PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Spiegel Online: Das transparente Krankenhaus? Von BQS und Fehlermanagement



funkytyreese
17.01.2006, 12:29
Hallo,

ich hab gerade nen ziemlich interessanten Artikel bei Spiegel online gefunden, in dem es darum geht, dass Kliniken künftig ihre Erfolgs- und Misserfolgsrate bei Operationen publizieren sollen, damit potentielle Patienten genau wissen, in wessen Hände sie sich begeben. Außerdem sollen in eine solche Veröffentlichung (BQS) Daten darüber, in wie fern Behandlungs- und Operationspraxis dem Standard oder dem neusten Forschungsstand entsprechen, eingehen.

Der Bericht ist ziemlich eindimensional, dennoch aufschlussreich. Mich würde mal interessieren, was ihr dazu denkt.
Hier der Link (http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,395279,00.html)

LG,
Funky

flavour
17.01.2006, 14:48
An sich wären solche Daten ja wirklich sinnvoll für die Wahl eines Krankenhauses. Finde die zitierten Begründungen im Text "Manche Krankenhäuse würden ja dann keine Patienten mehr kriegen" auch etwas ungünstig formuliert.

Andererseits: wenn die Daten öffentlich werden und somit der Druck steigt, werden dann nicht eher Fehler vertuscht, also z.B. gar nicht gemeldet?

Giant0777
17.01.2006, 17:07
Also grundsätzlich finde ich die Idee so schlecht nicht.

Ich finde es nur schwierig eine Statistik zu entwickeln, die auch wirklich den Unterschied herausstellen kann. Gestorben, weil a. ) Arzt schuld oder
b. ) wäre so oder so gestorben. Diese Differenzierung finde ich doch schon schwierig, denn sonst kann ja jeder frei interpretieren und es kann zu großen, aber völlig unbegründeten Verunsicherungen kommen.

Ich denke mal, dass die Mundpropaganda hier schon ein ganz hilfreiches Instrument ist, grade in dünner besiedelten Gegenden. Und der überweisende Facharzt muss sich halt auch kundig machen. Wenn man hierbei ernsthaft ist, dann sollte es im Sinne des Patienten sein.

Alles läßt sich eh´ nicht in Zahlen und Werten erfassen

Gruß, Giant.

Kackbratze
17.01.2006, 19:34
Wenn ein Chirurg seine Appendix-OPS verbockt und damit eine höhere Komplikationsrate hat, ABER parallel ein Gott ist, was das Colon-CA betrifft, wird seine Statistik trotzdem sosehr in Mitleidenschaft gezogen, dass keiner mehr seinen Bauch bei ihm hinhalten wird.
Dadurch verliert das KH seine Fallzahlen und wird dadruch auch schlechter eingestuft.

Medizin ist keine Marktwirtschaft, sondern Handwerk.
Da arbeiten Menschen und nicht Maschinen. Und diese Menschen arbeiten mit Menschen, die zwar auf dem OP Tisch versterben können, aber nicht umbedingt am Operateur.

Ich finde es aber gut, dass die Politik gezielt das Vertrauen in das medizinische System untergräbt, damit am Ende kosten gespart werden, indem Menschen sozial-verträglich früh sterben, weil ja (fast) alle Ärzte Pfuscher oder Geldhaie sind. *achtung satire*

Evil
17.01.2006, 19:59
Außerdem muß man immer auch die Klientel mit einbeziehen.

Das Krankenhaus der Maximalversorgung, das auch schwierigste Fälle operiert, wird sicherlich eine schlechtere Statistik aufweisen als die Kurklinik in Pumuckldorf, wo nur unkomplizierte Blindwürmer operiert und alle schweren Fälle abgegeben werden.

Wie soll das statistisch herausgenommen werden?

ehec
17.01.2006, 20:05
da soll doch keine prozentzahl am ende rauskommen, auf die man dann das ganze krankenhaus oder die ganze abteilung reduzieren soll. mir persoenlich wuerd es die entscheidung schon erleichtern, wenn ich zwischen krankenhaus a mit 4% post-op-wundinfektion und krankenhaus b mit 9% wi waehlen sollte... wenn man nicht immer das schlimmste, naemlich den eigenen tod annimmt, sondern sowas wie eben wundinfektionen oder lockerungen von endoprothesen hernimmt, dann geben solche zahlen schon eine ziemlich gute vergleichsmoeglichkeit, oder?



ehec.

Werwolf
17.01.2006, 20:35
Außerdem muß man immer auch die Klientel mit einbeziehen.

Das Krankenhaus der Maximalversorgung, das auch schwierigste Fälle operiert, wird sicherlich eine schlechtere Statistik aufweisen als die Kurklinik in Pumuckldorf, wo nur unkomplizierte Blindwürmer operiert und alle schweren Fälle abgegeben werden.

Wie soll das statistisch herausgenommen werden?

Stimmt genau.
Und davon abgesehen gilt immer noch " trau keiner Statistik, die Du nicht selber gefälscht hast".

Kackbratze
17.01.2006, 20:48
hmm, und was ist mit den 9% postoperativen Infektionen die mit Staph aureus sind, der nicht-resistent ist und der 4% Klinik wo das alles multiresistente Pseudomonaden sind?

Willst du das auch aus der Statistik auslesen?

funkytyreese
17.01.2006, 21:01
An sich wären solche Daten ja wirklich sinnvoll für die Wahl eines Krankenhauses. Finde die zitierten Begründungen im Text "Manche Krankenhäuse würden ja dann keine Patienten mehr kriegen" auch etwas ungünstig formuliert.

Andererseits: wenn die Daten öffentlich werden und somit der Druck steigt, werden dann nicht eher Fehler vertuscht, also z.B. gar nicht gemeldet?

Ja, das war ja im Artikel auch genannt worden. Wenn zu wenig Fehler passieren, dann werden die Qualitätsprüfer misstrauisch und statten Hausbesuche ab...Allerdings korrelierte in jenem Fall die gemeldete Prozentzahl mit der, die sich durch Krankenakteneinsicht ergab.

Ich finde es ebenfalls schwierig, entsprechende Daten zu erheben, die Verzerrung der Ergebnisse wäre viel zu hoch, als dass es sich überhaupt lohnen würde (eben so Sachen, wie ein oder zwei Todesfälle unter den Tisch fallen zu lassen oder eben das Verhältnis von Krankenhäusern mit Maximalversorgung zu kleinen Häusern, mit Chirurgie und Innerer oder so).

Vor allem ist es aber so, dass Todesfälle im OP automatisch bedeuten, dass der operierende Arzt ein schlechter ist. Ich finde das zu kurz gegriffen.
Klar, ich hab im Pflegepraktikum auch einen Fall erlebt, bei dem ein Arzt ein Medikament mit Inhaltsstoffen, gegen die der Patient allergisch war, verabreicht hat. Da hab ich mir auch gedacht, dass sowas echt nicht sein darf. Auf der anderen Seite konnte man ihm keinen Vorwurf machen, weil der arme Kerl einfach zu lange am Stück arbeiten musste - klar, dass da sowas passiert. Das finde ich eigentlich am Schlimmsten: Bei den Arbeitsbedingungen Topleistungen und gute Statistiken zu erwarten ist, geht einfach nicht. Dieses vermeintliche Minimax-Prinzip funktioniert auch in der Marktwirtschaft nicht. Das haben nur die Entscheidungsträger noch nicht begriffen (Darum bitte alle an der Unterschriftenaktion der BVMD (http://www.medi-learn.de/medizinstudium/foren/showthread.php?t=26425) mitmachen!)

Sincerely,
Funky

duncan_idaho
17.01.2006, 21:23
Die Diskussion über die Qualität von Operationen brauche "einen geschützten Raum", das Verfahren der Qualitätssicherung sei zu sensibel, um es schon jetzt offenzulegen, und "zu differenziert, um es in einer Zahl begreiflich zu machen".

ich glaub das ist das einzig richtige, qualitätssicherung auf jeden fall, aber ohne fehler in der öffentlichkeit breitzutreten. man stelle sich die titelseiten in der bildzeitung vor...