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Robokopi
05.07.2006, 20:05
Hallo,

lese seit einiger Zeit hier im Forum mit und möchte einfach mal meine
Eindrücke wiedergeben:
Zu meiner Person: Ich bin Assistenzarzt und arbeite seit 1 Jahr in einer
neurologischen Klinik als Stationsarzt. Es handelt sich hierbei um meine erste Stelle.

und was davon ändert sich durch die neue gesundheitsreform?

angeblich gibt es ja nun überstunden, feste arbeitszeit, bereitschaft wird als volle arbeitszeit angesehen, lohnzuwachs....

kannst du da genaueres sagen?

pw76
05.07.2006, 21:08
Hallo,

also:

Überstunden: Existieren bei uns nicht, die werden zwar aufgeschrieben, aber weder vergütet (d.h. kein Geld) noch Freizeitausgleich.
De facto existieren die also nicht.

Feste Arbeitszeiten: Das geht einfach nicht. Du musst in einer bestimmten Zeit bestimmte Dinge erledigen, sonst funktioniert der Betrieb nicht. Du musst morgens die Blutabnahmen machen und die Untersuchungsanträge (Röntgen, Konsile, Doppler, EEG, etc.) ausfüllen, damit die anderen Abteilungen planen können. Wenn ich erst um 8:15 auf Station käme, wäre das in der Zeit bis zur Rönrgenbesprechenung (9:00Uhr) einfach unmöglich, du MUSST also früher kommen. Und wenn ich um 16:45 einfach gehe, dann müssten am nächsten Tag die Patienten ohne Brief nach Hause gehen, spätestens am Nachmittag hast Du wutentbrannte Hausärzte am Telefon, die sich dann auch bei Deinem Chef beschweren. Das System ist clever gemacht, Du hast keine andere Wahl als Überstunden zu machen, vergütet werden die aber nicht.
Bereitschaftsdienst: Im Dienst betreue ich die neurologische Klinik, mache sämtliche neurologische Konsile im Haus und betreue die Innere Ambulanz und die chirurgische Ambulanz mit. Dann kommt noch die neurologische Intensivstation hinzu. Ich bin also wirklich am rennen bis um 3 Uhr morgens. Dann lege ich mich für eine Stunde hin und spätestens dann muss ich wieder los. Man ist am nächsten Tag einfach nur noch völlig fertig. Wir sind eine Klinik der Maximalversorgung und es gibt nur einen neurologischen Dienstarzt.
Trotzdem wird der Bereitschaftsdienst vergütet wie in meinem ersten posting angegeben.
Lohnzuwachs: Siehst ja, wie Medien und Nicht-Mediziner auf uns Ärzte rumhacken, weil wir mit 1728 Euro im Monat bei 60h/ Woche nicht ganz einverstanden sind.

Gruß

Michael72
05.07.2006, 21:13
Wie wäre es denn mit den klassischen Wochenenddiensten in England? Bei 50-80 Pfund pro Stunde könntest Du an einem Wochenende Dein Monatsgehalt verdienen...

pw76
05.07.2006, 21:46
Eine Alternative, die nur für Fachärzte in Frage kommt, leider....

my_precious
06.07.2006, 09:41
Einzige Möglichkeit also: AUSWANDERN.

In den USA verdient (im Durchschnitt) ein niedergelassener Arzt (jetzt mal ohne Fachrichtung) so an die 250.000 $ im Jahr. Wobei die residency-Jahre mit 70 Stunden/Woche auch kein Zuckerschlecken sein dürften...


aber in den usa ist ein deutsher arzt nicht approbiert... oder?
(hab ich das nun richtig ausgedrückt? ihr wisst schon was ich meine..)

little_lunatic
06.07.2006, 09:47
sehr schöner beitrag! thematisch nicht schön aber ehrlich und realistisch. :-top

funny
06.07.2006, 09:54
:-D Natürlich nicht.
Du musst dort die Facharztausbildung mehr oder weniger komplett "nachholen" bzw. sie gleich dort machen. Sind wohl ingesamt auch so zwischen 5-9 Jahre, bis du dich niederlassen kannst. Und um dort die Ausbildung machen zu können, brauchst du entsprechende scores. Sieh mal hier im Auslandsforum unter USA nach. Da findest du viele Infos.

little_lunatic
06.07.2006, 09:58
um den beitrag mal zu unterstreichen. selbst bei der bundesagentur für arbeit wird folgendes angegeben:

Tarifbereich öffentlicher Dienst, Tarifgebiet West

Bei einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13, Stufe 3 bis zur Entgeltgruppe 14, Stufe 5, erhalten Beschäftigte bei den Kommunen ein Monatsbruttoentgelt von € 3.300 bis € 4.360. Das Erreichen der jeweils nächsten Stufe ist von den Zeiten ununterbrochener Tätigkeit in der Entgeltgruppe und der Leistung abhängig.

und nicht das kleine aber ausschlaggebende wort "brutto" überlesen ;-)

test
06.07.2006, 10:03
Einzige Möglichkeit also: AUSWANDERN.

In den USA verdient (im Durchschnitt) ein niedergelassener Arzt (jetzt mal ohne Fachrichtung) so an die 250.000 $ im Jahr. Wobei die residency-Jahre mit 70 Stunden/Woche auch kein Zuckerschlecken sein dürften...


... und die äußerst klagefreudigen Amis mal nicht zu vergessen :-)) :-party

Wobei es auch stressfreiere Residencys gibt, wo man weniger arbeitet. Aber das sind dann eben recht beliebte Fächer ;-)

funny
06.07.2006, 10:32
und was bedeuten "recht beliebte Fächer": Dass man sie als Ausländer noch schwieriger kriegt. Nennt man dort wahrscheinlich "high competitive". Aber es gibt größerer USA-Medizin-Kenner als mich in diesem Forum :-?

Übrigens ist ein so hohes Gehalt in den USA irgendwo auch gerechtfertigt. Als Medizin-Student in den USA hast du nach Abschluss deines Studiums im Durchschnitt Schulden nicht selten im 6-stelligen Bereich. :-stud

funny
06.07.2006, 10:34
und nicht das kleine aber ausschlaggebende wort "brutto" überlesen ;-)[/QUOTE]

Manche Leute verwechseln das ja hartnäckig. Das macht mich immer ganz wahnsinnig. :-oopss. z.B. "Er verdient 4.000 Euro!" Hääääääääää??????????

test
06.07.2006, 10:42
und was bedeuten "recht beliebte Fächer": Dass man sie als Ausländer noch schwieriger kriegt. Nennt man dort wahrscheinlich "high competitive". Aber es gibt größerer USA-Medizin-Kenner als mich in diesem Forum :-?

Übrigens ist ein so hohes Gehalt in den USA irgendwo auch gerechtfertigt. Als Medizin-Student in den USA hast du nach Abschluss deines Studiums im Durchschnitt Schulden nicht selten im 6-stelligen Bereich. :-stud

Genau das bedeutet es und eben auch, dass nicht jeder Amerikaner, der in so ein Fach möchte, es auch kriegt. ;-)Dazu gehören Fächer wie Radio, Derma, Auge beispielsweise.
Man muß abgesehen davon, dass man seine eigene Ausbildung abbezahlen muß eben auch, sollte man mal Kinder haben, sehr viel mehr für deren Ausbildung bezahlen als in D. Wobei es hier ja auch anfängt mehr zu kosten. :-nix
Aber wir wollen ja nich zu OT werden ;-)

Michael72
06.07.2006, 13:48
Eine Alternative, die nur für Fachärzte in Frage kommt, leider....Aber ist die völlig unterbezahlte Buckelei, die Du zur Zeit erdulden musst, nicht etwas angenehmer zu ertragen, wenn man weiss, dass sie zeitlich begrenzt ist? Denn wenn Du irgendwann Deinen Facharzt hast, stellt sich die Situation doch deutlich entspannter dar. Und die Zeit bis dahin geht auch irgendwie rum.

Robokopi
06.07.2006, 14:10
Aber ist die völlig unterbezahlte Buckelei, die Du zur Zeit erdulden musst, nicht etwas angenehmer zu ertragen, wenn man weiss, dass sie zeitlich begrenzt ist? Denn wenn Du irgendwann Deinen Facharzt hast, stellt sich die Situation doch deutlich entspannter dar. Und die Zeit bis dahin geht auch irgendwie rum.

und finanziell?

ist man als "facharzt für" automatisch besser vergüttet, wenn man als stationsarzt arbeitet und eben nicht oberarzt oder gar chefarzt wird?

Robokopi
06.07.2006, 14:10
Überstunden: Existieren bei uns nicht, die werden zwar aufgeschrieben, aber weder vergütet (d.h. kein Geld) noch Freizeitausgleich.
De facto existieren die also nicht.

ja, aber genau DAS soll sich ja ändern durch die neue gesetztesgebung...

funny
06.07.2006, 14:14
und finanziell?

ist man als "facharzt für" automatisch besser vergüttet, wenn man als stationsarzt arbeitet und eben nicht oberarzt oder gar chefarzt wird?


Ich hatte bis jetzt keinen Zweifel daran :-???

Hellequin
06.07.2006, 14:32
ja, aber genau DAS soll sich ja ändern durch die neue gesetztesgebung...
Welches neue Gesetz?
Abgesehen davon ist es auch nach bisherigen deutschem und EU-Recht illegal, hindert die Krankenhäuser aber trotzdem nicht daran, es weiterhin zu tun.

pw76
06.07.2006, 14:32
Eigentlich sollte sich das ändern, jedoch wird den Kliniken jedes Jahr die Möglichkeit gegeben, die Regelung um 1 Jahr verschieben zu dürfen, das ganze ist also relativ witzlos.
Um in den USA zu arbeiten, musst Du sämtliche Examen nachmachen, also das Gegenstück zum Physikum, etc. , nennt sich USMLE und geht über mehrere Stufen, teuer, schwierig, nach 4 Examen hast Du eigentlich keine Lust mehr, Dir alles nochmal anzutun.

Kanada ? Schau mal hier: http://www.notcanada.com/

Sehr erschreckend !

Gruß

pw76
06.07.2006, 14:38
Achso, wg. der Oberarzt-Geschichte.:

Mein Oberarzt hat 7 Tage am Stück Hintergrunddienst, d.h. er ist 24h erreichbar und das 7 Tage. Wenns wirklich brennt, muss er sofort in die Klinik kommen. Weisst Du wie es sich anfühlt, wenn Du mehrmals / Nacht angerufen wirst und das 7 Tage hintereinander ? Wenn Deine Frau dabei ständig mit aufgeweckt wird, wenn das Telefon um 4 Uhr morgens klingelt und nicht mehr einschlafen kann ?
Wenn Du aufgrund der Beschreibung eines komplizierten neurologischen Krankheitsbildes Entscheidungen fällen musst ?
Dann die DRG-Verschlüsselung und der ständige Kampf mit dem Controlling und den Krankenkassen ?
Die Hoffnung, daß man nach 5 Jahren Assistenzarztzeit es als Oberarzt besser hat, muss wirklich relativiert werden. Außerdem: Ich persönlich kenne keinen Oberarzt, der schon nach 5 Jahren Assistenzarztzeit Facharzt wurde. Schau Dir mal unter www.laekh.de (Ärztekammer Hessen) den Weiterbildungskatalog für die verschiedenen Fachrichtungen an. Das ist in 5 Jahren unmöglich zu machen. Ein Kollege von mir wurde jetzt kürzlich nach 11 Jahren zum Funktionsoberarzt befördert, also nicht mal richtiger OA.
Gruß

Michael72
06.07.2006, 15:02
Kanada ? Schau mal hier: http://www.notcanada.com/
Naja, eine Seite mit solchen Sprüchen kann doch keiner ernst nehmen, das ist ja unterstes Stammtischniveau:



You have to pay a whopping amount to the government, out of your hard earned salary, so that the government can turn around and give it to beer drinking, hockey watching welfare bums. Fair? It does not matter, it's Canada.Just my 0,02€...