PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : eingepflanzter defi??



Seiten : [1] 2

Shakespeareslady
13.04.2006, 17:48
hallo ihr lieben,

bin selbst verwirrt über die frage...meine mama hat im bekanntenkreis einen älteren herren, der im sterben liegt.
er ist bereits im hospiz, nun erzählte sie aber gerade irgendetwas davon, dass er seit einigen jahren einen herzschrittmacher hat, der auch irgendwie wie ein defi funktioniert, wenn das herz aussetzt?! ich verstehe so einiges nicht, schliesslich ist doch dafür dann der herzschrittmacher da, oder? und man kann doch kein "defi"-gleich funktionierendes gerät eingepflanzt bekommen?! das würde doch auch auf menschen über"fliessen", die ihn gerade in dem moment berühren o.ä., oder?!

jedenfalls geht es ihm wohl sehr schlecht und dieses gerät erschüttert immer seinen ganzen körper, wenn es anspringt. ...und seine angehörigen fragen sich nun, wie lange das so gehen kann...

ich hoffe irgendjemand versteht, was sie meinen könnte und kann mir weiter helfen.
vielen dank und liebe grüsse,

julia

Eilika
13.04.2006, 17:59
Sie wird schon einen implantierten Defi meinen. Das macht man durchaus, der kann dann ein Kammerflimmern registrieren und schockt dann. Bin leider in keinster Weise ein Experte, da können Dir sicher andere besser helfen, aber schau doch mal hier (http://herz.qualimedic.de/Herzschrittmacher_defibrillator.html)

Tombow
13.04.2006, 18:03
Ein Herzschrittmacher generiert einen künstlichen Ersatzrythmus nur wenn das normale Herzrythmus aussetzt (oder kontinuierlich, je nach Modell, Programmierung und Einstellung). Bei dem von Dir beschriebenen Gerät handelt es sich um ein AICD (Automatic Implantable Cardioverter/Defibrilator) - wie der Name schon sagt, ein Gerät, daß je nach Einstellung als Kardioverter und/oder Defibrilator funktioniert. Entwickelt wurden die ersten solchen Geräte Ende der 70er, als man noch die Problematik des plötzlichen Herztodes nicht im Detail kannte (z.B. plötzlicher Herzstillstand assoziiert mit Long-QT- oder Brugada-Syndrom). Lange Zeit war es auch notwendig bei solchen Patienten, daß man denen BEIDES gleichzeitig implantiert, seit mitte der 90er gibt es auch Kombigeräte, die beides (AICD und Schrittmacher) in einem sind.

Die meisten Geräte sind frei programmierbar, so daß man sie auch ausschalten kann. Einen Tod können sie nicht immer verhindern.

Falls Dein Bekannter wünscht, daß das Gerät abgeschaltet oder etwas milder programmiert wird (so daß es irgendwann soweit ist), dann kann das von seinem Kardiologen oder der Schrittmacher-Ambulanz vorgenommen werden. Rechtlich handelt es sich bei dem Gerät um eine lebensverlängernde Maßnahme, auf die per Patiententestament verzichtet werden kann.

Hoffe, das hilft Dir weiter.

Shakespeareslady
13.04.2006, 18:15
[QUOTE=Tombow]

Die meisten Geräte sind frei programmierbar, so daß man sie auch ausschalten kann. Einen Tod können sie nicht immer verhindern.

QUOTE]

so schnelle antworten, vielen dank!!
das mag eine dumme frage sein :-oopss , aber warum können sie einen tod nicht immer verhindern? zumindest das herz wird doch immer wieder "mobilisiert", oder? :-oopss

test
13.04.2006, 18:20
Im Herz gibt es ja eine elektrische Aktivität, die die motorische Aktivität sozusagen triggert und verursacht. Diese Kopplung zwischen elektrischer und motorischer Aktivitöt kann bei kaputtem Herzen salopp gesagt auch mal nicht mehr funktionieren. Dann hilft auch das Defibrillieren nichts mehr. Es versucht ja nur die normale geregelte elektrische Aktivität des Herzen wiederherzustellen.
Abgesehen davon funktioniert es eben auch nicht immer aus einem Flimmern wieder einen normalen Rhythmus zubekommen. Bei jeder Defibrillation gehen auch immer Myokardzellen kaputt, die Funktion des Herzens wird also weiter verschlechtert dadurch.

Ich habe auch mal einen Patienten gesehen, bei dem der Defibrillator beim Sex losging. War wohl nich so angenehm für die Partnerin.
Auch sehr unangenehm ist es, wenn der ICD mehrmals hintereinander fälschlich losgeht. Viele Patienten sind dann so traumatisiert, dass der ICD entfernt werden muß.

Tombow
13.04.2006, 18:24
Zum einen kann das Gerät selbst aufgrund von Programmierung/Platzierung der Elektroden oder einfach leerer Batterie nicht immer wieder effektiv sein, zum anderen ist es auch wie bei einer normalen Defibrillation - nicht immer gelingt es, das Herz wieder in einem "normalen" Rythmus zu bringen. Besonders wenn sie oft anspringen müssen, kommen die AICDs mit ihrer doch begrenzten Batteriekapazität an ihre Grenzen. Es gibt auch noch Zustände wie die elektromechanische Entkopplung, wo das Herz zwar eine (noch) normale elektrische Aktivität, aber gleichzeitig keine effektive Pumpfunktion aufweist. Und da diese Geräte alleine über die elektrische Aktivität getriggert werden, erkennen sie so einen Zustand nicht.

s*bärli
13.04.2006, 18:28
Ich habe auch mal einen Patienten gesehen, bei dem der Defibrillator beim Sex losging. War wohl nich so angenehm für die Partnerin.
Auch sehr unangenehm ist es, wenn der ICD mehrmals hintereinander fälschlich losgeht. Viele Patienten sind dann so traumatisiert, dass der ICD entfernt werden muß. also wenn er beim Sex `nen Schock bekommt, dann setzt das ja voraus, dass er Kammerflimmern hatte! Und ich denke, dass hätte die Partnerin aber ziemlich flott bemerkt, ich meine, bevor der Defi schockt, oder??
Und die leichten "Schläge" bemerkt man als Partner wohl nur mit leichtem Kribbeln oder so.

s*bärli, die mit ihrem Defi sehr gut klar kommt :-love
auch beim Sex :-blush

test
13.04.2006, 18:39
also wenn er beim Sex `nen Schock bekommt, dann setzt das ja voraus, dass er Kammerflimmern hatte! Und ich denke, dass hätte die Partnerin aber ziemlich flott bemerkt, ich meine, bevor der Defi schockt, oder??
Und die leichten "Schläge" bemerkt man als Partner wohl nur mit leichtem Kribbeln oder so.

s*bärli, die mit ihrem Defi sehr gut klar kommt :-love
auch beim Sex :-blush

Glaube nicht, dass man das unbedingt sofort bemerken muß? Ich weiß auch nicht genau wann der ICD schockt, ob bereits bei VT oder erst bei VF? und bei ner VT muß man ja noch nicht nach 2 sekunden was merken.
Kann aber auch gut sein, dass er fäschlich losging, keine Ahnung. Hatte damals nicht viel damit zu tun. War nur Gesprächsthema in der Abteilung ;-)

Andre05
13.04.2006, 18:41
Schau dir mal www.biotronic.de an.

Unter Patienten kannst du dir eine Infobroschüre runderladen.

"Impulse für ein langes Leben" Info für ICD Patienten.

http://www.biotronik.de/iso/2085.html

Rugger
13.04.2006, 18:57
Ich weiß auch nicht genau wann der ICD schockt, ob bereits bei VT oder erst bei VF? Unter Umständen gerät man ja auch aus dem Sinus in VF, dann hat man u.U. ja auch noch ein paar Sekunden, bis man das selber bemerkt. Moderne Defis schlagen dann vielleicht schon zu. Andere Theorie wäre, das sich der Patient beim GV ausbelastet hat, 200/min und dann irgendwann "überschwellig" geworden ist.
Mal ganz davon abgesehen, daß die Teile nicht unbedingt fehlerfrei arbeiten: ich hatte mal einen Patienten, dessen Defi hatte eine Fehlfunktion und er hat bei vollem Bewusstsein sage und schreibe 28x einen verpasst bekommen!
:-wow

R.

Sebastian1
13.04.2006, 22:29
Die AICDs müssen auch nicht unbedingt sofort schocken. Oft treten sie in Aktion, ohne dass der (noch bei Bewusstsein seiende) Patient etwas davon merkt, weil eben nicht geschockt wird, sondern eine sogenannte Burst-Stimulation (Synonym: Überstimulierung, overdrive pacing, antitachykardes pacing) erfolgt. (Details dazu finden sich haufenweise via Google ;).
Erst wenn die VT (bzw VF) persistiert wird dann ein Schock abgegeben. Das kann (je nach Programmierung) durchaus bis zu 30 Sekunden dauern - eine Zeitspanne, in der der Patient oft bewusstlos wird. Und dann gibt es noch die Ramp-Stimulation, bei der der Abstand zwischen den Pacing-Aktionen variiert wird (auch hierzu befrage zunächst Google - wenn Fragen offen bleiben, gern wieder hier, sonst tipp ich mir hier nen Wolf ;)

Zum Thema "VF während des Sex": Gar nicht so selten. Habe schon mehrere Patienten erlebt, die (vor allem unter Sildenafil) entsprechend vorerkrankt waren und dann beim Sex ins Kammerflimmern gerutscht sind und reanimationspflichtig wurden. Wie sich das dann mit einem AICD-Patienten anfühlt, weiss ich nicht :-D
Aber man bedenke, dass ein AICD nur mit etwa 10% der Stromstärke eines externen Defis arbeitet. Und man bedenke auch, dass es sich unterschiedlich anfühlt ob man z.B. eine 9-Volt-Batterie auf die Handfläche drückt oder auf die Zunge (oder eine beliebige andere Schleimhaut :-oopss )

Im übrigen sind AICDs zwar schweineteuer (um die 50.000 €), werden aber dennoch häufig implantiert.

Hez
13.04.2006, 22:42
Kommt es oft bei jungen Menschen vor? Und wie leben die damit? Stimmt es, dass man dann kein Auto mehr fahren darf?

Evil
14.04.2006, 09:51
Aber man bedenke, dass ein AICD nur mit etwa 10% der Stromstärke eines externen Defis arbeitet. Und man bedenke auch, dass es sich unterschiedlich anfühlt ob man z.B. eine 9-Volt-Batterie auf die Handfläche drückt oder auf die Zunge (oder eine beliebige andere Schleimhaut :-oopss ) Beim Testen nach Implantation zucken die Patienten aber ordentlich (deswegen wird das ja auch in Narkose gemacht, und ich halte in dem Moment immer Abstand), deshalb stelle ich mir das höchst unangenehm vor ;-).


Kommt es oft bei jungen Menschen vor? Und wie leben die damit? Stimmt es, dass man dann kein Auto mehr fahren darf? Derartige Herzfehler sind bei jungen Menschen sehr selten, die haben ja auch noch kein Hypertonie- oder KHK-geschädigtes Herz. Autofahren darf man meines Wissens, aber nicht als Berufskraftfahrer.

Feuerblick
14.04.2006, 10:01
Die Patienten zucken bei Schockabgabe schon ordentlich zusammen. Wirklich unlustig wirds in dem Moment, wo der gute Defi eine Fehlfunktion hat und mal "einfach so" zuschlägt. Ein Patient beschrieb mir das als "Ein Flammenschwert hat mich getroffen und dann hats mich umgehauen" und damit ziemlich plastisch.
Intraoperativ haben wir AICDs auch nicht unbedingt gerne. Präoperativ hebt daher immer eine hektische Suche nach dem Magneten an, der das Gerät passager ausser Gefecht setzen kann. :-D :-oopss

Evil
14.04.2006, 10:04
Und natürlich Bipol... :-D

Hez
14.04.2006, 10:17
Derartige Herzfehler sind bei jungen Menschen sehr selten, die haben ja auch noch kein Hypertonie- oder KHK-geschädigtes Herz. Autofahren darf man meines Wissens, aber nicht als Berufskraftfahrer.

Wenn man die von Tombow angesprochenen Syndrome (Brugada, LQT) berücksichtigt? Brugada-Patienten bekommen ja so gut wie alle einen ICD und bei LQTS scheiden sich die Geister...
Man sagte mir ma, dass man mit einen Defi angeblich nicht Auto fahren darf. Ich denke aber, dass man dann mit einer Herzerkrankung ohnehin auch im Auto eine VT/VF entwickeln könnte. Und allen das Autofahren verbieten, ist nicht möglich (zum Glück).

Evil
14.04.2006, 10:38
Wenn man die von Tombow angesprochenen Syndrome (Brugada, LQT) berücksichtigt? Brugada-Patienten bekommen ja so gut wie alle einen ICD und bei LQTS scheiden sich die Geister
Das ist alles selten, mir sind solche Patienten noch nicht begegnet.

Tombow
14.04.2006, 14:07
Man sagte mir ma, dass man mit einen Defi angeblich nicht Auto fahren darf. Ich denke aber, dass man dann mit einer Herzerkrankung ohnehin auch im Auto eine VT/VF entwickeln könnte. Und allen das Autofahren verbieten, ist nicht möglich (zum Glück).

Was das berufliche angeht (LKW-, Bus-, Straßenbahnfahrer, etc.), so schränken solche Krankheiten die Eignung für das Beruf ein. Ist genauso wie bei Epileptikern und Diabetikern. Es liegt aber im Ermessensspielraum des zuständigen Amts- bzw. Betriebsarztes. Schlüsselpunkt Selbst/Fremdgefährdung; solche Krankheiten könnten sowohl zur MdE als auch zur Berufsunfähigkeit führen. Macht man bei einer Untersuchung falsche Angaben oder verschweigt man sowas, kann das sowohl zur Kündigung und Berufsverbot als auch (im Falle eines Falles) zum Erlöschen von Versicherungs- und Rentenansprüchen führen.

Privat kann dir unter solchen Umständen aber keiner das Autofahren verbieten und es steht für die Ärzte(rein rechtlich) die Wahrung der Schweigepflicht im Vordergrund. Was hier der Arzt tun kann ist, nach Abwägung die Umstände der Polizei/dem zuständigen Ordnungs-/Straßenverkehrsamt zu melden, die dann weitere amtsärztliche Untersuchungen und/oder die MPU anordnen können, um deine Führerscheineignung festzustellen.

Meldet man als Arzt sowas, begeht man aber auch zwangsläufig eine Schweigepflichtverletzung, die sehr gut überlegt sein muß, da man sich damit unter Umständen rechtlich angreifbar macht.

Sebastian1
14.04.2006, 20:12
Nochwas zu der Häufigkeit:
Syndrome, die auch bei jungen Leuten KF/VT auslösen können wie Tombow sie genannt hat (LQTS, Brugada-Brugada-Syndrom) sind zwar nicht sooo häufig, aber auch keine völligen Exoten. In einer kardiologischen Abteilung sind sie schon von Zeit zu Zeit anzutreffen. Prävalenzzahlen kann ich dir nicht nennen, aber verraten, dass ich schon einige solcher Patienten - durchaus auch im jüngeren Alter - in den letzten Jahren zu Gesicht bekommen habe. Auffällig werden viele übrigens erst durch ein Akutereignis, welches sie primär überlebt haben und der sie in die Klinik in eine Kardiologie führt, nicht durch einen Zufallsbefund beim Hausarzt oder so. Die verlängerten QT-Zeiten fallen vielen nicht auf oder die ST-Hebungen in den rechtspräkordialen Ableitungen werden als RSB gedeutet oder aber das EKG ist (beim Brugada-Brugada-Syndrom) blande und würde nur durch bestimmte Tests demaskiert (ich meine mich zu erinnern, dass dies durch Klasse IC-Antiarrhythmika möglich ist, aber schlagt mich, wenns falsch ist) - die man natürlich nur bei einem entsprechenden Verdacht überhaupt durchführen würde. Hinzu kommt, dass das Brugada-Brugada-Syndrom als eigenständige Entität erst seit etwa 15 Jahren bekannt ist.

Gruß,
Sebastian

Hez
14.04.2006, 20:18
Die verlängerten QT-Zeiten fallen vielen nicht auf oder die ST-Hebungen in den rechtspräkordialen Ableitungen werden als RSB gedeutet oder aber das EKG ist (beim Brugada-Brugada-Syndrom) blande und würde nur durch bestimmte Tests demaskiert (ich meine mich zu erinnern, dass dies durch Klasse IC-Antiarrhythmika möglich ist, aber schlagt mich, wenns falsch ist) - die man natürlich nur bei einem entsprechenden Verdacht überhaupt durchführen würde.

Habe auch schon erlebt, dass Ärzte eine verlängerte QT-Zeit nicht ernst nehmen, oder eben nicht darauf achten.
Man macht bei V.a. Brugada einen Ajmalin-Test. 1mg pro kg KG, dann sieht man die typischen zeltförmigen ST-Hebungen in den rechtpräkordialen Ableitungen.