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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fall 01/2006 - neurochirurgisch-internistischer Fall



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Sorpresa
28.02.2006, 14:58
so, dann werd ich auch mal versuchen, einen fall hier vorzustellen :-)

eine patientin kommt in eure neurochirurgische klinik mit kribbelparästhesien in der linken hand, hängendem augenlid sowie hängendem mundwinkel linksseitig.

wie geht ihr vor?

Lava
28.02.2006, 16:20
Juhu! Was Neurochirurgisches :-)

Dann narkotisieren wir die Patientin mal und schneiden ihr die Birne auf :-D

Nee nee, erstmal befragen wir sie natürlich weiter...

Wann sind ihr denn die Veränderungen denn aufgefallen? Kamen sie langsam oder plötzlich? Hatte sie sowas schonmal? Wo genau kribbelt es denn (genau die Finger und Flächen zeigen lassen)? Ist das immer oder nur manchmal (nachts?)? Hatte sie auch schonmal Schmerzen in der Gegend oder dem Arm, Nacken, Rücken?

Dann wüsste ich noch gern, ob sie irgendwelche Vorerkrankungen hat, z.B. irgendwas onkologisches? Nimmt sie Medikamente? Rauchen? Alkohol?

test
28.02.2006, 16:43
Wie alt ist sie denn, wie ist ihr Allgemeinzustand.
Hat sie Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Probleme mit dem Hören oder Sehen?
Fieber?
Kardiologische Vorerkrankungen insbesondere Rhythmusstörungen (Vorhofflimmern).
Wie siehts mit der Leberfunktion aus?
Wie siehts aus mit Thrombosen? Schon gehabt? Neigung dazu?

Schon OPs gehabt?
Familienanamnese: Schlaganfälle, Hirnblutungen, Kardial, Thrombose
Sozialanamnese: Beruf, Lebensumstande, Alkohol, Nikotin, Drogen
Medikamente
Allergien: Medikamente, Iod, Desinfektionsmittel?

Sorpresa
28.02.2006, 18:02
ok, dann mal los.

sie ist 64 jahre alt.
sie sagt die veränderungen hätte sie früh bemerkt, woraufhin sie zum hausarzt gegangen sei, auch auf drängen ihrer tochter. hätte das aber eigentlich gar nicht so ernst genommen.

das kribbeln sei in der ganzen hand. sie kann es nicht genauer lokalisieren. sie hatte sowas noch nie, sonst keine schmerzen. sie raucht nicht und trinkt keinen alkohol. allergien sind ihr auch keine bekannt. über die leber kann sie nichts sagen, kein schwindel, kein erbrechen, kein fieber. hören ist unauffällig, zum sehen braucht sie ne lesebrille.

allgemeinzustand: gut, nicht über oder untergewichtig. etwas ruhig und abweisend. sie ist verwitwet und braucht in letzter zeit vermehrt die hilfe der tochter im alltag.

vorerkrankungen: seit einiger zeit bekannter diabetes mellitus II (insulingeführt).
außer dem insulin keine medikamente. auch bekannt ein uterus myomatosus, eher als zufallsbefund.

sie hatte sonst auch keine nennenswerten vorerkrankungen, appendektomie als jugendliche, tonsillektomie als kind, die üblichen kinderkrankheiten.
keine thrombosen in der eigenanamnese, in der familie nichts auffälliges außer dem diabetes mell.II, der wohl auch bei der mutter bestand.

Gwendoline
28.02.2006, 18:43
Mich würd von der Anamnese noch interessieren, ob die Symptome der Hand gleichzeitig mit den Veränderungen im Gesicht auftraten, oder später/vorher.

Dann die körperliche Untersuchung: erstmal neurologisch: die 12 Hirnnerven prüfen (v.a. N.Facialis), Reflexe, Muskeltonus und Kraftgrad, Sensibilität (mit Dermatome) mit Vergleich zur anderen Körperseite...dann internistisch (Lunge, Herz, Abdomen, Gefäßstatus).

test
28.02.2006, 18:49
bitte auch nystagmus testen.

Sorpresa
01.03.2006, 19:53
oki, weiter:

also die symptome traten gleichzeitig auf.

Pat. wach, orientiert, nur begrenzt kooperativ.
motorik: 5/5 kraftgrad alle zu prüfenden muskeln, keine pathologischen reflexe, keine pyramidenbahnzeichen, muskulatur normoton.
sensibilität: immernoch kribbeln in der linken hand. keine spezielle dermatomzuordnung möglich. rechte hand ohne parästhesien. leichte sensibilitätsminderung beider füße ab dem knöchel abwärts. gangbild und koordinationsprüfungen unauffällig. blasen- und mastdarmfunktion intakt.

hirnnerven: sehen und hören bis auf presbyopie o.b., leicht hängender mundwinkel links. facialisprüfungen zeigen auf der unteren linken gesichtshälfte eine funktionsminderung, stirn voll funktionstätig.
ptosis links ohne visuseinschränkung. pupillen isokor, prompte reaktion auf licht und konvergenz, augenmotilität intakt, kein nystagmus.
sonstige hirnnervenfunktionen soweit zu prüfen intakt.

orientierend internistische untersuchung:
herz und lunge auskultatorisch unauffällig. abdomen: weich, kein druckschmerz, leber bis etwa handbreit (eine frauenhand *gg*) unterhalb des rippenbogens tastbar. unklare nicht dolente, glatte raumforderung li. oberbauch.
weiterhin fällt eine struma diffusa auf, die in unserer gegend aber nichts ungewöhnliches darstellt. guter az und ez, nicht adipös.
sonst internistisch unauffällig.

wie solls weitergehn? wo ist der defekt vermutlich lokalisiert?
(nur in etwa :-)) )

Evil
01.03.2006, 20:02
Überweisung in eine Stroke-Unit... :-))

Sorpresa
01.03.2006, 20:10
keine stroke unit im umkreis von 100 km
:-))

Bille11
01.03.2006, 20:40
lp - ak?? eiweiss, glc?
bb

test
01.03.2006, 23:29
Gut.
Wir haben also eine ZENTRALE Fazialisparese und brachiale Parästhesien links. Und Sensibilitätsminderungen an beiden Füßen (die ich erstmal eher einer PNP zuordnen würde, am ehesten durch Diabetes).
Damit würde ich sagen muss die Läsion oberhalb der Kreuzung des Tractus corticonuclearis liegen entweder in der Capsula interna oder Cortexbereich (falls dort, im Mediastrombereich) bzw. bei Hämorrhagie läge die Raumforderung ungefähr in der Mitte des prä und postzentralen Gyrus an. Arm und Gesicht sind dort ja direkt nebeneinander repräsentiert. Vielleicht etwas schräg, dass das mit den selektiven motorischen und sensiblen Störungen hinkommt ;-).
Kommen also zwei Möglichkeiten in Frage. Ischämisches oder Hämorrhagisches Geschehen, würde dann erstmal ein CT Schädel durchführen, dort müßte eine Blutung zu sehen sein. Eine Ischämie wird sich bei dem kurzen Intervall wohl nicht darstellen, dann müßte ein MRT folgen.

Lässt sich die Raumforderung im linken Oberbauch irgendeinem Organ zuordnen? eher in der Tiefe oder oberflächlich?
Wie groß ist die Leber denn, wenn man die Grenzen oben und unten perkutorisch bestimmt?
Abdomen sono sollte doch auch schnell gehen, um kurz Leber und Raumforderung anzugucken. 1. Priorität hat aber erstmal das Schädel CT.

Evil
02.03.2006, 16:25
Lässt sich die Raumforderung im linken Oberbauch irgendeinem Organ zuordnen? eher in der Tiefe oder oberflächlich?
Könnte eine Splenomegalie sein, das sollte sich durch das Sono klären lassen. In dem Fall behalten wir mal ein entzündiches Geschehen als Ursache der Neurologie im Hinterkopf, falls CCT und CMRT nichts ergeben.

Sorpresa
02.03.2006, 17:12
Vielleicht etwas schräg, dass das mit den selektiven motorischen und sensiblen Störungen hinkommt ;-).


/kurz offtopic:
der fall ist real so gewesen.

antworten gibts nachher :-)

test
02.03.2006, 18:23
/kurz offtopic:
der fall ist real so gewesen.

antworten gibts nachher :-)

das schräge bezog sich nicht auf den Fall, sondsern auf die Läsion, die, falls sie´verantwortlich ist, von außen auf den cortex drückt.

Gwendoline
02.03.2006, 18:27
das schräge bezog sich nicht auf den Fall, sondsern auf die Läsion, die, falls sie´verantwortlich ist, von außen auf den cortex drückt.

Ich bewundere Deine Vorstellungskraft!
:-lesen

Sorpresa
02.03.2006, 19:00
also hier nun ein paar ergebnisse eurer angeforderten untersuchungen:

erste priorität: das CCT: aus irgendeinem grund hat man zuerst das MRT des Schädels angefertigt, eigentlich macht man wirklich erst ein CCT.
es zeigt:
- eine zerebrale raumforderung rechter cortex parietal mit meningealer verdickung frontoparietal. erfahrene radiologen befunden es als meningeom. maximaler durchmesser 3 cm.

die liquorpunktion ohne pathologischen befund.
BB: Hb: 7,4
HK: 0,355
Erys: 4,15
Leukos: 14,8
Thrombos: 75
MCV: 85,5
MCH: 20,8
MCHC: 1,783

alles SI-Einheiten. *gg*

die raumforderung im linken oberbauch ist in die tiefe nicht abgrenzbar. sie reicht bis etwa 1 cm unter den rippenbogen wenn man von ventral tastet.
sie ist hart, aber gegen umliegendes gewebe gut verschieblich. die leber ist perkutorisch deutlich vergrößert. ich bitte den chirurgen, der glücklicherweise gleich nebenan sitzt um ein schnelles oberbauch sono, da man da schonmal 2-3 tage wartet bei regulärer anmeldung. er schafft es morgen. :-)

was die sensibilität der füße angeht schließen wir uns einfach mal der meinung von test an und sehen dies im rahmen einer diabetischen pnp, da die BZ-werte stark schwanken.

was schlagt ihr vor, wie soll es nun weitergehen?

@test: du machst mir angst :-))

Bille11
02.03.2006, 19:34
noch mehr blut:
grosses/weisses bb
gerinnung/transaminasen
ak auf ... (da denk ich noch drüber nach)

Tombow
02.03.2006, 19:40
Das neurochirurgische scheint mehr oder weniger klar zu sein, die Raumforderung hat man. Allerdings:

Irgendwie vermisse ich eine vollständige Befundung des MRT (also alle Sequenzen - T1, T2, FLAIR) mit detailierter Beschreibung der Raumforderung. Andere verdächtige Befunde intrakraniell?

Zu dem Fall: Was die meningeale Raumforderung betrifft, könnte ein Meningeom sein, mehr Klarheit könnte eine OP/Biopsie schaffen. Test stimme ich zu, die Beschwerden an den Füßen rühren am ehesten von einer diabetischen PNP her.

-Tiefensensibilität der Arme und Beine (hat jemand ne neurologische Stimmgabel griffbereit?)
-MEP, SEP, NLG (zur Diagnosesicherung Polyneuropathie und/oder wenn man). VEP könnte man machen, muß aber nicht sein.

Damit dürfte das neurologische vom Tisch sein. Das internistische ist aber weitaus interessanter. Hypochrome, normozytäre Anämie, eine stark ausgeprägte Thrombopenie und eine Leukozytose, dazu noch Hepato(spleno)megalie. Verdächtig auf was hämatologisches. Von den Befunden her könnte es (paßt auch zum Alter) eine CLL sein, aber auch andere Differentialdiagnosen wie Plasmozytom, Myelodisplastisches Syndrom oder seltenere hämatologischen Tumore wären möglich. Also, die Arbeitsliste für demnächst:

-Gezielte Anamnese nach B-Symptomatik, Blutungsneigung, Knochenschmerzen, Infektanfälligkeit oder stärkerer Gewichtsverlust/allgemeine Mattigkeit in letzter Zeit.

-Medikamenten/Umwelt/Berufsanamnese gezielt nach Substanzen, die eine Knochenmarkschädigung und/oder Lympome verursachen können.

-Labor: Eiweiss-Elpho und E-Lyte würden mich besonders interessieren, dazu natürlich die Leberwerte, Retentionswerte und Gerinnung.
-U-Status

-Großes Blutbild, ggf. morphologische Differenzierung

-Röntgen-Thorax

-(eventuell) CT-Thorax

BZ-TP und internistisches Konsil zwecks besserer DM-Einstellung sowieso, oder wir machen es alleine

Soviel von mir. :-))

test
02.03.2006, 19:49
Die Raumforderung passt denke ich genau zu den neurologischen Ausfällen, nur der plötzliche Beginn passt nich so gut zu einem langsam wachsenden Tumor. Aber vielleicht hats die Patientin einfach nicht bemerkt und es sind ja auch nich alle Fälle, wie es das Lehrbuch will.
Vielleicht hat ja auch eine Verschlechterung der Blutversorgung sozusagen zur Exarzerbation der neurologischen Symptomatik geführt.
Das Meningeom sollte wohl neurochirurgisch entfernt werden. Allerdings würde ich den Eingriff zumindest erstmal herausschieben bis sie internistisch aufgearbeitet und geeignet für eine OP ist. Der HB ist dafür ja etwas niedrig.

Wir sollten mal fragen, ob sie einen Hausarzt hat und versuchen von dort ein Vor Labor zu kriegen. Der HB ist ja schon sehr niedrig und wir sollten auf jeden Fall eine Anämie Diagnostik durchführen. FÜhlt sie sich denn in letzter Zeit schlapper oder kurzatmiger als sonst?
Hat sie schon mal eine Coloskopie im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung bekommen? Ansonsten ist jetzt auf jeden Fall schon mal die Indikation gestellt (sie ist über 50, dazu noch unklare Anämie), zum Ausschluß einer chronischen Blutungsquelle im Darm.
MCV ist zwart nicht massiv erniedrigt, würde aber trotzdem mal nach Eisenmangel fahnden. Ferritin, Transferrin und Eisen im Serum bestimmen.
Wie ist es mit der gynäkologischen Anamnese? Blutungsquelle? Ist sie in regelmäßiger Behandlung?
Magenprobleme sind nicht bekannt?

test
02.03.2006, 19:56
CLL ist ne sehr gute Idee von Tom ;-)
Ich hätte gern noch Hämolyse Paramater.
LDH
Haptoglobin
dann noch:
Retikulozyten
Krea
Harnstoff
CRP
TSH
HbA1C

(weiß nich, ob nich teiel davon schon angefordert wurden, sonst isses halt doppelt ;-) )