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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : angst vor verantwortung>>zweifel am studium und am beruf!



jackie21th
02.05.2006, 16:01
Hallo,

ich bin im Moment in einer sehr schwierigen situation.Meine Zweifel sind so stark, dass Ich erwäge mein Medizinstudium abzubrechen und etwas anderes zu studieren.
Ich leide unter starken psychischen Problemen - unter anderem starken Depressionen. Während meines Studiums habe ich nach und nach alle meine Hobbies aufgegeben und habe nur spärliche soziale Kontakte - fast die gesamte Zeit, habe ich, wenn es mir meine Krankheit ermöglicht hat, vor den Büchern gesessen. Fakt ist, dass ich nur gesund werden kann, wenn ich mein Leben wieder in die Hand nehme und mehr soziale Kontakte pflege, Sport treibe, Feiern gehe...und das in nicht geringem Ausmaß!
Die Frage ist eben wie sich das mit dem Studium vereinbaren lässt! Ich bin mir zwar sicher, dass ich es schaffen würde - allerdings würde ich viel weniger lernen [z.B. nur mit kleinsten Büchern und Klausurenkreuzen] - um eben die Klausuren grad so zu bestehen. Hinzu kommt, dass ich aufgrund meiner Krankheit selten einen freien Kopf habe und ich mir deshalb fachliche Fakten nur sehr kurz merken kann.
Desweiteren war ich schon immer ein Mensch der mit Verantwortung kaum umgehen konnte und sie immer als ernorme Last empfunden hat. Ich glaube z.B. das ich mir es nicht verzeihen könnte - würde ein Mensch unter einem Behandlungsfehler meinerseits leiden oder sterben.

Das eigentliche Problem, zu dem ich sehr gerne eure Meinung hören würde[deshalb auch in diesem Forumsbereich gepostet]:

Thema Verantwortung:
1.Kann man als Arzt glücklich werden, wenn man mit Verantwortungsübernahme so viel Schwierigkeiten hat?

2. ist es überhaupt zu verantworten - Medizin zu studieren und als Arzt zu praktizieren -mit derart starken psychischen Beeinträchtigungen?
[ich bin oft unaufmerksam!]

3.ist es verantwortbar nur so viel zu lernen - um die Klausur zu bestehen - und man das Erlernte kurze Zeit später wieder vergisst? [Beispiel Anatomie Vorklinik - nach nur einem Jahr hatte ich den Großteil wieder vergessen!]

4. wenn ich mich entscheiden würde in nicht kurativen Bereichen zu arbeiten - denkt ihr dass dort die Verantwortung geringer ist und ich mich quasi ohne Gewissensbisse durchs Studium "mogeln" könnte?

würde mich freuen wenn sich der eine oder die andere - Zeit nehmen würde - seine Meinung mit mir zu teilen.

Liebe Grüße ;-)

Picknicker
02.05.2006, 16:26
Hmm, schwieriges Thema, Arzt ist nun mal einer der Berufe, in denen man ein hohes Maß an Verantwortung trägt. Diese wird einem am Anfang aber doch von den erfahreneren Ärzten (wenigstens teilweise) abgenommen. Außerdem wächst man an seinen Aufgaben, will sagen, daß jeder am Anfang richtig Panik hat, daß dies sich aber auch wieder legt. Außerdem kann man mit einem Medizinstudium doch viel anfangen, das ist ein weites Feld und nicht in jedem Betätigungsbereich ist man für Patienten verantwortlich (Forschung etc.).

Dich scheint das Ganze jetzt schon stark mitzunehmen, aber vielleicht ist mit den Famulaturen und dem PJ dann schon mal klar, daß nix so heiß gegessen wird usw...Außerdem nimmt es jeden mit, wenn einem Patienten aufgrund eines eigenen Fehlers was Negatives (was auch immer) zustößt. Ich glaube, wenn man sich bewußt macht, daß man nicht alles wissen kann und daß jedem mal Fehler passieren (können), sieht das schon nicht mehr so schlimm aus. Und wirklich üble Fehler oder Nachlässigkeiten passieren doch relativ selten. Zu deinen Fragen:

1. Wie oben gesagt, ich denke, daß jeder am Anfang Schwierigkeiten mit der plötzlichen verantwortung hat, aber meist ist es ja wirklich so, daß man langsam herangeführt wird. Auf Dauer ist es natürlich wahnsinnig aufreibend, wenn sich in der Hinsicht nichts bessert. Aber du mußt ja nicht Innere machen oder Chirurgie, es gibt genügend andere Fächer.
2. Wenn die Arbeit nicht drunter leidet, klar. Und unaufmerksam sind viele nach ner 24 Stunden Schicht (und nicht nur dann).
3. Klar, hab ich auch so gemacht ;-) , die Klausuren sind doch relativ unerheblich, auf was es ankommt sind die Examina. Und auch da kann man mit wenig Aufwand viel erreichen. Vieles von dem, was ich in der Vorklinik gelernt hab, ist im Orkus des vergessens verschwunden. Und das was man wissen muß, bekommt man später in der Klinik dann wieder mit. Schlecht ist es natürlich, wenn man in sechs Jahren gar nix mitbekommt...
4. Klar, das machen sowieso immer mehr Leute, auch mit dem festen Vorstaz, nie als "richtiger" Arzt zu arbeiten. Und mit durchmogeln hat das auch gar nix zu tun.
Hoffe, das hat ein wenig geholfen. Ist natürlich immer schwierig, so subjektive Kommentare abzugeben, aber trotzdem

Peter_1
02.05.2006, 17:18
Hi Jackie,

erst mal großen Respekt für Deinen Mut die Probleme die Du hast anzusprechen. Du sagst Du hast Depressionen, bist oder warst Du denn schon in Behandlung? Falls nicht wäre dies sicherlich ein wichtiger (wenn auch nicht einfacher) erster Schritt um Deine momentane Lage zu verbessern.
Prinzipiell braucht man als Arzt in den großen klinischen Fächern (ich persönlich kann nur von meinen Erfahrungen in der Inneren sprechen) zumindest am Anfang schon ein "dickes Fell", alles andere wäre gelogen. Auch das man behutsam an die Verantwortung herangeführt wird, ist durchaus nicht überall so (kann man Pech und Glück haben). Wenn man sehr unsicher ist und Probleme mit dem Übernehmen von Verantwortung hat würde ich somit ehrlich gesagt von den großen klinischen Fächern abraten (z.B. Innere, Chirurgie, Kinderheilkunde), zumal die Arbeitsbelastung als solche in diesen Gebieten auch sehr hoch ist. Aber das schöne am Medizinstudium ist eben das man später ein ganz weites Feld hat, es gibt ja auch sehr viele Tätigkeitsbereiche ohne diese direkte Verantwortung die man in der Klinik hat. Weiterhin hast Du ja genügend Gelegenheit über Famulaturen und PJ einen Einblick in die verschiedenen Fächer zu bekommen und kannst insofern schon mal antesten ob Du der Verantwortung gewachsen wärst. Lernen würde ich an Deiner Stelle auch erstmal lockerer angehen, es nützt ja nix wenn einem vor lauter Lernen das Leben davon rennt. Ausserdem scheint es ja so zu sein als ob Du erst mal Dein Leben wieder in Griff bekommen möchtest und dies wäre ja wichtiger als sich hinter Büchern zu vergraben. Fazit: mach weiter, schau ob Du Hilfe bekommen kannst wenn Du es alleine nicht schaffst. Einen für Dich passenden Job wirst Du bekommen zumal Du Dir ja jetzt schon Gedanken über die richtige Richtung machst (weiter so, Famulaturen machen, falls Klinik nix ist frühzeitig Alternativen ins Auge fassen).

Schönen Gruß,
Peter

MatzeXXL
04.05.2006, 16:18
Was wären für dich denn studienmässig die Alternativen?

jackie21th
08.05.2006, 13:24
wirtschaftsinformatik

MatzeXXL
10.05.2006, 11:47
Naja...ich würde sagen, wenn dir beide Fächer gleich viel Spass machen und du etwas Schiss vor der Verantwortung hast, dann mach doch W-Inf!
Ich glaub wenn ich was hätte, was mich so wie Medizin interessieren würde, würde ich eher das machen, da die Verantwortung doch schon recht hoch ist.

Allerdings denke ich, man wächst in alles rein, die Symptome/Diagnosen wirderholen sich und man hat seine Routine mit der Zeit drauf.

Vielleicht würde es dir im anderen Studium auch schlecht gehen, keine Ahnung......
Ich denke mal in W-Inf kannst du noch eher für dich arbeiten, als fertiger Mediziner bist du halt ständig in Kommunikation mit anderen, was dir eher liegt, keine Ahnung...

beatle
10.05.2006, 13:50
Ist vielleicht hier aufgrund der wirklich schweren Problematik nicht so ganz der richtige Platz für meinen Beitrag, aber ich bin wirklich am überlegen die Medizin hinter mir zu lassen und mich völlig neu zu orientieren.
Ich hab' im letzten Winter mein 3.Stex gemacht und habe jetzt demnächst meine Diss. fertig und wollte eigentlich dann in die Innere. In der letzten Zeit ist mir aber die Motivation für diesen Beruf völlig abhanden gekommen. Wenn ich sehe das ein guter Freund von mir aufgrund der neuen Dienstregelung in den ersten 4 Monaten diesen Jahres insgesamt 5000 € weniger verdient hat als im gleichen Zeitraum letztn Jahres wird's mir echt schlecht :-kotz . Ich bae echt keinen Bock für die paar Kröten (eigentlich sollte man ja nicht klagen, in vielen Berufen verdient man noch weniger) die Verantwortung zu übernehmen, die man dann tragen muss. Da kann ich praktisch gleich bei McDoof arbeiten und gehe nach 8 Stunden nach Hause, ohne dass ich mir über Frau X oder Hernn Y gedanken machen muss.
Jetzt kann man natürlich sagen: "hast Du doch auch vorher gewußt, dass dieser Beruf Opfer fordert". Opfer sind ja auch schön und gut, aber ich sehe nicht ein dass ich nach fast 7 Jahren Studium für DIESE ARBEIT mit dem Gehalt eines 35jährigen Müllmannes nach Hause gehe :-meinung .
Die Chancen, später in eine Praxis zu kommen (wenn es dann überhaupt noch die klassischen Praxen gibt), sind auch nicht mehr so rosig (ich hab' leider kein gemachtes Nest in das ich mich setzen kann :-nix ), und bevor ich bis zu meiner Rente im Krankenhaus versauer... .

I'm No Superman
13.05.2006, 20:44
Wenn man sehr unsicher ist und Probleme mit dem Übernehmen von Verantwortung hat würde ich somit ehrlich gesagt von den großen klinischen Fächern abraten (z.B. Innere, Chirurgie, Kinderheilkunde), zumal die Arbeitsbelastung als solche in diesen Gebieten auch sehr hoch ist.

Hallo Peter,

ich kann das nicht so ganz nachvollziehen... wieso sollte man bei „kleinen“ klinischen Fächern nicht genauso viel Verantwortung tragen müssen??

Ok, als Chirurg kann man dem Patienten vielleicht direkter Schaden zufügen...
Aber was ist mit dem Anästhesisten? Trägt der nicht ebenso viel Verantwortung?
Oder der Radiologe? Neurologe? Gynäkologe? Allgemeinarzt? Dermatologe?
Ich gebe zu, so ein Hautausschlag ist vielleicht nicht unbedingt lebensgefährlich, aber wenn man keine Verantwortung übernimmt und (richtig) behandelt, kommt der Patient nie wieder, bzw. man versauert bis zur Rente in irgendeiner Klinik...

Kann man das wirklich so schematisch sagen?
Großes Fach- große Verantwortung kleines Fach- kleine Verantwortung

nightingale
14.05.2006, 20:49
Ein Anästhesie-Prof hat uns neulich gesagt, dass diffuse Angst in diesem Beruf nur schadet, die Furcht vor einem Fehler jedoch nie verloren gehen sollte!

nodoctor
16.05.2006, 10:36
ich glaube, die angst vor verantwortung ist ganz normal und legt sich mit der zeit und der erfahrung. diese angst zuzugeben ist ein superschritt, damit umzugehen!!! ausserdem lernt man ja, gewissenhaft zu arbeiten, ich habe z.b. aus unsicherheit am anfang eben immer alles nachgelesen, kollegen gefragt, etc...hat gut funktioniert, und mittlerweile fühle ich mich ziemlich sicher, habe auch bisher keine schlimmen fehler gemacht. man arbeitet schliesslich im team und unterstützt sich gegenseitig.
nur ne idee....: wären die fachrichtungen psychiatrie,psychosomatik was für dich?

enie
16.05.2006, 19:13
interessantes thema habt ihr hier! ich bin auch so ein fall von selbstzweifler und studiumszweifler. ich hab mein 3. examen hinter mir und hab auch schon einen job. in ein paar wochen geht es los. ich hab keine lust auf den arztberuf und ich hab richtig schiß vor der verantwortung. aber ich werd es erstmal versuchen. vielleicht wächst man wirklich rein. andere haben es auch geschafft und leben noch. ich bin aber auch nicht bereit alles andere rundrum aufzugeben. ich brauch noch ein leben nebenbei. leider fehlt mir noch die alternative. ................. also all ihr zweifler: ihr seid nicht allein. aber immerhin haben wir erstmal einen abschluß! laßt den kopf nicht hängen.

jackie21th
21.05.2006, 18:29
Ja die Fachrichtung Psychiatrie etc. würde mir schon zusagen, wieso?

nodoctor
22.05.2006, 10:29
weil ich glaube, dass jemand, der selbst psychische probleme kennt,sich sehr gut in psychisch kranke einfühlen kann. man kann die eigenen erfahrungen nutzen. das ist auf jeden fall ein grosser vorteil.
ausserdem glaube ich,dass man in diesen fachrichtungen nicht so unmittelbare, folgenschwere fehler machen kann, die direkt den tod o.ä.
zur folge haben. ich meine damit nicht, dass man nicht auch eine wahnsinnige verantwortung trägt, ich denke aber, dass man die verantwortung besser kontrollieren kann.d.h. man muss seine menschlichen und moralischen prinzipien immer präsent haben.
kommt natürlich auch auf die spezialisierung an, ich denke da so an verhaltenstherapie, gesprächstherapie, nicht die- einer flog übers kuckucksnest-psychiatrie.