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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fall 06/2006 - Tropenmedizin für Blickdiagnostiker



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Alles wird gut
05.04.2006, 13:46
Ihr seid in einem kleinen afrikanischem Staat in Westafrika - immerhin in einer Uni-Klinik. Ihr sprecht misserabel französisch und überhaupt kein Ewe, es gibt aber natürlich Leute, die übersetzen können. Diagnostik gibt es im Zweifelsfall nur Röntgen-Thorax, BSG und gelegentlich Anämieparameter, wenn der Patient es sich leisten kann. Sputumuntersuchungen mit Ziehl-Neelsen-Färbung ist machbar und natürlich auch ein Dicker Tropfen. Viel mehr habt ihr nicht zur Verfügung. Ist aber auch bei den hier vorgestellten Fällen nicht nötig - eigentlich reicht die Anamnese...

Und hier der erste Patient:

macepaker
05.04.2006, 14:07
So'n hämorrhagisches Fieber?

Alles wird gut
05.04.2006, 14:16
Immerhin schon mal eine wichtige differentialdiagnostische Überlegung! :-top
Aber dann schon bitte etwas konkreter: Welche VHF kommen in Frage, welche kann man weitestgehend ausschließen?

Aber als weitere Info: Ihr befindet euch in Togo in Küstennähe am Ende der Trockenzeit.
Ein bisschen Anamnese könnte noch helfen...geht aba auch so... ;-)

Tse Tse
05.04.2006, 15:01
Weiß nicht, ob das besonders hilft bei der Differentialdiagnose:

- Seit wann bestehen denn diese Symptome (Ikterus, Blutung)?
- Zeitlicher Verlauf, plötzlich auftretend oder schleichend (B-Symptomatik,
Krankheitsgefühl schon vor dem Auftreten)?
- Schmerzen? (Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Myalgien, Athralgien)
- Durchfall, Erbrechen, Husten, Dyspnoe?
- ist der Patient bewusstseinsklar und orientiert? Besteht eine Unruhe?
- nen Stich/Biss kürzlich bemerkt? (okay, das kommt in Afrika häufiger vor
als in unseren Breitengraden und muss nichts heißen)
- hatte der Patient schon mal eine ähnliche Symptomatik zuvor gehabt?
- welche Erkrankungen hatte der Patient schon
- war er kürzlich vereist, außerhalb seines Wohnortes? ;)

Ne körperliche Untersuchung wäre nicht schlecht.


Ps. ist ne nette Idee! :-)

Alles wird gut
05.04.2006, 15:14
Der Ikterus und die Blutungen bestehen seit etwas über 24h und waren Anlass für die Hospitalisation. Zuvor hatte der Patient bereits etwa eine Woche lang hohes Fieber, KS und Myalgien, die schlagartig eingesetzt haben. Vorgestern ging es ihm dann etwas besser und das Fieber hatte nachgelassen.

Keine Reise, kein Stich/Biss oder sonstiges - ganz normal gearbeitet.

Vorerkrankungen: Unauffällig - ein paar mal pro Jahr Malaria... also nix ungewöhnliches.

Momentan: Patient ansprechbar aber eher somnolent, sichtlich reduzierter Allgemeinzustand, Tachypnoe, hohes Fieber, relative Bradykardie

Tse Tse
05.04.2006, 15:32
Als naheliegendes fällt mir nur das Gelbfiebervirus mit dieser Symptomatik in Westafrika ein. Aber es gibt sooo viele sonstige Infektionskrankheiten mit Hämorrhagien. Weiß nicht wie da das weitere differentialdiagnostische Vorgehen ist.

Was vielleicht noch wichtig ist, ob ein Meningismus besteht.
Sowie eine Hepato-, Splenomegalie und der Lymphknotenstatus?
Und ob sich sonstige Schleimhaut/ Hautveränderungen zeigen (Exanthem, Hämaturie)?

Gwendoline
05.04.2006, 15:35
Was/Wo arbeitet er?
- Schüttelfrost zu Fieber gehabt?, Überkeit, Erbrochen? das Blut im Mund etwa vom Erbrechen?

auf alle Fälle erstmal Quarantäne!

Alles wird gut
05.04.2006, 15:48
Aber es gibt sooo viele sonstige Infektionskrankheiten mit Hämorrhagien. Weiß nicht wie da das weitere differentialdiagnostische Vorgehen ist.


Mein favourisierter Ansatz wäre zu überlegen, was es eben alles sein könnte und dann die entscheidenden Fragen in der Anamnese zu stellen.
Also erstmal orden:

Leitsymptome: Ikterus, Hämorrhagien (der Patient blutet nebenbei erwähnt auch aus dem Anus), Fieber (zweigipflig)

Mögliche Erreger:

- Viren: ...
- Bakterien: ...
- Parasiten: ...
(Bitte vervollständigen) :-)

Die Frage nach der Arbeitsstelle ist eine gute: Hafenarbeiter

Eine druckschmerzhaft vergrößerte Leber ist bei diesem Ikterus beinahe obligat. Urin wurde bisher keiner gewonnen -> Oligurie/Anurie?
Exantheme sind bei der schwarzafrikanischen Bevölkerung nur schwer zu finden... ;-)

Alles wird gut
05.04.2006, 16:08
Ach ja, da waren ja noch weitere Fragen:

Meningismuszeichen: positiv
Schüttelfrost: ebenfalls
Übelkeit/Erbrechen: In der ersten Krankheitswoche

Gwendoline
05.04.2006, 17:43
DD:
viral: Gelbfieber (plädiere dafür auch am ehesten), Dengue-Fieber, Ebola, Lassa, HIV, Hepatitis B/C
bakteriell:Typhus abdominales
parasitär: Malaria, Bilharziose

Lymphknotenschwellung, Milzschwellung (wurde glaub ich schon mal gefragt)?
wie ist der Stuhlgang? Wo genau Schmerzen? Wo genau die Gliederschmerzen? Besonderheiten der Haut, großflächige Hämorrhagien?

Tse Tse
05.04.2006, 19:26
Exantheme sind bei der schwarzafrikanischen Bevölkerung nur schwer zu finden
Kannst ja auch mal tasten ob ein makulopapulöses Exanthem (wie bei Dengue) vorliegt, egal.

Oder auch mal die Haut, Handinnenflächen/Fußsohlen, sonstigen Schleimhäute anschauen – auch wenn's schwieriger ist, ob da Auffälligkeiten bestehen, Gesichtsödem etc.

Aber der zeitliche Verlauf und Fieber+Bradykardie könnten schon für Gelbfieber sprechen.
Wie ich das jetzt aber von eher selteneren ohne Labor unterscheide, wie die von Gwendoline genannten Lassa, Ebola, weiß ich nicht. :-nix

Alles wird gut
06.04.2006, 03:10
Vorneweg, Lassa von Ebola (Marburg) ohne Labor zu unterscheiden ist praktisch nicht möglich. Es gibt zwar klinische Symptomhäufungen (Lassa: Hohes Fieber, Ödem an Hals und Gesicht, retrosternale Schmerzen (Pharyngitis mit Belägen) und Proteinurie. Ebola: Bilaterale Konjunktivitis zusammen mit Pharyngitis) aber die reichen im Einzelfall natürlich nicht aus. Selbst die "Unterscheidung" zu Gelbfieber erfolgt in einem afrikanischen Krankenhaus in vielen Fällen erst nach nosokomialen Infektionen bzw. gehäuftem Auftreten der Symptome bei Kontaktpersonen. Wobei man bedenken muss, dass beim urbanen Gelbfieber auch eher ein epidemisches Auftreten vorliegt. Ein makulopapulöses Exanthem kann neben Dengue- auch bei Lassa- und vor allem auch den Filovireninfektionen auftreten.
Aber es gibt 2 wichtige Dinge, die gegen die beiden "gefährlichen" Varianten der VHF sprechen:
1.: Ebola/Marburg ist auch in Afrika ziemlich selten.
Lassafieber ist für Westafrika zwar typisch aber Togo wird bisher in der Liste der Länder mit Seroprävalenz nicht aufgeführt und wenn ich mich recht entsinne, spricht Küstennähe auch gegen Lassa.
Krim-Kongo HF wäre noch denkbar aber eher im akademischen Sinne.

2.: Ich hätte den Thread nicht unter dem Decknamen "Blickdiagnose" gestartet, wenn ich nicht eher "triviale" Fälle vorzustellen hätte. ;-)

Bei den Viren ist Gelbfieber bisher die wahrscheinlichste Diagnose, die anderen sind aber durchaus eine Überlegung wert.
Bei den Parasiten käme die Malaria am Ehesten in Betracht. Von allgemeiner Blutungsneigung bei Bilharziose hab ich bisher noch nichts gehört...:-nix
Die Liste der Bakterien ist allerdings noch nicht fertig. Typhus ist schon mal ein guter Anfang aber es fehlen z.B. noch Rickettsiosen, intestinaler Milzbrand und eben das, was ich hören will. :-))

Wenn ich jetzt ungefragt noch sage, dass vor ca. 1,5 Wochen starker Regen war, erneut darauf hinweise, dass der Mann Hafenarbeiter war und den zweigipfligen Fieberverlauf mit anschließendem Ikterus bei Verschlechterung des Allgemeinzustandes ins Gedächtnis rufe und dann noch spekuliere, dass der Mann einen rattig hohen CRP-Spiegel hat - dann solltet ihr auf dem richtigen Weg sein, eine Arbeitsdiagnose zu stellen, mit der wir den Patienten erstmal sinnvoll behandeln können. :-angel

PhineasGage
06.04.2006, 07:30
Mir fällt noch eine schwere Verlaufsform der Leptospirose ein, die sich wohl auch wie ein VHF darstellen kann.
Wenn Hafenarbeiter meint, dass der Pat. häufig Kontakt mit Ratten etc. hat könnte es passen, oder?!
Aber ich bin ja erst im 6.Semester...

test
06.04.2006, 07:34
Würde die Leptospirose/Weil-Syndrom noch als Verdachtsdiagnose ansehen. Da man auch schon bei Verdacht antibiotisch behandeln sollte, würde ich das auch tun, groß schaden, kann es ja nicht. Also Pen G oder Amoxi anhängen ;-)

test
06.04.2006, 07:36
Hm, war wohl etwas langsam mit dem antworten. Leptospirose wird glaub ich vor allem über Urin/ damit verunreinigtes Wasser übertragen, wenn es durch den Regen sehr nass war, ear der PAtient wahrscheinlich oft in Kontakt mit schmutzigem stehenden Wasser. :-nix

Gwendoline
06.04.2006, 09:51
Mir fällt noch eine schwere Verlaufsform der Leptospirose ein, die sich wohl auch wie ein VHF darstellen kann.
Wenn Hafenarbeiter meint, dass der Pat. häufig Kontakt mit Ratten etc. hat könnte es passen, oder?!
Aber ich bin ja erst im 6.Semester...

Ja, das ist mir heute früh auch noch eingefallen :-oopss

Tse Tse
06.04.2006, 11:16
Darauf wär ich ehrlich gesagt nie gekommen.
Hab an alles mögliche gedacht, selbst an irgendeine Intoxikation… :-oopss

Da lernt man an der Uni die abgefahrensten und exotischsten Infektionserreger, aber das bei den häufigeren Leptospiren-Infektionen auch Hämorrhagien auftreten können war mir nicht bewusst.

Aber das hört sich gut an.
Ob da noch mehr Fälle vorgestellt werden *neugierigfrag* :-)

Alles wird gut
06.04.2006, 11:29
Tatatata! Das war es dann wohl auch: Leptospirosis icterohaemorrhagica.
Dann schicken wir gleich mal einen Angehörigen zur Apotheke und lassen ihn nen Zugang und Ampi 1mg Ampullen kaufen. Davon bekommt der Patient dann alle 6h eine Kurzinfusion, zumindest hypothetisch, denn über Nacht stirbt er. :-nix

Bei der nächsten Patientin braucht ihr eigentlich nur dieses kleine Video für eine Diagnose. Leider kann ich es hier nicht in einer guten Qualität anhängen aber es sollte trotzdem zu erkennen sein.
Und da die Diagnose so einfach ist hätte ich gerne gleich einen Therapievorschlag dazu, Anamnese ist hier nämlich nicht - Patientin kriegt die Zähne nicht auseinander... :-((

PhineasGage
06.04.2006, 11:41
Also, viel Erkennen tut man ja wirklich nicht
Pat. ist motorisch unruhig, viell. Ophistotonus und wenn sie die Zähne nicht auseinander bekommt --- Trismus - würd ich auf einen Tetanus tippen, oder?!

Therapie wäre meines Wissen Isolierung vor Umweltreizen und ne Gabe von dem Antitoxin

Alles wird gut
06.04.2006, 11:47
:-top Tetanus ist richtig! Aber die Therapie noch nicht suffizient. Antitoxin ist zwar schon mal sauwichtig und Abdunkelung auch aber es fehlt noch was für die Akutbehandlung und die Clostridien sind ja auch noch irgendwo unterwegs...