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Evil
19.04.2006, 09:21
So, für alle, die mit dem Gedanken spielen, mal zu den Gasleuten zu gehen oder sich einfach nur für Anästhesie interessieren, hier könnt Ihr mal hineinschnuppern.

Ihr bekommt von den Operateuren Patienten geschickt, die Ihr zunächst aufklären müßt, und dabei wird auch gleich die Art der Narkose festgelegt (Intubation, Larynxmaske, ggf. Regionalanästhesie). Außerdem müßt Ihr etwas Diagnostik betreiben, die Ihr vielleicht für die Narkoseführung braucht.

Dann wird narkotisiert, bei interessanten Fällen schildere ich das detaillierter.

Wenn irgendetwas unklar ist, fragt ruhig nach! :-top
An die erfahrenen Kollegen hier (z.B. W oder Hypnos): Ihr könnt ruhig mal was anmerken oder korrigieren, wenn Euch etwas auffällt.

Evil
19.04.2006, 09:24
Der erste Patient:

männlich, 43 Jahre alt, soll von den Orthopäden am rechten Knie athroskopiert werden

Welche Narkosen kommen in Frage? Welche Infos brauchen wir?

Flohri
19.04.2006, 09:48
OK, dann mach ich mal den Anfang und zaehle auf, was mir so spontan einfaellt:

Narkosen, die in Frage kommen:
1) Allgemeinanaesthesie (ggf. aber mit Larynxmaske?)
2) Spinalanaesthesie
3) vielleicht noch Periduralanaesthesie?
abhaengig vom Wunsch des Patienten und Operateurs...

Infos, die wir brauchen:
1) AZ und EZ (auch Alkoholkonsum/Raucher?)
2) Vorerkrankungen (Diabetiker?, Herzerkrankungen?,Asthma?,...)
3) Dauermedikation (z.B. Marcumar, Insulin)
4) Medikation vor der OP (z.B. Antibiotika?)
5) Unvertraeglichkeiten/Allergien (v.a. gegen Medikamente)
6) bisher erlebte Narkose-Techniken und ggf. Komplikationen
7) vorangegangene Operationen am Knie (ok, vielleicht nicht ganz soo wichtig)
8) dann natuerlich ASA, Mallampati

So, das waer's fuers Erste...habe ich etwas Wichtiges vergessen? *ueberleg*

Schimmelschaf
19.04.2006, 10:53
Nonsense *lösch*

The Runt
19.04.2006, 12:42
Hallo,

Fragen wie oben + kurze mal auf Herz und Lunge hoeren.
Also ich waere fuer eine TIVA mit Larynxmaske. Das Kniespiegeln geht doch fix. Also irgendwas gut steuerbares als Narkosemittel (Propofol, Ramifentanyl und Atrac?). Natuerlich nur wenn keine KI/Probleme vorhanden.

ramirez
19.04.2006, 13:11
Ich hätte dann auch ganz gerne eine Gerinnung wenn ich schon in den Rücken stechen will... und vielleicht wäre auch ein 3-in-1 Block mit zusätzlichem Ischiadikusblock eine Überlegung wert (für die Regionalanästhesiefreaks)...

Evil
19.04.2006, 14:52
Das geht ja schon richtig gut los hier :-top

Dann wollen wir mal:
der Patient hat netterweise schon den gelben Narkosebogen für die Anamnese ausgefüllt, daraus entnehmen wir:
- 1,83m 85 kg
- bis auf Hypertonie keine Vorerkrankungen
- als Kind appendektomiert, Narkose unauffällig
- Einnahme von Enalapril, sonst keine Medikamente
- keine Allergien
- Zahnstatus (!) gut
- 10 Zig/d, gelegentlicher Alkoholkonsum
- keine besondere Neigung zu Übelkeit
- ansonsten auch keine Beschwerden

Damit setzen wir den ASA (American Society of Anasthesiologists, Risikoklassifikation, 1-5) mal auf II (also mit Vorerkrankungen).

Prinzipiell ist die Wahl des Narkoseverfahrens egal, zur Auswahl stehen Vollnarkose (in LaMa, ITN nicht notwendig, OP-Dauer < 1h, warum dann relaxieren?) oder Spinalanäthesie.
PDA wäre möglich, ist aber teurer und aufwendiger, und einen Schmerzkatheter braucht der Pat. nicht. Das Gleiche gilt für Femoralis- (3 in 1) und Ischiadicus-Blokade.
Ich persönlich bevorzuge Spinale, solange die Pat. kooperieren.

Was brauchen wir für dafür noch an Diagnostik (bzw grundsätzlich)?

Auskultieren... ja, aber da warten noch 20 andere Patienten, und welche Informationen für die Narkose gewinnen wir dadurch?

macepaker
19.04.2006, 15:16
Mmh, Enalapril kann er weiter nehmen, mal die Blutdruckwerte in der Kurve nachgucken, ob das reicht.
Also in den Mund (Mallampati) würd' ich ihm schon gucken wollen & Halsbeweglichkeit testen, auch wenn ich ihn nicht berüsseln wollte und das dokumentieren. Dann nochmal konkret nach Rücken-Op's/Prolaps fragen, evtl. angucken und ihn dann für 'ne Spinale und ne balancierte Anästhesie mit LM&Intubationskompl. aufklären (für den Notfall).
Labor mit Gerinnung, BB, Elyte, Transaminasen & Krea
Nen RöThorax ? (Mist, schon wieder vergessen, ab wieviel Jahren man das macht :-blush )

Gichin_Funakoshi
19.04.2006, 15:30
Es wär cool, wenn mir jemand erklären könnte, was ein Zahnstatus ist und wen das interessiert! :-notify

macepaker
19.04.2006, 15:38
Naja, es ist ja schon entspannter, vorher zu schauen, ob Zähne wackeln/muss das Gebiss/Teilprothese 'rausgenommen werden, als wenn Du intubierst und die kariösen/wackeligen Zähne Dir munter die Trachea runterkullern... :-)) Du schaust halt mal nach den Zähnen (nicht so wie beim Zahnarzt, der jede Macke dokumentiert)
Hach, ist das ein klasse Thread! Endlich mit besserem Gewissen Lernvermeidungs-Internetsurfen. :-dance :-blush

ramirez
19.04.2006, 15:41
Es wär cool, wenn mir jemand erklären könnte, was ein Zahnstatus ist und wen das interessiert! :-notify

Hat der Patient noch eigene Zähne, wenn ja wie viele und v.a. wie fest sitzen die -> vorher dokumentieren a) um diese Zähne bei der Intubation zu umschiffen und b) aus forensischen Gründen, damit der Patient hinterher nicht saen kann der Anästhesist hätte die Zähne beschädigt die vorher schon kaputt waren :-stud

edit: Mist, zu langsam
edit2: der 3-in-1-Block war auch nur präexaminöser Wahnsinn :-)

Doktor_No
19.04.2006, 15:57
rücken anschauen, ob skoliose oder so wegen des einstiches? evtl rö thorax (10 kippen/tag), ekg (hypertonie).

netfinder
19.04.2006, 16:10
Auskultieren... ja, aber da warten noch 20 andere Patienten, und welche Informationen für die Narkose gewinnen wir dadurch?

sollte der Befund pathologisch sein, koennte ein EKG noch in erwaegung gezogen werden...

Evil
19.04.2006, 21:25
Diagnostisches MUSS vor jeder Narkose sind Labor (so ab 18 Jahren) und EKG (ab 40 Jahren).

Für die Spinale brauchen wir auf jeden Fall die Gerinnung, das sollte auch bei peripheren Blockaden bestimmt werden (Nervenschäden durch Hämatome erhöhen die Police ;-) ), der Rest interessiert nur, wenn es sehr pathologisch ist.
Da der Patient ohnehin schon Hypertoniker ist, sollte man in jedem Fall mal aufs EKG kucken (auch wenn ich gestehen muß, daß ich das nicht immer mache :-blush )

Rö-Thx ab 60, es sei denn es sind Lungenerkrankungen/ -OPs bekannt.

Die Mundöffnung kann man sich anschauen, meiner Erfahrung nach korreliert aber die Schwierigkeit des Intubierens kaum damit... deshalb sind bei mir alle Mallampati II :-D (Skala geht von I = Scheunentor bis IV).

Medikamente setzen wir grundsätzlich vor OPs ab, Ausnahme sind Betablocker, Koronarmittel, Antiepileptika, Kortison und noch ein paar andere.
ACE-Hemmer auf jeden Fall am OP-Tag ab, weil jede Narkose den RR senkt, insbesondere die rückenmarksnahen.

Zur Auskultation: bei beschwerdefreien Patienten bringt Dir die Information über ein 3/6 Systolikum nichts, denn 1. ist die OP kurz und nicht aufwendig, und 2. beeinflußt es die Narkoseführung nicht.
Bei bekannten Lungenerkrankungen ist das was anderes, aber hier beatme ich ja (wahrscheinlich) nicht.

@ No: Der Blick auf den Rücken sagt leider auch nicht viel über die Schwierigkeit beim Stechen der Spinalen aus...

@ Macepaker: schön erklärt mit den Zähnen :-)

Worüber klären wir jetzt auf? Wie sieht das mit der Nüchternheit aus?

Hellequin
19.04.2006, 21:39
Wie sieht das mit der Nüchternheit aus?
Nüchtern auf jeden Fall; nur so für den Fall der Fälle.

Evil
19.04.2006, 21:43
Nüchtern auf jeden Fall; nur so für den Fall der Fälle.Ja sicher, aber bis wann darf der Pat denn essen? Das muß man ihm schon sagen..

Flohri
19.04.2006, 21:44
Aufklärung:

Spinale, bei Komplikationen Intubation (und dann kommt wieder das Stichwort "Zahnstatus" ins Spiel :-)) ...also auch mal die Beißerchen anschauen, v.a. die vorderen oberen Schneidezähne)
EKG, da Patient über 40 (danke Evil, mir hat das mein Anästhesist auch mal gesagt, aber ich hab's wieder vergessen)
Enalapril wird am OP-Tag abgesetzt


Nüchtern:

ab 22h am Vor-OP-Tag nix essen, trinken, rauchen, kiffen o.ä. :-party

Nachtrag zur Nüchternheit:
Wenn die OP erst nachmittags um 16h oder so angesetzt ist, darf er dann morgens was Kleines frühstücken? die Patienten, die dann mit dem Magen in den Kniekehlen in die Einleitung kamen, weil die OP statt morgens (wie geplant) erst nachmittags stattfand, waren allesamt nicht sonderlich begeistert ;-)

Evil
19.04.2006, 21:50
Nach den aktuellen Leitlinien dürfen die Pat bis 6h vorher essen und bis 2h vorher trinken (keine Milch!), ich sag immer bis 24 Uhr essen, bis 6 Uhr trinken.

Über welche Risiken müssen wir aufklären?


EDIT: Keine Ausnahmen mit essen, wenn sich das Programm ändert, können die Pat am Ende deshalb nicht operiert werden, das kommt gar nicht gut ;-)

Flohri
19.04.2006, 22:02
aah, ok, danke.
warum keine Milch?

Durchführung und Risiken *ans Anästhesie-Praktikum zurückdenk*

Durchführung der Spinalen erklären (führe ich jetzt mal nicht weiter aus mangels tieferen Wissens :-lesen )

Risiken während OP:

Allergische Reaktion auf Lokalanästhetika
Verletzung von Blutgefäßen
Verletzungen von Nerven
Rückenmarksverletzungen
Blutdruckabfall
Störungen der Atmung, falls Betäubung zu weit nach oben geht

bei Atemstörungen dann ggf. Intubationsnarkose.
RR-Abfall ist zu erwarten, kann daher auch schon medikamentös vorbehandelt werden.
andere Risiken treten selten auf


Risiken post-OP:

Infektionen (um Einstichstelle)
Kopfschmerzen
Blasenentleerungsstörungen


dann wäre noch zu erwähnen, dass erst nach Abklingen der Spinalen wieder gegessen und getrunken sowie aufgestanden werden. Strassenverkehr-Teilnahme (und Arbeit an Maschinen) erst wieder nach 24h, oder? *grübel*

Flohri
19.04.2006, 22:05
EDIT: Keine Ausnahmen mit essen, wenn sich das Programm ändert, können die Pat am Ende deshalb nicht operiert werden, das kommt gar nicht gut ;-)

stimmt, da sind dann die Chirurgen gar nicht begeistert :-))