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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Medikamentöse Therapie bei Sick-Sinus-Syndrom?



Tse Tse
11.06.2006, 18:37
Wir haben zur Zeit einen Patienten mit einem Brady-Tachykardie-Syndrom auf Station, der letztens eine schwere Bradykardie und eine Synkope erlitt.
Digitalis wurde erstmal aus der Therapie herausgenommen, über einen SM wird noch nachgedacht.

Mal ne Frage dazu, im Herold heißt es wenn klinische Beschwerden vorliegen: antiarrhythmische Behandlung + Schrittmacherimplantation.
Nun sitz ich gerade hier und muss darüber einen Bericht schreiben – aber wie sieht denn die medikamentöse Therapie bei einem Sinusknotensyndrom (SSS) konkret aus, speziell bei diesem Brady-Tachykardie-Syndrom? Was nimmt man denn da?
Wenn ich mir nämlich so die verschiedene Antiarrhythmika anschaue steht bei sämtlichen als Kontraindikation SSS.
Der Patient bekommt im Moment einen Calciumantagonisten, aber als Indikation bei einem SSS habe ich den auch nirgends finden können. :-nix
Oder habe ich dabei etwas falsch verstanden.

Tombow
11.06.2006, 19:51
Leitlinien waren auf die schnelle nicht auffindbar. Eine PubMed-Suche hat erstaunlich wenig Paper zutage gefördert (gut, ich habe mich des MeSH-Browsers bedient). Schrittmacher mit dualem Pacing scheinen der Standart zu sein und das atriale Pacing dem ventrikulären überlegen bei der Mortalitätsreduktion, Bradykardien als gefährlicher angesehen. Einige wenige Paper handelten von Calciumkanalblocker, die Rationale ist aber mehr oder weniger klar - mit einem frequenzbegrenzend wirksamen Medikament läuft man eher Gefahr, den Patienten in die Tachykardie abzuschießen.

Was für ein Medikament erhält der Patient genau?

Tse Tse
11.06.2006, 21:23
Wow, danke Tombow für dein Interesse.
Ich habe darüber auch insgesamt herzlich wenig gefunden.

Mit dem Calcium-Antagonisten hab ich wohl Mist erzählt, es ist einer vom Dihydropyridin-Typ (Amlodipin) und hier zur Behandlung des Hypertonus. *schäm*

Digitoxin hatte der Patient, wie erwähnt, vorher in der Therapie und wurde jetzt rausgenommen als die Diagnose des Brady-Tachykardie-Syndroms gestellt wurde, nachdem zu bekanntem paroxysmalen VHF noch zusätzliche Phasen von Bradykardie, Asystolie und nachfolgender Synkope gekommen sind. Hab ehrlich gesagt keine Ahnung davon und dachte auch schonmal an eine Nebenwirkung vom Digitoxin :-blush.
Weiß auch nicht was im Herold außer der SM-Implantation noch gemeint sein könnte. Aber ich frag da nächste Woche nochmal auf Station nach.

Tombow
11.06.2006, 21:58
versuch's mal mit dem suchstring

"nifedipine and sick sinus"

Kommt einiges interessantes bei.

Sebastian1
11.06.2006, 22:53
Was spräche denn genau gegen die zwingende Implantation eines DDD-Schrittmachers? AICD ist wohl, wenn nicht Episonden von nSVT afutreten, eher übertrieben, zumal ja beim SSS der Sinusknoten erkrankt ist und die AV-Überleitung im Normalfall (also beim isolierten SSS) normal sein sollte, die Gefahr von ventrikulären Tachykardien mit Effekt auf die systemische Hämodynamik eher gering sein dürfte?
Dann könnte man doch gut antitachykard behandeln (medikamentös) und antibradykard mit dem Pacer abfangen.
Ist jetzt grade mal nur so aus meiner eigenen Logik abgeleitet ohne PubMed zu befragen oder in Büchern nachzuschlagen :-blush

Evil
12.06.2006, 05:19
Dann bräuchte man ja nicht mal einen DDD, ein VVI würde es auch tun, um Bradykardien zu vermeiden, oder? *spekulier*

Tombow
12.06.2006, 06:22
Anscheinend nicht, evil. Mehrere Paper empfehlen AAI(R) und/oder DDD(siehe hier (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=pubmed&dopt=Abstract&list_uids=16266459&query_hl=1&itool=pubmed_docsum), hier (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=pubmed&dopt=Abstract&list_uids=16212074&query_hl=1&itool=pubmed_docsum), hier (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=pubmed&dopt=Abstract&list_uids=16547656&query_hl=5&itool=pubmed_docsum), hier (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=pubmed&dopt=Abstract&list_uids=15826261&query_hl=5&itool=pubmed_DocSum) und hier (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=pubmed&dopt=Abstract&list_uids=15630030&query_hl=5&itool=pubmed_DocSum)).

steffika
12.06.2006, 08:45
... ist, glaube ich, das Auftreten des sogenannten Schrittmachersyndroms :-meinung .

Beim SSS ist die Vorhofaktion und die AV-Überleitung meist erhalten (wie Sebastian1 schon bemerkte und weshalb ja auch AAI überhaupt möglich ist), so dass die Gefahr einer retrograden ventrikulo-atrialen Leitung besteht. Dadurch kommt es bei einer Schrittmacheraktion zu einer nahezu gleichzeitigen Kontraktion von Vorhöfen (retrograd erregt) und Kammern (über Schrittmacher erregt) und dadurch zu "Propfungswellen", weil die Vorhöfe ja gegen die geschlossenen AV-Klappen kontrahieren. Diese Propfungswellen pflanzen sich retrograd in die Jugularvenen fort und können über Barorezeptorreflexe zu deutlichem Blutdruckabfall bis zur Synkope führen.
So war das doch, oder? :-nix Deshalb also AAI oder DDD, meine ich.

Sebastian1
12.06.2006, 13:20
Demnach also DDD(R)-Pacer + frequenzlimitierende Pharmakotherapie mit z.B. Digitalispräparaten oder ß-Blockern?

Evil
12.06.2006, 15:39
... ist, glaube ich, das Auftreten des sogenannten Schrittmachersyndroms :-meinung .

Beim SSS ist die Vorhofaktion und die AV-Überleitung meist erhalten (wie Sebastian1 schon bemerkte und weshalb ja auch AAI überhaupt möglich ist), so dass die Gefahr einer retrograden ventrikulo-atrialen Leitung besteht. Dadurch kommt es bei einer Schrittmacheraktion zu einer nahezu gleichzeitigen Kontraktion von Vorhöfen (retrograd erregt) und Kammern (über Schrittmacher erregt) und dadurch zu "Propfungswellen", weil die Vorhöfe ja gegen die geschlossenen AV-Klappen kontrahieren. Diese Propfungswellen pflanzen sich retrograd in die Jugularvenen fort und können über Barorezeptorreflexe zu deutlichem Blutdruckabfall bis zur Synkope führen.
So war das doch, oder? :-nix Deshalb also AAI oder DDD, meine ich.
Danke für die Erklärung. :-top

Ein VVI ist halt einfacher, billiger und risikoloser zu implantieren, daher mein Gedanke.

Herzstromkurve
13.06.2006, 09:59
Zu dem Thema gibt es Leitlinien der DGK (aus 2005)

3.2.3 Sinusknoten-Syndrom
Eine hämodynamische Verbesserung kann bei dem Sinusknoten-
Syndrom nur durch eine Vorhofstimulation
erreicht werden [B] [1]. Bei erhaltener AV-Überleitung
ist die AAI-/AAIR-Stimulation die optimale Stimulationsform
[I-B] [31]. Die jährliche Inzidenz therapiebedürftiger
AV-Blockierungen ist bei sorgfältiger
Patientenselektion gering [B] [39, 41]. Hierbei müssen
die folgenden Voraussetzungen beachtet werden:
n kein AV-Block I,
n schmaler QRS-Komplex,
n Wenckebach-Punkt >120/min,
n keine Medikamente mit leitungsverzögernder
Wirkung,
n kein Karotissinus-Syndrom,
n keine Synkope als primäre Schrittmacherindikation.
Ist die AV-Überleitung gestört, sollte ein Zweikammerschrittmacher
implantiert werden. Dies gilt auch
für Patienten mit fortgeschrittener kardialer Grunderkankung.
Bei intermittierenden AV-Überleitungsstörungen
sind Systeme optimal, die eine überwiegende
Ventrikelstimulation vermeiden (AV-Hysterese,
automatischer Moduswechsel). Bei seltenen paroxysmalen
Pausen (<5%) kann eine VVI-Stimulation mit
niedriger Interventionsfrequenz (< 45 min–1) akzeptabel
sein [I-B] [32, 34]. Bei chronotroper Inkompetenz
ist ein frequenzadaptives System erforderlich.
Patienten mit Sinusknoten-Syndrom und paroxysmalen
Vorhoftachyarrhythmien sollten wegen der
Gefahr einer gestörten AV-Überleitung unter antiarrhythmischer
Therapie bevorzugt einen Zweikammerschrittmacher
erhalten. Diese muss über Schutzmechanismen
verfügen, die eine ventrikuläre Triggerung
atrialer Tachykardien verhindern (DDI-Modus,
DDD mit niedriger Trackingfrequenz, Mode-Switch)
[I-C]. Im Einzelfall kann die Programmierung spezieller
Algorithmen zur präventiven Vorhofstimulation
hilfreich sein.

Also Zweikammersystem und Rhythmusstabilisierende med. Therapie

Tse Tse
13.06.2006, 12:15
Dankeschön :-)

Hatte das ja mächtig verpeilt mit der antiarrhythmischen Therapie - in Kombination mit einem Schrittmacher geht das ja, wie Sebastian schon sagte und mir auch grad auf Station erklärt wurde :-oopss .
Der Patient bekommt nun auch einen DDDR-SM.

Mir ist eins noch nicht ganz klar:
was bedeutet denn, dass "nach Eintritt permanenten VHF ein SM beim BTS eigentlich nicht mehr erforderlich" sei. Das trifft aber nicht auf diesen Patienten zu - sondern steht so im EKG-Buch drin :-blush

steffika
13.06.2006, 16:38
Danke für die Erklärung. :-top

Ein VVI ist halt einfacher, billiger und risikoloser zu implantieren, daher mein Gedanke.
Gern geschehen :-) !

Da habe ich vom Kardiologie-Chef im PJ eben doch mal was gelernt!