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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Operation geglückt, Patient tot



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airmaria
11.03.2006, 00:38
Tja, weiss nicht, wieviele es schon erlebt haben... wahrscheinlich hier im Forum noch nicht allzuviele:

84jähriger Patient, metastasiertes Prostata-CA, mediale SHF vor 2 Wochen, liegt auf der Inneren Abteilung, orthopädisches Konsil gestern, Entscheidung zur OP baldmöglichst, denn wenn, dann rasch, sonst kommt er sowieso nicht mehr auf die Beine.
Man plant die Hüfttotalprothese, bei vorbestehender Coxarthrose, er soll die restlichen möglicherweise noch verbleibenden Monate zumindestens diesbezüglich schmerzfrei leben.
Am gleichen Nachmittag Operation, es soll zügig gehen, möglichst wenig Blutverlust... man ist dabei, man ist Operateur, schliesslich ist es ja schon die 20. Hüfte und man weiss, wie es laufen soll.
Die Operation beginnt, es läuft alles nach Plan, zügig, konzentriert, wenig Blutverlust. Die Pfanne sitzt, der Schaft ist geraspelt, Probeschaft und Kopf, Reposition... plötzlich gibt der Anästhesist zu verstehen: Moment bitte, kurze Pause, der Patient hat ein Kreislaufproblem! Ein wenig später: Asystolie, könntet Ihr vielleicht die Herzdruckmassgae übernehmen (die Seite is ja steril abgedeckt)?! Du denkst nicht lange nach, du fängst an zu drücken, der Anästhesist ruft: schneller... du spürst, wie eine nach der anderen Rippen nachgibt... Du weisst, die Chance ist schlecht.
Du weisst auch, nach ein paar Minuten: es ist wahrscheinlich besser, wenn er nicht zurückkommt. Nach 10min, in Anbetracht der Gesamtsituation, einigt man sich, die Versuche einzustellen. Der Verstand sagt: es ist gut, es ist das Richtige... er sagt auch: für ihn war es das Beste.
Du baust die Probeprothese aus, nähst die Haut in Erinnerung an die alte Pathovorführung mit dem groben Faden fortlaufend zusammen und denkst nur: irgendwas ist anders, es ist das gleiche Bein wie vorher, es sieht genauso aus, es fühlt sich genauso an... und doch auch wieder nicht.
Du telefonierst mit den Angehörigen und hörst dich sagen: es ging dann plötzlich sehr schnell, wahrscheinlich Lungenembolie... sie sind gar erleichtert, zufrieden, es fällt das Wort "Erlösung", es kommt gar eine Art Dankbarkeit herüber...

Aber was bleibt? Er ist tot... "auf dem Tisch geblieben"!

"Mary" airmaria

Propriorezeptor
11.03.2006, 09:06
Hallo Airmaria.

Das tut mir leid. Wie oft sagt man flapsig diesen Spruch, und wie oft spielt man mögliche Horrorszenarien im kopf durch.Immer und immer wieder und wenn dann was passiert, kommt es eh ganz anders als geplant.

Und genau das ist das problem. Man kann Medizin nicht planen, man kann nur nach bestem Wissen und Gewissen zum Wohle des Menschen handeln und hoffen, dass es gut geht.
Du hast Dir nichts vorzuwerfen und mal ehrlich, in seiner Situation konnte ihm nichts Besseres passieren.
Als Krankenschwester weiss ich, dass man diesen Spruch in Deiner Situation nicht hören will, aber andererseits weiss ich nicht, was ich Dir sagen soll.

Mir ist mal morgens beim Waschen ein Mensch ähnlich dramatisch verstorben, da ich die erste am Bett war, fing ich mit Herzdruckmassage an und auch ihm sind Rippen gebrochen ( ekliges Gefühl, aber wem erzähl ich das??)
Er verstab trotz unermüdlichem Kampf zweier Anästhesisten und zwei Krankenschwestern.
Warum ich Dir das erzähle, die Position ist ne andere, aber das Gefüh das Gleiche.
Klar war ich nicht schuld und auch für ihn wars besser so, aber ich habe mich diie nächsten Wochen immer wieder gefragt, was zum Kuckuck habe ich falsch gemacht. Und musste leider feststellen: gar nichts.
Manche Sachen, muss man leider als gegeben hinnehmen und damit leben und mal ehrlich, es geht immer weiter und irgendwann denkt man mal kurz dran und gut ist.

Ich hoffe, Du lässt Dich davon nicht einschüchtern. Denk an die Operationen, die geglückt sind und die die Menschen überlebt haben.
Das war ein einzel Schicksal und wies scheint wirklich das Beste. Wenn er nicht auf dem Tisch gestorben wäre dann wahrscheinlich auf Station und mit mehr Quälerei.
Ausserdem beweist die Reaktion der Angehörigen, dass sie mit dem Tod gerechnet haben.( was die Situation auch nicht verbessert, ich weiss)
So, nun reichts. Du bist erlöst und musst nicht weiter lesen. Ich werde mich nun wieder meinen Prüfungsvorbereitungen widmen.

Freu ;-) ;-)

DoktorW
11.03.2006, 09:18
Ich hatte gestern ein ähnliches Erlebnis. Allerdings glücklicherweise mit einem besseren Ausgang. Spinalanästhesie, eine urolog. OP und dann plötzlich die Asystolie.
Glücklicherweise ist alles gut gegangen, der Patient ist nicht auf dem Tisch geblieben. Aber das war schon ein dämliches Gefühl...

Die Frage, wann es denn vorbei sein darf, stellt man sich häufiger, als man vorher so gedacht hat. Ich tu mich aber schwer damit, Morphin s.c. anzuordnen, wenn Leute kurz vor dem Tod stehen. :-nix

Wichtig ist nur, dass man nicht abstumpft dabei!! Mensch bleiben...

Gruß in die Schweiz

ehemalige Userin 24092013
11.03.2006, 09:23
Ich tu mich aber schwer damit, Morphin s.c. anzuordnen, wenn Leute kurz vor dem Tod stehen. :-nix





Wieso eigentlich?

DoktorW
11.03.2006, 09:35
Weil damit eigentlich die Entscheidung gefallen ist, das Leben eines Patienten zu beenden.
Dass es der Erleichterung des Sterbevorganges dient, ist mir klar. Nur dass ich so eine Entscheidung treffe, fällt mir schwer...

Evil
11.03.2006, 09:36
Ich tu mich aber schwer damit, Morphin s.c. anzuordnen, wenn Leute kurz vor dem Tod stehen.
Verstehe ich auch nicht ganz, gerade wenn die Patienten "gehen", darf das meiner Ansicht nach schmerzfrei sein.
:-meinung

@ Mary: Mir ist bislang erst eine Patientin nach Narkose verstorben, und wie es aussieht, ohne daß ich da hätte etwas ändern können (hochgradige Aortenklappenstenose, während der OP alles o.k., aber kurz danach Infarkt geschossen, auf Intensiv gegangen und 1 Tag später hat die Pumpe dann völig versagt).

Trotzdem hat man ein Gefühl der... naja, Unzulänglichkeit...

...andererseits vielleicht ganz gut, wenn man an seine Grenzen erinnert wird...

DoktorW
11.03.2006, 09:39
Nochmal, damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich bin sehr wohl dafür, dass Patienten, die im Sterben liegen das auch erleichtert wird. Das ist keine Frage.
Nur die Entscheidung des Zeitpunktes, es zu geben, das ist das "Todesurteil". Und diesen Zeitpunkt möchte ich nicht bestimmen.

Evil
11.03.2006, 09:45
Tut man glaube ich damit nicht. Ich hab zwar noch nicht so viel klinische Erfahrung, aber nach meiner Beobachtung (und das wurde mir auch schon von mehreren Oberärzten bestätigt) setzt die Atemdepression bei Morphin oder anderen Opiaten erst dann ein, wenn der Patient wirklich schmerzfrei ist.

Von daher beschleunigst Du mit vorsichtig titrierter Gabe eigentlich kaum etwas. Außerdem denke ich manchmal, daß wir uns Illusionen darüber machen, wieviel wir tatsächlich beeinflussen können... manchmal ist es irgendwie doch Schicksal...

Aber Du hast recht, ein mulmiges Gefühl habe ich dabei auch immer :-nix

DoktorW
11.03.2006, 09:49
Also was ich bisher erlebt habe (und das ist noch nicht viel), da war es eigentlich schon so, dass wenn Mo gegeben wurde, der Tod nicht allzulange auf sich warten ließ.

Aber das weicht jetzt ja auch ein wenig vom ursprünglichen Thema ab...

FataMorgana
11.03.2006, 09:50
Ich denke, die Gabe von Mo. in solchen Situationen ist eben nicht das Todesurteil, sondern nur der Indikator für den Zeitpunkt, an dem man sich selbst eingestehen konnte, dass der Patient nun sterben wird und dass dies nicht mehr zu verhindern ist.

Für mich waren solche Situationen insofern sehr lehrreich, dass man dadurch Bescheidenheit üben konnte. Nicht die Ärzte sind die Herren über Leben und Tod. Sicher, man kann an der einen oder anderen Schraube drehen. Manchmal kann man auch im Einzelfall sehr viel bewirken, einem Patienten das Leben retten. Den Lauf der Dinge aber - altern, erkranken, sterben - kann man weder dauerhaft aufhalten noch rückgängig machen.

Sebastian1
11.03.2006, 10:09
Wäh...sorry, wennn ich mich in eine Diskussion zwischen fertigen Ärzten einmische, aber Morphium ist ein hocpotentes Schmerzmittel (ach?), welches durchaus auch zum Einsatz kommen darf ohne dass der Patient präfinal ist. Ich verstehe die Angst vor dem Einsatz einfach nicht und beobachte in der Klinik leider viel zu oft, wie lange gezögert wird das Zeug zu geben, wo es dringend indiziert wäre.
10 mg iv oder sc beim Lungenödem mit Orthopnoe nehmen dem Patienten zum Beispiel sehr viel Angst, und zwar ohne ihn umzubringen. Und wenn wirklich mal jemand mit einer manifesten Atemdepression reagieren sollte gibt es immer noch Naloxon oder einen Tubus.

Führt aber von Marys Thema weg - das Ursprungsposting wollte ich damit nicht angegriffen haben, im Gegenteil, ich glaub gern, dass die Situation bedrückend war...

Werwolf
11.03.2006, 10:48
Ich hatte kurz vor Weihnachten auch so einen Fall:
82jähriger Patient, schwerste Herzinsuffizienz, COPD, etc.- kurzum- das internistische Polytrauma. Der Mann hatte eine basocervicale Fraktur bei vorbestehender Coxarthrose. Nach diversen internistischen, anästhesiologischen und chirurgischen Vorbereitungen und intensiven Gesprächen mit dem Patienten hieß es dann: OK, bei Coxarthrose wäre eigentlich eine TEP indiziert, aber wir machen lieber den "kleinstmöglichen" Eingriff, nämlich eine DHS.
Die OP ging dann eigentlich auch ganz reibungslos. Als ich dann bei der Hautnaht war, wurde es hinter dem Tuch aber plötzlich unruhig, und ich war kurz abgelenkt und wollte wissen, was da gerade passiert. Mein OA meine aber sofort, ich solle mich auf meinen Kram konzentrieren. Das tat ich dann auch und beendete die Naht so zügig es eben ging.
Inzwischen war der Patient kreislaufdepressiv und katecholaminpflichtig geworden, und man war gerade dabei, ihm einen ZVK zu verpassen. Der OA der Anästhesisten war inzwischen auch eingetroffen und kümmerte sich um den Mann. Mein OA sagte mir, ich solle doch die OP verschlüsseln und den OP-Bericht diktieren, im anderen Saal ginge es gleich weiter. Also marschierte ich los, verschlüsselte, diktierte, fragte auf dem Rückweg, wo denn der Patioent von vorhin sei und erhielt die Antwort: "auf ITS". Daraufhin ging ich einigermaßen beruhigt in die nächste OP.
Der Patient war aber noch auf dem Weg zur ITS verstorben, was ich allerdings erst nach der nächsten OP erfuhr.
Hinterher habe ich dann so langsam begriffen, daß mein OA mir wohl das Erlebnis "Dein Patient ist auf dem Tisch geblieben" zwar nicht ersparen, aber doch zumindest etwas schonender und erst nach Abschluß meiner weiteren OPs beibringen wollte. Das war vielleicht auch ganz gut so. Ich habe mich bei der nächsten OP ausschließlich auf meine Arbeit konzentriert. Als ich dann hinterher erfuhr, daß er verstorben war, hat mich das gedanklich schon ganz schön beschäftigt. Sicher war der Mann multimorbide und hatte ein verdammt hohes OP-Risiko. Die OP-Indikation war auch OK, mit der Fraktur hätte er starke Schmerzen gehabt, wäre bettlägerig gewesen und hätte diese Situation wahrscheinlich auch nicht überlebt. Aber dennoch bleibt ein ungutes Gefühl.

DoktorW
11.03.2006, 10:55
Wenn es definitiv ist, dass der Patient kurz vor dem Tod steht, dann ist das auch kein Problem. Da sollte man mit Mo nicht zögern.

Wenn aber die Entscheidung "einfach so" getroffen wird, mit der Begründung, da könne man nichts mehr machen, obwohl sehr wohl noch Therapie möglich wäre, dann finde ich, dass man mit 10 mg Mo jemanden auch "umbringt"!

@Seb: Wenn ich 10 mg iv gebe, und dann noch einen Tubus reinstecken muss, dann ist das keine Sterbeerleichterung mehr, sondern Lebensverlängerung! Und vielleicht wirst Du auch noch irgendwann in die Situation kommen, dass Du derjenige bist, der das Mo anordnet. Dann bist Du auch derjenige mit der Angst ;-)

Feuerblick
11.03.2006, 10:57
Hmmm, Mary, dass es sich bei sowas um ein seltsames Gefühl handelt, ist unbestreitbar. Allerdings hat es den guten Mann wahrscheinlich vor Schlimmerem bewahrt. Insofern hat ER Glück gehabt...

Ich habe leider am WE meine Patientin "wiederbekommen", die auf Visite plötzlich meinte, die Atmung einstellen zu müssen. Leider, weil ein eigentlich unbeteiligter Kollege entschieden hat, dass wir weiterreanimieren (ich konnte mich ja schlecht auf die Patientin werfen, damit er nicht weiterdrücken kann) und leider, weil wir den Zeitpunkt ihres Todes damit nur verschoben haben (gleiche Episode bereits zweimal gehabt).

Was die Anordnung von Mo angeht: Ich verstehe den Riesen-Respekt ehrlich gesagt auch nicht wirklich. Gerade wenn ich einen Patienten mit infauster Prognose habe, sollte ich alles tun, damit er so wenig Schmerzen wie möglich erleidet. Umbringen oder den Zeitpunkt seines Todes indirekt bestimmen werde ich damit noch lange nicht. Ich soll ihm das Mo ja nicht in einer Dosis verpassen, die ihn garantiert umbringt.
Was mich an der heutigen Medizin wirklich fertig macht ist, dass man anscheinend als Arzt den Tod eines schwerstkranken Patienten als eigene Niederlage sieht und nicht als Erlösung für den Patienten (Mary, du bist nicht gemeint, es geht allgemein um Dinge, die ich in den letzten Tagen mitansehen musste). Alles, was man tun KANN, wird getan...obs dem Patienten nutzt oder nicht, ist einfach egal. Da sollen Patienten im beginnenden Multiorganversagen durchs CT gefahren werden, um eine Pfortaderthrombose zu verifizieren... Kann man solche Menschen nicht einfach in Würde gehen lassen indem man ihnen die Schmerzen nimmt und es ihnen so leicht wie möglich macht? Muss man solche Patienten auf Teufel komm raus wirklich nochmal auf den Tisch legen und fast schon Leichenschändung betreiben? Und hier meine ich nicht eine TEP bei einem Pat., der voraussichtlich noch Zeit genug hat, um diese noch auszuprobieren...

Funkel, die in der letzten Woche viel Klarheit gewonnen hat, was ihren Beruf angeht

Feuerblick
11.03.2006, 11:00
Wenn aber die Entscheidung "einfach so" getroffen wird, mit der Begründung, da könne man nichts mehr machen, obwohl sehr wohl noch Therapie möglich wäre, dann finde ich, dass man mit 10 mg Mo jemanden auch "umbringt"!

"Einfach so" begrenzt man keine Therapie. Aber was willst du denn machen? Die 80 jährige mit metastasiertem Ca noch zehn Stunden für "TU-Debulking" auf den Tisch legen, sie noch einige Monate mit Chemo quälen, damit sie vielleicht noch ein halbes Jahr lebt? Da bin ich persönlich, in Absprache mit Patient und Angehörigen, eindeutig für adäquate Schmerztherapie und dafür, dem Patienten nicht mehr Quälerei zuzumuten, als unbedingt notwendig ist. "Therapie möglich" ist sehr häufig weit entfernt von "Therapie sinnvoll".

Funkel

Sebastian1
11.03.2006, 11:01
@W: Erstens habe ich noch NIE gesehen, dass jemand aufgrund von 10 mg iv intubationspflichtig geworden wäre, das mit dem Tubus war eher ein "und WENN es dann doch mal passieren sollte...", zum zweiten wollte ich ja gerade eine Lanze fürs Mo brechen, da das eben ein klasse Medikament ist, was man nicht erst Sterbenden geben sollte. Und mir ist schon klar, dass es was anderes ist wenn der eigene Name als anordnender Arzt in der Kurve stehen muss. Ich weiss nicht woher diese Mentalität "Morphium nur präfinal" kommt, die ich leider sehr oft beobachtet habe.

Gwendoline
11.03.2006, 11:08
Mein OA sagte mir, ich solle doch die OP verschlüsseln und den OP-Bericht diktieren

Das führt zu der perversen Frage, ob das Krankenhaus nur Geld für erfolgreich beendete OPs bekommt. "Komm, halt noch ein bisschen durch, die Nummer nehmen wir noch mit für die Krankenkasse" :-oopss

ehemalige Userin 24092013
11.03.2006, 11:18
Ich denke, es geht eigentlich garnichts um´s Morphin.
Es geht um die Entscheidungen, eine Therapie ab zu brechen, obwohl noch nicht alles an Möglichkeiten ausgeschöpft ist - es geht darum, ab zu wiegen, ob man eben noch diese eine Richtung der Therapie versucht, auch wenn´s ein schlechtes outcome gibt - VIELLEICHT gehts es eben doch gut.
Die Verantwortung, die bei so einer Entscheidung mitläuft möchte ich nicht tragen.
Und es geht darum, dass es um so mehr lähmt, wenn man sich für eine Operation entscheidet, bei der die Patientenparameter erst stabil sind und sich irgendwann unter oder nach der OP alles wendet.
Der Punkt ist, man wollte dem Patienten helfen, die verbleibende Zeit erleichtern und irgendwelche Umstände haben das nicht erlaubt.
Die Schlacht der Reanimation in dem Moment ist unschön, die eigenen Gefühle und Fragen, die dabei aufkommen sind unschön und es wird sie trotzdem immer wieder geben.

DoktorW
11.03.2006, 11:33
Ich tu mich einfach (noch) furchtbar schwer, hier die Grenzen zu stecken zwischen alles versuchen um den Patienten zu retten und ihn gehen zu lassen.
Und Du kannst sehr wohl mit 10 mg Mo iv nen Atemstillstand provozieren. Alles schon gesehen...

Ich bin auch der Meinung, dass Patienten, deren Prognose infaust ist, auch das Recht zu sterben haben.

Meine Meinung ist momentan halt etwas durch meine ersten Erfahrungen der letzten Wochen als Arzt geprägt.
Und ich habe sowohl die eine Seite gesehen, die den Patienten schnell abschreibt und die Morphingabe so wählt, dass der Patient definitiv sterben wird, als auch die andere Seite, die den 80 jährigen Tumorpatienten noch maximaltherapiert. Oft hängt aber auch vieles an den Angehörigen, die einfach auf die Maximaltherapie bestehen!!

Ich muss für mich erst meinen Weg finden!

Werwolf
11.03.2006, 11:33
"Einfach so" begrenzt man keine Therapie. Aber was willst du denn machen? Die 80 jährige mit metastasiertem Ca noch zehn Stunden für "TU-Debulking" auf den Tisch legen, sie noch einige Monate mit Chemo quälen, damit sie vielleicht noch ein halbes Jahr lebt? Da bin ich persönlich, in Absprache mit Patient und Angehörigen, eindeutig für adäquate Schmerztherapie und dafür, dem Patienten nicht mehr Quälerei zuzumuten, als unbedingt notwendig ist. "Therapie möglich" ist sehr häufig weit entfernt von "Therapie sinnvoll"....
dass man anscheinend als Arzt den Tod eines schwerstkranken Patienten als eigene Niederlage sieht und nicht als Erlösung für den Patienten...

Funkel

Sehe ich genauso wie Funkel. Ich habe mich auch schon oft genug gefragt (meistens, wenn ich im Dienst bei irgendwelchen Katastrophen-OPs assistieren mußte), ob das denn nun unbedingt sein muß, jemandem mit infauster Prognose noch "die ganz große Chirurgie" zuzumuten. Warum kann man Menschen nicht irgendwann einfach gehen lassen?
In der Traumatologie stellt sich die Frage glücklicherweise nicht so oft. Schenkelhälse "muß" man eigentlich fast immer machen, es sei denn, der Patient ist absolut nicht narkosefähig.
Aber ich glaube, zu der Entscheidung, einen Menschen auch mal gehen zu lassen, ohne vorher alle diagnostischen und therapeutischen Optionen ausgeschöpft zu haben, erfordert neben klinischer Erfahrung und "Menschlichkeit" (klingt irgendwie blöd, mir fiel gerade kein besseres Wort ein) auch eine Portion "Ar*** in der Hose". Und den haben viele einfach nicht. (Meine Person eingeschlossen. Leider.) Ich mag Entscheidungen solcher Art nicht alleine treffen, weil mir die klinische Erfahrung fehlt und weil ich nicht als "Kleinste" dafür gerade stehen kann.
Vor ein paar Monaten war ich in der Situation, daß ein Patient auf meiner Station gerade seinen Abgang machte. Ich war zwar auf Station, aber das Pflegepersonal hatte in weiser Voraussicht den OA angepiept. Und der meinte bloß, daß ich mich kümmern solle. Er hat nicht gesagt, was ich tun sollte . Aber er hat mir sozusagen die Entscheidung über das weitere Vorgehen anvertraut. Deshalb konnte ich dann das, was ich auch ohne OA schon begonnen hatte, quasi mit "Segen von oben" fortsetzen. M, Angehörigengespräche, etc.

In einem anderen Fall hatte ich Probleme mit Angehörigen. Einer Patientin ging es schlecht, kaum meßbarer Druck, etc. Ich habe so´n paar medikamentöse Basismaßnahmen ergriffen, aber sicherheitshalber auch einen Internisten rangeholt. Mit dem habe ich dann diskutiert. Er wollte der Patientin einen Dopaminperfusor verpassen. Das wollte ich nicht auf "meiner" peripheren Station. (Freitag abend, Pflegepersonal keine Ahnung von solchen Sachen, etc.) Außerdem fand ich eher, daß die Patientin präfinal ist. Fand der Internist auch und war irgendwie halbherzig mit der Entscheidung ITS oder nicht. Und aufschreiben wollte er schon mal gar nichts. Naja, daraufhin habe ich mit der Tochter telefoniert, die total entsetzt war. "Wenn Mutti im KH ist, dann soll sie auch geholfen kriegen! Tun sie alles!" Das widerstrebte mir zwar gewaltig, aber nun gut. ITS. Ende vom Lied: Auf ITS reanimationspflichtig geworden und auch (erfolglos) reanimiert worden und den Weg ins Jenseits mit aspiriertem Mageninhalt und kaputten Rippen angetreten.
Hat mich lange beschäftigt, weil ich mich irgendwie "schuldig" fühlte. Aber wenn die Tochter vor wenigen Stunden die Mutter noch einigermaßen ansprechbar angetroffen hatte und die plötzliche Verschlechterung nicht nachvollziehen kann und deswegen "alles" will, darf man sich darüber vielleicht auch nicht hinwegsetzen. Keine Ahnung. Beschäftigt mich irgendwie auch immer noch...