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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Klinisches Studium in Berlin?



Sallame
03.05.2006, 15:38
Hallo!

Im Sommer mache ich hoffentlich mein Physikum, danach möchte ich mein kleines Studienkaff verlassen und wieder in eine größere Stadt wechseln (war ich die ersten 2 Semester schon).
Wer kann mir nähere Infos über den klinischen Studienabschnitt in München, Berlin, Hannover, Hamburg oder Köln geben?

Folgende Fragen interessieren mich besonders:

- Wie ist die Qualität der Lehre allgemein?
- Wie einfach ist es Leute kennenzulernen, wenn man alleine neu dazu kommt, ist an der Uni eher alles anonym oder kann man durchaus auch Anschluss finden?
- Wie sieht es mit der Möglichkeit von Auslandsstudium allgemein aus?
- Was könnt Ihr zu der studentischen Lebensqualität im allgemeinen aus?
- Was man so hört sollen München, Berlin, Hannover ja einen guten Ruf haben, Köln und Hamburg ja eher nicht, könnt Ihr dem zustimmen?
- Würdet Ihr die Stadt zusammenfassend für einen Uniwechsel empfehlen oder nicht?


Ich wäre für jeden Beitrag dankbar, der mir weiterhilft, bin sehr unschlüssig was für mich das Beste wäre, daher sag ich schon mal im vorraus 1000 Dank für jede Hilfe!

Viele Grüße
Fredi

sunrise10086
04.05.2006, 09:07
Qualität der Lehre:
Finde ich sehr schwieriges Thema...
Es wird viel im Hintergrund gewerkelt, daß es irgendwie läuft, es gibt Leute die ganz dufte Ideen haben, die aber häufig an der "Alles-ist-so-schrecklich"-Stimmung scheitern. Ist das nur hier so frage ich mich da manchmal aber so schlimm soll es hier in Berlin nochnichtmal sein...
Qualität ist kurz gesagt, sehr vom einzelnen Dozenten und manchmal auch von der Einrichtung abhängig. Es gibt Highlights (Rechtsmedizin, Anästhesie, Innere Medizin am CVK, Psychiatrie wenn man an den richtigen Dozenten gerät), aber auch absolute Low-Points.
Was Dir aber wahrscheinlich keine andere deutsche Fakultät bieten kann, ist die Vielfalt des Angebotes drumherum: Hier gibt es für jeden irgendeine Niesche, in der er sich austoben kann. Wenn man allerdings erwartet, daß das alles auf einenn zugeflogen kommt, dann ist das leider der falsche Weg. Die Charité als Gesamteinrichtung muß man sich selbst erschließen.

Leute kennenlernen kann man immer, bei über 7000 Studierenden der Medizin ist die Auswahl auch ordentlich.

Auslandsstudium ist wohl mit am besten in ganz Deutschland: 92 ERASMUS-Verträge (160 Ooutgoings/140 Incomings pro akad. Jahr); dfa obligat, viele kleinere bilaterale Verträge von Amerika bis China.

Lebensqualität: Sollte jemand beurteilen, der zugezogen ist, ich bin in Berlin geboren und aufgewachsen, die einzige Stadt, die mich ähnlich "anmacht", ist London.

Woher der gute Ruf von Berlin kommt, weiß ich nicht. Die Charité versteckt sich (Erfolgreich!) hinter ihrem guten Namen. Es soll aber an anderen Stellen wesentlich desolater sein als hier, was ich mir manchmal kaum vorstellen kann. Aber man wird auch leicht betriebsblind.

Uniwechsel? Ich hasse meine Alma mater manchmal leidenschaftlich, auf der anderen Seite will ich in keiner anderen Stadt studieren. Mit einem guten Netzwerk an guten Bekanntschaften und ein bischen Engagement kann man hier eine Menge machen, bewegen und sich prima (v.a. auch persönlich) entwickeln.
Und nicht zu vergessen: Wenn man will, ist die Studentische Mitbestimmung nicht zu verachten...

dmtec
07.05.2006, 03:59
Qualität der Lehre:

Woher der gute Ruf von Berlin kommt, weiß ich nicht. Die Charité versteckt sich (Erfolgreich!) hinter ihrem guten Namen. Es soll aber an anderen Stellen wesentlich desolater sein als hier, was ich mir manchmal kaum vorstellen kann. Aber man wird auch leicht betriebsblind.


...kannst du das etwas erläutern? Ist der Laden so heruntergekommen? Ich bin derzeit Freiburg gewohnt wo alles wie geleckt aussieht und mit hightech vollgestopft ist. drahtloses patientenmonitoring etc. ..... ugh

sunrise10086
08.05.2006, 09:21
Heruntergekommen ist Berlin im Vergleich zu jeder anderen (Westdeutschen und den meisten Ostdeutschen) Hochschule mit Sicherheit.
Es wird aufgrund der Haushaltslage wenig bis gar nicht investiert, und wenn, dann nicht primär in der Lehre (von ElwisMed mal abgesehen, aber da hat das BMBF das Portemonaie aufgemacht).
Zwar ist das Virchow ein wunderschöner Campus, aber innen drin ist es z.T. auch arg putz-und/oder sanierungsbedürftig.
Solltest Du Dich hier bewerben und genommen werden, trifft Dich spätestens beim Einschreiben in der Alten Zahnklinik der Schlag.

Das größte Problem ist eher das "Zigeunerleben" in Berlin, sprich: Du verbringst gerade in der Klinik wahnsinnig viel Zeit in der Bahn oder auf dem Rad. Die Distanz zwischenn Mitte und Steglitz sind knapp 15km (Bahn: 40min.), zwischen Mitte und Virchow 4 km und 20min Öffis, zwischen Virchow und Steglitz ebenfalls knappe 15km und 30min Öffis. U.U. ereilt Dich das Schicksal des Campus-Wechsels mehrere Male am Tag (da kommt Freude auf...).
Von Buch wollen wir mal gar nicht reden.

Fazit: Der Laden ist mit Sicherheit auch irgendwo mit High-Tech vollgestopft, tendenziell ist die Charité als Gesamteinrichtung sicherlich nicht ein "High-End-Modell".
Die größte medizinische Fakultät in Deutschland zu organisieren ist schon ein wenig schmerzhafter als verhältnismäßig "kleine" Einrichtungen am Laufen zu halten.
Es ist demnach für die einzelnen Kliniken auch leichter, totalen Murks erfolgreich zu verstecken (v.a. in der Lehre, die wegen der starken Forschungsorientierung immer hinten anstehen muß).

dmtec
08.05.2006, 12:22
Ist schon krass was für einen Luxus man hier in Freiburg dafür hat. Man ist mit dem Rad innerhalb von 10 Minuten eigentlich überall. Die Klinik ist ziemlich modern, überall Flachbildschirme, alles vernetzt und pipapo. Neulich hab ich sogar digitale Pin-Pads in den Türen entdeckt die Schlüssel ersetzen.

Naja ich denk mal in Berlin entschädigen sicher die Stadt und das Lebensgefühl für die etwas siffige Klinik. Würdest Du es wieder machen?

sunrise10086
09.05.2006, 08:02
Ich würde wieder das UKBF als Studienort wählen, an die "Alt-Charité" wollte ich bewußt nicht.
Hab mich mit der Gesamtsituation arrangiert.
Wenn ich vorher gewußt hätte, wen ich hier so alles treffen würde und wer oder was auf mich prägend sein würde, würde ich ohne zu zögern wieder hierher gehen. Aber sowas weiß man vorher ja nicht.

Ersa
09.05.2006, 08:11
Über die Studiensituation in Berlin wirst Du sicher sehr unterschiedliche Meinungen hören. Ich z.B. finde Sunrise´s Beschreibungen zu übertrieben, zu negativ.

Ich meine, klar sind wir nicht Freiburg mit kurzen Wegen. Aber dafür "müssen" wir für´s PJ nicht 200 km weiter, weil (fast) alle Lehrkrankenhäuser in Berlin oder in direkter Nähe sind. Die Uni ist an sich ganz gut! Der Histo-Saal in Mitte ist noch immer einer der modernsten Deutschlands und auch die Labore (z.B. BC) müssen sich im Vergleich zu anderen Unis nicht verstecken. Die Bibliotheken sind super ausgestattet, wenn man ein Paper braucht, kriegt man das zu 99% und muss nicht erst bestellen. Im Großen und Ganzen ist die Organisation auch ok. Ich meine, nirgends ist´s perfekt. Das derzeitige Problem ist mM nach eher, dass die Klinikfusion noch immer nicht wirklich abgeschlossen ist und es daher immer noch viel tohuwabohu (oder wie sich das schreibt) gibt.

Kurz: Ich bin zufrieden und würde es immer wieder machen.

Sallame
09.05.2006, 11:17
Hey, vielen Dank für Eure Antworten, ich denke aber dass es schon wichtig ist, wie gut eine Uni ausgestattet ist, das spiegelt sich dann auch in der Möglichkeit für Doktorarbeiten usw wieder.
Hier kann man z.B ohne Probleme ein Stipendium für die Dr.Arbeit bekommen und bekommt dann für ein Jahr 600€ im Monat.
Berlin ist ja total plaite, hört man ja täglich, ich denke die Situation wird sich eher verschlimmern.
Ich denke auch dass es schwierig ist wenn man ganz neu in die Stadt kommt und dann die Uni noch über die ganze Stadt verteilt ist. Denn dann läuft man ja niemandem über den Weg und ich denke dann kann es ziemlich schwierig werden Anschluss zu finden.
Es ist was anderes wenn man in der Stadt aufgewachsen ist und zur Schule gegangen ist.
Da hat man seine Leute. :-meinung

He-Man
09.05.2006, 20:00
Eine Anstellung als Hiwi ist auch hier durchaus drin, hängt vor allem von Deinem Betreuer ab. Die Ausstattung der Labore ist von Abteilung zu Abteilung unterschiedlich (aus eigener Anschauung: sehr gut im Deutschen Rheuma Forschungszentrum, gut auch in den kardiologischen Zentren, weiterhin haben wir hier die größte Neurologie Deutschlands mit immensem Forschungsoutput). Auch Seminare zur Weiterbildung werden hier en masse angeboten. Niemand muß hier fürchten, keine Doktorarbeit auf modernem Niveau (zumindest für Europa) finden zu können. Marode ist in Berlin vor allem die Bausubstanz in Mitte (Bettenhochhaus) und am CBF. Ach ja, digitale pin pads, sollte das für euch der Inbegriff der Modernität sein, gibts hier auch. Es gibt sogar Fernwirkschlüssel, die machen Schlösser auf ohne sie zu berühren, husch husch hassenichgesehn. Boah ey.

sunrise10086
10.05.2006, 08:19
@He-Man: Yeah, die Transponderitits geht um... *hehe*

Wenn das verfluchte eLearning erstmal ordentlich läuft und die Einrichtung von StudyNet nicht mehr so behämmert ist, die CIpome auch wieder genug Rechner haben und so weiter, dann wird's besser...
Leider erst nach meiner Zeit.

@E.: Sicher ist das negativ, aber vielleicht habe ich auch zu viel Insight in viele Dinge bekommen. Frustriert manchmal.

Und das Berlin nicht so viel Schotter hat als die alten Bekannten aus BaWü versteht sich irgendwie von selbst, oder? Mal davon abgesehen, daß die Med. Fak. von Tübingen wahrscheinlich ein Drittel der Berliner Studentenzahlen hat...