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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hundt: Nur noch das medizinisch Notwendige



Tse Tse
08.05.2006, 17:03
Vor ein paar Tagen war mal von der Politik ins Gespräch gebracht worden, im Zuge der Gesundheitsreform, eine Praxisgebühr von 5 Euro je Arztbesuch zu erheben. Das wurde sogleich dementiert und ging dann wieder etwas unter.
In einem Interview mit dem Arbeitgeberpräsident Hundt, das heute in der Neuen Osnabrücker Zeitung unter der Überschrift "Hundt: Nur noch das medizinisch Notwendige" erschien, bekommt dieser Vorschlag nun auch von Seiten der Wirtschaft Unterstützung.

http://www.neue-oz.de/information/noz_print/interviews/13673786.html?SID=54e9db261f65fdd73775619761a5a1a5

weiter nimmt er Stellung:

Fordern Sie auch Leistungskürzungen?
Einzelne Leistungen, etwa Vorsorgekuren, sollten aus dem gesetzlichen Leistungskatalog gestrichen werden. Es ist darüber hinaus Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses, den Leistungsumfang auf das medizinisch Notwendige zu begrenzen. Ärgerlich ist allerdings, dass die Bundesregierung in der Vergangenheit immer wieder korrigierend eingegriffen hat, wenn der Ausschuss Kosten sparende Beschlüsse gefasst hat - etwa bei den Fahrtkosten oder der Chronikerregelung.
Okay, Hundt ist ein Bluthund, das ist ja bekannt. Wer weiß was der noch alles im Sinn hat, neben den hier vorsichtig genannten Beispielen der Vorsorgekuren und der ihm nicht passenden Chronikerregelung.
Reha? Therapien? Vorsorgeuntersuchungen z.B. werden ja jetzt schon zum Teil nicht mehr übernommen. :-nix
Und vor allem, wer definiert das "medizinisch Notwendige" eigentlich?

Tse Tse
08.05.2006, 21:23
*ächz*
Nach tausenden und abertausenden von Seiten bin ich endlich dem medizinisch Notwendigen auf die Spur gekommen, z.B. hier:

Das "medizinisch Notwendige" ist das Maß der Dinge
- Definition ist aber kompliziert und umstritten.
Jeder wird auch in Zukunft Anspruch auf alle Leistungen haben, die "medizinisch notwendig" sind - das beteuerten Union und SPD zum Auftakt der Beratungen über eine große Gesundheitsreform. Schon im bisherigen Recht ist das medizinisch Notwendige das Maß der Dinge: Es begründet zum einen den Leistungsanspruch der Versicherten, es dient umgekehrt aber auch dazu, die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen zu begrenzen. Was jedoch im Einzelnen "notwendig" ist, ist immer wieder umstritten und wird letztlich von den Politikern selbst bestimmt. :-nix
http://www.123recht.net/article.asp?a=16256

surfsmurf
08.05.2006, 23:33
Und was ist daran neu? Es wurde auch bisher immer nur das medizinisch Notwendige bezahlt; es ist nur immer die Frage (wie auch richtig von Dir erkannt), was wirklich notwendig ist. Wer, wenn nicht gewählte Repräsentanten des Volkes sollen diese Entscheidungen treffen? Dafür sind sie halt da....

Tse Tse
09.05.2006, 16:51
Weiß nicht was daran neu ist.
Vielleicht bin ich der einzige der davon keine Ahnung hat :-D , aber mir ist beim Lesen des Artikels aufgefallen, dass ich den Begriff "das medizinisch Notwendige" schon hundertausendmal gehört habe und ehrlich gesagt nicht weiß was damit überhaupt gemeint ist. Das es einen Leistungskatalog gibt/geben muss ist ja nicht der Punkt. Das Wort hat mich verwirrt – Homöopathie würde ich gleich einreihen mit nicht notwendig; eine Krebsvorsorge hätte ich als notwendig eingestuft, aber das scheint ja auch nicht immer der Fall zu sein. Und das hat mich zu der Frage gebracht, wie das definiert wird und wer das definiert. Sind das Ärzte, Politiker, Patientenvertreter; aufgrund von Studien? dem Zeitgeist? der wirtschaftlichen Lage?
Womöglich schmeiß ich auch die Begriffe "medizinisch Notwendig" und "medizinisch sinnvoll" durcheinander.

Und um zum ersten Teil zurück zu kommen, mit den 5 Euro Praxisgebühr - dachte vlt. das jemand Lust hat darüber zu diskutieren, ob das sinnvoll ist (Steuerungsfunktion, Selbstverantwortung/Eigenbeteiligung etc) oder eben dagegen ist…

surfsmurf
09.05.2006, 17:21
Dein Informationsbedürfnis können vielleicht diese Seiten stillen (die ich auch vorher noch nicht kannte):

Bundesministerium... (http://www.bmg.bund.de/nn_605038/DE/Themenschwerpunkte/Gesundheit/Gesetzliche-Krankenversicherung/Informationen-zur-Gesetzliche-6731,param=Links.html#doc616820bodyText1)
Was ist der Leistungskatalog? (http://www.das-glossar-zur-gesundheitsreform.de/glossar/leistungskatalog.html)
Wer legt diesen fest? (http://www.das-glossar-zur-gesundheitsreform.de/glossar/gemeinsamer_bundesausschuss.html)
Was ist der GBA? (http://www.g-ba.de/cms/front_content.php)

Und in der Tat ist es ein großer Unterschied, ob etwas "sinnvoll" ist oder "notwendig". Das Problem der Finanzierung und der Durchführbarkeit spielt hier sicherlich eine Rolle: Sollte man alle Bürger über 50 koloskopieren? Ja, dann könnte man (laut Aussage meines Profs) Darmkrebs fast ausrotten. Aber kann man es? Nein, dann bräuchte man (laut diesem Prof) zusätzlich 17.000 Ärzte, die den ganzen Tag nichts anderes machen. Das Ganze kann man natürlich ethisch hinterfragen, was man auch durchaus tun sollte. Aber die Realität ist doch heutzutage auch im Medizinischen das Prinzipat des Geldes, so fragwürdig man das auch findet.

Zur Diskussion um die Praxisgebühr: Ich denke, was fehlt, ist ein gedanklicher Überbau. Wie momentan praktiziert, bleibt das alles nur Stückwerk, dessen Nutzen ich stark in Zweifel ziehe. Dieses Prinzip könnte einige Vorteile haben (Hausarzt als Lotse, Arzt - Hopping verringern, etc.), aber ohne erkennbares Begleitkonzept bleibt das Ganze in meinen Augen doch recht wirkungslos. Von wütenden Protesten einmal abgesehen.....

tpa
09.05.2006, 19:01
Ich würd ma sagen, wenn man die Vorsorge spart, wird ein paar Jahre später erheblich mehr "medizinisch Notwendiges" zu finanzieren sein... da beißt sich der Hund(t) doch selbst in den Schwanz :-D