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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fall 04/2006 - Ein Orthopädischer Fall



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mariechen26
25.04.2006, 11:12
Es ist Ostermontag, bisher hattet ihr einen ruhigen Tag als diensthabende Orthopädin. Um 18 Uhr geht der Funk und ihr werdet in die Ambulanz gerufen.

Dort sitzt eine junge Frau, 22 Jahre alt, im Rollstuhl, weint vor Schmerzen und hat ein richtig "dickes" Knie, kann nicht alleine auf die Trage umsteigen...
Was nun?

Viel Spaß!!!

Werwolf
25.04.2006, 11:24
Hm. Sie weint vor Schmerzen und hat ein "dickes Knie". Kann das "prima vista" ´ne luxierte Patella sein? Dann ganz kurze Anamnese und rein damit! Sonst:

Anamnese:
- Trauma? (Wenn ja, genauer erfragen)
- seit wann dieser Zustand?
- Voroperationen, Verletzungen, intraartikuläre Injektionen?
- usw.

Inspektion, Palpation:
- Haut- Weichteilverhältnisse (im Seitenvergleich)
- Schwellung, Rötung, Überwärmung?
- diffuse Weichteilschwellung oder Gelenkerguß?
- aktive Beweglichkeit?

und dann, sofern sinnvoll und für die Patientin tolerabel klinische Untersuchung:
- Bewegungsumfang passiv?
- Bandapparat?
- Meniskuszeichen?

Wenn kein Trauma und auch sonst kein Anhalt für Verletzungen an Knochen/Bändern/Gelenken, sondern "Spontanschmerz", Gelenkerguß und V.a. irgendwas Infektiöses: Rückkehr zur Anamnese

Naja, aber sag erstmal, wie´s weitergeht! :-)

mariechen26
25.04.2006, 11:43
- Traumaanamnese leer, seit 5 Tagen zunehmende Schmerzen, erst nur in Bewegung, seit heute morgen ständig, auch in Ruhe, Pat. hat zu Hause bereits mit Kühlung begonnen, aber keine Besserung

- hatte im Januar ne diagnostische ASK re Knie mit Meniskusglättung beim Chef (die junge Dame ist Privatpat.) nach einem Sturz aufs Knie, war aber nach entsprecheneder Mobi wieder fit und beschwerdefrei

- sonst keine VEs, Familienanamnese leer

- nach der Aktion "Hose und Strümpfe aus", schaue ich mit das Knie an: massive Schwellung,im Seitenvergleich hochrot und überwärmt, tanzende Patella (ausgedehnter erguss) und diffuser Druckschmerz über dem medialen Retinaculum,
beim Versuch weiter zu untersuchen (Stabilität, Meniskus und so weiter) schreit Pat vor Schmerz und ich breche vorerst ab

- in der Zeit hat die nette Schwester schon mal die Temp gemessen, die bei 36,5 °C liegt

so, und nun?

Werwolf
25.04.2006, 12:17
Hm. Schaut nach Infekt aus. Blutentnahme (Infektparameter), wenn Infektparameter positiv (und kein anderer Grund dafür) --> Kniepunktion unter sterilen Kautelen. Das Punktat zur bakteriologischen Untersuchung.
Wenn das Punktat schon giftig aussieht, stationäre Aufnahme der Patientin, kalkulierte Antibiotokatherapie, Aufklärung über Arthroskopie (und ggf. offenenes Vorgehen), etc.
Wie ist die Patientin denn sonst so klinisch? Schweres Krankheitsgefühl? Zeichen der beginnenden Sepsis? Oder eigentlich quietschgesund- abgesehen vom Knieschmerz?

mariechen26
25.04.2006, 12:39
- reduzierter AZ, durch die Schmerzen (Pat vermeidet jede Bewegung) und Schlafmangel, ansonsten klinisch unauffällig, keine Zeichen einer beginnenden Sepsis (Temp normwertig), Pat sehr schreckhaft und ängstlich, weint weiterhin

- klinische Untersuchung des Knies weiterhin nicht möglich

- was interessiert mich noch in der Anamnese?

Werwolf
25.04.2006, 12:52
Intraartikuläre Injektionen seit der OP? Stichwort "reaktive Arthritis"? (Durchfallerkrankungen, etc. ) ?

Wie wurde denn die Temperatur gemessen? (Sorry, doofe Frage.Ich hatte aber neulich ´ne Patientin, die definitiv septisch war- Temperatur s.l. 36,8... Aber Tachypnoe und AZ-Verschlechterung beim Zugucken. )

mariechen26
25.04.2006, 13:22
- keine intraartikulären Injektion
- Temp digital im Ohr gemessen, stimmt auchwohl, da Pat sonst kein Krankheitsgefühl angibt, Puls bei 88 auch ok, RR 100/60 (junge, schlanke Frau eben)
- keine Durchfälle
- keine Auslandsaufenthalte in diesem Jahr
- keine Allergien
- keine besondere Belastungen für das Knie in den letzten Wochen
- Pat studiert

- ok, also weiter: kurze Rücksprache mit meinem OA, der meine Verdachtsdiag, Gelekinfektion teilt
- Pat über meinen Verdacht und Procedere info
- Blutabnahme (welche Werte wollt ihr?)
- sofortige Gelenkpunktion (ich warte nicht aufs Labor), warum? Durchführung? Was mache ich mit dem Punktat?
- stat. Aufnahme der Pat! Warum?
- Analgesie? Wenn ja, womit?

Alles wird gut
25.04.2006, 13:26
Sind Zeckenstiche bemerkt worden? Wie ist ihr Freizeitverhalten, wenn sie keine Knieschmerzen hat? Hatte sie schon mal Gelenkprobleme, abgesehen von der OP.
Gibt es evtl. einen Hinweis auf ne Gonokokken-Infektion in der Anamnese?
Was ergibt die Medikamentenanamnese/Reiseanamnese?

Werwolf
25.04.2006, 13:33
Labor: Infektparameter. (CRP, Leukos und was im Haus halt sonst noch so üblich ist.) Ggf. den ganzen Serologie-Kram.

Punktion (meinetwegen sofort, ich persönlich hätte erstmal das Lab abgewartet. ) natürlich unter absolut sterilen Kautelen. Punktat geht zur bakteriologischen Untersuchung. Wenn´s schon böse aussieht, kalkulierte Antibiotikatherapie. Analgesie nach "Art des Hauses". Perfalgan/Novalgin/Diclofenac/etc.

Stat. Aufnahme, weil man jemandem mit ´nem Gelenkempyem (so es sich denn um ein solches handelt) stationär behandeln sollte...

mariechen26
25.04.2006, 13:35
- nimmt keine Medis
- keine Auslandsaufenthalte
- bis auf den Sturz im Jan. keine knie- oder sonstige Gelenkbeschwerden
- keine Infektionen
- keine besonderen Freizeitaktivitäten (kein Sport oä)

mariechen26
25.04.2006, 14:12
Nachtrag: - Zeckenbisse hab ich nicht gefragt

- Labor ist abgenommen (BB, CRP) und warte auf Ergebnisse
- ich punktiere das Knie sofort, weil da ja ein Erguss drin ist (Sogar massiv) und ich das nicht nur zur Diagnostik mache, sondern auch zur Entlastung
- bei der Punktion kann ich 80ml eitrige Flüssigkeit aspirieren, die ich sowohl in die MiBi (Abstrich+Gramfärbung) und ins Labor (Leukos, Erys im Punktat)?
- Pat erhält nen Druckverband und wird auf Station gebracht
- jetzt will ich ihr was zur analgesie geben, aber was? (Sorry, aber die Vorschläge von Werwolf lehne ich alle ab...), dran denken: die Pat hatte eh schon Schmerzen, jetzt hab ich sie noch punktiert und Va auf Gelenkinfektion..


Und Jetzt? Wie geht es weiter? Rufe ich meinen OA nochmal an?

FrederikMD
25.04.2006, 14:19
Nachtrag: - Zeckenbisse hab ich nicht gefragt

- Labor ist abgenommen (BB, CRP) und warte auf Ergebnisse
- ich punktiere das Knie sofort, weil da ja ein Erguss drin ist (Sogar massiv) und ich das nicht nur zur Diagnostik mache, sondern auch zur Entlastung
- bei der Punktion kann ich 80ml eitrige Flüssigkeit aspirieren, die ich sowohl in die MiBi (Abstrich+Gramfärbung) und ins Labor (Leukos, Erys im Punktat)?
- Pat erhält nen Druckverband und wird auf Station gebracht
- jetzt will ich ihr was zur analgesie geben, aber was? (Sorry, aber die Vorschläge von Werwolf lehne ich alle ab...), dran denken: die Pat hatte eh schon Schmerzen, jetzt hab ich sie noch punktiert und Va auf Gelenkinfektion..


Und Jetzt? Wie geht es weiter? Rufe ich meinen OA nochmal an?
Gonorrhoische Monarthritis?

Alles wird gut
25.04.2006, 14:21
Serologie: Erstmal Borrelien, Clamydien, Yersinien, Gonokokken. Evtl. noch ANA, um auch mal in die andere Richtung geschaut zu haben.

Sterile Gelenkpunktion unter Lokalanästhesie(?) zur Entlastung und Beuteilung des Exudates (eitrig, klar, trüb, blutig...). Eine Probe auf Aerobier und eine für Anaerobier. Umgehende mikroskopische Untersuchung des Punktats (nativ/gram).

Alles wird gut
25.04.2006, 14:23
Verdammt bin ich langsam heute.... :-nix :-)) :-music

Analgesie mit Dipidolor oder Tramal?

Werwolf
25.04.2006, 15:17
Was hast Du gegen meine Analgetika? Nicht "potent genug"? Aber manchmal tut so´n Knie ja auch schon deutlich weniger weh, wenn der Erguß raus ist. (Vor allem, wenn´s 80ml waren- das ist ja nicht gerade ´n Pappenstiel!)
Antibiotikum kriegt sie sowieso.
Serologie mit Testung auf die genannten Tierchen ist klar.
Aber wenn das Punktat richtig eitrig war, sieht´s mehr nach ´ner akuten Geschichte als nach einer reaktiven Arthritis aus, oder?

Ist die Patientin sonst in irgendeiner Weise immunsupprimiert? Soooo schnell kommt man ja nicht zu einem Kniegelenksempyem.
Ach ja- vor Beginn der kalkulierten Antibiotikatherapie sollte man natürlich nochmal Blutkulturen abnehmen.

mariechen26
25.04.2006, 15:50
Danke "Alles wird gut"! Dat Mädel hat Schmerzen und so eine Punktion muß auch die Hölle sein!

- ich leg ne Viggo, nehme dabei BKs ab
- ich ordne ne halbe Ampulle Dipidolor als Kurzinfusion an, sowie 3g Unacid

Meiner Pat ist jetzt erst mal versorgt, alles "Labortechnische" auf den Weg gebracht...

Ruf ich jetzt meinen OA an oder warte ich ab?

Werwolf
25.04.2006, 16:15
Ich würde abwarten, bis das Labor da ist. (Zumindest die Infektparameter).
Es gibt Oberärzte, die es nicht sonderlich schätzen, "live" über jeden Schritt der Diagnostik und Therapie auf dem Laufenden gehalten zu werden. :-D Die wollen erst gefragt werden, wenn schon ein paar mehr Fakten auf dem Tisch liegen...
Übrigens würde ich der jungen Frau nicht unbedingt Dipi verpassen, wenn die so´n schlappen Druck hat! (Hab mir schon was gedacht bei Perfalgan/ Novalgin/ Diclo.)
Und sooo dramatisch ist eine Kniepunktion nicht, wenn man ein bißchen LA gibt. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, daß die Schmerzsymptomatik meist schon deutlich geringer ist, wenn das Spannungsgefühl durch den massiven Erguß weg ist.

mariechen26
25.04.2006, 16:29
- stimmt, Pat fühlt sich nach der Punktion schon besser
- über das Dipi lässt sich streiten, aber die Pat hatte den ganzen Tag Schmerzen und ich möchte sie jetzt schmerzfrei haben. Den RR find ich bei dem jungen Mädel nicht zu niedrig, um an den BTM- Schrank zu gehen und ich möcht ihr auch nichts fiebersenkendes geben, den mann weiß já nie
- Inzwischen kommt das Labor, in dem ihr seht das die Pat ne Leukozytose hat(genauen Wert hab ich nicht im Kopf *schäm*) und das CRP bei 397 mg/l liegt.

Wie geht es weiter?

Alles wird gut
25.04.2006, 16:58
Also eine bakterielle Genese ist jetzt ja ziemlich wahrscheinlich. Dann können wir erstmal nur hoffen, dass die Keime auf das Unacid ansprechen... wenn das Ergebnis aus der Mibi da ist, kann man evtl. überlegen auf eine gezieltere Antibiose umzusteigen.

Gibt es eigentlich auch schon ne Bildgebung? Bin mir nicht sicher, ob das Usus ist aber man könnte ja mal schauen, ob der Infekt schon irgendwelche versorgungsbedüftigen Läsionen produziert hat. Ob da dann Röntgen und/oder Sono ausreicht oder man gleich im MRT anruft, weiß ich allerdings auch nicht.

Werwolf
25.04.2006, 17:00
Dann würde ich jetzt mal ´ne Info an meinen OA geben und eine OP-Aufklärung machen (Arthroskopie, Spülung, Einlage von Antibiotikaträgern, ggf. offenes Vorgehen, etc.)
Wenn der OA mit meinem Therapievorschlag (Skopie) d`accord geht, würde ich im OP anrufen und mal fragen, wie´s denn so ausschaut und ob man willens und in der Lage wäre, noch ´ne Arthroskopie einzuschieben. :-))