentanyl kombiniert. Beim Thoraxtrauma lieber gleich d) (wenn die nicht eh schon so ankommen).

Nach den Empfehlungen der Fachgesellschaften sollte auch Möglichkeit b) sprich Dormicum / Ketanest S nur beim nüchternen Patienten Anwendung finden. Ich habe da mal eine Studie zu Gesicht bekommen, die auch bei obiger Sedierung einen deutlichen Tonus-senkenden Effekt beim unteren Ösophagussphinkter nachgewiesen hatte...

Allerdings tendiere ich (je nach [Notfall-] Situation) auch dazu, darüber bisweilen mal großzügig hinwegzusehen...

Man muß halt nur einfach schneller sein, als der Mageninhalt :-)) [Klasse III-Empfehlung von Hypnos, also NICHT evidence-based] ;-)

Es grüßt,

Hypnos

Evil
05.12.2005, 19:12
Man muß halt nur einfach schneller sein, als der Mageninhalt :-)) [Klasse III-Empfehlung von Hypnos, also NICHT evidence-based] ;-) Stimmt, das sagt auch unser "Abteilungsfuchs", rechtzeitig den Tisch kippen :-D

GOMER
07.12.2005, 16:29
Meine Erfahrung von der Herzchir.-Intensiv: Nahezu alle Pat hatten eine Thoraxdrainage, dazu kam noch das frischverdrahtete Sternunm, also gut Schmerzpotential: Mit Dipi in 1-2mg Schritten waren die Patienten meist schmerzfrei.

Müsste doch bei einer Thoraxdrainagenanlage auch funktioniere, darüber hat Piritramid den Vorteil, daß es selbst auich sedierend wirkt, kann ich mir also großes hin-und-her Gespritze sparen.

Was sagen unsere Gasleut'?

TABA
07.12.2005, 16:40
Man muß halt nur einfach schneller sein, als der Mageninhalt


Wenn wundert es da noch, daß 80 % der anästhesistischen todesfälle vermeidbar wären...

Evil
07.12.2005, 16:56
Wenn wundert es da noch, daß 80 % der anästhesistischen todesfälle vermeidbar wären...
Soso... die Zahl wäre mir neu... Quelle?

@GOMER: Die Anlage einer Thoraxdrainage ist wesentlich schmerzhafter als der postoperativer Wundschmerz nach einer Thorakotomie, mit etwas Dipi kommt man da nicht aus. Abgesehen davon ist Dipidolor auch zu schlecht steuerbar, eh Du Dich versiehst, ist der Patient dann doch ateminsuffizient... und dann kann man auch gleich richtig einleiten.

Evtl würde sich eher noch die Benutzung eines Remifentanyl-Perfusor anbieten (Ultiva), aber damit habe ich keine Erfahrung.

GOMER
07.12.2005, 17:01
@Evil: Danke, aufschlußreich.


Rapifen fällt mir noch ein, wirkt doch auch ultrakurz und wird für Analgosedierungen genommen.

TABA
07.12.2005, 18:04
Ein Anästhesist hat das am wochenende bei uns beim ACLS Kurs erzählt...

beim googeln fand ich:






A first analysis of the data supported findings of other publications, which found that more than 60% of critical incidents in anaesthesiology were avoidable and further more, that human error could be identified in 70-80% of being the leading cause of the error or at least contributing to the development of the error

http://www.medana.unibas.ch/eng/papers/pub1996.htm (http://)

Evil
07.12.2005, 18:22
Da Dein Link bei mir nicht funktioniert, kann ich zu dieser Quelle nix sagen, aber "error" ist ja schonmal etwas weniger fatal als "Todesfall" :-))
Und im Nachhinein kann man menschliche Fehler natürlich leicht als solche identifizieren, fragt sich, ob die auch vorhersehbar sind.

Viel interessanter wäre mal eine Studie, die zeigt, wie viele kritische Fehler durch wachsame Gasleute vermieden werden :-D

Hypnos
07.12.2005, 18:37
Die einzelnen Punkte nochmals kurz andiskutiert:

1) Dipidolor halte ich aus ähnlichen Gründen, wie Evil sie schon genannt hatte, für wenig hilfreich. Letztlich hat Dipidolor eine ca. 0,7 fache analgetische Wirkung von Morphin... Über Morphin hatte ich mich weiter oben dahingehend schon einmal geäußert, daß es für die ANLAGE der Thoraxdrainage sicherlich nicht wirkungsstark genug ist.

2) Ein (für diese Indikation) großer Nachteil aller Opiate ist nun einmal die durch den µ-Rezeptor vermittelte Atemdepression... Ok, ok, wir könnten uns jetzt der Form halber auch noch über partielle Agonisten - Antagonisten wie z.B. Nubain [Nalbuphin] oder Fortral [Pentazocin] unterhalten, dieses halte ich aber auch aufgrund der gringen Wirkstärke (0,3 - 0,7 fache analgetische Potenz von Morphin) für wenig sinnvoll, zumal nur die wenigsten kleineren Häuser diese Analgetika standardmäßig vorrätig haben werden. [Wenngleich die atemdeprimierende Wirkung deutlich geringer ist]

3) Weiterhin wurde Rapifen [Alfentanil] vorgeschlagen...kann man machen...wenn man allerdings schon kurz wirksame Opioide verwenden möchte, muß man sich die Frage gefallen lassen, warum dann nicht Ultiva [Remifentanil] Dazu mehr unter 4)...

4) Sehr schön ist eben auch Ultiva [Remifentanil], mit einer Kontext-sensitiven HWZ von 3-4 min (Rapifen = 10-12 min). Der Abbau bzw. die Inaktivierung erfolgt über nichtspezifische Esterasen unabhängig von der Plasmacholinesterase und unabhängig von Leber/Nierenfunktion. Meines Erachtens ist Ultiva damit DAS ideale Opiat für alle Bereiche, ALLERDINGS muss man sich, insbesondere bei größeren op. Eingriffen Gedanken über die postoperative ausreichende Analgesie machen, da nach 3-4 min eben keine Ultiva-assoziierte Analgesie mehr da ist...Hier werden dann vermutlich [meiner Ansicht nach] in den kommenden Jahren immer mehr die regionalen Anästhesieverfahren zum Tragen kommen...
Aus diesem Grund hatte ich ja auch schon die lokale Blockade der Nn. intercolstales in meinem ersten Beitrag postuliert.
Wir führen die Ultiva-Infusion z.Zt. schon bei kurzen, schmerzhaften Eingriffen durch (Vertebroplastie, Nucleotomie...etc.), allerdings IMMER unter Anwesenheit eines Anästhesisten, der zumindest Facharztstandard hat.

5) Man sollte natürlich trotz allem nicht vergessen, daß alle Diskussionen über die Opiate allein dem Pat. die Situation auch nicht angenehmer machen, höchstens schmerzärmer, meines Erachtens wird man um eine zusätzliche Sedierung / Abschirmung [siehe auch mein erster Beitrag] nicht umhin kommen. Und spätestens dann kommt natürlich auch wieder die Apnoe-Komponente des Hypnotikums ins Spiel...

@TABA: ich habe mit meinen Äußerungen und insbesondere dem -> :-)) am Ende der Äußerung ja schon angedeutet, daß diese Aussage nicht allzu ernst bewertet werden sollte [daher auch Klasse III-Empfehlung von Hynos :-top ]. Allerdings habe ich nach bisher ca. 5-6000 Narkosen diesbezüglich noch keinen Zwischenfall erleben müssen... ;-)

Hope that helps,

Es grüßt,

Hypnos

TABA
10.12.2005, 10:31
Na ich wollte niemanden ans Bein pinkeln oder mich zum moralapostel aufspielen... aber irgendwie hast du die passende steilvorlage gespielt ;-)


auf das niemand von uns den patienten schaden wird :-blush

Michael Baumert
26.02.2015, 21:00
Habe zufällig Eure Diskussion gelesen und bin vor Entsetzen gleich Medi-Learn beigetreten! Natürlich geht das so gut wie schmerzlos, man muss es nur wollen!!! Ich mach das seit 30 Jahren und weiss - es geht. Am besten so: Infiltration des Stichkanals am Oberrand der Rippe mit der dünnst-möglichen Nadel. 5 ml (bei sehr adipösen auch 10 ml) eines beliebigen Lokalanästhetikums (z.B. Prilocain 1% oder Mepivacain 1%). Ihr könnt unter Injektion die Nadel vorschieben, sollten 1 - 2 ml versehentlich intravasal gehen ist das keine Tragik. Wenn Ihr Blut/Pleuraflüssigkeit/Luft aspirieren könnt, seit Ihr schon im Pleuraspalt. Also kurz davor nochmal ein ordentliches Depot setzen, es muss ja nur die Pleura parietalis (die auf den Rippen liegt) betäubt werden, und das geht super gut. Dann wartet einfach mal 1 Minute, das Zeug muss ja auch wirken können. Dabei lasse ich gerne die Nadel (leicht zurückgezogen) liegen, um exakt zu wissen, wo genau der Stichkanal liegt. Man kann das auch prima mit Ultraschall beobachten. Und dann bitte mit Seldingertechnik (Nadel, dadurch Draht, über den Draht die Drainage) arbeiten. Dicken um 20 French = Charrière genügen praktisch immer. Bitte nicht mit Mini-Thorakotomiemethode - das gilt nur da, wo kein CT/kein Ultraschall zur Verfügung steht! Der Patient wird es Euch danken. Und der unbarmherzige Kollege gehört wegen Körperverletzung verklagt! So darf man nicht handeln! Dipidolor oder andere Opiate sindt bei weitem nicht so effektiv wie eine gescheite Lokalanästhesie. Das gilt übrigens auch verlgeichbar für eine ZVK-Anlage!
Michael