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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Was zum Nachdenken!



Cuff
03.01.2006, 23:30
Neulich um 8:12 während der Vorlesung haben wir über folgendes Thema sinniert:

Wenn eine Person, die unter dissoziativer Identitätsstörung ("multiple Persönlichkeit") leidet, sich umbringt - ist dies dann Mord oder Selbstmord?

Ist ziemlich knifflig und ich hab schon diveres gute Gründe für das eine oder das andere gehört. Was denkt ihr???

*wart* :-music

Hades
03.01.2006, 23:43
Selbstmord zum Zeitpunkt der Tat bringt derjenige ja die Persönlichkeit um die er selber ist.

Letztlich is es eh egal, glaube nicht dass die ne Leiche einsperren würden :-))

Cuff
04.01.2006, 00:00
Selbstmord zum Zeitpunkt der Tat bringt derjenige ja die Persönlichkeit um die er selber ist.

So einfach ist es nicht. Technisch mag das ja stimmen, aber das hier ist schließlich eine fast schon philosophische Frage.

Hades
04.01.2006, 00:12
:-)) Klar kann man fragen wen er denn umbringen wollte, sich oder die andere Persönlichkeit.
Aber ich bleibe dabei, es ist egal was er tun wollte er brachte sich selbst um, weil er zum Tatzeitpunkt sowohl das Opfer als auch der Täter war :P

Ich hab diese Art von Phiosophie nie gemocht, die alles verkomplizieren musste und in seltsame Worte fasste, so dass am Ende keiner mehr recht wusste was die Aussage war (gutes Beispiel is da Heidegger).

Mati
04.01.2006, 10:36
Ist ja eigentlich auch egal, bestrafen kannst du die Person eh nicht mehr :-D

Pünktchen
04.01.2006, 10:53
Hat jemand den Film "Identität" gesehen? Ich will nicht soviel verraten, aber im Grunde geht es um eine ähnliche Frage. Nämlich die Auslöschung der Persönlichkeit, die einen Mord begangen hat. Sehr zu empfehlen!

Ich denke, wenn es ist Selbstmord, das die zweite Persönlichkeit auch mit zu Tode kommt, ist ja im Grunde "keine Absicht". Wenn die Persönlichkeiten sich nicht kennen. Tun sie das doch, dann könnte man Mord unterstellen, aber aufgrund eines Selbstmordes, denn schliesslich müssen beide Persönlichkeiten sterben und das ist der "mordenden" Persönlichkeit bewusst.

PS Ich bin jetzt immer vom realen Sterben der Person ausgegangen! Vielleicht kann man wie in dem Film, die Persönlichkeiten auch "ermordenen" so das nur noch eine Persönlichkeit den Körper beherrscht! (ich hab kaum Ahnung von Psychiatrie!)

Evil
04.01.2006, 13:54
Da muß man gar nicht so ein kompliziertes Beispiel aus der Psychatrie bemühen, neulich kam ein Unfallopfer in die Notaufnahme, wo ein PKW-Fahrer in suizidaler Absicht einen schweren Unfall gebaut hat, in den auch andere verwickelt wurden. Glücklicherweise ist das ganze glimpflich ausgegangen.

Ich persönlich glaube aber nicht, daß bei einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung vollkommen unterschiedliche Charaktere in ein und demselben Menschen stecken, zumindest kenne ich kein Beispiel dafür.... von Dr Jekyll und Mr Hyde mal abgesehen ;-)

little_lunatic
04.01.2006, 14:57
Kenne einen Fall wo ein Multiple als 2 personen auch 2 jobs hatte.
Kommt imho auch immer drauf an ob es mps, persönlichkeitsstörung, persönlichkeitsspaltung oder schizophrenie ist was meistens grob in einen topf geworfen wird und vor allem welche Absicht dahinter steht.
Rein rechtlich gesehen bleibt es Selbstmord.
Bei vielen mps gibt es meist 2 oder mehrere voneinander unterscheidbare Perönlichkeiten in einer Person mit individuellen Verhaltensmustern und Erinnerungen und in vielen Fällen wissen diese auch nichts voneinander. (-> persönlichkeitsspaltung) wenn eine persönlichkeit weiß, dass die andere im gleichen körper existiert und diese Umbringen will käm´s dann auch wieder darauf an ob dem "Täter" bewusst ist, dass er sich damit selbst umbringt. Wäre dann von der Psyche her Mord UND Selbstmord. Vielleicht ist es aber auch der Leidensdruck der eine von den Persönlichkeiten zum Selbstmord führt ohne dass sie von anderen Persönlichkeiten weiß. Gibt auch sicher Fälle in denen von der Psyche her eine Persönlichkeit abischtlich "getötet" wird - aber eben auf psychischer und nicht physischer Ebene. Wären jetzt mal mein Senf dazu.

Kann da auch ein gutes Buch zum Thema empfehlen: Truddi Chase - Aufschrei. Erfahrungsbericht von jemandem mit über 90 verschiedenen Persönlichkeiten. :-lesen

surfsmurf
04.01.2006, 15:08
Ich versteh das ganze Problem und somit auch die Frage nicht (mal davon abgesehen, dass mir die Frage eher unter der Rubrik "Scherzfrage" bekannt war): Beim Selbstmord geht es doch nicht um die "Persönlichkeit", welche umgebracht wird, sondern um die Person im physischen Sinne. Und jeder Mensch hat nunmal nur EINE Physis. Also klar: Nur Selbstmord. Welche philosophischen Überlegungen kann man da noch anstellen?

:-meinung

Cuff
04.01.2006, 16:45
Beim Selbstmord geht es doch nicht um die "Persönlichkeit", welche umgebracht wird, sondern um die Person im physischen Sinne. Und jeder Mensch hat nunmal nur EINE Physis. Also klar: Nur Selbstmord.

Ich weiß nicht. Das is ja eben das Problem: Mal angenommen die eine Persönlichkeit weiß von der anderen (was durchaus der Fall sein kann) und trägt sich mit der Absicht diese umzubringen, dann ist es KLAR Mord, wenn sie's tut. Zumindest auf dieser Ebene. Körperlich ist es NATÜRLICH Selbstmord.

Dabei stellt sich aber die Frage welche Seite vom bio-psycho-sozialen Modell einem wichtiger ist, bzw ob man eher die eine oder die andere Ebene bemüht.

Ich denke es ist eine Frage des Standpunktes...

Neely
04.01.2006, 16:52
Die Frage ist auch, ob diese Person imm juristischen Sinne als eine oder zwei Personen gelten würde, wie es also das Recht sehen würde. Wolltest du darauf hinaus? Oder geht es eher um eine Art abstrakte Schuldfrage?

Man sollte vielleicht die Perspektive wechseln und die "Person", die manisch und rücksichtslos reagiert, als Krankheit, nicht als Person bezeichnen. Bringt nun diese Krankheit, also Person, diesen einen Körper um, so wäre das ein Tod durch Krankheit. Letztlich ist diese Person ja eine Krankheit, da ihr keine vollen Rechte im Sinne einer Person zukommen. Eine volle Person braucht Geist und Körper, sprich Existenz entsteht dadurch, dass einen andere als existent wahrnehmen. Zwei unterschiedliche Dinge sind nur unterschiedlich, wenn sie als unterschiedlich wahrgenommen werden, da unabhängig von der Wahrnehmung keine objektiv verifizierbaren Wahrheiten (sprich Personen oder Entitäten) "existieren". Dies ist der idealistische Ansatz.

Der materialistische Ansatz würde besagen, dass eben diese "kranke" Persönlichkeitshälfte keinen eigenen Stoffwechsel und keine Manifestation als Existenz besitzen, also nur eine "Erfindung" dieses Geistes sind, der krank ist, diesem entspringen. Somit ist alles ein und dieselbe Materie, die selbe Architektur, also auch ein und dieselbe Person. Beide nutzen die gleichen Synapsen, gleichen Zellen und gleichen Moleküle. Also handelt es sich in diesem Fall um Suizid.

Idealistisch gesehen ist es also Tod durch Krankheit, materialistisch gesehen Suizid.

Zumindest bin ich durch Argumentation zu keinem anderen Ergebnis gekommen.


Und in einer Hinsicht spielt es sehr wohl eine Rolle ob es Suizid war: Wie soll sonst entschieden werden ob er in den Himmel kommt oder in der Hölle schmort...wäre cool wenn wir das hier entscheiden könnten...das wolltest du doch, oder ;-)

yzBastian
04.01.2006, 17:09
Die Frage ist spannend. Gebe ich zu. Habe angeregt die Beiträge hier im Thread verfolgt.

Meine These: Es gibt letztlich keine eindeutige Lösung. Als Mediziner würden wir vielleicht dazu tendieren, zu sagen, es sei unter Umständen Mord gewesen. Ein Jurist ist dagegen vielleicht nüchterner und unterstellt den Selbstmord, der ja meiner Meinung nach auch einen Stratatbestand in Deutschland darstellt. Makaber ist es ja schon irgendwie. ;-)

surfsmurf
05.01.2006, 11:24
Ich finde, die Diskussion dreht sich insofern im Kreis, als dass die Gesprächsgrundlage gar nicht geklärt ist. Zunächst: Geht es um rechtliche oder moralische Schuld? Rechtlich ist die Sache, denke ich, ganz klar Selbstmord.


Mal angenommen die eine Persönlichkeit weiß von der anderen (was durchaus der Fall sein kann) und trägt sich mit der Absicht diese umzubringen, dann ist es KLAR Mord, wenn sie's tut.
Mord ist eine sehr klar definierte Sache, die an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist, die über "ich habe jemanden umgebracht" weit hinausgehen. Sprich: Nicht jeder, der jemanden umbringt, ist Mörder. Nur zur kurzen Klarstellung.


Letztlich ist diese Person ja eine Krankheit, da ihr keine vollen Rechte im Sinne einer Person zukommen.
Mal davon abgesehen, dass meiner Meinung nach Personen NIE Krankheiten sind (schon rein sprachlich nicht, auch nicht im philosophischen Sinne) würde mich mal interessieren, was deiner Meinung nach jemandem "Personenrechte" verleiht oder aberkennt?


Zwei unterschiedliche Dinge sind nur unterschiedlich, wenn sie als unterschiedlich wahrgenommen werden, da unabhängig von der Wahrnehmung keine objektiv verifizierbaren Wahrheiten (sprich Personen oder Entitäten) "existieren"
Sorry, kann ich so nicht unterschreiben. Aber da bewegen wir uns auf zwei völlig verschiedenen Philosophiebewegungen, die zu diskussieren hier vielleicht den Rahmen sprengen würde. "Was ist wahr?" wäre hier die Frage. Wichtig ist mir nur, dass oben geäußertes Zitat von dir eben kein Faktum, sondern strittig ist.

Nur als kurzes Beispiel: Zwei Blätter werden unter dem Mikroskop beschaut und werden als exakt gleich wahrgenommen, sind also nach deiner Definiton gleich. Zwanzig Jahre später werden sie unter einem neuen, viel besseren Mikroskop beschaut und werden als ungleich erkannt. Es sind immer noch dieselben Blätter, sind aber jetzt ungleich. Waren sie jetzt von Anfang an ungleich oder sind sie erst später durch die verbesserte Wahrnehmung ungleich geworden?

Um wieder zum Fall zurückzukommen: Moralisch hängt die Sache davon ab, ob jemand anderes geschädigt wurde als nur der Umgebrachte. Geht man der Einfachheit halber mal davon aus, dass Selbstmord moralisch unproblematisch ist, so ist die eigentlich interessante Frage doch: Handelt es sich um ein oder um zwei handelnde Wesen?

Die Vertreter der letzteren These begründen dies ja bislang so, dass die fragliche Person zwei Persönlichkeiten, zwei verschiedene Formen von Bewußtsein besitzt. Aber Persönlichkeitsanzahl ist nunmal nicht gleich Personenanzahl. Und "Bewußtseinsanzahl" ist auch nicht gleich Personenanzahl. Beispiel: Eine Person, die ihr Bewußtsein verliert, wird dadurch ja nicht zu einer "Unperson".

Also, ich bleibe dabei, rechtlich und moralisch "nur" Selbstmord. By the way, Selbstmord oder der Versuch ist in Deutschland (anders als z.B. in Spanien) nicht strafbar, nur um dieses Gerücht mal klarzustellen.

Neely
06.01.2006, 14:52
Mal davon abgesehen, dass meiner Meinung nach Personen NIE Krankheiten sind (schon rein sprachlich nicht, auch nicht im philosophischen Sinne) würde mich mal interessieren, was deiner Meinung nach jemandem "Personenrechte" verleiht oder aberkennt?


Sorry, kann ich so nicht unterschreiben. Aber da bewegen wir uns auf zwei völlig verschiedenen Philosophiebewegungen, die zu diskussieren hier vielleicht den Rahmen sprengen würde. "Was ist wahr?" wäre hier die Frage. Wichtig ist mir nur, dass oben geäußertes Zitat von dir eben kein Faktum, sondern strittig ist.

Nur als kurzes Beispiel: Zwei Blätter werden unter dem Mikroskop beschaut und werden als exakt gleich wahrgenommen, sind also nach deiner Definiton gleich. Zwanzig Jahre später werden sie unter einem neuen, viel besseren Mikroskop beschaut und werden als ungleich erkannt. Es sind immer noch dieselben Blätter, sind aber jetzt ungleich. Waren sie jetzt von Anfang an ungleich oder sind sie erst später durch die verbesserte Wahrnehmung ungleich geworden?

Um wieder zum Fall zurückzukommen: Moralisch hängt die Sache davon ab, ob jemand anderes geschädigt wurde als nur der Umgebrachte. Geht man der Einfachheit halber mal davon aus, dass Selbstmord moralisch unproblematisch ist, so ist die eigentlich interessante Frage doch: Handelt es sich um ein oder um zwei handelnde Wesen?

Die Vertreter der letzteren These begründen dies ja bislang so, dass die fragliche Person zwei Persönlichkeiten, zwei verschiedene Formen von Bewußtsein besitzt. Aber Persönlichkeitsanzahl ist nunmal nicht gleich Personenanzahl. Und "Bewußtseinsanzahl" ist auch nicht gleich Personenanzahl. Beispiel: Eine Person, die ihr Bewußtsein verliert, wird dadurch ja nicht zu einer "Unperson".

Also, ich bleibe dabei, rechtlich und moralisch "nur" Selbstmord. By the way, Selbstmord oder der Versuch ist in Deutschland (anders als z.B. in Spanien) nicht strafbar, nur um dieses Gerücht mal klarzustellen.

Eine Person ist keine Krankheit, wohl aber eine Persönlichkeit. Ich halte es für falsch, die manische Seite, sprich "Personenhälfte", eben nicht als eigene Person zu sehen, sondern die von Krankheit verzerrte ursprüngliche Person, nämlich die, die zuerst da war. Somit wäre dies Selbstmord im Affekt, da die "verdeckte" Person nicht eine andere Person, sondern nur sie selbst im krankhaften Zustand ist, die nun eben Suizid begeht, aus Krankheit, sprich Affekt.

Was eine Person letztlich als Person qualifiziert ist schwierig eindeutig zu bestimmen, aber ich kann sagen, dass eine Person nur das ist, was "ursprünglich" vorhanden war, sprich schon immer seit der Körper, in dem sie sich manifestiert, eine Existenz hatte. Bei der manischen Hälfte kann man das nicht sagen, sie kam erst im Laufe der Zeit durch ein Trauma hinzu, sprich etwas, das "aufgeprägt" wurde, nicht etwas, das schon ursprünglich eine Berechtigung hatte. Man ist auch immer seine Vergangenheit, nicht die Gegenwart, und die manische Hälfte hatte nicht schon seit Geburt diese Gegenwart, also auch keine vollständige Vergangenheit. Insofern ist sie keine eigenständige Person.

Zur Wahrnehmung: Stell dir vor, es handle sich nicht nur um irgendwelche Blätter, sondern die Frage, ob es sich um ein Original oder eine Fälschung einer wichtigen Art von Dokument handle. Oder nimm Geld, sprich ein Vergleich zweier Scheine, ob denn ein unbekannter Schein echt oder gefälscht ist. Wird er aufgrund mangelnder Technik als echt identifiziert, obwohl das nicht stimmt, so kann sich dadurch der Lauf der Dinge ändern. Stell dir vor, es handle sich um sehr viel Geld oder mehrere Scheine, mit denen ein Land ein Territorium eines anderen aufkauft, also friedlich erwirbt, anstatt dass es einen Krieg dafür braucht (beispielsweise der Kauf von Louisiana durch Jefferson vom napoleonischen Frankreich, also eine friedliche Übergabe, die sonst im Krieg gemündet wäre). So wurde dieser verhindert und der Lauf der Geschichte durch einen Irrtum verändert. Aber letztlich hat der Irrtum die Realität GESCHAFFEN, die Geschichte hat sich so verhalten, als ob er wirklich echt gewesen wäre, dadurch erhält seine Echtheit Form und Realität. WIr schaffen uns unsere Realität selbst aus unseren Möglichkeiten, nicht verwirklichte Möglichkeiten zählen nicht, sie haben keine Realität. Oder glaubst du etwa an Paralleluniversen, die alle diese unsere Realität in vielen Facetten widerspiegeln? Wohl eher nicht...

Aber wir sind uns doch ohnehin einig, es handelt sich sowohl juristisch als auch moralisch um ein und dieselbe Person.

surfsmurf
06.01.2006, 16:27
Gut, dann sind wir uns einig. Ob man es nun Suizid oder Tod durch Krankheit nennt, ist im wesentlich egal. Man kann sich sicherlich auch darauf einigen, dass Suizid zu einem gewissen Grade "Tod durch Krankheit" ist.

Noch ganz kurz zur Wahrnehmungsdiskussion:


Aber letztlich hat der Irrtum die Realität GESCHAFFEN, die Geschichte hat sich so verhalten, als ob er wirklich echt gewesen wäre, dadurch erhält seine Echtheit Form und Realität. Dass durch Irrtümer Realitäten geschaffen werden, ist mir klar. Aber dann ist der Irrtum doch immer noch ein Irrtum, dann ist falsch immer noch falsch, oder nicht? Das Falschgeld ist immer noch Falschgeld, egal was wer zu welchem Preis mit welchen Konsequenzen gekauft hat. Die Konsequenzen ändern nie die Tatsachen, oder?