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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Nicht alles Gold was glänzt...schlechte Erfahrungen im PJ in der Schweiz



03.07.2002, 17:33
Hallo,
ich war Ende 2001 bis Anfang 2001 in der Ortho am Kantonsspital St Gallen und möchte auf diesem Wege den ein oder anderen der sich mit dem Gedanken trägt, dort auch hinzugehen dringendst abraten!! Möglich das es mit dem Überangebot an deutschen PJlern in der Schweiz zu tun hat, aber die Situation in dieser Abteilung ist für Uhus absolut enttäuschend! Man wird wirklich nur zum Hakenhalten benutzt und ich habe in den vier Monaten so gut wie gar nichts gelernt. Dazu wird man von dem Grossteil der Ärzteschaft und vom Pflegepersonal absolut entwürdigend und unfreundlich behandelt. Damit ist für mich jetzt (leider zu spät..) klar geworden, das die Schweiz bei Weitem nicht mehr das "gelobte Land" fürs PJ darstellt, also unbedingt vorher erkundigen, wie die AKTUELLE Situation (drei bis vier Jahre alte PJ-Berichte können da schon ein falsches Bild zeigen...) in dem schweizer Haus aussieht und die Ortho in St Gallen auf alle Fälle zukünftig meiden. Bei via medici online gibts übrigens auch noch einen negativen Bericht aus dieser Abteilung, den habe ich aber (leider) zu spät entdeckt...
Liebe Grüsse an alle Pjler
Eure
Inke

03.07.2002, 22:41
Es ist nicht nur in St. Gallen so. War bis Ende letzten Monat an der Uniklinik "Insel" in Bern und es war absolut der gewohnte Leerlauf. Keine Betreuung, man kriegt nix beigebracht, im OP ist man gerade mal zum Hakenhalten da "dafür wird man schliesslich bezahlt!!", Patienten aufnehmen ohne Ende und ohne dass man ein Feedback kriegt, oder dann höchstens den Anschiss wenn etwas nicht läuft. Sonst Nachkontrolltermine organisieren, Berichte schreiben, Röntgenbilder zusammensuchen. unmögliche Schwestern und Ärzte, die nie Zeit haben. Man merkt deutlich, dass man zum Arbeiten und nicht zum Lernen da ist.

"UHU" kommt übrigens von "UnterHUnd", und das trifft den Nagel so ziemlich auf den Kopf.

Bern (Hauptstadt) ist übrigens ein absolutes Provinznest, eine richtige Schlafstadt wo überhaupt nichts läuft. Und ähem ja, die "Bezahlung" ist ein Taschengeld bei den Preisen hier.

Früher war es deutlich besser, wie ich gehört habe, aber auch in der Schweiz geht das Gesundheitssystem vor die Hunde, deshalb auch der PJ- und Ärztemangel. Natürlich ist es auch immer Glückssache, wie man es trifft. Vielleicht ist es in anderen Kliniken ja besser, aber in Deutschland wäre es in vielen Krankenhäusern interessanter, lehrreicher und angenehmer gewesen.

09.07.2002, 15:59
Keine Ahnung, was mit Dir los ist.
Bern ist m.E. eine sehr schoene Stadt - natuerlich keine Weltstadt, aber das wusste man ja schon vorher.

Wenn Dir die Bezahlung nicht recht ist, dann bleibe doch in Deutschland und halt die Haken fuer umsonst. Ich habe in Bern immer noch 1 oder 2 Nachtdienste pro Monat gemacht, wodurch ich noch zusaetzlich 500 - 600 Franken (!) zusaetzlich hatte. Und dann war es ueberhaupt kein Problem sich dort selbst zu finanzieren - was ich von allen anderen PJ-Tertialen nicht behaupten kann.

10.07.2002, 04:10
Also wenn man nichts lernt im PJ und nur ausgenutzt wird verzichte ich gerne auf das Taschengeld, das sowieso nur in etwa den Unterschied zu den höheren Lebenshaltungskosten in der Schweiz ausgleicht.
Bern ist ein verschlafenes Kaff. Hat eine schöne Altstadt, stimmt, aber da ist noch in Erlangen mehr los.

Xanthippe
21.07.2002, 00:40
Darf sich da eine Bernerin persönlich einmischen?

Erstens mal zum "verschlafenen Kaff": Klar, Bern ist nicht eine Weltstadt, aber wenn man die richtigen Leute und Locations kennt, geht die Party doch ab.
Freizeitmässig bietet Bern mit seiner Nähe zu Bergen und Seen ein absolut einmaliges sportliches Angebot - man muss es einfach zu nutzen wissen.

Zum Frust auf der Station: all die bemeckerten Tätigkeiten sind schliesslich nicht berufsfremd; ein grosser Teil (leider) unserer Arbeit besteht nun mal aus Bergen von Administration.
Ich habe während meinem Wahlstudienjahr (=euer PJ) die Erfahrung gemacht, dass vieles nach dem "do-ut-des-Prinzip" läuft; wer was macht, kriegt auch was. Und oft hilft auch ein klärendes Gespräch mit dem zuständigen Stationsarzt. Man darf nicht erwarten, wenn man täglich um 16Uhr abzischt, noch viel beigebracht zu kriegen.
Und was das Haken halten im OP betrifft: was erwartest du denn eigentlich? dass du gleich am 2. Tag ne TEP oder nen Whipple selbst machen kannst? wenn man sich an die netten operateure hält, darf man nach einer gewissen Bewährungszeit bald auch mal nähen, Metalle entfernen, Kleineingriffe unter Beobachtung selbst durchführen...aber auch hier gilt: die leute rennen einem nicht nach, man muss sich das schon selbst erarbeiten. Sehr geeignet dazu sind zum Bsp. die immerwiederkehrenden Situationen, wo einer Nachts oder Sonntags am Tisch fehlt und ein PJler noch so gerne genommen wird, der dann auch belohnt wird. Nicht immer, aber..
Und dass man beim Haken halten nix lernt, ist absoluter Blödsinn (abgesehen vielleicht von einer Hüft-TEP, 2. Assistenz ohne Hüfttisch und Spiegel :-) Aber durchs Zuschauen lernt man doch ganz viel und kann (im richtigen Moment) auch viele Fragen beantwortet kriegen.

Wo ich jedoch ganz und gar einverstanden bin, ist, dass die CH absolut nicht das "goldene Land" ist. Ich arbeit zur Zeit ein Jahr in Heidelberg und find die Ausbildung/Betreuung in der Chirurgie Klasse.

21.07.2002, 12:55
Hi!

Ich habe bis letztes Jahr auch in der Schweiz studiert und kann vielleicht auch noch das eine oder andere zur Diskussion beitragen...

Der Aufbau des Studiums ist ungenügend, der Lernertrag unter Berücksichtigung der investierten Zeit gelinde gesagt schlecht. Klar kann man nicht viel daran ändern, dass ein Grossteil der ärztlichen Tätigkeit leider Papierkram ist, aber zumindest als Student ist man zum Lernen da und sollte auch etwas beigebracht bekommen. Dass man nicht um 16 Uhr geht ist auch klar, und natürlich hilft man gerne bei der anfallenden Arbeit. Was man dafür kriegt, ist jedoch höchstens mal in einer ruhigeren Minute ein paar Erklärungen von Seiten des Assistenten, der meistens noch frisch ab Staats ist und selber nicht mehr weiss. Gutes Studententeaching wie in Amerika, wo sich der Chef oder die Oberärzte Zeit nehmen, um einem etwas beizubringen, kriegt man nirgends, oder dann ist es ein seltener Glücksfall. Eine strukturierte Ausbildung gibt es nicht. Genauso im Ops, es kommt wirklich selten vor, wenn mal etwas erklärt wird und man hat definitiv mehr als geng das Gefühl, gerade mal zum Halten des Lap-Hakens oder des Beins gut genug zu sein. Völlig daneben auch besonders wenn man bedenkt, dass die Kliniken von der Universität für die Ausbildung der Studenten bezahlt werden und zudem noch die Assistenzen voll verrechnen können. Wenn man denkt, was man in den sechs Jahren alles hätte lernen können, so kann man keine gute Bilanz ziehen und ausländischen Studenten auch nicht dazu raten, hier ein PJ-Praktikum zu machen. Das System ist beschissen; ich habe in vier Monaten USA und England erheblich mehr gelernt als in zwei Jahren in der Schweiz.

Natürlich ist Bern eine Kleinstadt und sehr provinziell gefärbt, aber das weiss man ja zum Voraus und es sollte doch noch andere Kriterien geben, um seine Praktikumsplätze auszuwählen! Zumindest wenn man genug Geld hat gibt es ja irrsinnige Wintersport-Möglichkeiten im Oberland.