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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Psychiatrie - Ein Sonderfall?



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DrSkywalker
10.04.2006, 18:10
Hallo! Ich interessiere mich sehr für die o.g. Fachrichtung, muss aber als Vorkliniker sagen, dass ich bisher kein wirklich präzises Bild von der Arbeit in der Psych habe (Praktikum folgt erst im Sommer!)

Meine Fragen an etwas erfahrenere Medis:

- Welche Fähigkeiten muss ich als Psychiater mitbringen, die ein "normaler" Arzt nicht unbedingt benötigt? Ist eine besondere Persönlichkeitsstruktur notwendig (v.a. wegen des Umgangs mit psychisch Kranken; Gesprächstherapie etc)?

- Gibt es gravierende Unterschiede im Vergleich zu der "normalen" Arzttätigkeit (z.B. zur Inneren)?

- Hat die Psych überhaupt einen "Sonderstatus" unter den Fachrichtungen oder ist es eine von vielen?

Für nette Erläuterungen bin ich sehr dankbar!

Bastian
10.04.2006, 18:33
- Welche Fähigkeiten muss ich als Psychiater mitbringen, die ein "normaler" Arzt nicht unbedingt benötigt? Ist eine besondere Persönlichkeitsstruktur notwendig (v.a. wegen des Umgangs mit psychisch Kranken; Gesprächstherapie etc)?

Eine Kernfähigkeit ist die Empathie, so etwas wie Einfühlungsvermögen in den Patienten, auch wenn dieser ganz abstruse Vorstellungen pflegt sollte man möglichst seine Emotionen nachvollziehen können. Wenn Du im Privatleben als guter Zuhörer gilst bist du schon auf dem richtigen Weg.

- Gibt es gravierende Unterschiede im Vergleich zu der "normalen" Arzttätigkeit (z.B. zur Inneren)?

Gespräche füllen einen grossen Teil des Arbeitstages aus, nicht so sehr die Analyse von Laborwerten und technischen Befunden, wobei körperliche Symptome natürlich ebenfalls erkannt werden müssen.

- Hat die Psych überhaupt einen "Sonderstatus" unter den Fachrichtungen oder ist es eine von vielen?

Die Psychiatrie wird von den Somatikern belächelt und gering geschätzt. Das Prestige ist niedrig, Verdienstaussichten auch. Also wer Medizin macht, um angeben zu können, ist mit Psych sicher schlecht beraten.

Ein Praktikum ist sicher sehr ratsam und wird dir vieles klar machen.

Gruss

Bastian

Bille11
10.04.2006, 18:36
in münster gibt es die sogenannte psychiatrische visite für vorkliniker.. sehr lehrreich & informativ. :-) da haben vorklinikstudenten schon die chance, hereinzuschnuppern, sich zu informieren, gesprächstechniken zu üben & sich mit patienten auseinanderzusetzen, im rahmen einer seminar-artigen lehrveranstaltung.. :-))

WaWa
10.04.2006, 19:41
Warum machst du nicht 'n Teil deines KPP in 'ner Psychiatrischen Einrichtung? Dann kannste dir danach sicher mehr drunter vorstellen. Hab' auch 3 Monate Praktikum dort gemacht und das war echt problmlos möglich und hat mir auch echt viel Spaß gemacht. Will zwar nich in die Richtung später, aber dachte, dass man von Innere und Chirurgie und Co. noch genug im Studium sieht bzw. teilweise ja auch schon kennt - Psychiatrie is da schon irgendwie was anderes...

Gichin_Funakoshi
11.04.2006, 01:35
Bobby, ich erzähl dir einfach mal, wie ich auf die Psychiatrie gekommen bin anlässlich des anderen Threads.

Ich musste in meinem Englisch Kurs eine Arbeit über Autismus anfertigen, weil ich geschwätzt habe. Das war vor ungefähr 2 Jahren. Ich habe aber gemerkt, dass mich das Thema ziemlich interessiert und mich informiert, was es noch so für Krankheiten in dem Bereich gibt. So ungefähr bin ich auf Psychiatrie gekommen. Mittlerweile lese ich in Büchern jeden Abend über Psychiatrie und merke, dass mich das fachliche wirklich sehr interssiert. Ich weiß natürlich nicht, wie ich die Realität finde, bin aber bereit das in einem Praktikum herauszufinden. Denn ich habe ein Praktikumsplatz in 3 Monaten und unter anderem ist dort eine geschlossene Psychiatrie, wo ich vorbeischauen werde. Ich bin gespannt, ob ich die Vorstellung Psychiater zu werden nach dem Paktikum halten kann.
Aber ich muss auch sagen, dass mich andere nicht operative Fächer auch interessieren. Beispielsweise: Neurologie oder irgendwas in Innere.
Man wird sehen, was die Zukunft bringt.
Entschuldige meine zackige Formulierung aber ich habe mehr als ein Bier getrunken. :-party

Schimmelschaf
11.04.2006, 07:19
Mir recht es schon, mich als Besucherin in der Geschlossenene aufzuhalten. obwohl dort auch sehr nette Leute sind. Im Grossen und Ganzen sind die Patienten in einer Psychiatrie (gut, kenn bis jetzt auch nur eine) freundlich und lustig. *find*

Rumpelstilzchen
11.04.2006, 07:43
Nach fast 5 Jahren in der Psychiatrie auf der richtigen Seite der Tür und mit Schlüssel kann ich nur sagen, daß ich kein Psychiater mehr werden möchte. Eine Nebentätigkeit zum Broterwerb in der entsprechenden Fachrichtung kann einem während des Studiums schnell die Augen öffnen für Alternativen.

DrSkywalker
11.04.2006, 09:42
Nach fast 5 Jahren in der Psychiatrie auf der richtigen Seite der Tür und mit Schlüssel kann ich nur sagen, daß ich kein Psychiater mehr werden möchte. Eine Nebentätigkeit zum Broterwerb in der entsprechenden Fachrichtung kann einem während des Studiums schnell die Augen öffnen für Alternativen.

Du hattest offenbar irgendwann mal vor, Psychiater zu werden. Könntest du etwas näher erläutern, warum du dich umentschieden hast? Da du schon so lange Einblick hattest wäre deine Einschätzung besonders interessant.

Rumpelstilzchen
11.04.2006, 10:16
Was mich vor allem stört ist das Konflikt- und Gewaltpotential. Das stellt einerseit eine tägliche Herausforderung dar, ist aber andererseits häufig nur nervig. Ich habe nach den Jahren gemerkt, daß die Psychiatrie nicht mehr meins ist. Auch ist die Kundschaft im EInzugsgebiert "meiner" Klinik nicht die angenehmste, das schreckt zusätzlich ab.

WaWa
11.04.2006, 11:42
Kann nachvollziehn, was Rumpelstielzchen sagt! Hab' auf 'ner zur Hälfte offenen, zur Hälfte geschlossenen Station gearbeitet. Das mit dem hohen Konflikt- und Gewaltpotential stimmt schon. Allerdings hat mich das sogar 'n bisschen gereizt, weil er mein KPP spannender gemacht hat. Ob das allerdings über die Jahre noch so toll ist ist fraglich. Aber es gibt ja noch andere Stationen, auf denen es wesentlich ruhiger zu geht... Geschlossene is ja nur ein Bereich von vielen. :-meinung

Gwendoline
11.04.2006, 11:53
Geschlossene is ja nur ein Bereich von vielen.

Ja, in der Klinik für Psychosomatik fand ich die Psychatrie (nur Blockpraktikum) recht entspannend. Keine weissen Kittel, Menschen mit interessanter Anamnese und viel, viel Reden.

test
11.04.2006, 12:15
Ich glaube eine wichtige Qualität für einen Psychiatier ist GEDULD. Einerseits mit den Patienten im GEspräch, die langen, oft nicht einfach nachvollziehbaren und teils auch langweiligen Ausführungen sich anzuhören. Und andererseits sehr lange oder ewig auf einen Therapieerfolg zu hoffen.
Da ich im allgemeinen ein eher ungeduldiger Mensch bin erübrigt sich wohl die Frage, ob ich Psychiatrie machen würde. ;-)

magnolie
11.04.2006, 13:48
hab in der vorklinik und in den semesterferien praktika in der psychiatrie gemacht- aus interesse und weil ich das damals vielleicht machen wollte.
zum reinschnuppern ist es auch sehr spannend, fand es insgesamt aber (psychich) belastend. abgesehen von geduld und einfühlungsvermögen müssen ärzte für die richtung imo selbst eine sehr stabile persönlichkeit sein und sich gut abgrenzen können.
trotzdem ist das ganze sehr interessant und wird meiner meinung nach in der wichtigkeit unterschätzt..
..ich glaube ausserdem,dass man sich dort hin und wieder fragt ob man wirklich auf der seite mit dem schlüssel auf der richtigen ist... :-oopss

Gichin_Funakoshi
11.04.2006, 14:01
Was haltete ihr eigentlich von dem Gerücht, dass man als Psychiater selbst krank wird?

Schimmelschaf
11.04.2006, 16:08
Ähäm... Bis jetzt kenne ich nur einen einzigen Psychiater, der nicht mit der Zeit nen kleinen Schuss in der Schüssel bekommen hat (obwohl den ja jeder irgendwo hat - alles Ansichtssache).
Einer sagte mal zu mir, dass viele Psychiater zum Psycho müssen, damit sie mit allem fertig werden...


EDIT: Verdammt und zugenäht, jetzt hab ich den 1000. Beitrag hier reingeschrieben... Dabei war der für meinen Lieblingsthread (Spät in der Nacht) reserviert.. Radi, du bist schuld :-D

Giant0777
11.04.2006, 16:25
Was haltete ihr eigentlich von dem Gerücht, dass man als Psychiater selbst krank wird?

Ich weiss, dass im Psychologiestudium die Analyse von sich selbst ein wichtiger Teil ist, um genau dieser Gefahr zu begegnen.

Inwiefern dies in der Facharztausbildung zum Psychiater erfolgt - keine Ahnung. Aber das Wissen über ein Selbst halte ich in dieser Fachrichtung für sehr wichtig, damit man nicht einen "Knacks" bekommt.

Aber die Gefahr besteht sicher auch in anderen Facharztbereichen - ich denke da nur an Onkologie !

ramirez
11.04.2006, 16:29
Ich weiss, dass im Psychologiestudium die Analyse von sich selbst ein wichtiger Teil ist, um genau dieser Gefahr zu begegnen.

Inwiefern dies in der Facharztausbildung zum Psychiater erfolgt - keine Ahnung. Aber das Wissen über ein Selbst halte ich in dieser Fachrichtung für sehr wichtig, damit man nicht einen "Knacks" bekommt.

Aber die Gefahr besteht sicher auch in anderen Facharztbereichen - ich denke da nur an Onkologie !

Ist auch ein wichtiger Teil der Psychiatrie, Stichwort: Balint-Gruppen, Supervision. Insofern haben/bekommen nicht mehr Psychiater einen Knacks weg als andere Ärzte auch...

Gichin_Funakoshi
11.04.2006, 17:51
Ich halte das auch nur für ein Gerücht, dass die Psychiater alle spinnen.
Ich habe gehört, dass man in der USA eine Psychoanalyse bei einem anderen Psychiater machen muss. War jedenfalls in nem Roman so ausgeführt.
Aber wie genau wird man sich denn in so einer Therapie klar, wer man selbst ist und was genau bedeutet das?

WaWa
11.04.2006, 22:01
Was glaub' ich noch sehr wichtig ist, wenn man inder Psychiatrie arbeitet ist, dass man auch mal die Klappe halten kann! (fällt mir immer so schwer :-blush)
Sich alles anhören und aufmerksam manchmal evtl. auch nachfragen, aebr nicht grade mit seiner Meinung rausplatzen. Zumindest is das wohl in der Psychotherapie so. Denn das Ziel da ist, wass der Patient selber seine Probleme erkennt und daran lernt zu arbeiten. Nich einfach nach dem Gespräch sagen: So mein lieber Herr/ Frau XY - das ist Ihr Problem, so können Sie's ändern - machen Sie mal und kommen nächste Woche wieder!' Sondern über geschickte Fragen den Patienten selber 'erkennen' lassen, was Ursache sein kann...
(zumindest hat meine Mama mir das so erklärt... :-blush )

Neanderthal_Man
12.04.2006, 00:19
Hmm - ich denke, wie in vielen andern Fächern auch, kommt es auf die richtige Mischung aus Mitgefühl und Distanz an.
Auf der einen Seite muss man insbesondere in der Psychiatrie eine besondere Begabung entwickeln können, sich in seine Patienten hineinzuversetzen - umso wichtiger ist dann die Distanz.

Man stelle sich nur mal vor, man führt ein Gespräch mit einem Suzidgefährdeten, und kann dessen Wunsch sich aus dem Leben zu lösen plötzlich nachvollziehen...der Schritt zu eigenen Suizidgedanken ist dann sicher nicht mehr so gross. (Krasses Beispiel - aber so etwas kommt auf Psychiater zu!)

Dazu kommt dann das Problem, das man in der Psychiatrie, soweit habe ich es in meinem Uni-Praktikum mitbekommen, am laufenden Band von den Patienten vera****t wird. Sie tauschen sich untereinander über ihre Symptome aus, spielen etwas vor, und verfolgen häufig völlig andere Interessen als die eigene "Heilung".
Im Gegensatz zu vielen klinischen Fächern fehlt einem in der Psychiatrie die Objektivierbarkeit, z.B. mittels apperativer Diagnostik und Laborwerten.

Ich halte insgesamt die Psychiatrie für eine der schwersten medizinischen Disziplinen. Meiner Meinung nach wird man in keinem anderen Fach so oft mit Menschen konfrontiert, die "eigentlich" keine Hilfe wollen.
Und durch den langen Kontakt mit den Patienten kommt es häufig zu sehr intensiveren persönlichen Bindungen - was auch nicht unbedingt positiv ist, da die Patienten hierdurch einen nicht zu erfüllende Erwartungsdruck ausüben, die sich auch über den medizinischen Bereich hinaus erstrecken kann - bis hin zu Liebesbekenntnissen und Morddrohungen.