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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fall 10/2006 - die interdisziplinäre OP



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Evil
26.07.2006, 18:01
Im Zuge der Operationsoptimierung und bestmöglichen interdisziplinären Betreuung wollte ich jetzt mal einen Fall bringen, wo der Blick über den Tellerrand nötig wird. Gerade bei modernen OP-Techniken und verkürzter Liegedauer wird man im klinischen Alltag immer mehr mit Problemen aus anderen Fachgebieten konfrontiert, wo ein bissl Überblick oft manches vereinfachen kann.

Also, es geht mit der chirurgischen Seite los. Während sich Eure Mitassistenten im OP vergnügen ;-), seid Ihr heut für die Aufnahmen zuständig.
Vor dem Aufnahmezimmer steht eine ältere Frau, von der Ihr aus der Frühbesprechung wißt, daß sie wegen eines tiefsitzenden Rektum-CA operiert werden soll.

Evil
01.08.2006, 08:07
Ok, die Spontanheilung abzuwarten ist eine Möglichkeit, aber ist das der Goldstandard? ;-)

Feuerblick
01.08.2006, 08:58
*grins* Was willste wissen? Von Narkosen hab ich doch keine Ahnung... Chirurgisch würde mir allerdings einiges einfallen...:-))

Evil
01.08.2006, 09:10
Na, dann fang doch einfach mal an :-top

Die Patientin wartet auf die Aufnahme, worum mußt Du Dich jetzt als Chirurgie-Assi kümmern?

Doktor_No
01.08.2006, 13:29
macht ja sonst keiner anscheinend:

-anamnese
-vorbefunde (tumorstadium, histobefund, ct, radio, mrt usw.)
-ggf. noch konsile (zB gyn, uro, je nach nebendiagnosen)
-ggf. weitere diagnostik (eben auch radio, ct, lufu, ekg, bga etc.): dies alles in absprache mit den nakoseleuten, was die haben wollen
-untersuchung (auch digital rektal ;-))
-labor
-blut für ek`s
-AUFKLÄRUNG

noch was?

Evil
01.08.2006, 15:34
Anamnese: die Patientin ist 3 Wochen vorher zu den Internisten im selben Haus stationär zur Abklärung von Stuhlunregelmäßigkeiten und positivem Haemoccult gekommen, koloskopisch wurde ein Rektum-CA (G2) 8cm ab ano diagnostiziert.
Im Abdomen-CT wurden keine vergrößerten Lymphknoten festgestellt, die Internisten haben sich auf T3N0M0 festgelegt.

Ansonsten ist sie Hypertonikerin, mit Beloc aber gut eingestellt.

Körperliche Untersuchung ist unauffällig bis auf die rektale Untersuchung, allerdings tastet Ihr nur eine kleine Verhärtung relativ weit proximal.

Wofür soll sie jetzt aufgeklärt werden? Was für Laborwerte wollt Ihr? Wieviele EKs sollen gekreuzt werden (ist in meinem Haus AUfgabe der Chirurgie)?
Und wie sieht die OP-Vorbereitung aus?

Janny
01.08.2006, 17:16
*vorsichtig aufzeig*
Bei T3N0M0 präoperativ und 8 cm ab ano macht man eine TME (totale mesorektale Exzision) samt Kolon-Pouch (und neoadjuvante Bestrahlung 5x5 Gy, oh Gott merke ich mir eine Sch€!$€), glaube ich.
Um den Pouch nach der OP erst mal zu schützen, brauchen wir ein vorübergehendes doppelläufiges Ileostoma, also müssen wir die Pat. darüber aufklären und die Stomaposition präop. anzeichnen.
An Laborwerten hätte ich gerne die üblichen Verdächtigen, also Blutbild, Elyte, CRP, Gerinnung (Quick, PTT, Thrombos) sowie Transaminasen, GGT, AP und um den Verlauf beurteilen zu können, CEA und CA 19-9. Dann natürlich noch die Blutgruppe für die EKs. Wie viele wir davon ordern, weiß ich allerdings nicht...
Ach ja, und zur OP-Vorbereitung müssen wir spülen.....von oben und von unten?
EKG hätt ich auch gern noch, aber die chirurgische Seite interessiert das eher weniger...

Evil
01.08.2006, 17:41
Bei T3 ist soweit ich weiß nicht unbedingt eine neoadjuvante Therapie nötig, und warum ein Pouch? Der Chef hält jedenfalls eine R0-Resektion für gut machbar.

Die Laborwerte krieg ich nicht mehr hundertprozentig zusammen, Hb war präop 12,4 mg/dl, Thrombos 230000,Leukos 7000, Gerinnung ok, E'lyte, Crea, Hst, Leberenzyme unauffällig, CRP 2,3 mg/dl, CEA war mäßiggradig erhöht.

Zahl der EKs hängt von der OP und dem AZ der Patientin ab, Routine sind 2 (damit wird natürlich auch die BG abgenommen).

Wenn wir kurativ operieren bei einer ansonsten relativ gesunden Patientin, welches Vorgehen bietet sich an (und das beeinflußt die Vorbereitung ganz erheblich)? Denk mal an die Überschrift ;-)

Doktor_No
01.08.2006, 17:55
häh? meinst du fast track mit vorgehen?
tme macht man beim rectum immer, in diesem fall ist eine tiefe anteriore resektion doch sinnvoll, schön mit stapleranastomose.
aufklären für AP ist klar, man weiß ja nie.
zum splülen gibts 2-3l ODS von oben und ein klysma für unten.
2 EK`s wie schon gesagt.
gyn standby für alle fälle könnte man noch organisieren, cystofix gibts intraop.

Doktor_No
01.08.2006, 17:56
ach ja, die endgültige histo kommt ja erst nach der op, dann kann man immer noch über einen port oder so diskutieren.

Evil
01.08.2006, 21:51
Genau, auf "Fast Track" wollte ich hinaus. Eben das erfordert interdisziplinäre Zusammenarbeit, wenn die die Patientin nämlich nachher nicht auf die Beine kommt, dann hat sich was mit "Fast Track".

Einzelheiten zum "Fast Track" im pdf-Anhang.
Zusammengefaßt geht es halt darum, daß die Patienten optimale Schmerztherapie mittels rückenmarksnaher Verfahren (PDA) bekommen, so daß sie weitgehend schmerzfrei am Tag nach der OP bereits wieder mobilisiert werden können und mit dem Kostaufbau beginnen. Planmäßig werden sie bei komplikationslosem Verlauf sogar schon am 4. Tag post-Op entlassen (jedenfalls in der Charité, bei uns eher am 7.-8.Tag), und das bei größeren Dickdarmresektionen!
Das setzt natürlich eine optimale Zusammenarbeit zwischen der Chrirurgie und der Anästhesie voraus, insbesondere, was den Heilverlauf angeht.
Denn wenn etwas nicht planmäßig verläuft, muß das SOFORT erkannt werden!

Also, in diesem Fall dann orthograde Darmspülung (bei Kolektomie würde man sogar die weglassen!) und Klysma, ansonsten siehe Anhang.
Operativ dann anteriore Resektion (kontinenzerhaltend und direkt anastomosierend), AP- Aufklärung für den Ernstfall ist gut, Gyn standby wäre beim uns übertrieben.

OK, das war die Chirurgie, jetzt ist der Anästhet gefragt, zu dem die Patientin als nächstes geschickt wird. Was macht der, worüber muß aufgeklärt werden?

Janny
01.08.2006, 22:22
*aufdenHinterkopfschlag* :-blush auf Fast-Track-Surgery hätt ich ja mal selber kommen können! Autsch!
Und zu meiner Verteidigun ;-) Unsere Kursleiter waren total versessen auf Pouch und vor allem auf protektives Stoma (wenn die Anastomose tief liegt)...aber nix für ungut!

Was die Anästhesie zu tun hat, steht in Evil's pdf-File (Thanks, Evil, ist echt nützlich!), und abschreiben trau ich mich nicht, dafür kriegt man doch ne Sechs ;-)

Evil
01.08.2006, 22:31
Da steht aber nicht, was Du evtl für Diagnostik haben möchtest... :-))

Janny
01.08.2006, 22:59
Hast ja recht....*schmoll*

agouti_lilac
01.08.2006, 23:01
Was ist denn mit Durchbruchsmedikation gemeint? Wenn der Schmerz trotz PDK zunimmt?

Evil
01.08.2006, 23:18
Genau, um den Schmerz zu durchbrechen... das sollte allerdings durch Bolusgabe und Erhöhung der Förderrate begleitet werden, gerade bei einer anterioren Resektion ist aber die vollständige Analgesie schwierig, weil der OP-Bereich des Darms tiefer geht (bis sakral) als der Bereich des Hautschnitts.

Doktor_No
02.08.2006, 08:51
noch mal was zu fast track: seitdem der herr an der charite sich darüber habilitiert hat hört man sehr weig dazu...
ist auch bei den niedergelassenen eher unbeliebt, weil kostenintensiv in der nachsorge.
outcome nicht unbedingt besser.
pdk bekommen bei uns auch fast alle die nicht fats track operiert werden.
nun will ich eure anästhetische diskussion nicht weiter stören ;-)

Feuerblick
02.08.2006, 09:24
Japp, Fast-Track klingt immer so nett, geht aber gerade bei älteren Patienten gerne mal daneben und ist wenig beliebt bei den Nachsorgenden. PDK ist bei uns aber üblich gewesen...

AP-Aufklärung habe ich bei größeren Darm-OPs eigentlich IMMER gemacht. Schiefgehen kann immer was oder der intraoperative Befund ist weniger nett als man vorher gedacht hätte. Und dann wacht der arme Patient auf mit nem Loch im Bauch und kriegt den Schreck seines Lebens... ;-)
Gyn in Stand-by vielleicht nicht, aber ich würde den Damen und Herren schon einmal ankündigen, dass eine tiefe anteriore Rektumresektion ansteht, damit sie sich auf eventuelle Anrufe ("Hilfe, da hängt was dran, was in euer Fachgebiet gehört!!!") schon einmal gefasst machen können. Tut mans nämlich nicht, ist garantiert was... :-))

Funkel, die gerade mal etwas Zeit hat für die Chirurgie :-D

Evil
02.08.2006, 09:34
Na, bei uns ist Fast-Track momentan immer noch der Renner, gerade auch für die anästhetische Seite, weil durch die Infusionsbegrenzung und standartisierte Schmerztherapie (da ist unser Haus sonst reichlich unstrukturiert) die Heilung verbessert und vor allem die Intensiv-Liegedauer verkürzt wird (in der Charité gehen die Pat sogar direkt aus dem AWR auf peripher). Außerdem ist die fehlende Darmreinigung und die bessere Ernährung viel angenehmer für den Patienten.

Und jetzt sind die Gasleute dran mit der Aufklärung und Prämedikation...

Doktor_No
02.08.2006, 16:49
bei uns gehen die fast tracker auch meist direkt auf peripher, oft genug aber dann wegen komplikationen auf its :-))