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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Myokardinfarkt - normales EKG



Tse Tse
29.04.2006, 11:40
Hi, :-)

ich habe ein paar Fragen zu dem Thema, zugegeben etwas naiv, aber vielleicht hat ja jemand Lust was zu schreiben.
Die kurze Version:
- warum kann ein EKG bei einem Infarkt unauffällig sein?
- ist eine Erweiterung der Ableitungen bei normalem EKG oder NSTEMI sinnvoll?
- wie beginnt man die Therapie bei einem vermuteten Infarkt, wenn das EKG unauffällig ist und das Labor noch nicht vorliegt?

Und die längere:
mir ist leider überhaupt nicht klar was genau passiert, wenn sich im EKG kein Myokardinfarkt zeigt, aber später durch das Labor doch bestätigt wird.
Liegt das an der Lokalisation des Infarktes, der durch die Ableitungen nicht erfasst werden kann? An einer geringeren Größe des Infarktgebietes oder an etwas anderem?

Und das andere, ich habe gelesen, das ein genaueres EKG posteriorer Anteile des Herzens und im Versorgungsgebiet der RCX durch Ableitungen nach Nehb oder Erweiterungen um V7, V8, V9 erzielt werden kann.
Z.B. hatte letzte Woche ein Patient einen V.a. einen Myokardinfarkt, die herkömmlichen 12-Kanalableitungen zeigten keine ST-Veränderungen (und sonst wohl auch keine Auffälligkeiten, Q-Zacke unauffällig, keine ST-Senkung), das Labor erbrachte später eine Erhöhung der CK (200 U/l) und TN-I (1,35).
Wäre es da nicht sinnvoll dann die Ableitungen zu erweitern, um diese Anteile zu erfassen?
Der Patient hatte schon mal einen Verschluss der RCX.
Oder wird dieses Gebiet bei einem Infarkt auch durch die herkömmlichen Ableitungen gut genug erfasst und diese Erweiterungen sind mehr so ein "elektrophysiologisches Ding"?
Vielleicht spielt es ja aber auch keine Rolle für das weitere Vorgehen.

Und daran anknüpfend, was passiert eigentlich in der Zeit zwischen geschriebenem normalen EKG, wenn die Symptomatik dennoch für einen Infarkt spricht und dem Warten auf die Laborergebnisse. Wie wird man den Patienten in der Zwischenzeit behandeln? :-blush ...das lässt sich bestimmt nicht generell beantworten, aber vielleicht in Grundzügen.
Leider habe ich erst ein paar Tage später da auf Station angefangen, als das akute Ereignis vorbei war und die Frage kommt mir natürlich jetzt am Wochenende, wo ich niemanden fragen kann.

Tombow
29.04.2006, 12:10
- warum kann ein EKG bei einem Infarkt unauffällig sein?
Infarktareal zu klein oder so lokalisiert, daß es nicht ohne weiteres vom EKG erfaßt werden kann, Elektrodenkontakt und -position nicht so optimal, Infarkt noch zu frisch.


- ist eine Erweiterung der Ableitungen bei normalem EKG oder NSTEMI sinnvoll?
Nicht immer. Trop-T, bzw. Trop-I sind schnell verfügbar (Schnelltest ~10min), ein erweitertes EKG aufwendiger und nicht immer durchführbar.


- wie beginnt man die Therapie bei einem vermuteten Infarkt, wenn das EKG unauffällig ist und das Labor noch nicht vorliegt?
In "gewohnter Manier", wie es so schön heißt. Details sind den aktuellen Leitlinien zu entnehmen, z.B. hier (http://leitlinien.dgk.org). Sind ANDERE Ursachen für die Symptomatik ausgeschlossen und/oder ist die Diagnose Myokardinfarkt nicht gesichert, gilt das ganze als akutes Koronarsyndrom und wird entsprechend behandelt.

fatman
29.04.2006, 12:30
Ich denke es kommt zu ST-Strecken-Hebungen in den bertoffenen Ableitungen der Areale in denen die ausgeprägte Ischämie vorliegt, da sich hier kein Aktionspotential bilden kann und somit der elektrische Vektor über der Zeit, in der eigentlich das gesamte Myokard erregt sein sollte, bestehen bleibt. Je nachdem, ob der Vektor nun auf das betroffene Areal zeigt oder davon weg, kommt es zu einer ST-Strecken-Hebung oder Senkung, weswegen man beim STEMI ja auch immer korrespondierende ST-Strecken-Senkungen hat.
Bei einem NSTEMI- oder älter, Innenschichtinfarkt, ist die Ischämie lange nicht so stark ausgeprägt, ein AP kann sich auch noch in gewissem Maße über den betoffenen Arealen ausbilden, deshalb kommt es nur zu Ischämiezeichen wie einer ST-Senkung oder T-Iversion kommt, also gewisse Störungen der Erregungsausbreitung und Rückbildung, aber wenn das Infarktgebiet hier klein genug ist, wird man unter Umständen im EKG auch gar nichts sehen können. Meiner Meinung hiflt es nicht wirklich, die hinteren Ableitungen standardmäßig mit zu schreiben, da sie nicht helfen werden, einen NSTEMI zu diagnostizieren, aus oben genannten Gründen, und bei einem STEMI der Hinterwand sollte es möglich sein, diesen aus den korrespondierenden Senkungen in V1-V2/3 und/oder erhöhtem R auch so einen STEMI der Hinterwandinfarkt zu diagnostizieren, ohne das man zwingend die posterioren Ableitungen schreiben muss.
Was es sonst für Gründe gibt, die Ableitungen um die posterioren zu erweitern, weiß ich nicht.
Was die Behandlung angeht, bin ich auch überfragt, aber ich würde den Patienten wie einen Patienten mit nachgewiesenem Trop-Anstieg behandeln, die PTCA kann in diesem Fall ja sowieso 24h warten. Konkret also ASS, Clopidogrel, Heparin, ß-Blocker, Nitro, evtl. Morphin.

Tse Tse
29.04.2006, 13:02
Ich dank euch beiden!
Das ist klasse. :-top

Schädelspalter
29.04.2006, 13:30
Z.B. hatte letzte Woche ein Patient einen V.a. einen Myokardinfarkt, die herkömmlichen 12-Kanalableitungen zeigten keine ST-Veränderungen (und sonst wohl auch keine Auffälligkeiten, Q-Zacke unauffällig, keine ST-Senkung), das Labor erbrachte später eine Erhöhung der CK (200 U/l) und TN-I (1,35).
Wäre es da nicht sinnvoll dann die Ableitungen zu erweitern, um diese Anteile zu erfassen?

Die Vorderwand hat man ja recht gut durch die vorderen Brustwandelektroden, allerdings kann man hierdurch auch die Hinterwand beurteilen, die Hebungen sind dann aber spiegelverkehrt (also Senkungen).
Die "erweiterte" Elektrodenposition (v 7 - v 9) macht natürlich die Lokalisation leichter (bessere Ortsauflösung), wenn das EKG aber völlig unauffällig ist, wird man auch in den Erweiterungen nichts sehen.

Herzstromkurve
02.05.2006, 14:37
Zum "normalen EKG-negativem Infarkt" = NSTEMI
Dies ist die häufigste Konstellation, wenn von einem Infarkt die Rese ist, aber keine Hebungen nachweisbar sind:
Hier wurde ja schon auf die Guidelines verwiesen: Infarkt heißt ja klinisch definiert AP und/oder Enzyme und/oder EKG-Hebungen (2 aus 3)
Es gibt also per definitionem Infarkte ohne EKG-Hebungen, hier liegt in der Regel kein kompletter Gefäßverschluß vor, ein solcher (und damit ein STEMI) droht aber. Daher eben entweder "sofortige" PTCA (<2h) oder frühe PTCA (<48h mit Schutz durch GP-Rezeptorantagonisten)

Zum "EKG-negativen STEMI" (=Gefäßverschluß ohne ST-Hebungen):

Also, einen Teil der Problematik habt Ihr ja schon beschrieben,
bei uns heist es auch "CX-siehst nix".

Zur Praxis (etwas vereinfacht):
1) Große, prognostisch relevante STEMIs sieht man im EKG (auch beim RCX)
2) Infarkte, die man (in den Standardableitungen) nicht sieht, sind nicht so groß und nicht so relevant, formal als ACS, bzw. (bei pos. Enzymen) dann als NSTEMI zu behandeln (s.o.)

Aber: Wie so oft, Klinik führt: Wenn ein Pat. mit ACS (typische Symptomatik, kein anderer offensichtlicher Grund) unter Standardtherapie nicht beschwerdefrei wird, wird er eben doch gleich kathetert, damit erwischt man dann auch die "EKG-negativen STEMIs"

Im Übrigen: Auch wenn ich es selbst nur selten mache: Die Erweiterung des EKGs ist selbstverständlich nicht nur schneller und einfacher sondern auch billiger als TropT *klugscheißmodusaus*

el_Barto
13.05.2006, 12:40
Aber warum sollte ich das tun? Ich hab nen positiven Trop-T Schnelltest und ne CK-Erhöhung, da isses mir doch Wurst, was das EKG macht. Entweder er hebt, dann isses eben ein MI, oder er tuts nich, dann isses eben ein NSTEMI oder ACS...so oder so bekommt er schneller einen Katheter reingewurschtelt, als er ,,Clopidogrel´´ sagen kann. :-meinung

Tse Tse
13.05.2006, 19:33
Na, ich hatte gefragt, da ich nicht wusste wie lange so ein Schnelltest dauert.
Um die Schoße noch mal anders zu formulieren: dachte, dass sich bei einem normalen EKG und einem vermuteten Infarkt durch zusätzliche Ableitungen die posterioren und lateralen Anteile des Herzens genauer erfassen lassen, die vielleicht in den Standartableitungen unauffällig waren, während man noch auf's Labor wartet. *schnauf* :-)
Aber das hat sich dann geklärt.
Nen Katheter wurde bei dem Patienten nicht gemacht, da er eine Pneumonie hatte.

---
Letzte Woche gab's dafür den umgekehrten Fall: eine Patientin mit V.a. Myokardinfarkt zeigte eine "ST-Veränderung" (eine vermeintliche Infarkt-Hebung) im EKG.
CK und Troponin-I waren dann aber negativ, das CRP war hoch.
Bei erneuter Betrachtung des EKG's (neben einigem anderen an Diagnostik) wurde dann eine Perimyokarditis diagnostiziert.
Find das schon abgefahren, was man da alles interpretieren kann...

el_Barto
13.05.2006, 21:31
Pneumonie, Schneumonie...