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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Medizinstudium momentan attraktiv?



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Glasgow
25.03.2006, 09:19
Man hört von streikenden Ärzten, anfallenden Studiengebühren, hohen NCs und geringen Gehältern. Glaubt ihr, dass das Medizinstudium dadurch weniger attraktiv geworden ist und sich womöglich weniger Leute für einen Studienplatz bewerben?
Wollen jetzt nur noch die Leute Medizin studieren, die zu Ärzten aus Leidenschaft werden?
Gibt es offizielle Studien zu den Bewerberzahlen?
Wo findet man diese Studien?

Dr. Pschy
25.03.2006, 09:39
Ich glaube nicht, dass die Bewerberquote zum WS gravierend einbrechen wird, weil ein Grossteil der Frischbewerber so weit gar nicht blickt :-meinung

Altruist
25.03.2006, 09:55
Man hört von streikenden Ärzten, anfallenden Studiengebühren, hohen NCs und geringen Gehältern. Glaubt ihr, dass das Medizinstudium dadurch weniger attraktiv geworden ist und sich womöglich weniger Leute für einen Studienplatz bewerben?
Wollen jetzt nur noch die Leute Medizin studieren, die zu Ärzten aus Leidenschaft werden?
Gibt es offizielle Studien zu den Bewerberzahlen?
Wo findet man diese Studien?

Medizin aus Leidenschaft :-bee - meiner Ansicht nach eine völlig verklärte Vorstellung - wohl eher ein vorgeschobenes Argument die persönlichen Ansprüche zu rechtfertigen und den Dünkel zu verschleiern - aber egal!

Der große Vorteil des M. Studiums ist sicherlich `n recht sicherer Arbeitsplatz!
Die Arbeitsbedingungen als A. hierzulande sollte man sich stets vor Augen führen :-oopss .
Von daher sollte man annehmen, daß viele eher andere Studiengänge einschlagen.
Nicht zuletzt ist es ja auch recht interessant, daß der Frauenanteil unter Medizinstudenten zunimmt (warum auch immer :-bee :-)) ).
Bewerberzahlen? - ZVS gucken + googeln!

Wer sich zutraut seine berufliche Zukunft auch im Ausland zu sehen, der sollte den Schritt zum M. Studium durchaus wagen.

So - und zum Ende noch ein kleines Filmchen "Die Sendung mit der Maus - Medizin studieren", daß Euch eine Vorstellung von dem geben soll, was Euch in den ersten Jahren des Studiums erwarten wird
(naja, einige trifft es so - andere nicht :-) )

www.medi-oe-marburg.de/download/

Pupillenleuchte
25.03.2006, 10:09
Medizin aus Leidenschaft :-bee - meiner Ansicht nach eine völlig verklärte Vorstellung - wohl eher ein vorgeschobenes Argument die persönlichen Ansprüche zu rechtfertigen und den Dünkel zu verschleiern - aber egal!

Ansprüche? Was für Ansprüche...

Ich denke, neben dem recht sicheren Arbeitsplatz und der Hoffnung auf besser Arbeitsbedingungen (die durch die Streiks wohl eher geschürt als gedämpft werden, denn bekannt war das ja schon lange, aber jetzt sehen die Menschen ja, es wird versucht, dagegen was zu tun), ist es auch das Prestige, das der Beruf mitbringt. Auch heute noch ist der Arztbesuch der angesehenste Beruf schlechthin, was sicher zum Teil die große Unterstützung innerhalb der Bevölkerung erklärt (neben der Tatsache, dass natürlich keiner von übermüdeten Ärzten behandelt werden möchte).


Aber dir gings ja um die Studienzahlen der letzten Jahre. Vielleicht hilft dir dieser Link:

http://www.ra-brehm.de/bz/doku/rekordzahlen-bei-der-zvs.pdf

macepaker
25.03.2006, 10:32
Sicher ist die Entscheidung zum Studium immer abhängig von den gegenwärtigen Arbeitsbedingungen. Allerdings sollte man nicht unterschätzen, wieviel 6 Jahre am Arbeitsmarkt verändern können. Wichtig zu verstehen ist, glaub ich, dass Studium & Beruf zwei vollkommen verschiedene Dinge sind. Man sollte sich das am Anfang auch getrennt fragen- Ist das Studium was für mich _und_ was kann ich damit später machen/gefällt mir der Job in den Grundzügen. Versuchen, zu überblicken, wie die Arbeit wohl aussehen wird (Praktika, Zivildienst...), war für mich sicher mit die wichtigste Entscheidungsgrundlage. Auf Einkommen, Ansehen und Arbeitsmarktsicherheit 6 Jahre im voraus zu spekulieren, halte ich für sehr unsicher. Ich habe zur Zeit der "Ärzteschwemme" mit meinem Studium angefangen und bin jetzt fertig. Die, die damals nur Informatik (nur ein Beispiel :peace: ) angefangen haben, weil sie einen sicheren Job darin sahen, haben nicht erreicht, was sie wollten...

SynC
25.03.2006, 14:00
Die Bewerberzahlen sind sogar eher gegenläufig zur aktuellen Siutation am Arbeitsmarkt, auch wenn es dort derzeit nicht son gut aussieht, gibt es immer mehr Leute, die Medizin studieren wollen.

Giant0777
25.03.2006, 20:33
Man hört von streikenden Ärzten, anfallenden Studiengebühren, hohen NCs und geringen Gehältern. Glaubt ihr, dass das Medizinstudium dadurch weniger attraktiv geworden ist und sich womöglich weniger Leute für einen Studienplatz bewerben?
Wollen jetzt nur noch die Leute Medizin studieren, die zu Ärzten aus Leidenschaft werden?


Na, die Zahl der Bewerber spricht ja eine deutliche Sprache gegen diese Frage.
Und man sieht ja auch immer häufiger, dass Ärzte den Weg ins Ausland oder in fremde Branchen antreten, um den geringen Klinikgehältern aus dem Weg zu gehen.

Im übrigen finde ich den Protest, der sich regt, sehr positiv - nur so etwas kann dazu führen, dass das Studium und vor allem der BERUF irgendwann mal wieder interessanter wird.

Ich finde schon, dass die nächsten Jahre eine Chance bieten, für Verbesserungen der Ärztesituation im allgemeinen - wenn man erstmal einen Platz hat und sechs Jahre erfolgreich hinter sich gebracht hat, denn das war schon immer die Hürde !

Gruss, Giant

Pippi L.
26.03.2006, 18:50
will jetzt auch im oktober mit dem studium anfangen. ich denke man studiert medizin nur wenn man auch den unbedingten willen dazu hat. die leute die es wirklich wollen lassen sich glaube ich nicht unbedingt von den arbeitsbedingungen abschrecken. anhand der zvs-statistik sieht man ja auch, dass sich der n.c nicht sehr verändert, also wollen viele trotz streiks, arbeitsbedingungen etc. medizin studieren. was zählt ist der eiserne wille. ;-)

FrederikMD
26.03.2006, 20:50
will jetzt auch im oktober mit dem studium anfangen. ich denke man studiert medizin nur wenn man auch den unbedingten willen dazu hat. die leute die es wirklich wollen lassen sich glaube ich nicht unbedingt von den arbeitsbedingungen abschrecken. anhand der zvs-statistik sieht man ja auch, dass sich der n.c nicht sehr verändert, also wollen viele trotz streiks, arbeitsbedingungen etc. medizin studieren. was zählt ist der eiserne wille. ;-)Deinen eisernen Willen mag ich ja nicht bezweifeln, aber das liegt doch in erster Linie daran, dass Du noch die schlechten Seiten der Medizin nicht mitbekommen hast. Medizinstudium + Facharzt sind mal eben 11-15 Jahre, die schlecht bezahlt und darueber hinaus mit einer schlechten Ausbildung gekroent sind. Die Reformstudiengaenge spriessen zwar wie Pilze aus dem Boden, sind aber alle an dem viel kostenintensiveren angelsaechsischen System orientiert. Da es trotz Reform nicht mehr Geld gibt, ist das echt zum scheitern verurteilt. Da hilft es auch nichts, wenn das Medizinstudium jetzt butterweich aufgezogen, kaum noch Leute durch Physikum bzw. 2. Staatsexamen fallen ... Die Ausbildung zum Facharzt ist mehr oder weniger learning by doing und dann, wenn Du es endlich geschafft hast, Oberarzt bist und Deine 3-4000 Euro nach Hause nimmst ... ich darf hier gar nicht weiterschreiben. Mir tut es echt in der Seele weh, dass 1000e der bestqualifizierten Abiturienten wie die Lemminge das Medizinstudium waehlen...

Phino
26.03.2006, 22:09
Mir tut es echt in der Seele weh, dass 1000e der bestqualifizierten Abiturienten wie die Lemminge das Medizinstudium waehlen...

Rein aus Interesse und ohne Provokation: Was wäre deiner Meinung nach sinnvoller?

supamaus007
26.03.2006, 22:17
Viele, die keinen Studienplatz bekommen haben und warten müssen, werden mich jetzt wahrscheinlich steinigen wollen :-oopss

Ich hab mich einfach mal bei der ZVS zum Medistudium angemeldet, weil ich nix besseres wusste. Diese Entscheidung bereuhe ich zwar bisher nicht und bin bis jetzt ich auch ehrgeizig in der Regelstudienzeit und so (toi, toi,toi), aber hätte ich auch nur ein Jahr eher Abi gemacht, hätte ich Biochemie studiert. Ich (und wahrscheinlich einige andere auch) bin recht blauäugig ins Studium gegangen und wusste gar nicht was auf mich zu kommt. Von "eisernen Willen" oder gar Vorsatz kann da nicht die Rede sein. *sich schämt und es im nächsten Leben besser machen will* :peace:

Ich bin aber echt froh, dass ich damals nicht wusste, was mich erwartet, sonst hätte ich das NIEMALS angefangen. Vorklinik finde ich einfach nur superdoof und würde es auch nicht nochmal machen. Bin aber froh, den Mist hinter mir zu haben und bin auch glücklich, mal irgendwann Arzt sein zu DÜRFEN. Immer noch besser als Klos putzen oder nach der Ausbildung sicher auf der Straße zu stehen. :-meinung

Leijona
27.03.2006, 22:03
Rein aus Interesse und ohne Provokation: Was wäre deiner Meinung nach sinnvoller?
sinnvoller? zb in die naturwissenschaften zu gehen...

zu frederiks post:
er hat (LEIDER) recht.
egal wie umfassend man sich vorher informiert- man KANN (und will wohl auch nicht!) abschätzen, wie groß die differenzen zwischen wunsch und berufwirklichkeit hinterher sind.
ich bin nun im 6. semester.
medizin ist mein absolutes traumfach und wenn es irgendjemand ohne illusionen und aus echter überzeugung gewählt hat, dann ich.
(anm. am rande: habe in meiner familie genügend schlecht bezahlte depressions- oder burn-out bedrohte mediziner :-(( )
mein ansatz war immer: wenn du gut bist, dann findest du auch eine nische wo es dir später gut geht, egal wie der arbeitsmarkt aussieht.
ich glaube, das denken sich viele medizinanwärter.
leider (so glaube ich nun aber) ist das so nicht wahr. selbst wenn man super gut war, man bekommt später die gleichen miesen löhne nach standarttarifvertrag und seine x nachtdienste.
mittlerweile überrasche ich mich selbst mehr und mehr dabei, nach anderen tätigkeitsfeldern ausser dem klassischen arztsein in praxis oder auf station umschau zu halten.
mittlerweile könnte ich mir vorstellen in die wissenschaft o.ä. zu gehen.
und da bin ich mit meinem "sinneswandel" nicht alleine. nur ein beispiel- eine freundin von mir hat ein "1"-examen (!!) gemacht. nach 1 jahr in der uniklinik hat sie ihre stelle ersatzlos gekündigt und überlegt nun berufsalternativen, die bis zu walddorfschul-lehrerin :-notify :-notify :-notify ) reichen!!
irgendetwas läuft gewaltig schief- - -
aber nichtsdestotrotz drängen immer mehr bewerber auf die studienplätze. ich glaube nicht, dass die attraktivität des medizinstudiums und die bewerberzahlen in irgendeiner weise korrelieren.
die ernüchterung folgt (egal wie viel "aufklärung" es gab!) in der regel sehr viel später.
tatsache ist, dass man als ehemalige "leistungselite" (zumindest sollten in der theorie die medizinstudierenden eine auswahl der besten sein) nach 6 jahren studium erstmal noch 6 jahre in der klinik unten durch muss- was die physische und psychische auszehrung und die entlohung betrifft - in einer weise die man vorher noch nicht mal ansatzweise nachvollziehen KANN.

- ein sehr pessimister beitrag- nach einem "arbeitstag" in meinem lieblingsfachgebiet und angestrebten arbeitsfeld.... -

Altruist
28.03.2006, 07:40
Überaus treffend all das - #schluck#.

Zustimmen kann ich Dir allerdings nicht bei Deiner Forschungsoption.
Mir ging das ähnlich - zu diesem Zeitpunkt des Studiums - ich dachte wirklich Forschung - ja, das ist die goldenen Zuflucht für ein erfülltes Leben.
Dementsprechend lange hab' ich nach einem vernünftigen Institut gesucht und bin letztlich in der Grundlagenimmunologie gelandet.
Vorher dafür gesorgt, dass ich zumindest einen zusammenhängenden Zeitraum von 7 Monaten hatte und losgelegt.
Ohne Frage, Vollzeitforschung an sich ist super interessant, super spannend, zum ersten mal während des Studiums konnte ich mich für etwas vollends begeistern!
Doch soetwas das gesamte Leben lang zu machen, ist ebenfalls keine Option mehr (zumindest für mich).
Die Gründe dafür sind u.a.:
Du bist Angestellter, mit BAT2a Vergütung (an staatlichen Institutionen), muckelst aber natürlich auch z.T. deutlich länger als Deine reguläre Arbeitszeit von 40h, auch am Wochende, oder sogar (sehr selten zwar) nachts.
Dein Arbeitsplatz dort ist zudem (abhänig von Fördergeldern) nur für'n bestimmten Zeitraum von z.T. 2 Jahren gesichert. Dann heißt es weiterziehen (wenns schief geht).
Im Grunde ist reine Forschung nur dann eine Option, wenn man gewillt ist sich bis zu 'ner W-Stelle hochzuknechten.
Es gibt da so 'nen recht geschmacklosen, aber wohl recht zutreffenden Spruch: "In der Forschung bist Du Prof., oder aber garnichts"
Zu guterletzt, muss man sich dann noch die Sinnfrage stellen, ob sich das Hochknechten zur selbstbeweihräuchernden W-Stelle denn lohnen wird. Ich bin davon zumindest nicht überzeugt.
Was nun bleibt ist die Option seine Zuflucht zumindest für die nächste Zeit im Ausland zu suchen und auf bessere Zeiten hierzulande zu hoffen.

FrederikMD
28.03.2006, 14:19
Alternativen? Ich muss deutlich sagen, dass mir Medizin grosse Freude bereitet und ich nichts anderes mehr machen moechte. Was ich aber auch damit begruenden kann, dass ich dem System in Deutschland doch weitestgehend aus dem Weg gegangen bin. Zu meiner Erfahrungen im Ausland, das hier immer als rosig beschrieben wird: Ich verdiene ca 40.000 Dollar, arbeite 80-90 Stunden pro Woche mit Nachtdiensten 2-3 mal pro Woche. Das ist auch nicht immer das Gelbe vom Ei, und ein extremer Unterschied zu den Rotationen, die ich als Student in den USA gemacht habe (wo auch viel, aber bei weitem nicht so belastend gearbeitet wird). Zur Forschung: Die Mittel sind eng, das Fach trocken und mal ehrlich, wer will nach einem bestimmten Alter noch die Pipette schwingen? Aber wer ein Talent in den Naturwissenschaften hat, und ich halte das für unbedingte Voraussetzung für Medizin, der ist als guter Ingenieur, Physiker oder Chemiker herausragend aufgehoben, Chipdesign, Nanotechnologie (auch in der Biotechnologie), das sind die Alternativen, die Zukunft und Gegenwart haben. Um ehrlich zu sein, wir haben keinen Aerztemangel, unser Versorgungssystem ist sehr dicht und es fallen nur die wirklich schwachen Regionen durchs Netz. Ich finde es nur traurig, dass sich die Erstis ins Semester pruegeln, klagen und dabei nicht verstehen, dass es attraktive (wenn auch in Deutschland mit trockenem Image versehene) Alternative gibt. Ausdruecklich, wer Medizin machen will, sich Jura und BWL aber genauso gut vorstellen kann, der ist sicherlich nicht angesprochen.

Liebe Gruesse

Hellequin
28.03.2006, 14:47
Da hilft es auch nichts, wenn das Medizinstudium jetzt butterweich aufgezogen, kaum noch Leute durch Physikum bzw. 2. Staatsexamen fallen ...
Butterweiches Medizinstudium? Wo bitte gibt es denn sowas? An unserer Uni sind von meinem Jahrgang weniger als 60% nach 4 Semestern zum Physikum angetreten. Bis auf das letzte Physikum lag die Durchfallquote im schriftlichen Physikum konstant bei 20%. Also unter butterweich verstehe ich was anderes. ;-)

Flagellant
28.03.2006, 15:12
Verglichen mit den gängigen Fächern wie BWL und Jura ist die Medizin immer noch recht attraktiv, insofern nämlich, als man als Mediziner überhaupt die Aussicht darauf hat, nach dem Studium eine Stelle zu finden. Ich kenne so einige BWLer und Juristen, die in Call-Centern gelandet sind oder gerade das x.te Praktikum absolvieren und auch Jahre nach dem Studium immer noch finanziell auf ihre Eltern angewiesen sind.
Dieses Problem haben Mediziner in Deutschland zum Glück nicht, ABER...

ich erlebe auch, wie desinformiert viele Medizinstudenten sind ! Es ist ja richtig, daß gegen die langen Arbeitszeiten an den KH und gegen die schlechte Bezahlung protestiert wird, nur wird dabei außer Acht gelassen, daß der endgültige Hammer in Deutschland erst nach der Assistenzarztzeit kommt. Das Studium ist bisweilen hart, die Facharztweiterbildung noch härter ( Nachtdienste, Mobbing etc. pp.), aber was dann in den Praxen abgeht, schlägt dem Faß den Boden aus. Es gibt für viele Ärzte heutzutage wegen der katastrophalen wirtschaftlichen Lage in den Praxen einfach keine Möglichkeit, jemals aus der Knochenmühle Krankenhaus herauszukommen, weil sich eine Niederlassung wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Ich kenne selber einige Ärzte, deren Praxen kurz vor dem Konkurs stehen, und die jetzt krampfhaft versuchen, sich irgendwie noch ins Ausland abzuseilen... viele niedergelassenen Ärzte verdienen netto weniger als zu Klinikszeiten und sind darüberhinaus noch extrem verschuldet. Es gibt somit immer mehr Ärzte, denen langfristig die Perspektive in Deutschland fehlt. Wie schlimm es ist, wird dann häufig erst sehr spät realisiert, oft dann, wenn man durch Familie, Bankkredit o.ä nicht mehr in der Lage ist, Deutschland zu verlassen und diesem System endgültig ausgeliefert ist.

Auswege ?
Die angebliche Abwanderung in die Pharmabranche ist da doch eher ein Phantasieprodukt der Journalisten, so viele Stellen kann die Pharmaindustrie gar nicht zur Verfügung stellen. Auch die chronisch unterfinanzierte Forschung ist keine Alternative, das Gegenteil ist der Fall, für viele Biowissenschaftler/forschende Mediziner endet der Ausflug in die Wissenschaft in einer Sackgasse.
Sieht man einmal ab von einigen Gutachterstellen in der Versicherungsbranche, bleibt dann nur noch das Ausland...

:-D

Flagellant
28.03.2006, 15:29
FrederikMD,
wohin hat es Dich verschlagen ? Ich habe mich schon einmal vorsorglich mit dem USMLE (=amerikanisches "Staatsexamen") beschäftigt und spiele mit dem Gedanken, mich zum Ende des Studiums auf's Ausland zu konzentrieren...ich kenne die USA recht gut und mir sind die harten Arbeitsbedingungen, wie von Dir geschildert, zumindest durch Gespräche mit dortigen Ärzten bekannt. In diesem Zusammenhang fällt dann auch immer wieder der Begriff "delayed gratification"...mich würde daher mal interessieren, ob Du den Schritt in die USA nochmal machen würdest !

Ob mir ein Leben in den Staaten so zusagen würde, weiß ich leider nicht so genau, daher möchte ich vorher auch mal Australien kennen lernen, daß ein wenig "europäischer" zu sein scheint und zumindest noch zur Zeit Möglichkeiten für ausländische Ärzte bietet.

Würde mich über eine kurze Antwort freuen.







Alternativen? Ich muss deutlich sagen, dass mir Medizin grosse Freude bereitet und ich nichts anderes mehr machen moechte. Was ich aber auch damit begruenden kann, dass ich dem System in Deutschland doch weitestgehend aus dem Weg gegangen bin. Zu meiner Erfahrungen im Ausland, das hier immer als rosig beschrieben wird: Ich verdiene ca 40.000 Dollar, arbeite 80-90 Stunden pro Woche mit Nachtdiensten 2-3 mal pro Woche. Das ist auch nicht immer das Gelbe vom Ei, und ein extremer Unterschied zu den Rotationen, die ich als Student in den USA gemacht habe (wo auch viel, aber bei weitem nicht so belastend gearbeitet wird). Zur Forschung: Die Mittel sind eng, das Fach trocken und mal ehrlich, wer will nach einem bestimmten Alter noch die Pipette schwingen? Aber wer ein Talent in den Naturwissenschaften hat, und ich halte das für unbedingte Voraussetzung für Medizin, der ist als guter Ingenieur, Physiker oder Chemiker herausragend aufgehoben, Chipdesign, Nanotechnologie (auch in der Biotechnologie), das sind die Alternativen, die Zukunft und Gegenwart haben. Um ehrlich zu sein, wir haben keinen Aerztemangel, unser Versorgungssystem ist sehr dicht und es fallen nur die wirklich schwachen Regionen durchs Netz. Ich finde es nur traurig, dass sich die Erstis ins Semester pruegeln, klagen und dabei nicht verstehen, dass es attraktive (wenn auch in Deutschland mit trockenem Image versehene) Alternative gibt. Ausdruecklich, wer Medizin machen will, sich Jura und BWL aber genauso gut vorstellen kann, der ist sicherlich nicht angesprochen.

Liebe Gruesse

FrederikMD
28.03.2006, 15:30
Butterweiches Medizinstudium? Wo bitte gibt es denn sowas? An unserer Uni sind von meinem Jahrgang weniger als 60% nach 4 Semestern zum Physikum angetreten. Bis auf das letzte Physikum lag die Durchfallquote im schriftlichen Physikum konstant bei 20%. Also unter butterweich verstehe ich was anderes. ;-)
Es ist fuer mich ziemlich klar, dass ein Ziel von Reformstudiengaengen, Beschraenkung auf nur 2 Examina und "praktischere" Ausbildung nach angelsaechsischem System nur eines bedeutet, nämlich fehlenden Tiefgang. Damit wird zugunsten der "Allgemeinarzttätigkeit" das geopfert, womit deutsche Mediziner immer punkteten, nämlich einer weitaus besseren wissenschaftlichen Ausbildung. Das durch dieses System eine Beschleunigung der Bereitstellung von Jungärzten gedacht ist, folgt augenscheinlich. Ich kann zur Statistik nicht viel sagen, außer das es mich nicht wundert, wenn meine Kommilitonen Deutsch und Kunst LK hatten und dann in der Biochemie einen Nervenzusammenbruch hatten, d.h. bei der Vorbereitungslage der Naturwissenschaften wundert es mich, nicht wesentlich höhere Durchfallquoten zu sehen. Aber guck Dir mal das neue "Hammerexamen" an, das ist wirklich eine Herabstufung im Schwierigkeitsgrad gegenüber dem alten 2. Stex...

FrederikMD
28.03.2006, 15:43
Ich habe in den USA geheiratet, darum ist die Situation nicht ganz vergleichbar. Ich denke, viele Mediziner machen den Sprung hierher, weil sie mit viel Optimismus und Motivation an die Sache rangehen. Das heisst, die JungPJler, die ich gelegentlich hier treffe, sind so motiviert. Wären die genauso in Deutschland am Ball, würde der Lernunterschied minimal ausfallen. Lange Stunden mit wenig Lernerfolg. Die Teaching Conferences, M&M etc sind doch meist eher Gelegenheiten zum Ausruhen, Essen und ggf. Schlafen als wirklich was mitzunehmen. Die Gehälter in den USA sind, mit leicht fallender Tendenz, immer noch ziemlich gut. Man darf dabei jedoch nicht vergessen, dass je nach Fach bis zu 150.000 Dollar für die Kunstfehlerversicherung draufgeht. Das kann bis zu 50% des Gehaltes bedeuten. Ich habe neulich den Bericht von Half A Bee gelesen, der in Emergency Medicine gematcht hat, was in den USA echt eines der besten Fächer ist weil Du a) gute Ausbildung bekommst, b) das Gehalt stimmt und c) die Arbeitszeiten in Ordnung sind. Ich kann nur von größeren akademischen Einrichtungen erzählen, dass dort die Ärzte premature aging, also Ergrauen und Erfalten in den 30ern erleben. Man muss auch sehen, dass man nach Residency und Fellowship ja auch noch ein Leben erfolgen muss, und da kann ich über Deutschland mehr positives finden. Hier ist es so, dass, insbesondere wenn man Familie hat, eine kostspielige Abschottung von einem Grossteil der Bevölkerung haben möchte. D.h. unterschiedliche Wohnviertel, damit bessere High Schools, damit bessere Colleges etc etc. In Deutschland hatte ich dieses GEfühl nie wirklich, weil arm in Deutschland noch eine überschaubarere Dimension hat als hier. Ich denke, man sollte es sich sehr genau, ich würde sagen mindestens ein Jahr, mal angucken und dann entscheiden. Wie beim Thema Studienbeginn in der Medizin, halte ich hier eine informierte Entscheidung für extrem wichtig. Ein PJ Tertial, das man mit viel Elan beginnt und alles, inkl. der Sprache und Leute, noch spannend findet, ist noch kein guter Indikator. Für mich ist das Problem, das mir meine Frau keine andere Wahl läßt :-)

Hellequin
28.03.2006, 16:00
Aber guck Dir mal das neue "Hammerexamen" an, das ist wirklich eine Herabstufung im Schwierigkeitsgrad gegenüber dem alten 2. Stex...
Bis jetzt ist noch kein einziges Hammerexamen geschrieben worden, von daher wäre ich mit derartigen Aussagen vorsichtig. Mal abgesehen davon das das alte 2. Stex eine ziemlich geringe Durchfallrate hatte. Was die "nur" 2 Examina angeht, es gibt nach der neuen AO keine Sitzscheine mehr, d.h man schreibt in jedem Fach eine Abschlussklausur. Außerdem zählt das Physikum nach neuer AO in die Abschlussnote mit rein, was viele Leute dazu bringt, ein Freisemester fürs lernen mit einzurechnen. Abgesehen davon gibt es viel mehr Pflichtstunden nach der neuen AO, was die zeitliche Belastung vergrößert. Wenn das tatsächlich die Bereitstellung von Jungärzten beschleunigen soll, dann ist das nur als Fehlschlag zu beurteilen