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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Anamnesebogen Neurologie



Hope
03.05.2006, 20:22
Hallo,

ich muß morgen einen Patienten in Neuro untersuchen und dann vorstellen. Leider bekommen wir keinen Anamnesebogen in der Klinik. Hat zufällig jemand einen zur Hand und kann ihn mir einscannen und schicken?
Ich wäre sehr sehr dankbar, da ich verdammt unsicher in der Reihenfolge der neurolog. Untersuchung bin und mich so zur Not an den Zetteln langhangeln kann.

Danke!

Tombow
04.05.2006, 15:20
So...ein wenig zu spät das Thema gesehen, dennoch die Antwort.

Eine neurologische Anamnese ist nicht viel anders als in den anderen Fächern. Vielleicht ein wenig umfassender. Und wie immer, es kommt darauf an, das Schema flexibel anzuwenden. Versuchen wir's aber.

Aktuelle Anamnese: alles zum aktuellen Ereignis - genaue Art und Dauer der Beschwerden, Beginn (akut oder schleichend), falls irgendelche Therapie stattgefunden hat, wie ist das Ansprechen gewesen. Ist das ein erstmaliges Ereignis, falls nicht, wie oft und wann vorher (wichtig für allerlei Erkrankungen mit anfallweisem oder schubförmigen Verlauf). Spezifische Anamnese nach begleitenden neurologischen Funktionsstörungen (Bewußtseinseintrübung, passagäre Lähmungen, Sprachstörungen, etc.). Ist ein Auslöser für das Ereignis zu erkennen? Beiläufig kann man ein Teil der Familienanamnese erheben - neurologische Erkrankungen in der Familie bekannt?

Krankheitsgeschichte: Falls alles sich schon länger hinzieht oder sowas schonmal vorgekommen ist, immer auch nach vorherigen Ereignissen fragen.

Allgemein-Internistische Anamnese: In erster Linie interessieren uns evtl. Hypertonus, Diabetes (auch in der Familie bekannt?), dann Gefäß-, Leber- und Nierenerkrankungen. Je nach Fall kann man es im Schnelldurchlauf machen, meistens aber ist eine wirklich anständige internistische Anamnese nötig. Wie man's macht, ist dem einzelnen überlassen, ich mache es meistens "von oben nach unten" systemweise. Auch die Vorgeschichte eruieren?

Vegetative Anamnese: ALLERGIEN, Gewicht(Zunahme/Verlust?), Appetit, Trinkmenge (FLÜSSIGKEITEN, kein Alk) pro Tag, Miktion und Stuhlgang (evtl. Inkontinenz? Hartnäckige Durchfälle?), Rauchen (auch wenn Patient es schon aufgegeben hat), Alkoholkonsum (auch in der Vergangenheit?) Schlafstörungen? Müdigkeit/Leistungsknick/Unhruhezustände? Sexuelle Anamnese? Bei Männern (sehr vorsichtig) unter Umständen auch gezielt nach Erektionsstörungen fragen.

Medikamentenanamnese Aktuelle Medikation, Verträglichkeit, Dauer, etc.

Soziale Anamnese: Berufliche und familiäre Umstände, bei Frauen auch die gynäkologische Anamnese (Anzahl Schwangerschaften/Geburten, letzter Besuch beim Frauenarzt, etc.).

Familienanamnese: Falls man es im Laufe des Gesprächs nicht vollständig eruiert hat, nachfragen.



So, das war's eigentlich mit der Anamnese. Die Untersuchung ist im Vergleich dazu weitaus leichter und schneller. Wie man es genau macht, da hat jeder eine eigene Arbeitsweise, daher kann ich dir nur meine schildern:

Bei mobilen Patienten fange ich als erstes an mit den Untersuchungen, für die der Patient laufen und stehen muß, also:

Haken- und Zehengang, Seitenabweichung beim Gehen mit geschlossenen Augen, beim normalen Gehen auch Gang sehr gut beobachten, Romberg-Stehversuch, Wendeschrittanzahl, Einbein-Stand und -Hüpfen (BEIDSEITIG). Finger-Nase-Versuch und Armhalteversuch mache ich auch im Stehen.

Liegt der Patient einmal auf die Liege, dann arbeite ich mich von oben nach unten durch, also:

Kopf - Hirnnervenstatus, Kraftentwicklung (Kopf gegen Widerstand jeweils nach links und rechts drehen lassen), Nackenstarre. Eventuell auch Glabella- und Palmomentalreflex.

Hals - Karotidenpuls und etvl. Strömungsgeräusche, Lymphknoten und Schilddrüse palpieren, Kehlkopfbeweglichkeit beim Schlucken.

Schultergürtel - Kraftentwicklung (Arme gegen Widerstand Ab- und Adduzieren)

Arme und Hände - Sensibilität (im Seitenvergleich), Muskeltonus (DISTAL anfangen und sich nach proximal vorarbeiten bei der Tonusprüfung), Reflexe (Bizepssehnenreflex, Tricepssehnenreflex, Radiusperiostreflex, Trömner- und Knipsreflex), Kraftentwicklung (Flexion und Extension der Finger im End- UND Grundgelenk gegen Widerstand, dasselbe dann im Ellenbogengelenk), dann Prüfung der Wechselmotorik ("Klavierspielen", "Glühbirnendrehen) im Seitenvergleich.

Thorax und Abdomen - Patient kurz aufsitzen/Oberkörper aufrichten lassen, Lungenklopfschall und -auskultation, Klopfschmerzhaftigkeit der Wirbelsäule und Nierenlager, dann wieder im Liegen Herz- und Bauchauskultation, Bauch abtasten (Widerstand, Druckschmerzhaftigkeit?), Bauchhautreflexe, Leistenpulse

Untere Extremität - Sensibilität (im Seitenvergleich), Lasegue- und umgekehrtes Lasegue-Zeichen, Tonus (wieder einmal distal anfangen und sich nach proximal vorarbeiten), Kraftentwicklung (Zehen-, Fuß- Unter- und Oberschenflexion und -extension gegen Widerstand), Prüfung auf Fußklonus (falls vorhanden - erschöpflich? unerschöpflich), Reflexe: Patellarsehnenreflex, Achillessehnenreflex, Zeichen nach Babinski, Oppenheim und Gordon, Rossolimo-Zeichen, Fußpulse. Ziel und Wechselmotorik - "Fahrradfahren", Beinhalteversuch, Knie-Hake-Versuch.

Je nach untersuchtem Krankheitsbild auch weitere Untersuchungen wie Anal- und Cremaster-reflex, Lhermitte-Zeichen, gezielteres Untersuchen einer bestehenden Aphasie, Geruchs- und Geschmacksprobe, etc, routinemäßig aber eher nicht. Bin mir sicher, es hört sich nach sehr viel an, mit etwas Routne aber hat man die Untersuchung so etwa in 15 min durch. Alles eine Frage der Übung.

sunny03
04.05.2006, 17:33
@Tom:
kleine Nachfrage: wie genau testet man den Muskeltonus?

Danke!

Tombow
04.05.2006, 17:52
kleine Nachfrage: wie genau testet man den Muskeltonus?

Passiv die entsprechenden Gelenke beüben und auf Widerstand achten (wie immer, IM SEITENVERGLEICH!!!). Am Unterarm anfangen mit den Fingern (Flexion/Extension im Fingergrundgelenk), dann mit dem Handgelenk (Zirkumduktion, Supination und Pronation des Unterarms), Ellbogengelenk (Flexion/Extension) und Schultergelenk (Abduktion/Adduktion).

An der unteren Extremität entsprechend - Sprunggelenk (Flexion/Extension, dann Zirkumduktion), Kniegelenk (Flexion/Extension) und Hüftgelenk.

Klingt einfach, ist meistens auch so. Man muß sich nur die Mühe geben und den Patienten immer wieder sagen, sie sollen den Arm/Das Bein ganz ruhig "hängenlassen" oder sie ablenken, daß sie nicht zu sehr anspannen/dagegenhalten.

Einen verminderten Tonus erkennt man am besten im Seitenvergleich, einen erhöhten schon eher auch alleine. Und wenn man ein Rigor oder Zahnradphänomen dabei beobachtet, dann ist das schon eine Pathologie.

Noch dazu die Prüfung auf Myoklonus (am besten/häufigsten zu sehen bei der Wadenmuskulatur) - das entspannte Sprunggelenk aus seiner Neutralstellung schlagartig passiv dorsal extendieren, falls ein Klonus einsetzt, zuerst Spannung erhalten bis zur Klonuserschöpfung (und dabei Schäge zählen), falls Klonus unerschöpflich loslassen und sehen, ob er dann nicht sistiert. Ist der Klonus unerschöpflich auch ohne Extensionsstress am Fuß, dann einfach durch Fuß festhalten stoppen. Bei ausgeprägten Pathologien kann man auch einen unerschöpflichen Klonus bereits bei der Prüfung des ASR bekommen.