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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Bei erster Hilfe Schmerzreize setzen?



W1nston
09.05.2006, 18:31
Schönen guten Tag,

habe dazu nix gefunden...

Sollte man zur Bewusstseinskontrolle im Rahmen der ersten Hilfe Schmerzreize setzen?
Habe vor längerer Zeit gelernt dass man das tun sollte, in meinem letzten Kurs hieß es allerdings das sollte man lassen. Wenn ich richtig verstanden habe, weil diese Schmerzreize sich negativ (wie auch immer) auf einen instabilen Kreislauf auswirken. Stand da was in den neuen Richtlinien zu?
Also nochmal meine Fragen:

1) Schmerzreize setzen ja oder nein?
2) Wenn nein, warum nicht?

Vielen Dank für eure Gedanken :-)

Lava
09.05.2006, 18:38
Hab bisher noch nicht gehört, dass man es nicht tun sollte. Auch nicht nach neuen Richtlinien. Bei der Beurteilung des GCS setzt man ja ggf. auch Schmerzreize. :-nix

Und auf das wie wurde mir folgendes erzählt: entweder auf dem Sternum mit den Fingerknöcheln reiben oder fest auf das weiße in den Fingernägeln drücken oder auf der Oberarminnenseite kneifen.

Evil
09.05.2006, 19:50
Wenn der Patient Kreislauf und Atmung hat, dann setzt man i.d.R. Schmerzreize ein, am stärksten sind der Zwick ins Nasenseptum und das Kneifen in die Mamille :-oopss

Daß Schmerzreize zur Kreislaufdepression führen ist Mumpitz, da sieht man in jeder Narkose das Gegenteil.

Miri_85
09.05.2006, 19:51
vor allem, da bei Schmerzen ja eher der Blutdruck steigt... :-notify

Schädelspalter
09.05.2006, 20:05
Die Bestimmung des genauen Bewusstseinszustand ist IMHO eine ärztliche Maßnahme und gehört nicht zur Laienhilfe.

Die (klassische) Erste Hilfe, wie sie z.B. von den HiOrgs in den Kursen vermittelt wird, richtet sich aber an medizinische Laien, für diese reicht es völlig, wenn sie feststellen, dass der Patient bewusstlos (oder bewusstseinseingetrübt) ist, aber noch über Puls und Atmung verfügt, dieser kommt dann optimalerweise in die stabile Seitenlagerung. Es hat für Laien einfach keine Konsequenz, zu wissen, wie viele Punkte der Patient nun auf der GCS bekommt oder ob er stuporös oder komatös ist.
Daher: Für Laien überflüssig, zeitverzögernd, ein weiterer Fakt ohne Benefit und ggfl noch schädlich, wenn man wegen einer vermeindlich adäquaten Schmerzreaktion auf die Seitenlagerung verzichtet.

Ganz früher gab es ja auch diese tollen Riechampullen in Erste-Hilfekästen, war eine Glasphiole mit Ammoniak in einer Stoffhülle. Die Phiole sollte geknackt werden und dem Bewusstlosen unter die Nase gehalten werden. IMHO ist dieses ja auch ein Schmerzreiz (Ammoniak wird nicht gerochen, sondern stimuliert direkt den Trigeminus) - sind aber auch schon seit vielen Jahren verschwunden.

Anders sieht es bei Rettungsfachpersonal oder Ärzten aus, hier kann auch weiter diagnostiziert, gescored usw. werden.

Flohri
09.05.2006, 20:07
Im "Otto-Normal-EH-Kurs" für jedermann wird den Teilnehmern aber nicht gezeigt/erklärt, wie man Schmerzreize setzt, sonst kommen die noch auf dumme Gedanken (Stichwort "Mamille" :-oopss ).

Wobei ich jetzt natürlich ausdrücklich die EH-Kurse für Laien meine; Schmerzreize setzen kann auch sehr hilfreich sein (ich denke da an einen tief schlummernden, weil ebenso tief betrunkenen Patienten zurück, den ich erst durch einen beherzten Schmerzreiz wecken konnte...)


Mist, zu spät, Schädelspalter war schneller :-)

*überleg* kann das nicht auch ggf. rechtliche Konsequenzen haben (wenn z.B. ein Laie "übermäßig" Schmerzreize setzt, mit deren Reaktionen er sowieso nicht viel anfangen könnte)

Evil
09.05.2006, 20:26
Als Student im klinischen Abschnitt würde ich W1nston nicht mehr zu den Laien zählen...

netfinder
09.05.2006, 20:39
*überleg* kann das nicht auch ggf. rechtliche Konsequenzen haben (wenn z.B. ein Laie "übermäßig" Schmerzreize setzt, mit deren Reaktionen er sowieso nicht viel anfangen könnte)

hm, naja, was fuer schmerzreize willst du denn setzen, dass es zu rechtlichen Komplikationen kommen koennte?

Evil
09.05.2006, 20:43
Der Mamillenkniff könnte auch als sexuelle Belästigung ausgelegt werden, wenn einem wer was Übles will...

DoktorW
09.05.2006, 20:48
also bevor ich jemandem in die Mamille kneife, finde ich noch 10 andere Möglichkeiten! :-meinung

Evil
09.05.2006, 20:52
10 verschiedene Schmerzreize? Da tun sich ja jetzt Abgründe auf :-D


back to topic: War jetzt nur ein Beispiel, aber Gefährdungspotential ist da schon vorhanden.

THawk
09.05.2006, 20:52
Ich würde trotzdem sagen, dass es generell in der Ersten Hilfe keinen Sinn macht Schmerzreize zu setzen, auch nicht als klinischer Student.

Was bringt mir die Information, dass er noch auf Schmerzreize reagiert? Als Ersthelfer nichts: Wenn der Patient auf eine normale Ansprache mit Körperkontakt nicht mehr reagiert ist er so Bewusstseins-eingetrübt dass er in die Stabile Seitenlage gehört.

Und ich denke, dass auch Studenten nach dem Physikum genügend Probleme haben im Ernstfall Erste Hilfe zu leisten - also lieber bei den Laien-Maßnahmen bleiben

W1nston
09.05.2006, 21:03
@Evil: Danke, ich fühle mich geehrt *g* - aber ich zähle mich eigentlich zu den Laien. Auch wenn ich jetzt wüsste, wo ich reinkneifen soll, wenn ihr Mamille schreibt ;-)

Meine Frage ging aber schon in die Richtung Laien-Erste-Hilfe.
Bringt es jetzt etwas (z.B. bei Alkohol- und anderen Räuschen) oder ist das eine unwichtige Zusatzinformation ("reagiert auch auf Schmerzreize nicht")

Hake ich mal die Gefährdung durch Kreislaufschwächung ab.

Was ist aber nun, wenn jemand nur durch diese Schmerzreize "geweckt" werden kann? Bringt man diese Leute dann in Gefahr, wenn man mit der CPR anfängt, obwohl die noch einen Kreislauf haben oder würdet ihr eher sagen, dass es bei solchen "scheintoten" Patienten eh mit dem Kreislauf nicht weit her sein kann und man darum ruhig pumpen sollte?

Unser Tutor im Notfall-Kurs meinte auch, dass die Reanimationsmaßnahmen an sich schon vom Patienten abgewehrt würden, wenn er wach ist und die mitbekommt - und wenn er es nicht mitbekommt, dann seien sie angemessen.


Ach ja, @THAwk: Meine Frage war eher, ob man Schmerzreize setzt, bevor man mit der CPR beginnt. Also Bewusstsein geprüft, Atmung geprüft und evtl. Puls geprüft (macht man ja wohl auch nicht mehr).
Die Frage ist: Macht es Sinn, einer Person die nicht ansprechbar ist und nicht auf Bewegen reagiert und keine fühlbare Atmung / Puls hat, bei der Bewusstseinskontrolle noch Schmerzreize zu setzen? Könnte ja sein, dass jemand, der ordentlich Alkohol / Drogen / sonstwas eingeschmissen hat, eine total flache Atmung hat, die man dann evtl. nicht mitbekommt.

THawk
09.05.2006, 21:19
Ich gebe jetzt mal das wieder was in den neuen ERC-Richtlinien des letzten Jahres steht (oder so wie ich's verstanden hab). Eine klare Umsetzung der Richtlinien in den großen Hilfsorganisationen gibt es noch nicht, aber trotzdem sollten wir das als Stand der Dinge ansehen:

Kreislaufkontrolle fällt völlig weg (für Laien) -> sie dauert zu lange und ist zu ungenau (dazu gibts recht eindrucksvolle Studien); wir unterrichten auf unseren EH-Kursen (für Med.studenten) so: generell keine Kreislaufkontrolle, wenn man alle notwendigen Maßnahmen ergriffen hat (Stabile Seitenlage, Notruf etc.) kann man als "weitere Information" für den medizinisch-gebildeten Helfer mal den Puls fühlen -> darüber wird man dann u.U. an einen Schock denken usw.

Die Reanimationspflichtigkeit entscheidet sich bei der Atemkontrolle: Sehen, hören, fühlen -> wenn keine normale(!) Atmung vorliegt wird reanimiert! Es muss kein völliger Atemstillstand für eine Rea vorliegen; Grund: Laien haben z.B. nicht reanimiert weil sie eine präfinale Schnappatmung als suffiziente Atmung gedeutet haben.

Kurz zusammgenfasst - Ablauf am Patienten nach ERC:
Überblick verschaffen, Eigenschutz
-> Bewusstseinskontrolle
=> Um Hilfe rufen (ist neu in den Richtlinien)
-> Atemkontrolle
=> Notruf
=> ggf. CPR [kommt bei Kindern vorm Notruf]
=> weitere Maßnahmen wie Lagerung etc.

Achso, die CPR-Maßnahmen schaden dem Patienten anscheinend nicht. Zumindest ist im Megacode folgendes drin: Wenn man auf dem EKG nach einer Defibrillation wieder einen SR hat wird die CPR trotzdem noch für einen(?) Zyklus fortgesetzt.

Schädelspalter
09.05.2006, 21:37
Achso, die CPR-Maßnahmen schaden dem Patienten anscheinend nicht. Zumindest ist im Megacode folgendes drin: Wenn man auf dem EKG nach einer Defibrillation wieder einen SR hat wird die CPR trotzdem noch für einen(?) Zyklus fortgesetzt.

Sicher???

Ich dachte bislang, das bezog sich auf die Defibrillation mit einem AED (also einem Gerät ohne Monitoring), wenn ich dort einen Zyklus (also Analyse - Schock mit 360 J) durchgezogen habe, soll man sich die zweite Analyse sparen sondern erst wieder einen Zyklus reanimieren, um die Zeit ohne Perfusion nicht noch weiter zu verlängern. Bei einem Defi mit Anzeige schaut man natürlich eben auf den Schirm (vermutlich schon aus Gewohnheit/Interesse), weil dieses keinen bzw. minimalen Zeitverlust (Analyse dauert ja auch ca. ~ 15 s, Monitorblick ~ 2 s) bedeutet.

THawk
09.05.2006, 22:33
Super sicher bin ich mir nicht.
Aber so versteh ich die ERC-Ausführungen (wenn du die pdf-Datei da hast - S. 46): Selbst wenn man einen organisierten Rhythmus während den 2-min-CPR-Phasen sieht soll man die Thoraxkompressionen nicht unterbrechen um einen Puls zu fühlen außer wenn der Patient Zeichen eines suffizienten Rhythmus hat.

Aber zu dem Thema gibts sicherlich hier einige die sich da noch besser mit auskennen.

pottmed
09.05.2006, 22:59
Ich würde eher Schädelspalter zustimmen... kann aber sein, dass ich da auch noch in den alten Richtlinien verhaftet bin. Kerngedanke der neuen Richtlinien ist ja die Zeit ohne Perfusion zu verkürzen, deshalb fallen ja auch Initialbeatmungen, Defibrillitationszyklen und ähnliches weg.

Wäre aber mal interessant wenn das jemand definitiv beantworten könnte.

netfinder
09.05.2006, 23:47
hatte kuerzlich einen Anaesthesie-Intensivkurs als Wahlfach. Dort haben wir gelernt, dass nach der Defibrillation der Zyklus immer noch fuer die vollen 2 Minuten durchzuziehen ist und erst dann der Rhythmus kontrolliert werden sollte.

Sieht dann so aus:

Diagnostizierter Kreislaufstillstand
CPR 30/2 (Thoraxmitte!)
Rhytmuskontrolle
Defi (1 mal 150-360J biphasisch oder 360J monophasisch)
dann vor der erneuten rhythmuskontrolle CPR 30/2 ueber 2 Minuten

Das entspricht den neuesten Leitlinien:
ERC-Leitlinie 2005, Seite 43ff.:
"If VF/VT is confirmed, charge the defibrillator
and give one shock (150—200-J biphasic or 360-
J monophasic). Without reassessing the rhythm or
feeling for a pulse, resume CPR (CV ratio 30:2)
immediately after the shock, starting with chest
compressions. Even if the defibrillation attempt is
successful in restoring a perfusing rhythm, it is very
rare for a pulse to be palpable immediately after
defibrillation,68 and the delay in trying to palpate
a pulse will further compromise the myocardium
if a perfusing rhythm has not been restored.69 If
a perfusing rhythm has been restored, giving chest
compressions does not increase the chance of VF
recurring.70 In the presence of post-shock asystole,
chest compressions may usefully induce VF.70 Continue
CPR for 2 min, then pause briefly to check the
monitor: if there is still VF/VT, give a second shock
(150—360-J biphasic or 360-J monophasic). Resume
CPR immediately after the second shock. ..."

nettie