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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Blutentnahme-Aufklärung? - Verletzung von Hautnerven



Tse Tse
15.03.2006, 16:41
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe gab am Dienstag der Klage eines Mannes statt, bei dem beim Blutspenden durch den Einstich der Kanüle ein Hautnerv verletzt wurde (Risiko 1:25000).
Seither hat er dauerhafte Schmerzen im Arm, muss ständig Medikamente nehmen und ist nur noch zu 50% arbeitsfähig.


Laut Urteil ist eine "umfassende Risikoaufklärung" nötig…der Spender müsse auch über seltene Risiken aufgeklärt werden, wenn sie für den Eingriff spezifisch seien und ihn in seiner Lebensführung beeinträchtigen könnten.
Der Spender war in einem Merkblatt auf seltene Folgen wie Unwohlsein hingewiesen worden.
Noch seltener sind Schädigungen von Blutgefäßen oder Nerven hieß es in dem Informationsblatt der Blutspendezentrale Saar-Pfalz. Das reichte dem Gerichtshof aber nicht aus (Starkenburger Echo 15.März 2006).

Wie haltet ihr das beim gewöhnlichen Blutabnehmen und Braunülen legen. Klärt ihr den Patienten über mögliche Entzündungen, Paravasate o.ä. auf?

Und zum Thema Hautnerven, sind die auch bei kleinlumigen Kanülen gefährdet?
Und liegen die nicht verdammt variabel?!

DoktorW
15.03.2006, 16:43
Man kann es auch übertreiben. Ich kenne niemanden, der jemand wegen einer Venenpunktion aufklärt!
Dumme Sache für den armen Blutspender, aber irgendwo hat die Rechtsverdreherei auch seine Grenzen! :-dagegen

milz
15.03.2006, 16:53
Das Blutspenden ist ein elektiver Eingriff, da muß vielleicht mehr aufgeklärt werden als bei notwendigen diagnostischen/therapeutischen Eingriffen am Patienten.

Gersig
15.03.2006, 16:53
Das wäre ja lustig, vor jeder Viggo oder Blutentnahme ne Aufklärung, am Besten mit Aufklärungsbogen. In dem auch drinsteht, dass als Risiko der Student/Famulus/Arzt beim Blutabnehmen noch Standgas haben kann.

Ich glaube, dass kleine Kanülen das Risiko zwar minimieren, dass es aber trotzdem in Einzelfällen zu Schädigungen kommen kann! :-meinung

Evil
15.03.2006, 18:47
Die Hintergründe möchte ich aber mal genauer wissen, das glaube ich so ohne weiteres nicht. Hast Du mal die Quelle, Tse?

Doktor_No
15.03.2006, 18:50
die einzige intervention an einer vene bei der ich elektiv aufkläre ist eine port-implantation :-))

THawk
15.03.2006, 18:55
zur Quelle, hier findet ihr die Pressemitteilung des BGH:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=35579&linked=pm&Blank=1

Tse Tse
16.03.2006, 10:58
Ach so, dass kam vielleicht falsch rüber.
Die geforderte Risikoaufklärung im Urteil bezog sich natürlich nur auf das Blutspenden.
Ich glaube Milz hat es gut getroffen, warum das nicht bei der Blutentnahme der Fall sein muss.
Ich habe nur die Frage angefügt, wie ihr es sonst bei der BE haltet (ohne dass es verpflichtend ist).

Evil, das stammt aus der Printausgabe meiner Lokalzeitung. Im Internet hab ich nur einen ähnlichen Artikel im Ärzteblatt gefunden. Der link von Thawk ist aber gut.
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=23432

Ich dachte zunächst, als ich das geschrieben habe, es sei ein kleiner Hautnerv/Ast gemeint, wie solche, die so zahlreich beim Präppen zu sehen waren. Aber für eine Schmerzausstrahlung im ganzen Unterarm wird dann ein großer betroffen sein - N. cutaneus antebrachii medialis oder lateralis.
Im Urteil heißt es "vollständige Genesung eher unwahrscheinlich". Durchtrennt scheint der Nerv ja nicht zu sein. Und bei einer Traumatisierung besteht doch bestimmt noch eine zeitlang die Möglichkeit einer Regeneration.
Ich würde wirklich gerne mal das ärztliche Gutachten dazu sehen. :-nix

Evil
16.03.2006, 16:13
Also, das klingt ja echt so, als hätte man bei dem Patienen einen Nerven mit einer Vene verwechselt und da eine fette Kanüle hineingerammt... :-oopss

derAnda
16.03.2006, 16:54
Also, das klingt ja echt so, als hätte man bei dem Patienen einen Nerven mit einer Vene verwechselt und da eine fette Kanüle hineingerammt... :-oopss

"Nicht erschrecken, gleich pieksts ein bischen..." :-oopss

Muss schon saumässiges Pech gewesen sein. Wenn ich mir denk wie oft man selbst schon mit kreisender Ruderbewegung der Nadelspitze das Unterhautgewebe nach Venen durchsucht und dabei schlimstensfalls einen Geldstück/schein-großen blauen Fleck produziert hat. :-))

Evil
16.03.2006, 17:05
Hör mal, wenn Du einen Nerven triffst, das tut RICHTIG weh!

Ist schon nicht ganz angenehm, wenn wir mit Nervenstimulator bei Regionalanästhesie Nerven gezielt suchen, aber wer dann noch weiterstochert, das kann nur ein absoluter Grobmotoriker sein...

alex1
16.03.2006, 18:49
Ich kläre über Blutentnahmen nie auf.

Bei venösen Zugängen sieht's schon etwas anders aus.
Es gibt etliche Substanzen, deren Paravasate starke lokale Reizungen, Thrombophlebitiden, usw machen können. Falls ich einen Patienten habe, der schlechte Venen hat und solche iv Medikamente über längere Zeiten braucht, dann kläre ich ihn schon darüber auf. Ich erkläre, daß die Substanzen reizend sein können, deswegen sollte er auch auf den Katheter Rücksicht nehmen und bei kleinsten Zeichen von Schmerzen, Kältegefühl, Schwellung usw. sich gleich melden.
Damit ist das schon erledigt. Wenn ich mich über einen Patienten unsicher bin (und es gibt nun mal eine gewisse Sorte von Patienten die wegen jeden Kleinscheiß ein Riesentheater machen, sind übrigens oft Privatpatienten) dann schlage ich ihm schon die Alternative ZVK vor. Dann erkläre ich aber auch daß das Risiko von Nebenwirkungen durch den ZVK größer sein kann (Pneu, Thrombose, etc) als das Risiko eines Paravasates statistisch gesehen.
Danach lehnen 99% der Patienten den ZVK ab, was ich auch brav in der Kurve dokumentiere.

Bei Chemos sieht es schon etwas anders aus. Ich kenne mehrere Kliniken (meistens Hämatoonkologie) die brav Cisplatin, Etoposid, Vinorelbin und Mitomycin über periphere Zugänge reinkippen (und zwar mehrere Zyklen nacheinander). Wenn da was para läuft ist die Gefahr (v.a. bei Mitomycin und Vinorelbin) von Hautnekrosen und Bindegewebsnekrosen beträchtlich.
Wenn der Patient gute Venen hat, mache ich auch die Chemo über Braunüle. Sobald aber ein Venenkatastrophe-Patient nach 20 Zyklen CTx vor mit steht und die Chemo über Braunüle (wie halt schon immer) haben will, weigere ich mich (es sei denn, es ist was ganz harmloses wie 5FU).
Er kriegt am Besten einen Port oder wenn es sein muß einen ZVK.
Da ist mir das Risiko zu groß.
Und wenn er keinen will, dann kriegt er auch keine Chemo von mir, ohne eine Erklärung zu unterschrieben. In dieser steht dann auch drin, daß er ausdrücklich auf ZVK oder Port verzichtet und sich allen Risiken bewußt ist.
Bei ein paar Patienten bin ich sogar im Zimmer geblieben, während der 20 min als die Chemo reinlief und die Braunüle die ganze Zeit angestarrt.