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FataMorgana
12.03.2006, 15:52
Danke Alex, genau um die Aussage bzgl des Morphins ging es mir. Das ist kein "Sterbemittel", sondern, wie ich zu erläutern versucht habe, ein hochpotentes Medikament mit sehr gutem Nutzen und relativ geringen Nebenwirkungen, wenn es richtig zum Einsatz kommt.

Im Prinzip ist das völlig richtig. Komischerweise wird Morphin in deutschen Krankenhäusern ziemlich "selektiv" eingesetzt für bestimmte Indikationen. Vielleicht gerade eben deswegen, weil es den "Hauch eines Todbringers" hat. Zur postoperativen Schmerztherapie etc. werden meist andere Opioide verwendet. Die wesentlichen Indikationen, in denen ich bisher Morphingaben gesehen habe, waren Tumorschmerztherapie, Sterbebegleitung, schwerer Myokardinfarkt und therapierefraktäre Dyspnoe. Also überwiegend Erkrankungen mit ungünstiger Prognose. Warum das so ist, weiß ich nicht genau, das oben gesagte ist nur Spekulation.

Gichin_Funakoshi
12.03.2006, 16:30
Verzeiht mir, wenn ich mich als Nichtmediziner hier zu Wort melde. Aber habe ich richtig verstanden, dass manche hier Morphium mit Sterbehilfe gleichsetzen? Könnte mir jemand diesen Gedankengang erläutern?
Danke

Evil
12.03.2006, 17:38
Im Prinzip ist das völlig richtig. Komischerweise wird Morphin in deutschen Krankenhäusern ziemlich "selektiv" eingesetzt für bestimmte Indikationen. Vielleicht gerade eben deswegen, weil es den "Hauch eines Todbringers" hat. Zur postoperativen Schmerztherapie etc. werden meist andere Opioide verwendet. Die wesentlichen Indikationen, in denen ich bisher Morphingaben gesehen habe, waren Tumorschmerztherapie, Sterbebegleitung, schwerer Myokardinfarkt und therapierefraktäre Dyspnoe. Also überwiegend Erkrankungen mit ungünstiger Prognose. Warum das so ist, weiß ich nicht genau, das oben gesagte ist nur Spekulation.
Soweit ich weiß sind Nebenwirkungen wie Übelkeit und Obstipation bei anderen Opiaten wie Piritramid (Dipidolor) schwächer ausgeprägt, was ja gerade nach Darm-OPs (wenn denn keine PDA möglich ist) wichtig ist.

Ansonsten hast Du recht, am Preis kann es auch nicht liegen, Morphin dürfte das billigste sein.

ehemalige Userin 24092013
12.03.2006, 17:41
Verzeiht mir, wenn ich mich als Nichtmediziner hier zu Wort melde. Aber habe ich richtig verstanden, dass manche hier Morphium mit Sterbehilfe gleichsetzen? Könnte mir jemand diesen Gedankengang erläutern?
Danke



Nicht Sterbehilfe in dem Sinne....
Morphin wird einfach bei Patienten eingesetzt, die im Sterben liegen oder die sterben dürfen ( durch Therapieabbruch).....und das auch nur, um evtl. Schmerzen zu verhindern und den Sterbeproßess n bissle zu dämpfen.
Kein Mensch gibt einem Patienten Morphin in Dosen, die grad als Sterbehilfe dienen könnten.

alex1
12.03.2006, 17:52
Soweit ich weiß sind Nebenwirkungen wie Übelkeit und Obstipation bei anderen Opiaten wie Piritramid (Dipidolor) schwächer ausgeprägt, was ja gerade nach Darm-OPs (wenn denn keine PDA möglich ist) wichtig ist.
Ansonsten hast Du recht, am Preis kann es auch nicht liegen, Morphin dürfte das billigste sein.
Um ehrlich zu sein, reicht oft das gute Dipi nicht um eine adäquate Schmerztherapie durchzuführen. Wie schon gesagt ich habe oft Patienten gesehen die bis zu 8x/d mit Dipi s.c. behandelt wurden und trotzdem Schmerzen hatten. Ein Pflaster oder ein Morphin Perfusor haben dann den Schmerz durchbrochen.

Evil
12.03.2006, 18:05
Stimmt, Morphin wirkt bis zum Schluß... warum auch immer... aber bislang bin ich mit maximal 15mg Dipi als Kurzinfusion zurechtgekommen.
Ich selber habe aber auch noch keine Schmerztherapie bei chronisch Schmerzkranken gemacht.

BL4
12.03.2006, 18:25
Ich muss sagen, ich finde es sehr gut, wie hier einige Leute über Mo denken, hab zwar nur meine mini-mini-mini-erfahrung aus dem krankenhaus und aus der schule, aber ich würde es auch so machen. Meine lehrer sagen auch immer, dass mo eines der besten schmerzmittel ist. Und ein satz von meinem lehrer hat sich ganz fest in mein gehirn gebrannt: Es ist unmoralisch, menschen mit ihren schmerzen leben zu lassen. :-)

bl4

DoktorW
12.03.2006, 18:31
Irgendwie verdreht mir Alex1 die Worte im Mund...

Ich habe von 10 mg iv geredet, was einen Atemstillstand provozieren kann. Desweiteren habe ich nirgends gesagt, dass nur Oberärzte die Morphingabe anordnen!! :-(

@Evil und Seb: Wenn die Therapie eingestellt wird, dann verschlechtert sich meist der Patient. Dann folgt die Morphingabe, damit der Patient nicht leidet. Das meinte ich damit.

Lava
12.03.2006, 18:54
Mit anderen Worten: dir ist nicht ganz wohl dabei, wenn bei einem Patienten von kurativer Absicht auf palliative umgeschwenkt, er quasi "aufgegeben" wird. Habe ich das jetzt richtig verstanden?

Dieser Gedankengang ist für jemanden mit noch nicht sooo großer klinischer Erfahrung mehr als verständlich, genauso wie der von Fire geschilderte Fall, dass man nicht verstehen kann, was manchen Patienten noch zugemutet wird.

Meine eigene Erfahrung bisher ist, dass man sich fast nie sicher sein kann, was aus einem Patienten wird. Wunder gibt es immer wieder. Ich habe auch schon mit Menschen gesprochen, denen vor 3 Jahren prophezeit wurde, sie hätten nur noch wenige Stunden zu leben. Und trotzdem haben sie die Chemo geschafft und es hat ihr weitere 3 Jahre Leben ermöglicht. Wenn man also mit einem Patienten mitleidet und der Meinung ist, man dürfe ihm dies und das nicht mehr zumuten, so ist das eher die eigene, persönliche Meinung. Ich denke man tut dann das richtige, wenn man mit dem Patienten selbst über die Situation gesprochen und er die Entscheidung getroffen hat. Ist natürlich der Idealfall und der wird oft genug nicht vorhanden sein.

Gichin_Funakoshi
12.03.2006, 18:55
Kein Mensch gibt einem Patienten Morphin in Dosen, die grad als Sterbehilfe dienen könnten.
So viel ich weiß kommt das gar nicht so selten vor... Habe jedenfalls schon von solchen Fällen gehört.

eatpigsbarf
12.03.2006, 18:58
So viel ich weiß kommt das gar nicht so selten vor... Habe jedenfalls schon von solchen Fällen gehört.

Wenn man einem Menschen extra hohe Morphindosen gibt, die ihn ins Jenseits befoerden, ist das illegal und man kriegt ein Gerichtsverfahren (siehe z.B. immermal wieder Pfleger, die das tun - war doch grad letztes Jahr so ein Skandal, der grosses Interesse der Presse hervorgerufen hat).
Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland nicht erlaubt.

Gichin_Funakoshi
12.03.2006, 19:05
Sicherlich ist das verboten, aber trotzdem ist es in der Realität zumindest nicht ungewöhnlich. Denn soviel ich weiß, kann es schonmal ab einer gewissen Dosis zum Tod kommen. Wenn der Arzt also einfach ein bisschen mehr gibt und es noch in einem bestimmten Toleranzbereich liegt, wird man dem Arzt sehr schwer etwas nachweisen können, oder irre ich mich?

ehemalige Userin 24092013
12.03.2006, 19:07
Ich glaub, Du schaust zu viel Krimis.
Der Patient bekommt so viel Morphin, wie er braucht, und klinisch entspannt (NICHT TOD) wirkt.
Ich gebe das Morphin ja auch net so dosiert, weil ich will, dass der patient um 15 Uhr oder um 21.47 stirbt.
Banal ausgedrückt.

Gichin_Funakoshi
12.03.2006, 19:08
Nein, bei meinem Opa wurde es vor vielen Jahren so gehandhabt!

DoktorW
12.03.2006, 19:09
Danke Janine, für die Übersetzung meiner Wortfindungsstörungen in einen verständlichen Satz. :-blush

Werwolf
12.03.2006, 19:36
Sicherlich ist das verboten, aber trotzdem ist es in der Realität zumindest nicht ungewöhnlich. Denn soviel ich weiß, kann es schonmal ab einer gewissen Dosis zum Tod kommen. Wenn der Arzt also einfach ein bisschen mehr gibt und es noch in einem bestimmten Toleranzbereich liegt, wird man dem Arzt sehr schwer etwas nachweisen können, oder irre ich mich?

Ich glaube auch, daß Du zu viele Krimis schaust.
Sterbehilfe ist hierzulande glücklicherweise verboten. Demzufolge ist auch das Verabreichen letaler Dosen von Morphin illegal. Und woher, wenn nicht aus Krimis, nimmst Du die Weisheit, daß das "in der Realität nicht ungewöhnlich" ist?

Zu behaupten, ich hätte langjährige Erfahrung, wäre Unsinn. Aber ein bißchen Erfahrung habe ich schon. Ich bin seit gut einem Jahr ärztlich tätig und war vorher vom Abi bis zur Approbation in der Geriatrie beschäftigt. Deswegen habe ich schon relativ viele Patienten sterben sehen. Und keiner einziger davon hat den Weg ins Jenseits durch eine Überdosis M angetreten.
Das zu "meiner" Realität...

Lava
12.03.2006, 19:41
Nein, bei meinem Opa wurde es vor vielen Jahren so gehandhabt!

Und das hat dir der Arzt persönlich gestanden?

Giant0777
12.03.2006, 20:28
Back to topic:
Am Donnerstag hat sich nach kurzer Bekanntschaft ein lieber alter Herr von unserer Erde verabschiedet.
Ich hatte nach mehrfachem Lesen des Buches "house of god" diesen Patienten zum Parade-Gomer gekürt. Es hat aber auch perfekt gepasst. Insofern habe ich mir auch keine Gedanken gemacht, dass er in meiner Anwesenheit, bzw. bei uns im Kh stirbt.
Trotz der Arbeit, die uns dieser Mann machte ( und das ist nicht bös´ gemeint ), ist er mir in dieser kurzer Zeit sehr ans Herzen gewachsen.
Nun ist er verstorben. Es ist ja nicht so, dass er gelitten hätte, er hat mit seinen 92 Jahren auch viele seines Jahrganges überlegt und wenn ich an seiner Stelle wäre, wäre ich insgesamt zufrieden. Grade in anbetracht der ganzen anderen "jüngeren" Schicksale bei uns

Und trotzdem hat es mich schwer getroffen. Ich denke, dass man diese Tiefs ab und an haben darf und muss. Darf, damit man nicht vergisst, das Trauer zum Leben gehört und muss, damit man sich auch mal der kleinen Dinge im Leben wieder erfreut.

Ich kann airmaria echt verstehen.

Zur der Diskussion, die ja Richtung Sterbehilfe geht nur soviel - wo man helfen kann, Leid zu lindern, soll man es tun. Wozu sind denn Ärzte sonst da???

Sterbehilfe :-dagegen

Kerstin18
12.03.2006, 21:22
Hallo Leute,
ihr disskuttiert hier ganz eifrig, nur hat das nun nichts mehr mit dem eigentlichen Thread zu tun...

@airmaria
Als Studentin habe ich die Situation, die Du beschreibst noch nie erlebt. Ich weiß nicht, wie ich später als Ärztin reagieren würde. Aber ich denke, sicher ganz ähnlich wie Du.

Als Angehörige kenne ich diese Situation. Deine Geschichte erinnert mich sehr daran wie mein Opa vor 8 Jahren gestorben ist. Er war 91, multimorbide, dann Schenkelhalsfraktur und OP. Er ist während der OP gestorben. Es war ein merkwürdiger Tag. Ich wusste, dass er operiert wird und irgendwie wusste ich, dass er's nicht schaffen würde. Manchmal hat man wohl solche Vorahnungen. Wie auch immer.
Natürlich ist es immer schlimm einen geliebten Menschen zu verlieren, aber auf der anderen Seite wusste ich und alle in der Familie, dass es für ihn eine Erlösung war - ganz genau so wie die Angehörigen Deines Patienten. Wir alle wussten, dass er nicht leiden musste, wochenlanges bettlägrig sein wurden ihm erspart. Und wir wussten, dass er mit seinen 91 Jahren sein Leben gelebt hatte. Das machte es erträglich Abschied zu nehmen.
Bei meiner Oma war es ganz anders. Sie war mehrere Wochen bettlägrig, reagierte nicht mehr. Ob sie gemerkt hat, dass wir da waren, ich weiß es nicht. Es tat verdammt weh zu sehen, wie sie so da lag, die Frau, die sonst immer für alle da war, für alle gerannt ist, ihr Leben lang gearbeitet hat und aktiv war. Auch für sie war es eine Erlösung als sie starb, aber mit einem viel schlimmeren Weg dahin.


Klar, es ist sicher ein beschissenes Gefühl, wenn Dir ein Patient auf diese Weise verstirbt wie bei Dir. Aber Du und kein anderer können was dafür. Deinem Patienten wurde aber eine noch längere Leidenszeit erspart. Ich weiß, gerade als Arzt ist es nicht leicht, einen Menschen zu verlieren. Es ist wie eine Art Niederlage. Sich eingestehen zu müssen, dass man halt doch nur Mensch ist und es der Lauf der Dinge ist. Sterben gehört zum Leben dazu. Das wichtigste ist aber finde ich, wie weiter oben schonmal einer sagte, Mensch zu bleiben...und daher ist es ganz normal, dass Du über die Situation nachdenkst. Im Gegenteil, es wäre schlimm, wenn Du's nicht tun würdest.

Viele Grüße und Kopf hoch,
Kerstin

surfsmurf
12.03.2006, 21:26
Ein paar kurze Worte zu airmaria: Ich denke jeder, der mit Medizin zu tun hat, kennt das quälende Gefühl der Hilflosigkeit dem Tod gegenüber. Aber, wie es schon mal im Thread hieß, der Tod ist nicht unser Feind, sondern Teil des Lebens. Dir, airmaria, wünsche ich Kraft für die nächsten Tage.

Aber doch noch ein paar Worte zur Debatte hier:
Demzufolge ist auch das Verabreichen letaler Dosen von Morphin illegal.
Sorry, das ist inkorrekt. Es geht bei der rechtlichen Diskussion um die Sterbehilfe um die Gesinnung, um die Intention des Arztes. Kurz vorweg: Aktive Sterbehilfe ist in D (zum Glück) verboten, aber sowohl indirekte als auch passive Sterbehilfe sind erlaubt. Indirekte Sterbehilfe bedeutet: Einsatz von Medikamenten zur Linderung von Beschwerden, die als Nebenwirkung die Lebensdauer verkürzen.

Also, kurz gesagt: Wenn ich Morphium gebe, um den Patienten schmerzfrei zu bekommen = legal. Gleiche Dosis Morphium, um den Patienten umzubringen = illegal. Diese Unterscheidung ist zurecht in der Kritik, weil sie voraussetzt, dass man zweifelsfrei die Intention des Arztes feststellt; das wird man nur sehr schwerlich können. Aber so ist momentan die rechtliche Situation in Deutschland. Nachzulesen z.B. hier (http://de.wikipedia.org/wiki/Sterbehilfe) oder hier:
Nach heute vorherrschender Auffassung ist die Inkaufnahme des tödlichen Risikos bei der Vergabe von schmerzlindernden Mitteln nicht strafbar, da der Arzt in erster Linie eine Schmerzlinderung herbeiführen will und ein tödliches Risiko nicht beabsichtigt

Und nur ein paar Fakten bezüglich der Morphiumdebatte. D ist weit hinten, was den Morphiumverbrauch pro Kopf angeht:
Morphin-Verbrauch für 2002 in kg pro 1 Million Einwohner:
16,7 in Brasilien
17,9 in Israel
22,2 in Deutschland
26,0 in Luxemburg
31,6 in Polen
42,4 in der Schweiz
67,8 in Kanada
70,2 in Italien
75,5 in Australien
86,0 in Frankreich
90,9 in Schweden
92,3 in Dänemark
116,3 in Portugal
137,9 in Japan
152,5 in Österreich
158,0 in den Niederlande
212,5 in Spanien
291,2 in Südafrika
315,0 in Belgien
353,5 in Großbritannien
411,2 in den USA
577,0 in Ungarn
Quelle (http://home.tiscali.de/sterbehilfe/75GMK-Bericht.htm)

Nichtsdestotrotz: Ich kann die Vorbehalte einiger hier sehr gut nachvollziehen. Umso wichtiger ist, dass man sich VORHER, möglichst im Studium, schon mal Gedanken zu solchen Themen macht.

gruß, surfsmurf