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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Jura-Student fragt die "Spezialisten"



RandySavage
04.08.2006, 02:15
Hey Leute!

Ich studiere an der Gutenberg-Universität Mainz Jura im 4.Fachsemester. Ich habe nun eine Hausarbeit zu schreiben, in dem es in einem Abschnitt um einen diensthabenden Sanitäter geht, der einen Notruf trotz eindringlicher Schilderung der Sachlage (Patient liegt im Sterben) nicht ernst nimmt, weil der Anrufer aus Angst vor Strafverfolgung seine Personalien nicht nennen will und der Sanitäter daher an einen nicht das erste Mal vorkommenden Notrufmissbrauch glaubt. Der Sanitäter legt auf, der Patient verstirbt an den Folgen eines Messerstiches.

Fraglich ist nun

a) ob der Sanitäter eine Garantenstellung innehat (größere Pflichtstellung als der "Normalbürger"), oder ob man ihn als Sanitäter im Vergleich zu einem "richtigen" Klinikarzt doch nur wegen unterlassener Hilfeleistung "drankriegen" kann, sowie

b) ob er aufgrund der zwanghaft gewollten Anonymität des Anrufers (trotz der eindringlich geschilderten Sachlage) einen Scherzanruf annehmen und daher auflegen darf.

In der Hausarbeit sind dies Wertungsfragen und mit entsprechenden Meinungsnachweisen wäre wohl vieles vertretbar.

Es wäre aber schön, wenn einige hier dazu einmal ihre Sicht schildern würden, denn ich nehme mal an, dass auch Medizin-Studenten nicht ganz ohne diese rechtlichen Fragen auskommen!

Dr. Pschy
04.08.2006, 09:57
Ich versteh die Ausgangslage nicht. Notrufe laufen in Deutschland in der Rettungsleitstelle auf. Die sind aber in der Regel mit Rettungsanitaetern und Rettungsassistenten besetzt, daher geh ich mal davon aus dass der Anruf in der Leitstelle auflaeuft?

Falls das so ist, steht der Disponent auf jeden Fall in der Pflicht. Er ist verpflichtet, auf jeden Fall das fuer ihn am geeignetsten erscheinende Rettungsmittel loszuschicken, egal ob der Anrufer auf ihn einen Scherz-Eindruck macht oder nicht. Tut er das nicht, macht er sich auf jeden Fall strafbar. Ist am Telefon die Notlage mit einer schwer verletzten Person herauszuhoeren ist zwingend ein Rettungswagen + Notarzt zu alarmieren, unabhaengig davon ob der Anrufer seine Personalien angibt oder nicht.

Generell zur Garantenstellung von Rettungsdienstmitarbeitern:

Sanitaeter, die als solche klar ersichtlich sind, weil sie z.B. im Rettungswagen vorfahren oder eindeutig an der Dienstkleidung zu identifzieren sind, haben eine Garantenstellung. Sie sind verpflichtet, alles ihnen moegliche und rechtlich zustehende zu tun, um die Gefahr oder den Schaden vom Patienten abzuwenden. Dabei ist es NICHT verpflichtend, im Dienst zu sein! Wenn ein Sanitaeter privat zu einem solchen Geschehen hinzukommt und z.B. mit seiner RD-Jacke das Auto verlaesst und deshalb anzunehmen ist, dass er Sanitaeter ist, greift die Garantenstellung ebenso.

Zu b):

Wenn der Anruf in der Leitstelle auflaeuft, muss ihn der Disponent wie einen ernsthaften Fall behandeln, egal ob er einen Verdacht auf Scherzanruf hat oder nicht, siehe oben. Laeuft ein solcher Anruf privat auf, entsteht eine solche Abhaengigkeit nicht. Selbst wenn der Anrufer direkt in einer Rettungswache anrufen wuerde waere es rechtlich ausreichend, wenn der diensthabende Sanitaeter den Anrufer auf die Rettungsleitstelle verweist. Das muss er schon dahingehend tun, da kein Rettungsmittel die Wache verlaesst ohne vorher von der Leitstelle alarmiert zu sein. Eigenmaechtige Touren gibts nicht.

RandySavage
04.08.2006, 10:10
Danke für Deine umfassende Antwort!!! :-top

Ja, es wird wohl die Rettungsleitstelle sein (er wählt 112 und es ist vom "diensthabenden Sanitäter" die Rede), Juristen (und damit die Fallsteller) haben von solchen Termini keine Ahnung.

Dr. Pschy
04.08.2006, 11:08
Damit ist die Ausgangsposition ja geklaert und der Sachverhalt ist so, wie oben beschrieben.
Ein Leitstellendisponent darf niemals auch einen noch so deutlich als Scherzanruf deklarierten Notruf unter den Tisch fallen lassen, sondern muss immer ein passendes Rettungsmittel entsenden. Aus diesem Grund werden auch alle Anrufe (der Funk sowieso) gespeichert und eine gewisse Zeit gelagert, um im Nachhinein Rechtssicherheit zu haben.

dingdong
04.08.2006, 15:37
von Scherzanrufen kann man im Grunde ja nur ausgehen, wenn am Telefon eine Stimme (ziemlich) eindeutig als die eines Kindes zu identifizieren ist, die nur sagt "Hallo hier brennts" und auflegt...vom obligatorischen Lachen der Freunde im Hintergrund ganz zu schweigen...

aber selbst in solchen Fällen bleibt dem Disponenten ja die Möglichkeit zurückzurufen und der Sache auf den Grund zu gehen...

klingeling

shockrocker
08.08.2006, 15:29
Sie sind verpflichtet, alles ihnen moegliche und rechtlich zustehende zu tun, um die Gefahr oder den Schaden vom Patienten abzuwenden. Dabei ist es NICHT verpflichtend, im Dienst zu sein! Wenn ein Sanitaeter privat zu einem solchen Geschehen hinzukommt und z.B. mit seiner RD-Jacke das Auto verlaesst und deshalb anzunehmen ist, dass er Sanitaeter ist, greift die Garantenstellung ebenso.

das ist so ne sache - in bayern gabs letzt so nen fall, bei dem ein gynäkologe irgendwo privat an nem see rumgeeiert ist und zu nem bewusstlosen kind gerufen wurde. er hat es für tot gehalten un nich reanimiert, der gerufene notarzt hat es zurückgeholt, es hat aber bleibende schäden davon getragen.... die eltern ham den gyn dann verknacken wollen. ich hab leider kein az vom urteil (stand vor ~1 woche bei n-tv.de), aber das gericht hat festgestellt, dass ein arzt außerhalb vom dienst wie der 'normal'bürger gestellt ist - u.a. wegen fehlender medizinischer ausrüstung.

zum fall: ich seh das auch so, dass der sani auf jedenfall hilfe schicken muss. mißbrauch is strafbar, insofern hat der scherzanruffuzzi das problem, wenn der notarzt&co ausrückt ohne grund...

gruß
shockrocker

Duncan84
08.08.2006, 20:01
Das habe ich aber anders gelernt. Für einen Arzt gilt die Garantenstellung nochmals bedeutend schärfer, nämlich immer und überall. Selbst am Strand in Badehose muss er alle ihm möglichen Maßnahmen durchführen und dazu gehört eine Reanimation definitiv. Dafür brauch man nämlich keinen Arztkoffer. (Arme wird er ja gehabt haben, oder?)

Ganz davon abgesehen ist es beschämend, wenn ein Arzt keine sicheren Todeszeiche (oder eben ihr Fehlen) erkennen kann. Bei Fehlen dieser gilt immer: Reanimation! Und gerade bei einem Kind macht man sich doch lieber einmal mehr die Arbeit... tz.

Dr. Pschy
08.08.2006, 20:07
Genau meine Meinung.

Im uebrigen hab ich geschrieben, dass die Garantenstellung fuer Sanis gilt, sobald er als solcher erkenntlich ist. Wenn ich zu nem VU privat dazukomm werd ich mich persoenlich hueten meine RD-Jacke auszupacken (von der Warnweste mal abgesehen), ich giess mir doch im Zweifel nicht selber die Fuesse in Beton. Wer weiss wer da hinterher alles kommt und sagt "na da war aber ein sani als Ersthelfer da, der hat nicht richtig geholfen, haette er das naemlich getan wuerde meine Tochter noch leben!" Und dann geht die Kacke erst richtig los...

THawk
08.08.2006, 22:27
zu der Gynäkologen-Rea: http://www.rippenspreizer.de/forum/showthread.php?s=&threadid=6238&highlight=Gyn%E4kologe

papri005
08.07.2008, 19:11
Hallo,
wir suchen eine Person, die "Deutsch für Juristen" im Einzeltraining vermitteln könnte (Mainz/Frankfurt).

Über eine Antwort würden wir uns freuen.

Kontakt unter:
www.evolanguage.de

Meuli
08.07.2008, 19:26
Ähm, das hier ist ein Mediziner-Forum. Wir können den Juristen höchstens Mediziner-"Deutsch" beibringen ... :-)) ;-)