pw76
05.07.2006, 16:07
Hallo,
lese seit einiger Zeit hier im Forum mit und möchte einfach mal meine
Eindrücke wiedergeben:
Zu meiner Person: Ich bin Assistenzarzt und arbeite seit 1 Jahr in einer
neurologischen Klinik als Stationsarzt. Es handelt sich hierbei um meine erste Stelle.
Einfach mal ein paar Fakten:
1. Stellen gibt es viele, daß ist nicht das Problem(außer in den Großstädten, da gibt es definitiv keinen Ärztemangel!).
2. Arbeitszeit: Ca. 60 h / Woche, ist in der kurativen(=klassischen) Medizin überall so
3. Bezahlung: Als Nicht-Verheirateter (=Steuerklasse 1) verdient man im TVÖD (Tarifgruppe 14, gilt praktisch überall) im ersten Jahr 3060 Euro brutto. Nach Abzug aller Steuern bekomme ich 1728,63 Euro auf mein Konto überwiesen. Das Gehalt ist (bis auf die Uniklinik) überall gleich.
Ein Freund von mir verdient als KFZ-Mechaniker im Angestelltenverhältnis deutlich mehr. Nochmal : Mehr als die 1728,63 Euro gibt es nicht, Dienste nicht mit eingerechnet.
4. Dienste: Ich mache 24h-Dienste, die werden wie folgt vergütet: Da man erst ab 17 Uhr Dienst macht(Du bist aber trotzdem schon morgens da, da Du ja normale Stationsarbeit machen musst und gehst dann um 17 Uhr über in die sogenannte Bereitschaft), werden nur 15,5 Stunden berechnet. Diese werden mit 0,8 x multipliziert, da man ja angeblich nicht durcharbeitet, macht also 12,4. Da man am nächsten Tag nach Hause geht (meistens aber erst nach 27 Stunden), werden von den 12,4 Stunden nochmal 7,7h abgezogen, macht also 4,7h. Der Nettolohn beträgt 10,12 Euro-> 4,7 x 10,12 = 47,56 Euro !!! Und das für einen 24 Stundendienst. Effektiv arbeitet man in solch einem Dienst 18h -> Macht einen Stundenlohn von 2,62 Euro aus. Kein Witz, ist leider Realität.
Am Wochenende siehts anders aus,da hier 24x0,8 gerechnet werden ohne den Abzug des Freizeitausgleiches (=7,7), daher kommt man da 194 Euro netto, dies gilt aber nur für Samstage, da bei Sonntag dann -7,7 wg. Freizeitausgleich am Montag berechnet werden. Stundenlohn eines 24h Dienstes von Samstag 10 Uhr bis Sonntag (10 Uhr, real:12 Uhr) 8,09 Euro.
Wenn ich 4 Dienste mache, komme ich auf 1950 Euro netto, aber dafür habe ich kein einziges freies Wochenende (wg. Freitag/Sonntagsarbeit).
5. Alltag: Du kommst auf Station und hast Dich noch nicht umgezogen,da wirst Du von Krankenschwestern mit Fragen gelöchert-> Das nervt nach einiger Zeit ungemein.
Du machst schnell Deine Blutabnahmen und vertröstest die Patienten auf die Visite (denn die haben , zurecht, auch jede Menge Fragen)
Du rennst in die Röntgen-Demo und kommst zurück. Dein Oberarzt(OA) sagt Dir, dass heute 3 Leute mehr entlassen werden müssen, da wir in der Nacht vollgelaufen sind. Also musst Du irgendwie noch schnell 3 Briefe diktieren.
Meine Kollegin auf Station hatte einen 24h Dienst, deshalb ist sie offiziell ab 10 Uhr nicht mehr anwesend (geht aber trotzdem erst um 12), ab jetzt hast Du die Station alleine. Du machst Visite und stehst dabei 2h und beantwortest Patienten und ihren Angehörigen exakt die gleichen Fragen wie gestern. Während der Visite läuft Deine Station mit Neuaufnahmen voll, die Du aufnehmen musst, Blut abnehmen, Untersuchungen anordnen, aufklären etc. Gegen 14 Uhr rennst Du in die Kantine (bist übrigens den ganzen Tag am rennen!) und kriegst noch etwas lauwarmes Essen ab. Du rennst zurück und siehst die Angehörigen vor dem Arztzimmer die mit Dir erneut sprechen wollen, da Ihnen noch Dinge eingefallen sind. Du machst das, aber im Hinterkopf hast Du die Aufnahmen, welche während des Mittagessen gekommen sind, und noch zu machen sind. Andererseits musst Du noch die Entlassungsbriefe für morgen diktieren. Jetzt ist es mittlerweile 16 Uhr und Du denkst, dass Du eigentlich noch nichts gemacht hast. In 10 Minuten kommt Dein OA und will die Neuaufnahmen sehen samt Blutwerte und alle Untersuchungen, die Du angeordnet hast. Zwischendurch kommt mal die Sozialarbeiterin wegen der Reha-Anträge, die seit Tagen bei Dir auf dem Schreibtisch liegen und ausgefüllt werden müssen. Du kriegst jetzt immer mehr die Krise, weil Du es zeitlich einfach nicht gebacken kriegst. Du nimmst die restlichen Patienten auf, schaffst aber natürlich nicht alle, der OA ist schon da und beklagt sich darüber, dass Du nicht alle Daten der neuen PAtienten im Kopf hast. Jetzt noch schnell 2 Lumbalpunktionen, ist aber ein Eingriff, den Du vorbereiten musst, vergehen nochmal 15-20 min/Punktion. Gegen 17:30 Uhr (offizielle Arbeitszeit : bis 16:45) fängst Du mit dem Diktieren an, bist dann gegen 18:30-19:00 endlich fertig.
Dann noch die Reha-Anträge ausfüllen, da jeden Tag neue hinzukommen. Und was ist das ? Anfragen von Versicherungen der Patienten, also nochmehr Formulare zum Ausfüllen. Du rufst Deine(n) Freund(in) an, Du kommst wieder zu spät zum Essen, Deine Kumpels fragen Dich schon garnicht mehr, ob Du nach der Arbeit mit an den See kommst, ist ja auch witzlos , wenn Du erst um 19 Uhr rauskommst.
Völlig k.o. verlasse ich die Klinik und weiß, gerade mal das wichtigste geschafft zu haben, Du hinterlässt jeden Tag einen riesigen Berg an Arbeit.
Du bist unzufrieden, da Du niemals etwas fertigmachen kannst, womit Du angefangen hast. Du hast das Gefühl, etliche wichtige Sachen vergessen zu haben. Anrufe in der Klinik abends und Gespräche mit dem Dienstarzt sind fast an der Tagesordnung.
Am Abend fällst Du tot ins Bett, weggehen ? Kannst Du vergessen, bist viel zu müde.
Am nächsten morgen geht das ganze wieder los, Dein Leben besteht aus um 7:30 in der Klinik sein (offiziell erst 8:15, aber dann schaffst Du die Arbeit morgens NIE!), abends gegen 19 Uhr heimfahren, etwas essen und um 21:30 , spätestens 22 Uhr tot im Bett liegen.
Am Monatsende schaust Du auf Dein Konto: 1728 Euro hat man Dir überwiesen, Du denkst Dir: Dafür habe ich 6 Jahre studiert, ein Jahr kostenlos (PJ ) gearbeitet und 4(!) Staatsexamen (Physikum + 3 Examen) gemacht.
Ob ich es nochmal machen würde: Da schließe ich mich der Antwort ALLER(!!!) Ärzte unserer Klinik an, mit denen ich gesprochen habe: Nein, sicherlich nicht. Das macht keinen Spass, und erst recht nicht für das Geld.
Habt Ihr noch Fragen: Dann mail an [email protected]
viele Grüße
pw76
PS: Tariftabelle, siehe hier: http://paul.schubbi.org/tvoed/entgelt.html
Als Assistenzarzt bist Du in der Entgeltgruppe 14 und beginnst mit Stufe 1
Achtung: Das sind BRUTTO-Löhne, also vor Abzug der Steuern.
Noch besser: http://paul.schubbi.org/cgi-bin/oed/rechner?tarif=T
lese seit einiger Zeit hier im Forum mit und möchte einfach mal meine
Eindrücke wiedergeben:
Zu meiner Person: Ich bin Assistenzarzt und arbeite seit 1 Jahr in einer
neurologischen Klinik als Stationsarzt. Es handelt sich hierbei um meine erste Stelle.
Einfach mal ein paar Fakten:
1. Stellen gibt es viele, daß ist nicht das Problem(außer in den Großstädten, da gibt es definitiv keinen Ärztemangel!).
2. Arbeitszeit: Ca. 60 h / Woche, ist in der kurativen(=klassischen) Medizin überall so
3. Bezahlung: Als Nicht-Verheirateter (=Steuerklasse 1) verdient man im TVÖD (Tarifgruppe 14, gilt praktisch überall) im ersten Jahr 3060 Euro brutto. Nach Abzug aller Steuern bekomme ich 1728,63 Euro auf mein Konto überwiesen. Das Gehalt ist (bis auf die Uniklinik) überall gleich.
Ein Freund von mir verdient als KFZ-Mechaniker im Angestelltenverhältnis deutlich mehr. Nochmal : Mehr als die 1728,63 Euro gibt es nicht, Dienste nicht mit eingerechnet.
4. Dienste: Ich mache 24h-Dienste, die werden wie folgt vergütet: Da man erst ab 17 Uhr Dienst macht(Du bist aber trotzdem schon morgens da, da Du ja normale Stationsarbeit machen musst und gehst dann um 17 Uhr über in die sogenannte Bereitschaft), werden nur 15,5 Stunden berechnet. Diese werden mit 0,8 x multipliziert, da man ja angeblich nicht durcharbeitet, macht also 12,4. Da man am nächsten Tag nach Hause geht (meistens aber erst nach 27 Stunden), werden von den 12,4 Stunden nochmal 7,7h abgezogen, macht also 4,7h. Der Nettolohn beträgt 10,12 Euro-> 4,7 x 10,12 = 47,56 Euro !!! Und das für einen 24 Stundendienst. Effektiv arbeitet man in solch einem Dienst 18h -> Macht einen Stundenlohn von 2,62 Euro aus. Kein Witz, ist leider Realität.
Am Wochenende siehts anders aus,da hier 24x0,8 gerechnet werden ohne den Abzug des Freizeitausgleiches (=7,7), daher kommt man da 194 Euro netto, dies gilt aber nur für Samstage, da bei Sonntag dann -7,7 wg. Freizeitausgleich am Montag berechnet werden. Stundenlohn eines 24h Dienstes von Samstag 10 Uhr bis Sonntag (10 Uhr, real:12 Uhr) 8,09 Euro.
Wenn ich 4 Dienste mache, komme ich auf 1950 Euro netto, aber dafür habe ich kein einziges freies Wochenende (wg. Freitag/Sonntagsarbeit).
5. Alltag: Du kommst auf Station und hast Dich noch nicht umgezogen,da wirst Du von Krankenschwestern mit Fragen gelöchert-> Das nervt nach einiger Zeit ungemein.
Du machst schnell Deine Blutabnahmen und vertröstest die Patienten auf die Visite (denn die haben , zurecht, auch jede Menge Fragen)
Du rennst in die Röntgen-Demo und kommst zurück. Dein Oberarzt(OA) sagt Dir, dass heute 3 Leute mehr entlassen werden müssen, da wir in der Nacht vollgelaufen sind. Also musst Du irgendwie noch schnell 3 Briefe diktieren.
Meine Kollegin auf Station hatte einen 24h Dienst, deshalb ist sie offiziell ab 10 Uhr nicht mehr anwesend (geht aber trotzdem erst um 12), ab jetzt hast Du die Station alleine. Du machst Visite und stehst dabei 2h und beantwortest Patienten und ihren Angehörigen exakt die gleichen Fragen wie gestern. Während der Visite läuft Deine Station mit Neuaufnahmen voll, die Du aufnehmen musst, Blut abnehmen, Untersuchungen anordnen, aufklären etc. Gegen 14 Uhr rennst Du in die Kantine (bist übrigens den ganzen Tag am rennen!) und kriegst noch etwas lauwarmes Essen ab. Du rennst zurück und siehst die Angehörigen vor dem Arztzimmer die mit Dir erneut sprechen wollen, da Ihnen noch Dinge eingefallen sind. Du machst das, aber im Hinterkopf hast Du die Aufnahmen, welche während des Mittagessen gekommen sind, und noch zu machen sind. Andererseits musst Du noch die Entlassungsbriefe für morgen diktieren. Jetzt ist es mittlerweile 16 Uhr und Du denkst, dass Du eigentlich noch nichts gemacht hast. In 10 Minuten kommt Dein OA und will die Neuaufnahmen sehen samt Blutwerte und alle Untersuchungen, die Du angeordnet hast. Zwischendurch kommt mal die Sozialarbeiterin wegen der Reha-Anträge, die seit Tagen bei Dir auf dem Schreibtisch liegen und ausgefüllt werden müssen. Du kriegst jetzt immer mehr die Krise, weil Du es zeitlich einfach nicht gebacken kriegst. Du nimmst die restlichen Patienten auf, schaffst aber natürlich nicht alle, der OA ist schon da und beklagt sich darüber, dass Du nicht alle Daten der neuen PAtienten im Kopf hast. Jetzt noch schnell 2 Lumbalpunktionen, ist aber ein Eingriff, den Du vorbereiten musst, vergehen nochmal 15-20 min/Punktion. Gegen 17:30 Uhr (offizielle Arbeitszeit : bis 16:45) fängst Du mit dem Diktieren an, bist dann gegen 18:30-19:00 endlich fertig.
Dann noch die Reha-Anträge ausfüllen, da jeden Tag neue hinzukommen. Und was ist das ? Anfragen von Versicherungen der Patienten, also nochmehr Formulare zum Ausfüllen. Du rufst Deine(n) Freund(in) an, Du kommst wieder zu spät zum Essen, Deine Kumpels fragen Dich schon garnicht mehr, ob Du nach der Arbeit mit an den See kommst, ist ja auch witzlos , wenn Du erst um 19 Uhr rauskommst.
Völlig k.o. verlasse ich die Klinik und weiß, gerade mal das wichtigste geschafft zu haben, Du hinterlässt jeden Tag einen riesigen Berg an Arbeit.
Du bist unzufrieden, da Du niemals etwas fertigmachen kannst, womit Du angefangen hast. Du hast das Gefühl, etliche wichtige Sachen vergessen zu haben. Anrufe in der Klinik abends und Gespräche mit dem Dienstarzt sind fast an der Tagesordnung.
Am Abend fällst Du tot ins Bett, weggehen ? Kannst Du vergessen, bist viel zu müde.
Am nächsten morgen geht das ganze wieder los, Dein Leben besteht aus um 7:30 in der Klinik sein (offiziell erst 8:15, aber dann schaffst Du die Arbeit morgens NIE!), abends gegen 19 Uhr heimfahren, etwas essen und um 21:30 , spätestens 22 Uhr tot im Bett liegen.
Am Monatsende schaust Du auf Dein Konto: 1728 Euro hat man Dir überwiesen, Du denkst Dir: Dafür habe ich 6 Jahre studiert, ein Jahr kostenlos (PJ ) gearbeitet und 4(!) Staatsexamen (Physikum + 3 Examen) gemacht.
Ob ich es nochmal machen würde: Da schließe ich mich der Antwort ALLER(!!!) Ärzte unserer Klinik an, mit denen ich gesprochen habe: Nein, sicherlich nicht. Das macht keinen Spass, und erst recht nicht für das Geld.
Habt Ihr noch Fragen: Dann mail an [email protected]
viele Grüße
pw76
PS: Tariftabelle, siehe hier: http://paul.schubbi.org/tvoed/entgelt.html
Als Assistenzarzt bist Du in der Entgeltgruppe 14 und beginnst mit Stufe 1
Achtung: Das sind BRUTTO-Löhne, also vor Abzug der Steuern.
Noch besser: http://paul.schubbi.org/cgi-bin/oed/rechner?tarif=T